Pomologische Monatshefte:1. Band:7. Heft:Vieljährige Erfahrungen, wie hochstämmige Obstbäume auf’s Schönste und Nützlichste erzogen werden können

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 7, Seite 343–344
von Hayder
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Ueber ein sehr zweckmäßiges Material zum Binden bei Veredlungen
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Pomologische Lesefrüchte, gesammelt aus den Frauendorfer Blättern
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Vieljährige Erfahrungen, wie hochstämmige Obstbäume auf’s Schönste und Nützlichste erzogen werden können.
Vom Hrn. Kirchenpfleger v. Hayder in Biberach.

Seit mehr als 30 Jahren beschäftigte ich mich in meinem Garten mit der Obstbaumzucht, als meinem Lieblingsgeschäfte, sammelte mir unter Benützung der vorzüglichsten pomologischen Schriften (von Christ, Dittrich, Hinkert, Geiger, Lucas u. a. m.) theoretische und praktische Kenntnisse, und vermehrte meine Bäume mit den besten und nutzbarsten Obstsorten, mittelst Veredlung auf Wildlinge und in die Krone hochstämmiger [344] Bäume, durch den Rehschnitt, in die Rinde und in den Spalt. Um nun dieselben zu kräftigen Stämmen heranzubilden, die Tragbarkeit zu bewirken, und den Safttrieb zu vermehren, ließ ich dieselben im Herbst, wenn das Laub abgefallen ist, rings um den Stamm 2′ im Durchmesser aufhacken, vom Unkraut fleißig reinigen, den aufgehackten Boden mit einem eisernen Wegrechen überrechen, so daß derselbe gegen den Stamm abschüssig, gleichsam schüsselförmig wurde, damit die Flüssigkeit des Düngers sich demselben mehr zuziehen konnte, sodann wurde mit dem Rechenhaupt rings um den überrechten Boden ein tiefer Ring eingedrückt, daß die Feuchtigkeit sich auch den entfernteren Wurzeln mittheilt, und zuletzt wurde der überrechte Boden mit einem fetten verrotteten Kühdünger dicht etwa ½–1′ hoch belegt, und den Winter über bis in das Frühjahr liegen gelassen, wo dann durch das Schneewasser bei Thauwetter der ausgelaugte Düngerstoff sich den Wurzeln mittheilte und selbige befeuchtete. Im folgenden Frühjahr, bei trockener Witterung, wurde der ausgelaugte Dünger klein zerhackt und mit der Erde vermengt, sodann aber wie im Herbst überrechet. Dadurch erhalten die Obstbäume gehörige Nahrung, und bewirken eine ungemeine Triebkraft, sowie auch reichliche Tragbarkeit.

Um nun auch den jüngst gesetzten Obstbäumen eine schöne kugelförmige Form zu geben, müssen die jährigen Triebe bis auf ein Drittel oder zur Hälfte zurückgeschnitten werden. Diese Verfahrungsart muß bis in’s 4te und 5te Jahr fortgesetzt werden, um recht schöne kugelförmige Hochstämme zu erziehen, wodurch dieselben frühzeitig tragbar werden, und ihre Früchte an den erstarkten Zweigen leicht tragen können, welches bei langgabelichten Holzästen weniger der Fall ist. Bei den älteren tragbaren Obstbäumen ließ ich vermittelst einer hohen Leiter auch selbst die jährigen Triebe auf 6–12 Augen zurückschneiden, um theils den Baum zu verjüngen, theils den flüssigen Saft mehr in die Tragzweige zum Fruchtansatz zu lenken. Diese Verfahrungsart bewies sich besonders im vergangenen Jahr, wo leider in Schwaben beinahe allgemein der Obstertrag sehr sparsam ausfiel, als sehr praktisch, auch selbst in meinem Garten, bei dem ohnehin nicht ganz günstigen Geröll-haltigen Boden.

Außer dieser angeführten Verfahrungsart wendete ich alle Vorsicht an, um meine Bäume gesund und kräftig zu erhalten. Im Frühjahr ließ ich dieselben vermittelst einer Baumscharre vom Moos und struppiger Rinde sorgfältig reinigen, und nachher mit einer Gießkanne von der Krone abwärts mit Fluß-, oder noch besser mit Cisternenwasser, welches mit Kalkmich vermischt wurde, um die Insektenlarven zu vertilgen, übergießen.

Daß diese Methode sehr praktisch, und eine weitere Anpreisung überflüssig ist, wird jeder Baumzüchter, bei zweckmäßiger Anwendung, durch den augenscheinlichen Nutzen erfahren.

Während dem Eintritt der Blüthe, welche sich ungleichzeitig bei den früheren Obstsorten schon Anfangs Mai, bei den späteren aber Mitte, oder Ende Mai einstellt, ist es bei trockener Witterung in meinem Boden sehr zweckmäßig, daß Kern- wie Steinobstbäume um den Stamm herum Abends bei Sonnenuntergang mit Flußwasser successiv begossen werden, welches den Stamm und die Wurzeln erfrischt, und den durch anhaltende Sonnenwärme stockenden Saft mehr in Fluß bringt, und auf die Ausbildung der Blüthenorgane wohlthätig einwirkt.