RE:Byzantion 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt am thrak. Bosporus
Band III,1 (1897) S. 11161158
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Byzantion (Βυζάντιον). 1)

Lage.

Die ausserordentlichen Vorzüge der Lage von B., welche freilich erst mit der Erhebung zur Hauptstadt des römischen Reiches (s. Constantinopolis) zur vollen Geltung kamen, sind geographisch in erster Linie bedingt durch den Einschnitt des Bosporos (s. d. Nr. 1), welcher eine bequeme Schiffahrtsstrasse aus dem Mittelmeere nach den Gestaden des Pontos bietet und so die Ausdehnung der griechischen Colonisation nach Norden ermöglichte, ohne bei seiner geringen Breite dem Völkerverkehr über die thrakische Landbrücke ein Hindernis zu sein, im besonderen sodann durch die am Ausgang des Bosporos nach Westen abzweigende Einbuchtung des goldenen Hornes (s. Keras), welche eine zur Stadtgründung vorzüglich geeignete Halbinsel abgliedert und zugleich einen der besten natürlichen Häfen der Welt darstellt. Seiner Entstehung nach ist dieser unvergleichliche Golf wohl als das untergetauchte Ende eines Erosionsthales aufzufassen und mit Th. Fischer in Kirchhoffs Länderk. v. Eur. II 2, 77 den Formen der Limane anzureihen, welchen wir besonders im Norden des Pontos, aber auch an der Propontis, westlich von B. begegnen, wo die Strandseen von Gross- und Klein-Tschekmedsche (beim alten Athyras und Rhegion) ganz ähnliche Bildungen, [1117] nur in einem fortgeschritteneren Zustande der Verschlammung und Versandung, zu sein scheinen. Die Entstehung solcher Limane durch Erosion des emportauchenden Landes und späteres Eindringen des Meeres bei positiver Strandverschiebung ist kürzlich durch Sokolow Mém. comité géol. X 1895 (vgl. Peterm. Mitteil. 1896 Lit.-Ber. 693) eingehend dargelegt worden. Doch scheint es, dass beim goldenen Horn tektonische Verhältnisse die Thalbildung vorgezeichnet und so zur Bildung der Halbinsel von B. mitgewirkt haben; denn während nördlich desselben der Bosporos in eine Devonscholle eingeschnitten ist, wird die Umrandung der Propontis im Westen von B. durch miocäne Ablagerungen gebildet, aus welchen auch die ganze Halbinsel zu bestehen scheint, s. die geologische Karte bei Tchihatchef Le Bosphore. Die Oberfläche der letzteren ist ein flach gewölbter, die Windung des goldnen Horns begleitender Rücken, aus dessen Hebungen und Senkungen innerhalb des späteren Stadtgebietes die schematisierende Betrachtung früherer Zeit sich sechs Hügel zurechtlegte, während der zur Vollendung der symbolischen Zahl, in welche die Alten auch geographische Verhältnisse zu zwängen versuchte (vgl. ausser Nil und Septimontium auch Septem maria, Septem aquae u. a.), erforderliche siebente Hügel in dem dreieckigen Ende eines zweiten Höhenzuges erkannt wurde, der sich von Westen her keilförmig zwischen den ersten und die Küste der Propontis einschiebt. Dieser, später Ξηρόλοφος (Kodin. 30. 70 Bk. Suid. s. v.) genannte grosse Hügel wird durch ein noch jetzt erkennbares, vom Lykos (Kodin. 45. 147 Bk. Hammer Constantinopolis I 15f.) durchflossenes Thal abgegliedert, das in einem Abstande von etwa 16 km. dem goldenen Horn parallel zieht und ehemals in einer Einbuchtung (dem Hafen des Theodosius) endigte, welche jetzt mit Gärten bedeckt ist (Vlanga Bostan). Der Schwerpunkt der Entwicklung von B. und Constantinopel lag naturgemäss auf dem Ende des erstgenannten Höhenrückens, welches sich zwischen dem Horn, dem Bosporos und der Propontis vorschiebt und zur Beherrschung der Meeresstrasse (hic locus est gemini ianua rasta maris Ovid. trist. I 10, 32) wie zur Verbindung der beiden Erdteile (artissimo inter Europam Asiamque divortio B. in extrema Europa posuere Graeci Tac. ann. XII 63) in ausgezeichneter Weise geeignet war. Diese natürlichen Vorteile der Lage waren schon im Altertum gewürdigt und im besonderen durch die sprichwörtliche Redensart von der Blindheit der ersten Ansiedler (in Kalchedon) gekennzeichnet worden, welchen Ausspruch Her. IV 144 auf den Perser Megabazos, Strab. VII 320. Tac. a. a. O. auf ein apollinisches Orakel zurückführen (vgl. Hes. Mil. 4, 21). Die eingehendste Betrachtung der Lage von B. hat unter den Alten Pol. IV 38. 43ff. gegeben; ausser den oben angeführten Stellen sprechen sich ferner noch darüber aus Cass. Dio LXXIV 10, 1. Zosim. II 30, 2. Prokop. aed. I 5. Hiezu kommen noch die Vorzüge des durch Strömung im Bosporos begünstigten Fischfangs und der Fruchtbarkeit des zur Stadt gehörigen Landgebietes, worüber vgl. u. S. 1142, sowie Bosporos Nr. 1 S. 744f. Aus der neueren Litteratur über die Lage von B. ist hervorzuheben Gibbon [1118] Roman Empire Cap. 17. Hammer I 1ff. (wo auch Auszüge aus türkischen Schriftstellern). J. G. Kohl Hauptstädte Europas Cap. I. Fischer a. a. O. 173ff. Grosvenor Constantinople I Cap. I.

