Pomologische Monatshefte:1. Band:8. Heft:Verfahren zur Vertilgung der Ohrwürmer

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 8, Seite 385–388
Johann Georg Conrad Oberdieck
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Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen
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Benützung desselben Obstes zum Dörren und Mosten
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Verfahren zur Vertilgung der Ohrwürmer.

Der Ohrwurm muß mit unter die für den Gartenbau schädlichsten Insekten gerechnet werden, und nicht bloß die Georginen- und Nelkenliebhaber fürchten mit Recht seinen zerstörenden Zahn, sondern auch der Obstfreund muß oft mit Verdruß sehen, wie schöne Früchte, namentlich die mit Mühe gezogenen Pfirsichen und Aprikosen, im gleichen die Weintrauben von diesen Thieren angenagt werden, und dann meistens rasch und vor voller Reife faulen, wodurch nicht selten, wenn die Thiere häufig sind, der größere Theil der gewonnenen Früchte zerstört wird. Ihre Vertilgung ist um so schwieriger, da sie nur bei Nacht auf ihren Raub ausgehen, und die bisher zu ihrer Vertilgung empfohlenen Mittel sind sehr unzureichend; denn wenn auch in Blumentöpfchen oder Schweinsklauen, die man auf die Stäbe der Georginen hängt, Hunderte von diesen Thieren gefangen werden, so schlägt das wenig an, wenn ein einziger Garten von mäßiger Größe deren vielleicht hunderttausend beherbergt.

