Pomologische Monatshefte:1. Band:9. Heft:Weitere Nachricht von den Erfolgen des neuen Umpflanzens meiner jungen Obstbäume

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 9, Seite 419–423
Johann Georg Conrad Oberdieck
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Notizen über die Dauerhaftigkeit mehrerer Kernobstsorten
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Einige nachträgliche Bemerkungen zu einigen im 5. und 6. Hefte der Monatsschrift erschienenen Aufsätzen
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Weitere Nachricht von den Erfolgen des neuen Umpflanzens meiner jungen Obstbäume, die 1854 um Johannis noch nicht ausgetrieben hatten.

Im II. Hefte der Monatsschrift (S. 60) habe ich Nachricht gegeben von einem im Großen angestellten und sehr gelungenen Versuche, meine verpflanzten Baumschulenstämme, die noch um Johannis v. J. schliefen, durch neues Umpflanzen, verbunden mit neuem Beschneiden der Wurzeln und Einschlämmen derselben, in Trieb zu bringen. Ich versprach von den Erfolgen dieser Operation, nach überstandenem Winter, von dem ich fürchtete, daß er den noch zu jungen Wurzeln und Trieben leicht gefährlich werden möchte, später weitere Nachricht zu geben, und versäume dieß um so weniger, da selbst nach einem strengen Winter, der an vielen Orten die Baumschulen ziemlich beschädigt hat, und auch mir mehr als ein Dutzend junger, in vorigem Sommer gleich anfangs hinreichend ausgetriebener, mithin nicht nochmals umgepflanzter, früher, recht kräftiger Stämme getödtet hat, der Erfolg sich als ein äußerst günstiger zeigt. Das vorgenommene Umpflanzen würde ohne Zweifel fast ohne Ausnahme den Bäumen das Leben gerettet und sie in kräftigen Trieb gebracht haben, wenn es früher geschehen wäre, da namentlich die zuerst, etwa 14 Tage vor Johannis noch umgepflanzten Stämme, deren Rinde schon anfing welk zu werden, jetzt im kräftigsten Wuchse stehen.

Bald nach Michaelis v. J. ging ich die ganze Baumschule durch und bezeichnete mir mit verschiedenen Zeichen alle diejenigen umgepflanzten Stämme, die auch bis dahin noch keine merklicheren Triebe gemacht, sondern entweder nur Blätter getrieben, oder noch ganz junge, theils selbst erst beginnende [420] Triebe gemacht hatten. Ihre Zahl war, da zu viele Stämme erst Ende Juli oder Anfangs August umgesetzt waren, immer noch ziemlich beträchtlich, und ging merklich über 100, ja wohl über 150 hinaus. Ich hegte anfangs die Absicht, ein paar Dutzend dieser Stämme, deren Verlust Lücken in meinem Sortimente herbeizuführen drohte, herauszunehmen und frostfrei zu durchwintern; doch fehlte es dazu an einem passenden Lokale, zumal viele dieser Stämme schon ziemlich herangewachsen waren; auch trat schon früh Frost ein, und war dann bis Neujahr die Witterung so naß und kalt, daß man draußen ohne Gefahr für die Gesundheit selten ausdauern konnte, und da auch der Boden der Baumschule häufig durch Regen sehr schmierig war, um ohne Beschwerde zu den Bäumen kommen zu können, und das Verziehen stärkeren Frostes einen gelinden Winter hoffen ließ, blieben schließlich alle stehen. Nur so viel konnte ich thun, daß ich von ein paar Dutzend Stämmen, mit deren Eingehen auch die Sorte aus meiner Baumschule verloren gegangen wäre, so gut es sich thun ließ, Reiser nahm (häufig zweijähriges Holz), und diese auf junge Wildlinge setzte, die in Töpfen auf dem Blumenzimmer durchwintert wurden und im Frühlinge auch meistens gekommen sind. Mit dem Januar trat dennoch unerwartet ein strengerer Winter ein, der – wie wohl ziemlich überall in Deutschland der Fall gewesen sein wird – mit geringen Unterbrechungen bis zum März fortdauerte, ja selbst im März noch häufig Schnee und Frost, und im April wenigstens noch herrschende kalte, häufig naßkalte Witterung zur Folge hatte, so daß die Vegetation sich nur sehr langsam im Frühlinge entwickelte und die Blüthe der Kirschbäume erst um die Hälfte des Mai eintrat. Dieser nur sehr allmähliche Eintritt der Frühlingswärme mag überall, und so auch in meiner Baumschule für das Leben der durch Frost beschädigten Obstbäume heilsam eingewirkt haben; indeß hatten wir hier doch mehrmals auf etwas längere Perioden eine Kälte von 12–15 Graden Reaumur[WS 1], die einmal auch fast 24 Stunden auf 18°[WS 2] und später, doch nur eine halbe Nacht hindurch, auf 22°[WS 3] stieg, und konnte der Frost, zumal auch der Schnee nicht hoch lag, tief genug eindringen, so daß namentlich alle noch schwach bewurzelten Stämme in meiner Baumschule eine harte Probe zu bestehen hatten. Es sahen auch im März und April die Reiser gar mancher Kirschen- und Birnensorten innen so bräunlich und schwärzlich aus, und zeigten selbst manche Apfelreiser ein so verdächtiges, wäßriges Aussehen, daß ich schon sehr geneigt war, sehr viele Stämme oder ganze Sorten, und namentlich die obgedachten, schwachen Stämme sämmtlich für verloren anzusehen. Dennoch ergibt die in diesen Tagen vorgenommene neue Durchsicht der Baumschule, daß kaum ein paar Dutzend von diesen schwachen Stämmen ganz eingegangen sind; nicht wenige sind in ihrer ganzen Länge sehr gut ausgeschlagen, andere zwar bis gegen die Erde hin erfroren, doch so, daß sie über der Pfropfstelle kräftig wieder ausgeschlagen sind, sei es, daß hier dennoch der Schnee geschützt hatte, sei es, daß überhaupt in dem Stamme näher zur Wurzel hin das Leben und die Saftcirculation kräftiger blieb und dem Froste mehr Widerstand leistete. Einzelne darunter haben noch so zarte, wenn gleich kräftig sich entwickelnde Triebe, daß sie erst gegen Johannis ausgeschlagen sein können, und zeigt überhaupt in dem bessern hiesigen Boden die Baumschule durchweg einen so kräftigen Trieb, daß sehr viele Stämme jetzt, 14 Tage nach Johannis, schon [421] längere und zahlreichere Triebe haben, als sie in dem Nienburger Boden im ganzen Sommer machten. Ich habe durch meine voriges Jahr unternommene Operation daher nicht nur sehr viele schon mehr herangewachsene Stämme am Leben erhalten, sondern vor allen Dingen erlangt, daß der Verlust an Sorten in der Baumschule ein sehr geringer ist, und werden selbst die verloren gegangenen wenigen Sorten durch pomologische Freunde wieder größtentheils ersetzt werden können.