Klima.

Unter dem 41° nördlicher Breite gelegen, welcher den Südrand der Halbinsel durchschneidet (H. Sophia 41° 0′ 16′′), in fast gleicher Breite mit Neapel, Madrid, Peking, Newyork, besitzt B. ein relativ kühles und dabei sehr unbeständiges Klima, das mit Ausnahme der meist dauernd schönen und selten übermässig heissen Sommermonate den grösseren Teil des Jahres über unter dem sprunghaften Einflusse des aus den pontischen Steppen wehenden Boreas steht, welchem der Bosporos als Einbruchspforte dient. Anderseits liegt B. auch der Einwirkung des Südwindes offener als die weiter nördlich am Bosporos gelegenen Orte, welche deshalb auch, zumal an der dem Pontos zugewendeten Strecke bei Therapia und Böjükdere, dem alten Bathykolpos (s. d. u. Bosporos Nr. 1 nr. 71), eine klimatisch ebenso ausgezeichnete, als landschaftlich reizvolle Sommerfrische bilden; s. über diesen Unterschied v. Moltke Türk. Briefe 13 (Schriften VIII 64f. 471f.) 21 (99) und vgl. Bosporos Nr. 1 S. 745 (Eis am Bosporos!), hiezu auch Th. Fischer Klima der Mittelmeerländer 30. Nach neueren Beobachtungen beträgt das Jahresmittel 14·2°, die Mittel des kältesten und wärmsten Monats (Februar und August) 5·2 und 23·4 (diese Werte wahrscheinlich um 0·4° zu hoch), die absoluten Extreme aus 20 Jahren 37·3 und – 8·2°, der Regenfall im Jahr 718 mm., December 121 mm., Juli 29 mm., s. Hann Meteor. Ztschr. 1886, 501ff. 1887, 379. Geogr. Jahrb. XIII 81f. A. Coumbary Climatologie de Constantinople (Const. 1888). Man vgl. damit die Mittel von Athen (37° 58′ nördlicher Breite): Jahr 17·3°, Januar 8·2°, Juli 27·0°, Regenfall 408 mm. (November 70·4, Juli 7·4 mm.), s. Neumann-Partsch Phys. Geogr. 124. Sogar Rom ist trotz der nördlicheren Lage (41° 54′) merklich wärmer: Jahr 15·3°, Januar 6·8°, Juli 24·6° (neue Mittel nach Cancani s. Meteor. Ztschr. 1890, 275. Geogr. Jahrb. XV 456). Vgl. auch Fischer a. a. O. 136–140.

Topographie.