Ich fing den Krieg gegen sie zuerst in Bardowick an, als mir durch Thiere, die ich mit der größten Sorgfalt nicht entdecken konnte, selbst die Blätter meiner Pfirsichbäume nach und nach ganz abgefressen wurden, so daß diese fast kahl dastanden. Ich suchte endlich die Thäter Abends mit der Leuchte, und fand an jedem Blatte oft ein Dutzend schon ziemlich ausgewachsener Ohrwürmer sitzen. Sie mit den Fingern zu zerdrücken fruchtete zu wenig, und da ich bemerkt hatte, daß sie sich besonders gern in den Feldern der gelben Wurzeln (Möhren) aufhielten machte ich den Versuch, in die Bäume Bündel von Kraut der in der Küche verbrauchten Wurzeln in größerer Zahl und so, daß sie leicht und ohne Erschütterung weggenommen werden konnten, zu legen, die bei Tage schattig und etwas feucht aufbewahrt und gegen Abend an den Bäumen angebracht, nach 8 bis 10 Tagen [386] aber durch neue Bündel ersetzt wurden. Abends wurde nun Wasser in einem größeren kupfernen Kessel heiß gemacht, das mein Bursche mir nachtragen mußte, und nahm ich, etwa um 9 Uhr Abends, bei einer Leuchte die Bündel leise von den Bäumen weg, und schüttelte sie über dem Kessel, wodurch nicht selten zwei gute Hände voll Ohrwürmer an jedem Abend getödtet wurden. Morgens fanden sich nur noch einzelne Thiere zwischen dem Wurzelkraute, Abends aber desto mehrere, wenn die Bündel schon mehrmals gebraucht und etwas welk waren, indem der Ohrwurm sich immer gern dahin zieht, wo er selbst und seine Genossen schon früher gewesen sind. Im nächsten Frühlinge suchte ich schon die jungen Ohrwürmer zu zerstören, solange sie in der Erde noch nesterweise beisammen lebten, und ließ deßhalb die Erde an Planken und Gebäuden langsam und flach umgraben und die gewöhnlich in ziemlicher Zahl (oft gegen 100) zu Tage kommenden jungen Ohrwürmer tödten, wobei ich bemerkte, daß bis gegen Johannis hin immer noch ein ober mehrere Alte bei den jungen Thieren waren. Auch ließ der Umstand, daß es bis gegen Johannis nicht selten noch Nester von ganz kleinen Ohrwürmern gab, während die erste Brut schon mehr herangewachsen war und sich nicht in die Erde verkroch, sondern schon Schlupfwinkel über der Erde suchte, mich glauben, daß der Ohrwurm wahrscheinlich mehrmals in demselben Frühlinge Eier legt. War aber auch auf diese Weise eine nicht geringe Zahl von Ohrwürmern schon jung zerstört, so bemerkte ich doch bald, daß diese Thiere im Garten noch sehr häufig waren, da ein warmer Frühling ihrer Vermehrung wieder sehr günstig gewesen war, denn nur größere Nässe schon im Mai vermindert, nach meinen Wahrnehmungen ihre Zahl; jedoch scheinen die Einflüsse der Witterung umfassendere Zerstörungen unter ihnen fast nie herbeizuführen. Des Abends mit der Leuchte auf ihren Fang auszugehen war zu umständlich, und mußte Bedacht darauf genommen werden, Dinge aufzufinden, in welchen sie sich gegen Morgen in größerer Zahl, als in Schweinsklauen oder aufgehängten Blumentöpfchen, verkriechen möchten, um sie bei Tage zerstören zu können. Der Zufall ließ mich bald entdecken, daß sie in beträchtlicher Zahl in das Geflechte alter Unkrautskörbe, mit etwas breitem Geflechte (aus gespaltenen Weidenruthen) sich verkrochen, und ebenso in größerer Zahl zwischen alten Zeuglappen saßen, die etwas länger auf oder in Stachelbeerbüschen oder anderem Gebüsch gehangen hatten. Es wurden daher möglichst viele alte Körbe zusammengebracht und an verschiedenen Stellen des Gartens hingestellt, namentlich auch in der Nähe von Gebüschen und zwischen dem heranreifenden Spinat, indem ich wahrnahm, daß in diesem die Ohrwürmer sich vorzüglich häufig aufhielten. Hatten die Körbe einige Tage an ihrer Stelle ruhig gestanden, so wurden sie Morgens auf einem freieren und ebenen Flecke im Garten mehrmals gegen die Erde gestoßen, wornach die ganze Erde oft mit Ohrwürmern so bedeckt war, daß mehrere Personen die Füße kaum geschwind genug rühren konnten, um die Thiere zu zertreten, ehe sie entkamen. Das Zertreten wurde dadurch erleichtert, daß die Thiere in der großen Mehrzahl stets auf den nächsten dunkeln Gegenstand, das Haus, das nächste Gebüsch, zuliefen. Selbst beim zweiten und dritten wiederholten Aufstoßen der Körbe auf die Erde bedeckte sich diese immer noch mit zahlreichen Ohrwürmern, und waren die Körbe erst einmal ein Schlupfwinkel vieler Ohrwürmer gewesen [387] so saßen sie oft schon eben so voll wieder, wenn sie auch nur eine oder zwei Nächte an einem andern Orte gestanden hatten. Auch durch das Ausschütteln der etwas faltig hingehängten Lappen, wenn diese einige Zeit lang ruhig gehangen hatten, wurden viele Ohrwürmer gefangen. Ich fand mit der Zeit, daß das Korbgeflechte durch allerlei andere Gegenstände ersetzt werden könne, welche den Thieren Schutz gegen Licht und Nässe gewähren. Sie verkrochen sich zahlreich in zusammengebundene Bündel von Zweigen von geschorenen Hainbuchenhecken, von Mohnstängeln und den Stängeln der Gartenbohnen, in Bündel von zusammengebundenem und gedrehtem Stroh ausgezogener, reifender Erbsen, selbst von bloßem Stroh, indem sie in allen diesen Dingen, sobald sie etwas welken, zugleich noch Nahrung zu finden scheinen. Derartige Bündel ließ ich später, wenn die Ohrwürmer im Garten sich mehrten, in größerer Zahl in Hecken, Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche, ins Gebüsch, namentlich auch von Ende Juli an, wenn die Thiere schon etwas herangewachsen sind, und ihre Schlupfwinkel nicht mehr vorzugsweise in der Nähe der Erde suchen, zwischen die Zweige der Spaliere von Pfirsichen, Aprikosen, Schattenkirschen und in die Weinstöcke legen, und Morgens an einer freien ebenen Stelle im Garten so lange gegen die Erde stößeln, bis nur noch wenig Ohrwürmer herausfielen. Geschieht dieß anfangs langsam und nicht zu oft wiederholt, so kann Eine Person die herausfallenden Thiere leicht nach und nach zertreten. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich annehme, daß auf diese Weise mehrmals in Einem Sommer 60000 bis 80000 Stück Ohrwürmer getödtet worden sind, wornach der Garten denn für einige Jahre vor ihnen größere Ruhe hatte, und jährlich nur gesorgt wurde, sie durch angehängte Bündel von Laubwerk, Erbsenstroh und dergleichen in der Nähe von Pfirsich- und Aprikosenbäumen, auch Weinstöcken, wegzufangen. Man macht solche Bündel am besten mäßig dick, damit beim Aufstoßen gegen die Erde die Thiere desto leichter herausfallen und genügt es z. B. von Erbsenstroh ein so dickes Bündel zusammenzubinden, daß man es noch mit beiden Händen umspannen kann. Georginenliebhaber können auch diese Thiere im ersten Frühlinge in größerer Zahl wegfangen, wenn der gewöhnlich an den aufgenommenen Georginenknollen stehen gebliebene, oben offene und unten verschlossene Theil des Stengels mit der Oeffnung an die eingesetzten Pflanzen gelegt wird, an denen sich Spuren des Nagens der Ohrwürmer zeigen, oder wenn noch besser solche Stengel neben den angenagten Pflanzen schräg in die Erde gesteckt werden, so daß die obere Oeffnung fast mit der Erde gleich steht, indem dann nach einigen Tagen sich oft ein paar hundert junge Ohrwürmer in diese Stängel verkrochen haben und herausgeschüttelt werden können. Später halten sich die schon zur Vollkommenheit gelangten Ohrwürmer gern in den verblühten Blumen der Georginen auf, und können, wenn diese abgepflückt werden, herausgeschüttelt und zertreten werden. Gegen den Herbst ist diese Arbeit nicht ohne Frucht, indem mit jedem alten Weibchen ganze Bruten für das nächste Frühjahr zerstört werden. Man hat, um die alten Ohrwürmer im beginnenden Frühlinge, ehe sie noch Eier gelegt haben, wegzufangen, auch angerathen, bei weicher Witterung im März Stücke von Aepfeln, Birnen, Wurzeln etc. auf den Feldern umherzulegen, und sie an demselben Abend, bei einer Leuchte zu fangen. Mit gehöriger Sorgfalt fortgesetzt, [388] wird dieses Verfahren allerdings wirksam werden, ist aber, zumal bei noch herrschender rauher Witterung, mühsam. Dagegen ist es nicht überflüssig, die Leute welche den Garten umgraben, anzuweisen, jeden zu Tage kommenden Ohrwurm zu tödten.

Jeinsen, 14 Juli 1855.

O.