Merkwürdig war es mir insbesondere, daß 4 junge Hochstämme in diesem Frühling kräftig ausgeschlagen sind (darunter van Hoeck’s Pommeranzenbirn und Kick’s Flaschenbirn), die ich im vorigen Sommer selbst durch wiederholtes Umpflanzen nicht in Trieb bringen, sondern nur am Leben erhalten konnte, so daß sie den ganzen Sommer ohne alles Laub standen. Ein paar andere derartige Bäume, die wenigstens noch Ansatz zum Triebe und einzelne kleine Blättchen gemacht hatten, sind dagegen ganz eingegangen. Auch eine durchgekommene, am Rande einer Terrasse stehende und daher den Wirkungen des Frostes sehr exponirte Quitte war mir merkwürdig. Sie wurde erst gegen Ende August und nur einmal umgesetzt, trieb mit Anfang September aus und machte noch 4–6 Zoll lange, aber dünne Triebe. Ihr Holz ist im Winter bis gegen die Erde hin erfroren; da aber trieb sie im Frühlinge bald aus und hat jetzt 2 Fuß lange Triebe.

Erfreulich war es mir, bei der Revision der Baumschule zu bemerken, wie unter den sehr schwach in den Winter gekommenen, aber jetzt gut ausgeschlagenen Stämmen die Mehrzahl solchen Sorten gehörte, die man als besonders schätzbar für unsere Gegenden betrachten muß. Dahin gehören z. B. Harlemer Reinette, Englische Winter-Goldparmäne, Lütticher platter Winter-Streifling, Charlamowsky, Braunauer Rosmarinapfel, Herrn Dr. Liegel’s Brünerling (für die tragbarste unter allen Sorten von ihm erklärt; nach den Trieben möchte ich vermuthen, daß es Crede’s blutrother Wintertäubling sei), Reinette von Orleans, Winterdechantsbirn, Englische Sommer-Butterbirn, Grumkower Winterbirn, Kick’s Flaschenbirn, Colomas Herbstbutterbirn, Rothbackige Sommer-Zuckerbirn, Beurré blanc, Gönnersche-Birn, Gute graue, Erzherzogsbirn, Schönste Winterbirn, Frankenbirn etc.