Dion. Byz. 24f. und Hes. Mil. 4, 3. 11 berichten übereinstimmend, dass die erste Gründung der Stadt am oberen Ende des goldenen Hornes beim Altar der Semystra, wo die Flüsse Barbyses und Kydaris einmünden, erfolgte (vgl. unten S. 1128f.); die Sage vom Raben, durch welchen dann die richtige Stelle bezeichnet wurde, erwähnt auch Sym. Logoth. bei Müller Geogr. Gr. min. II 28 A., wo zugleich auf ähnliche Beispiele verwiesen ist. Obwohl der Plan einer Stadtgründung im innersten, meistgeschützten Winkel der Bucht, welche damals wahrscheinlich noch nicht so weit verschlammt und weiter aufwärts schiffbar war als gegenwärtig (s. Bosporos Nr. 1 S. 744), nicht unwahrscheinlich ist, kennen wir das geschichtliche B. doch nur an der Spitze der Halbinsel, wo das jetzige Serail die Stelle der Akropolis bezeichnet (Xen. an. VII 1, 20. Kodin. 24. 213. Io. Malal. 292. Chron. Pasch. I 495. Euagr. II 13). Diese Lage der Stadt auf einem nach drei Seiten vom Meere umgebenen hohen Landvorsprung haben Dion. [1119] Byz. 5f. und Zos. II 30, 2 gut geschildert. Den Umfang giebt Dion. 6 zu 35 Stadien an (μέγεθος τοῦ παντὸς περιβόλου), wovon fünf Stadien auf die Landseite entfallen. Diese Ziffern hat Gillius Top. Const. I 2 irrtümlich zusammen gerechnet und so für B. nach Dionysios 40 Stadien angegeben, was Neuere veranlasst hat, hier einen Schreibfehler zu vermuten, s. Frick z. St. und Müller a. a. O. 28f. Durch den inzwischen aufgefundenen Urtext des Dionysios ist die Überlieferung jetzt klar gestellt; doch bereiten die Ziffern immer noch einige Schwierigkeiten. Die 5 Stadien = 925 m. für die Landseite (τοῦ αὐχένος, ὑφ’ οὗ διείργεται τὸ μὴ νῆσος εἶναι) erscheinen gegenüber der Breite der Halbinsel, welche jetzt nicht unter 1600 m. beträgt, erheblich zu gering; doch ist zu beachten, dass auf der Südseite eine erst durch die Türken ausgefüllte Hafenbucht, jetzt Kadriga Liman, etwa 200 m. weit eingriff und auch auf der Nordseite beim jetzigen Bahnhof das Meer zurückgedrängt worden zu sein scheint. Für den Umfang von B. in der nachbezeichneten Ausdehnung lässt sich allerdings kaum mehr als 5 km. annehmen, was nur mit einem wesentlich geringeren Wert des Stadions als 185 m. in Übereinstimmung zu bringen wäre. Die Mauer des alten B. lief nach dem sog. Kodin. p. 24f. ‚vom Turm der Akropolis zum Turm des Eugenios, stieg zum Strategion an und lief bis zum sog. Bad des Achilleus, wo der sog. Bogen des Urbikios die Stelle eines früheren Landthores einnimmt, dann stieg die Mauer zu den Chalkoprateia hinan bis zum sog. Milion, wo wieder ein Landthor war. Von dort erstreckte sie sich zu den gewundenen Säulen τῶν Τζυκαλαρίων (von τζουκάλη = Topf; vgl. Kodin. p. 69 und Lambeck z. St.; also entsprechend dem attischen Κεραμεῖς), stieg dann in die Τόποι genannte Gegend hinab, und erreichte, durch die Quartiere Mangana und Arkadiana umbiegend, wieder die Akropolis. Türme hatte die ganze Mauer 27‘. Die hier bezeichneten Örtlichkeiten findet man am besten auf dem Plan zu Mordtmann Esquisse topogr. Kürzer und nicht ganz klar ist die Beschreibung bei Zos. II 30, 3, wonach ‚die Mauer sich über die Höhe von Westen her (διὰ τοῦ λόφου καθιέμενον ἦν ἀπὸ τοῦ δυτικοῦ μέρους) bis zum Tempel der Aphrodite und dem Meere gegenüber Chrysopolis, auf der Nordseite (ἀπὸ τοῦ βορείου λόφου) aber auf gleiche Weise sich bis zum Hafen hinabzieht, den man Neorion nennt, und jenseits bis zum Meere, das gerade gegen die Mündung (κατευθὺ κεῖται τοῦ στόματος) liegt, durch welche man gegen den Euxeinos Pontos hinauffährt‘. Hier scheint zuerst die Südmauer von West nach Ost und ihre Fortsetzung in letzterer Richtung, dann die Nordmauer von Ost nach West und zuletzt die Westmauer beschrieben zu sein, während Kodinos von der Ostseite der Stadt, der Akropolis, aus über Nord nach West und Süd fortfährt. Nach Kodin. a. a. O. könnte man die westliche Ausdehnung der Stadt wohl nicht über den Hippodrom hinausrücken (s. Mordtmanns Plan); auch dessen Angabe (p. 41 Bk.), dass das Forum Constantini sich mit dem Zelte dieses Kaisers (bei der Belagerung 323 n. Chr.) decke, eine Behauptung, die allerdings den Stempel der künstlichen Mache an sich trägt, ist kaum mit dem Folgenden in [1120] Einklang zu bringen. Wenn nun Hes. Mil. 39 sagt, dass die Mauern nicht ausserhalb des Forum Constantini gelegen haben, dessen Lage durch die ,verbrannte Säule‘ genau bestimmt ist, und wenn Zos. II 30, 2. 4 dort ein Thor ansetzt, an welchem die Hallen des Severus endigten, so wird man geneigt sein, diesen Widerspruch mit einer Erweiterung der Stadt durch Severus (s. u.) in Zusammenhang zu bringen. Im Allgemeinen mag die Ausdehnung der auf drei Seiten durch das Meer begrenzten Stadt nach Westen durch eine Linie vom Bahnhof nach Kadriga Limani bezeichnet werden, so dass der erste und zweite Hügel späterer Zählung (Serail und Hippodrom) in die Mauern von B. eingeschlossen war.

Befestigung.

