RE:Aulodik

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Duett von Flöte und Gesang
Band II,2 (1896) S. 2411 (IA)–2413 (IA)
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Aulodik. Als Urheber der aulodischen Poesie wird durch Herakleides aus dem Pontos (bei Plut. de mus. 3) der Tegeate Klonas bezeichnet, und wenn andere (ebd. 5) wissen wollten, derselbe habe in Ardalos von Troizene einen Vorgänger gehabt, so lassen sich die beiden Angaben unschwer vereinigen. Klonas hat kurz nach der Zeit Terpanders den aulodischen Nomos ausgebildet, d. h. die Kunstgattung, in welcher ein Solist unter Begleitung der Flöte sang (Guhrauer Zur Geschichte der Aulodik, Waldenburg 1879), und hat Prosodien componiert (Plut. a. a. O. 3) d. h. Processionslieder [2412] in dem alten dreitaktigen (Reimann Die Prosodien, Glatz 1885, 13). Später kam in dieselbe Gegend jene phrygische Einwanderung, die sich an den Namen Olympos knüpft, und gestaltete die musikalischen Zustände im Peloponnes so vollständig um, dass sich heute schwer scheiden lässt, welche Elemente der dortigen Musikübung den asiatischen Einwanderern zu danken sind, welche dagegen schon früher vorhanden waren. Ja es scheint sogar, als hätte ein Gelehrter, der sonst in musikalischen Fragen volles Zutrauen verdient, diesen Punkt nicht unparteiisch genug behandelt. Es ist vielleicht kein Zufall dass der von Herakleides, einem Gegner des Aristoxenos, gefeierte Klonas in unseren Fragmenten des Aristoxenos mit keiner Silbe erwähnt, alle lobenswerten Eigenschaften dieser uralten Musik dagegen dem Phryger Olympos zugeschrieben werden. Dieser soll den prosodischen Rhythmus erfunden (bei Plut. 29), er soll die Spendelieder componiert haben (ebd. 19), jene alten Weisen in denen einer von den vier Tönen des Tetrachords regelmässig wegblieb (ebd. 11. 18. 29), ja dieser Phryger wird sogar ,Vater der schönen und echt griechischen Musik‘ genannt (ebd. 11. 29). Wenn aber als Tonart der alten Spendeweisen die dorische genannt wird (c. 17. 19. 11), so geht schon daraus hervor, dass Olympos irgend welche Elemente, gerade die charakteristischen Tongänge und Tonschlüsse, den in Griechenland vorher heimischen Weisen, nicht denen seiner asiatischen Heimat entnahm. Liest man ferner die Schilderung, wie Olympos es angefangen haben soll, um aus den vorher vorhandenen diatonischen Weisen alt-enharmonische zu machen (bei Plut. 11), so gewinnt man die Überzeugung, dass diesem Reformator hier die Erfindung von Dingen zugeschrieben wird, die vielmehr vor ihm schon da waren. Somit wird Westphal Recht haben, wenn er (Gesch. der Musik 1865, 99) die Spende- oder Opferlieder der A. des Klonas zuweist. Der Rhythmus bestand in langgedehnten, für Citherbegleitung ganz ungeeigneten Spondeen, hier wird der Trochaios semantos und der iambische Orthios seine Stelle gehabt haben, hierher dürfen wir den von Aristoxenos ebenfalls dem Olympos zugeschriebenen Paian epibatos rechnen (Plut. 33). Vielleicht hat überhaupt der regelmässig mit Flöte begleitete (Poll. IV 81), von Kreta herübergebrachte (Hom. Hymn. pyth. Ap. 339), mehrfach mit Prosodien zusammen erwähnte Paian (Plut. 17. Proklos in Phot. Bibl. p. 320 a Bk.) zu den eigentümlichen Weisen der altargivischen A. gehört. Weitere Ausbildung fand diese Richtung der Kunst durch Polymnestos von Kolophon (Plut. 3. 9. 10. 29).

Aus der Verbindung von je zwei Prosodiaci wuchs das epische und elegische Versmass. Während zu Begleitung des ersteren, falls es gesungen wurde, ein Saiteninstrument ausreichte, verlangten die gedehnten Endsilben des sog. Pentameters die Begleitung eines Blasinstruments, und so finden wir denn die Elegie mit der Flöte regelmässig verbunden, ja nach Lagarde (Arica 34) soll sogar der Name dieser Dichtgattung von dem armenischen Worte elêgn für ,Rohr‘ herstammen. Ob schon Klonas Elegien gesungen (Plut. 3), erscheint fraglich; die späteren Auloden haben sich in der Regel dieser Form bedient (Plut. 8. 9. Guhrauer [2413] a. a. O. 12). In Athen scheint der Gesang zur Flöte von alters her beliebt gewesen zu sein (Plut. 8. Guhrauer a. a. O. 14), sicher bezeugt ist er für das 4. Jhdt. durch die Inschrift Rangabé Ant. hell. 961 = CIA II 965. In Delphi, wo man den Paian lieber mit dem Saiteninstrument begleitete (Hymn. pyth. Ap. 337. Athen. XV 696 F), mochte man den Gesang zur Flöte nicht gerne leiden. Nur einmal, im J. 586, erlaubten die Amphiktyonen einem Auloden sich beim pythischen Feste hören zu lassen; aber der elegische Gesang des Arkaders Echembrotos gefiel so wenig, dass man sich beim folgenden Feste diese trübselige Sangesart nicht mehr vorführen liess, Paus. X 7, 5. Da nun das Programm des grossen pythischen Festes andern Staaten bei ähnlichen Veranstaltungen zum Muster diente, liess man den aulodischen Nomos auch anderwärts ausfallen. Bei Alexanders Hochzeitsfest in Susa trat noch ein Aulode auf, in Boiotien, wo das Flötenspiel besonders blühte, kommt ein solcher Gesang bis in die sullanische Zeit öfter vor, dann verschwindet er auch dort von den Festlisten (v. Jan Verhandl. der Züricher Phil. Vers. 1887, 81). Eine grosse Rolle spielte aber die Flöte in der dorischen Chorlyrik. Bei Parthenien und anderen Hymnen, bei Pyrrhichen und Gymnopaedien durfte das Flötenspiel nicht fehlen, wenn es auch – wie in den Chören Alkmans – von ausländischen Musikern besorgt werden musste (Athen. XIV 624 B), und Kastors Lied bliesen die Auleten, wenn das Heer unter dem Gesang des Paian zum Angriff schritt (Plut. Lyk. 22. Poll. IV 78. Thukyd. V 70 u. a.). In Athen spielte die Flöte beim lyrischen wie beim dramatischen Chor eine grosse Rolle (s. Auletik). Aber der aulodische Nomos, der Sologesang zur Flöte, fand wahrscheinlich in der Zeit Sullas sein Ende; die entgegenstehende Nachricht bei Plutarch symp. probl. VII 5, 1 wird von vielen Seiten bezweifelt (Guhrauer a. O. 14).

[v. Jan. ]