Versuche zu machen, wie ich nach meinem früheren Aufsatze beabsichtigte, welche Resultate es haben würde, wenn in diesem Frühling auch solche Stämme nochmals umgepflanzt würden, die in vorigem Jahre nicht umgesetzt wurden, aber keine Triebe, sondern nur Blätter machten, um zu sehen, wie diese sich gegen die voriges Jahr umgesetzten und gegen nicht versetzte auch nur zur Blattbildung voriges Jahr gelangte Stämme verhalten würden, erlaubte in diesem Frühlinge die Zeit nicht, da ich bei dem späten Eintritte des Frühlings bis in den halben Mai hinein alle disponible Zeit verwenden mußte, um nur die Baumschule und die Probebäume erst wieder gehörig zu complettiren. Wohl aber habe ich noch vor 10 Tagen einen derartigen Versuch mit einem früher in Nienburg recht kräftigen, schon ziemlich starken Hochstämme von Colomas Herbst-Butterbirn gemacht, der von eben so schnellem Erfolg begleitet gewesen ist, als das Umpflanzen der ersten [422] Stämme in vorigem Jahre. Der Stamm wurde mit mehreren großen Pyramiden, die alle gleich ihm mit möglichst großer Wurzel herausgenommen waren, gleich im Herbste 1853, nachdem die Bäume hier angekommen waren, sehr sorgfältig, in gut zubereitetem Erdreich nahe beim Hause gepflanzt, von mir selbst an Wurzeln und Zweigen beschnitten und stark eingeschlämmt. Er trieb dennoch im Frühlinge 1854 nur sehr spärlich aus und stand den Sommer über nur mit einigen immer wie welk aussehenden Blättern da. In diesem Frühling schien er Anfangs kommen zu wollen, machte jedoch nur 2–3 kleine, 1–2 Zoll lange, wie welkend aussehende Triebe und übrigens nur wieder eine geringe Anzahl kleiner, bald wieder wie welkend aussehende Blätter. Auch zweimaliges, ziemlich starkes Düngen mit Jauche, sowohl im Mai, als 14 Tage vor Johannis, wobei die Erde neun Zoll hoch um den Stamm weggenommen, und der Jauche viel Wasser nachgegossen wurde, um sie zu den Wurzeln zu führen, brachte ihn nicht in besseren Trieb, ja vor 10 Tagen bemerkte ich, daß seine etwas größer (wegen großer Wurzel) gelassenen Kronenzweige, anfingen herabzusterben und die Rinde am Stamme zwei größere todte, vertrocknete Stellen hatte, deren Ausschneiden bis auf’s lebende Holz zwei große Wunden herbeiführte. Er wurde daher wieder herausgenommen, wobei die Wurzel sich ganz unverdorben und beim Abschnitt von guter Farbe zeigte, aber auch nicht die allergeringste Faserwurzel gemacht hatte. Wurzel und Krone wurden neu beschnitten, alle sich findenden kleinen Blätter abgeschnitten, alle Wunden an Stamm und Zweigen mit Baumwachs bestrichen und der Stamm nun wieder eingesetzt und gut eingeschlemmt, wobei dem Wasser eine mäßige Portion Jauche zugesetzt wurde. Schon nach fünf Tagen zeigte sich nicht bloß an den Zweigen, sondern in der ganzen Länge des Stammes häufige Knospenbildung und steht er nach vierzehn Tagen jetzt schon mit langen, starken, bereits in Blättern ausbrechenden Knospentrieben so weit treibend da, daß ich gar nicht zweifeln kann, er werde in diesem Sommer noch gute, reif werdende Triebe machen. – Hätte ich dieselbe Operation mit diesem Stamme, sowie mit einer herrlichen Pyramide der Salis und mit zwei schönen Hochstämmen der Winter-Nelis und Hoyerswerder, die auch schon im Herbste 1853 gepflanzt waren und im Frühlinge 1854 nur schwach trieben, gleich im Frühlinge 1854 vorgenommen, so würden ohne Zweifel alle jetzt freudig grünen, während die letztgedachten Stämme durch den Frost an der Rinde des Stammes so beschädigt sind, daß sie in diesem Frühlinge bald eingingen. Auch mit Pfropfreisern von Pflaumen, die grün geblieben waren, ohne austreiben zu wollen, habe ich gegen Johannis einen analogen Versuch, wenn auch nur im Kleinen gemacht, ob sie kommen würden, wenn sie nochmal ausgesetzt würden und Reis und Stamm frischen Anschnitt erhielten. Von sechs nochmals aufgesetzten Reisern kamen vier bald nachher in Trieb, und scheint mir dieß immerhin die Vermuthung hinlänglich zu bestätigen, daß auch Pfropfreiser nur darum oft nicht ausschlagen wollen, weil der Schnitt am Reise bei Ungeschicklichkeit des Arbeiters zu lange der ausdörrenden Luft exponirt blieb.

Eine Folgerung, die aus dem Erfolge meiner Versuche sich hinreichend ergeben dürfte, ist die, daß wenn umgepflanzte, junge Bäume gut ausschlagen sollen, es nöthig ist, sie nicht lange an der Luft liegen zu lassen, nachdem die Wurzeln beschnitten sind, sondern [423] nach dem Beschneiden der Wurzeln jeden Baum rasch einzusetzen; und daß in den meisten Fällen, namentlich aber bei Bäumen, die einen weiteren Transport erleiden mußten, oder deren Wurzeln längere Zeit mehr oder weniger der Luft exponirt waren, es für das gute Ausschlagen vortheilhaft sein wird, sie wenn man sie im Herbst etwa erhielt, den Winter über nur einschlagen, und erst im Frühlinge, ja selbst etwas später im Frühlinge zu pflanzen, überhaupt aber generell die Frühlingspflanzung, wie ich nach öfteren Beobachtungen schon immer geglaubt habe, der Herbstpflanzung vorzuziehen sein werde.

Jeinsen, den 17. Juli 1855.

Oberdieck.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. = −15 bis −18,75 °C
  2. = −22,5 °C
  3. = −27,5 °C