Eine solche war von Anfang an schon durch die Verteidigung gegen die Angriffe thrakischer Völker (s. u. S. 1129 und 1141) geboten und hat sich in verschiedenen Belagerungen, besonders durch Philipp II., bewährt (s. u.). Die spätere Localgeschichtschreibung führte die Errichtung der aussergewöhnlich starken Mauern auf Byzas (s. d.) zurück, der sie unter dem Beistand des Poseidon und Apollon gebaut haben sollte (Hes. Mil. 12. Kodin. 5f.). Nach Paus. IV 31, 5 hatten B. und Rhodos nächst Messene die stärksten Mauern. Dieselben waren aus Quadern aufgeführt und so fest gefügt, dass sie wie aus einem Stein gehauen schienen; noch die Ruinen liessen ebenso sehr die Kunst der Erbauer wie die Anstrengungen der Zerstörer bewundern (Herodian. III 1, 6f.). Nicht minder anerkennend spricht sich Cass. Dio LXXIV 14, 4f. über die Festigkeit der Mauern aus; dieselben bestanden nach ebd. 10, 3ff. aus einer äusseren Wand (θώραξ) von mächtigen Quadern, die durch eherne Platten verbunden waren; dahinter erhoben sich Wälle (χώματα) und andere Schutzbauten (οἰκοδομήματα), welche zusammen ein Ganzes zu bilden schienen und einen gedeckten Wallgang (ἐπάνωθεν περίδρομον καὶ στεγανὸν καὶ εὐφύλακτον) trugen, der nach Hes. Mil. 27 durch eine zinnengekrönte Brustwehr (ἐπάλξεις) gedeckt war; mächtige Türme (im ganzen 27, s. o. S. 1119) sprangen nach aussen vor und deckten aus den Flanken den Zugang zu den Thoren (δι’ ὀλίγου τε γὰρ καὶ οὐ κατ’ εὐθύ, ἄλλ’ οἱ μὲν τῇ οἱ δὲ τῇ σκολιώτερον ᾠκοδομημένοι πᾶν τὸ προσπῖπτόν σφισιν ἐνεκυκλοῦντο). Besonders hoch waren die Mauern auf der Landseite, minder nach dem Meere zu, wo der Abfall des felsigen Untergrundes und die See eine natürliche Schutzwehr bildeten. Auch aus Xen. an. VII 1, 17 erhellt, dass die Mauern auf der Seeseite nur von geringer Höhe und ausserdem durch einen Steindamm (χηλή) gegen den Wellenschlag gesichert waren, also jedenfalls hart am Meere hinliefen. Ein Teil der Landmauer war bei der Belagerung durch Philipp II. mit Steinen von Gräbern (also innerhalb der Stadt?) ausgebessert worden und führte seitdem die Bezeichnung Τυμβοσύνη, Hes. Mil. 27 (Τυμβοσίνη Heyne Ant. Byz. 9). Ein Wunderwerk waren die sieben Türme, deren akustische Anlage den Schall von einem (d. h. nur vom ersten aus) der Reihe nach zu den andern fortpflanzte, Dio LXXIV 14, 5. Georg. Kedren. I 442 Bonn. Suid. s. Βυζάντιον. Hes. Mil. 13. Kodin. 6 Bk. Nach Dio zogen sich diese sieben Türme vom ,thrakischen Thore‘ zum Meere hinab, [1121] und aus Kedrenos ergiebt sich, dass unter letzterem das nördliche, also das Horn zu verstehen ist. Nach einer von Lambeck zu Kodinos (p. 213 Bk., auch FHG IV 149) mitgeteilten Stelle aus einer unedierten Pariser Hs. gehörte dazu auch der von Hes. und Kod. aa. OO. genannte Turm des Herakles, welcher durch seine akustische Construction ,die Geheimnisse‘ belagernder Feinde verriet; die Πάτρια (Hes. und Kod.) setzen diesen Turm innerhalb der Mauer (ἐντὸς τοῦ τείχους), der erwähnte Anonymus auf die später Κυνήγιον genannte Stelle der Akropolis (s. u.). Hienach [1122] müssten sich die sieben Türme auf die Strecke vom thrakischen Thore, das wir etwa in der Mitte der Westseite zu suchen haben, bis zum Hafen und zur Akropolis verteilt haben, und es wäre dann wohl auch der mächtige runde Turm dazu zu rechnen, welcher nach Dion. 12 in der Niederung beim Hafen (κατὰ βάθος κείμενον) die Stadt nach der Landseite abschloss (συνάπτοντα πρὸς τὴν ἤπειρον τὸ τεῖχος), also die Nordwestecke bildete. Dass die Akropolis gegen die Stadt noch besonders abgeschlossen war, erhellt aus Xen. an. VII 1, 20.

Thore werden von Kodinos auf der Landseite ausdrücklich zwei angeführt (s. o. S. 1119); sonst ist hier nur von einem Thor die Rede, das bei Xen. hell. I 3, 20 (vgl. an. VII 1, 12. 15–17. 36) αἱ ἐπὶ τὸ Θρᾴκιον πύλαι (s. u. Thrakion), bei Dio und Kedrenos a. a. O. einfach das thrakische heisst.

Häfen.

Neben der Befestigung, waren die wichtigste bauliche Anlage in B. die Häfen, deren Dion. 11 in der ersten Einbiegung der Küste nach der Βοσπόριος ἄκρα (s. d.) drei erwähnt, von denen der mittlere (offenbar der Haupthafen) ziemlich tief und wohlgeschützt, nur gegen den Südwestwind (λίψ) nicht ganz sicher war und gemauerte [1122] Uferdämme hatte (εἴργεται ὑποδομήσεσι τειχίων). Dem Scholiasten zu dieser Stelle (bei Wescher S. 37 N. 16) verdanken wir den wertvollen Zusatz, dass dieser Hafen noch zu seiner Zeit (um 1200 n. Chr.?) Νεώριον hiess; vgl. dazu Wescher S. 56 N. II und Constantinopolis. Ist somit die aus späterer Zeit hinlänglich bekannte Benennung Neorion für den mittleren gesichert, so muss der Name Bosporion (s. d.), falls man nicht beide für gleichbedeutend hält, dem östlichen Hafen zukommen, zu welchem später das Thor des Eugenios führte, s. Mordtmann Esq. top. § 85. Der dritte Hafen des Dionysios scheint [1123] ganz unbedeutend gewesen zu sein, da Dio LXXIV 10, 5 ausdrücklich nur von zwei Häfen spricht, welche ,innerhalb der Mauer lagen, mit Ketten verschliessbar waren und auf den mit vorspringenden Hafendämmen (χηλαί) beiderseits durch Türme gesichert waren‘. Dass in der ebenen Gegend hinter dem jetzigen Bahnhof einst eine ziemlich tiefe Einbuchtung bestand (vgl. o. S. 1119), ist hienach sehr wahrscheinlich, wie ja überhaupt die Umrisse der Halbinsel von B. noch im Mittelalter viel mehr durch solche Hafenbuchten gegliedert waren als jetzt, so besonders auf der Südseite an den jetzt Vlanga Bostan (s. o. S. 1117) und Kadriga Limani genannten Stellen; letztere, erst im 16. Jhdt. aufgefüllte Hafenbucht, der iulianische (sophianische) Hafen des kaiserlichen B., war wohl schon im Altertum benützt (vgl. Xen. an. VII 1, 20), doch hat sich der Schiffsverkehr von B. zu allen Zeiten am Eingang des Hornes concentriert.

Plätze und Bauwerke.

Von Plätzen und Bauwerken innerhalb der Stadtmauern ist nächst der Akropolis (s. o.) der Markt zu nennen, dessen Xen. an. VII 1, 19; hell. I 3, 21, gedenkt und den wir wahrscheinlich auf der Höhe des zweiten Hügels in der Gegend der Sophienkirche suchen müssen. Zos. II 31, 2 spricht von einer μεγίστη ἀγορὰ τετράστοος, welche hoch gelegen war, da zu derselben Stufen (οὐκ ὀλίγοι βαθμοί) hinaufführten; diese vier den Markt umgebenden Hallen sind aber doch wohl gleichbedeutend mit dem Τετράστῳον, in dessen Mitte nach Io. Malal. 29lf. Chron. Pasch. I 494f. eine eherne Bildsäule des Helios stand, und an welches von Severus die Thermen Zeuxippos angebaut wurden (s. u.). Etwas westlich hievon, beim thrakischen Thore, wäre der Exercierplatz Thrakion anzusetzen, von dem Xen. an. VII 1, 24 (vgl. hell. I 3, 20) sagt, dass τὸ χωρίον οἷον κάλλιστον ἐκτάξασθαί ἐστι, τὸ Θρᾴκιον καλούμεντον, ἔρημον οἰκιῶν καὶ πεδινόν. Es ist vielleicht derselbe Platz, auf welchem der (sonst unbekannte) Stratege Protomachos ein Tropaion über die Thraker errichtete und zwar an Stelle des späteren Milion (Hes. Mil. 31), so dass dann das Thrakion etwa dem späteren Augustaion (s. d.) entsprechen und die Bezeichnung ,thrakisches Thor‘ dem südlichen der beiden von Kodinos aufgeführten Landthore (s. o. S. 1119) zukommen würde. Unweit des Marktes nach Norden zu lag das Strategion, in welchem wir für die vorrömische Zeit jedenfalls das Amtsgebäude der höchsten Staatsbehörde (s. u. S. 1144) zu erkennen haben, worüber Hes. Mil. 39 ἐν τῷ Στρατηγίῳ λεγομένῳ φόρῳ (forum, also davor ein freier Platz), ἔνθα ποτὲ οἱ στρατηγοῦντες τῆς πόλεως ἄνδρες τὰς τιμὰς ὑπεδέχοντο; eine müssige Erfindung ist es dagegen, wenn Io. Malal. 292 und Chron. Pasch. I 495 dieses von Septimius Severus wiederhergestellte Gebäude (s. auch Suid. s. Σεβῆρος) auf Alexander d. Gr. zurückführen (zur Lage vgl. auch Hes. Mil. 16. Kodin. 6).

Zu den öffentlichen Tummelplätzen gehören ferner die στάδια καὶ γυμνάσια καὶ δρόμοι νέων ἐν τοῖς ἐπιπέδοις, welche Dion. Byz. 10 ,neben dem Tempel des Poseidon (s. u.) und zwar noch innerhalb der Mauer‘ nennt, also am Nordfusse des Serailhügels. Endlich sind an öffentlichen Anlagen noch die Cisternen (δεξαμεναί, Hes. Mil. 24) zu nennen, welche bei dem Mangel an Trinkwasser in dem felsigen Boden der Stadt von grosser [1124] Wichtigkeit waren (über die grossartige Wasserversorgung der späteren Stadt s. Constantinopolis). Über das ,Bad des Achilleus‘, das wohl schon der vorrömischen Zeit angehört, s. o. S. 1119.

Zahlreich sind die Tempel und sonstigen Kultstätten in und um B., welche man im geschichtlichen Abschnitt (u. S. 1145ff.) systematisch zusammengestellt findet. Für die Topographie kommen hier hauptsächlich in Betracht die Angaben bei Dion. Byz. 8ff. und Hes. Mil. 15f. Nach ersterem folgte auf die Βοσπόριος ἄκρα (s. d.) sogleich (μικρὸν ὑπὲρ αὐτήν, von der Reihenfolge an der Küste) der Altar der Ἀθηνὰ ἐκβασία, welcher an die Landung und Kämpfe der ersten Ansiedler erinnerte, daneben, hart am Meere ein Tempel des Poseidon (vgl. u.), alt und schmucklos (λιτός, was Gillius Bosp. 2 irrtümlich mit lapis übersetzte, wonach auch Geogr. Gr. min. II 22 und alle älteren Darstellungen, welche auf die dort erzählte Geschichte Bezug nehmen, z. B. Frick z. St., zu berichtigen). Die weiteren von Dionysios geschilderten Heiligtümer liegen bereits ausserhalb der Stadt am goldenen Horn und am Bosporos, worüber dieser Artikel und Keras zu vergleichen. Hesychios a. a. O. (vgl. Kod. 6) nennt als angeblich von Byzas gegründet, einen zugleich der Tyche geweihten Tempel (mit Bildnis) der Rheia bei der nachmaligen Basilika (s. Constantinopolis), dann den Tempel des Poseidon am Meere (s. o.), den er in die Nähe der Kirche des Märtyrers Menas setzt, welche nach Kod. 24 vorher ein Tempel des Zeus war und auf der Akropolis lag (vgl. u. S. 1126; den scheinbaren Widerspruch mit Kod. 6 sucht Lambeck z. St., S. 213 Bk., auszugleichen); ferner Heiligtümer der Hekate beim nachmaligen Hippodrom, der Dioskuren (ausserhalb der Stadt am Ende des Hornes), Altäre des Aias und Achilleus beim Strategion, an welche später noch ein Ἀχιλλέως λουτρόν (vgl. o. S. 1119) erinnerte, einen Tempel des Amphiaraos in der Vorstadt Sykai (Galata, vgl. Bosporos Nr. 1 unter nr. 34). Das Heiligtum der Aphrodite ,etwas oberhalb (ἀνωτέρω) des Tempels des Poseidon‘ ist uns bereits aus Zosim. II 30, 3 (s. o. S. 1123) bekannt und hienach auf der Akropolis (Nordspitze des Serailhügels, wo später der Harem des Grossherrn!) zu suchen, was auch Io. Malal. und Chron. Pasch, a. a. O. bestätigen. Letztere Quellen erwähnen ferner unweit davon ein Heiligtum der Artemis (mit dem Hirsche); ob der Altar der Ἄρτεμις Ὀρθωσία bei Her. IV 87 und das Heiligtum der Göttin, welches Hes. 16, neben einem solchen der Athene, πρὸς τὸ τῆς Θρᾴκης ὄρος (Kod. 6 Ἀφροδίτης ὄρος, wohl nur verschrieben wegen des unmittelbar vorhergehenden Ἀφροδίτης) nennt, die gleiche Stelle bezeichnen, ist ungewiss. Nicht näher bestimmbar ist auch der von Her. a. a. O. genannte Tempel des Dionysos. Über Apollon auf der Akropolis s. u. S. 1126. Endlich ist auf der Burg die jetzt noch vorhandene Gothensäule (im Garten des Serail, oberhalb des ,Mühlenthores‘, Dejirmen Kapusi) zu erwähnen, welche nach Dethier und Mordtmann nr. 55 von Claudius II., nach Mommsen zu CIL III 733 aber erst von Constantin d. Gr. (332 n. Chr.) Fortunae reduci ob devictos Gothos errichtet wurde und nach späterer Volksmeinung einst eine Statue [1125] des Byzas getragen haben sollte, s. Nikeph. Greg. I 305. Mordtmann Esq. top. 87. Meyers Türkei I⁴ 237.

Hiemit dürfte im wesentlichen erschöpft sein, was sich an topographischen Einzelheiten über das alte B. beibringen lässt, dessen topographische und baugeschichtliche Entwicklung wir bis zur Zerstörung durch Septimius Severus (196 n. Chr.) als eine Periode zusammenfassen müssen. Mit letzterem Ereignis, worüber u. S. 1139f. das Nähere folgt, tritt die Stadt in eine neue Entwicklungsstufe ein, welche zugleich den Übergang zur kaiserlichen Residenz und Reichshauptstadt vorbereitet. Die wesentlichste Veränderung im äusseren Ansehen der Stadt war jedenfalls durch die Schleifung der Mauern (s. u.) bewirkt worden, welche aber nach erfolgter Verzeihung gewiss wiederhergestellt wurden, obgleich dies nicht ausdrücklich bezeugt ist. Aus den o. S. 1119f. angeführten Angaben der Πάτρια einerseits, des Hesychios und Zosimos anderseits könnte man schliessen, dass damals die Landmauer vom Augustaion zum Forum Constantini vorgeschoben wurde; dies scheint auch durch die von Zosim. II 30, 2. 4 bezeugte Thatsache bestätigt zu werden, dass dort die von Severus erbauten Säulenhallen endigten, denen später Constantin durch einen marmornen Thorbau einen Abschluss verlieh. Wahrscheinlich führten diese Hallen ostwärts bis zum Hippodrom, welcher nachmals so bedeutsame Platz Severus seine erste Anlage verdankte. Derselbe, nunmehr den Dioskuren geweiht, war vorher von Privathäusern und besonders von Gärten eingenommen, welche der Kaiser ankaufte und beseitigen liess, um dafür (hölzerne) Schaugerüste (ἴκρια) und Säulengänge (στοαί, ἔμβολα) zu erbauen, für welche jedoch auf der abschüssigen Südseite erst durch von Pfeilern getragene Gewölbe (κίονες εὐμεγέθεις καὶ κτίσματα) eine ebene Baufläche hergestellt werden musste; die Vollendung des Zuschauerraumes (βαθμίδες) wurde jedoch durch die Abreise des Kaisers nach Rom und seinen Tod unterbrochen; s. Hes. Mil. 37. Kod. 12–14 (auch in FHG IV 153). Kedren. I 442. Malal. 292. Chron. Pasch. I 495. Suid. s. Σεβῆρος, ferner ein von Ducange zu Chron. Pasch. II 342 Bonn. mitgeteiltes Bruchstück. Als ein Hauptwerk des Kaisers werden ferner die grossen Thermen genannt, von welchen die bekanntere neben dem Markte und dem Hippodrom errichtete, nach Hes. Mil. 37 κατὰ τὸν τοῦ Διὸς ἱππίου βωμὸν ἢ τοῦ Ἡρακλέους ἄλσος καλούμενον (weil nämlich hier Herakles die Rosse des Diomedes gebändigt habe, weshalb der Ort auch Zeuxippos genannt wurde) lag; ebenso Kod. 12, welcher (aus anderer Quelle) p. 14 und 36 weiteres über dieses Bad und seine Heizvorrichtung (μετὰ κανδήλας ὑαλίνης!) beibringt, ferner Suid. und Kedren. aa. OO. Der Name Zeuxippos, welcher mit der Bezeichnung Zeus Hippios zusammenzuhängen scheint, wird von Malal. 291. Chron. Pasch. I 494 mit dem Bilde des Helios im Tetrastoon (s. o. S. 1123) in Verbindung gebracht, unter welchem mystischen Namen (Ζεύξιππος θεός) die Thraker diesen Gott verehrt hätten; durch Severus wurde nun das Tetrastoon zu den Thermen gezogen (ἐγένετο τὸ Τετράστῳον τοῦ Ζευξίππου) und deshalb das Colossalbild des Helios auf die Akropolis verpflanzt, wo unterhalb desselben (Malal.), unweit [1126] der Heiligtümer der Aphrodite und Artemis, dem Gotte ein Tempel erbaut wurde – ἤτοι ἱερὸν Ἀπόλλωνος, fügt die Osterchronik hinzu, und diesen Tempel des Apollon auf der Burg kennt auch Euagr. II 13. Die übrigens luxuriös (πολυτελῶς Hesych.) eingerichteten und mit zahlreichen Kunstwerken geschmückten Thermen des ,Zeuxippos‘ gingen bei dem grossen Brande im J. 532 n. Chr. zu Grunde, Kedren. I 647f. Ein anderes, noch grösseres Bad, Καμίνια genannt, das mit ,medischem Feuer‘ (Naphtha nach Heyne Ant. Byz. 25f.) geheizt wurde und in welchem sich täglich 2000 Menschen baden konnten (was Heyne, nach dem Wortlaut kaum richtig, auf Zeuxippos bezieht), baute Severus ausserhalb der Stadt (Kod. 14). Von weiteren Bauten des Kaisers sind ausser der Wiederherstellung des Strategion, worüber o. S. 1123, noch die Errichtung eines Theaters beim Heiligtum der Aphrodite (also wohl mit der Aussicht auf das Horn) und des sog. Kynegion beim Artemistempel (wahrscheinlich dem Bosporos zugekehrt), beide mit Säulenhallen geschmückt, zu nennen (Malal. 292. Chron. Pasch. I 495. Kedren. I 442. Suid.). Das Kynegion, über dessen Bedeutung vgl. u. S. 1140, wird von Lambecks Anonymos (o. S. 1121) an Stelle des Turmes des Herakles gesetzt und lag wohl am Nordostende des Serailhügels; es ist wohl zu unterscheiden von dem späteren Viertel und Thor τοῦ Κυνηγοῦ s. Mordtmann Esq. top. § 3. 65.

Über die äusseren Schicksale der Stadt bis auf Constantin s. u. S. 1127ff. Mit der Erhebung zur Residenz durch diesen Kaiser wird die Entwicklung der Stadt in ganz neue Bahnen geleitet. Es bereitet sich in der Zeit von Constantin bis Iustinian I. jene merkwürdige Gruppierung von Städten und Vororten vor, welche durch die Meeresarme des goldenen Hornes und des Bosporos mehr verbunden als getrennt, seitdem das charakteristische Merkmal der unvergleichlichen Stadt geblieben ist. Diese spätere Entwicklung wird in dem Art. Constantinopolis näher dargelegt werden, wo auch die wichtigsten litterarischen Hülfsmittel vom 16. Jhdt. bis zur Gegenwart mitgeteilt werden sollen. Für das Studium des alten B. bieten letztere nur wenig Ausbeute. Quellen für die Topographie von B. sind für uns neben den vereinzelten Angaben der Historiker (Herodot, Xenophon, Polybios und bes. Zosim. II 30), wie aus dem Vorhergehenden erhellt, hauptsächlich die Reste der Localgeschichtschreibung, wie sie uns in den Fragmenten des Hesychios Illustrios von Milet (citiert nach FHG IV) und den unter dem Namen des Georgios Kodinos erhaltenen Πάτρια τῆς Κωνσταντινουπόλεως erhalten sind, worüber jetzt Krumbacher Byz. Lit.² 323ff. 422ff. und Th. Preger Beiträge zur Textgesch. d. Πάτρια Κωνστ. (Münch. 1895) zu vergleichen sind. Dionysios von Byzanz (citiert nach Wescher), über welchen vgl. oben S. 755, kommt nur für den Umfang der Stadt und die am Bosporos gelegenen Örtlichkeiten in Betracht. Inschriften CIG 2032–2045. 6824. CIL III 732–745. Add. p. 990 und nr. 6548; Suppl. 7401–7407. Dethier und Mordtmann Epigraphik von B. (Denkschr. Akad. Wien 1864). Anderes bei Kalopathakes Thracia 32. Zur Etymologie des Namens B. vgl. u. S. 1127 und das von [1127] Tomaschek Thraker II 2, 15f. 61 beigebrachte Material.

Die beifolgende Kartenskizze (S. 1121f.), welche zum erstenmal den Versuch macht, die Topographie des vorchristlichen B. zu veranschaulichen, beruht in den Umrissen auf Mordtmanns grossem Plan von Constantinopel im Mittelalter, obwohl derselbe in der Küstenlinie von dem sonst besten Plane von Stolpe nicht unerheblich abweicht; die Höhenlinien sind nicht als genaue Schichtgrenzen, sondern nur als annähernder Ausdruck der Böschungsverhältnisse zu fassen; auch Massstab und Nordweisung, welche bei Mordtmann fehlen, können deshalb nur als Näherungswerte gelten.

Geschichte, Name.

Gegenüber andern Etymologien (Curtius Griech. Etymol.⁵ 291. Grasberger Stud. z. d. griech. Ortsnamen 110. 278) ist auf ähnliche thrakische Namen (Βυζία, Βύζηρες, Βυζαντίς; der Fluss Βαρβύζης, der sich in den Meerbusen von B. ergiesst u. a.) zu verweisen, wie auch von andern griechischen Städten frühere thrakische Namen bekannt sind, Strab. VII 319. Schwen (Hist. Byzant. inde ab urbe aed. usq. ad aet. Phil. Maced., Halle 1875) 9. Der Platz soll vor der Gründung Lygos geheissen haben, Plin. n. h. IV 46. Auson. ord. urb. nob. 2f. p. 145, 14 Peiper; vgl. den Namen des Baches Lykos in Byzanz selbst.

Eine zusammenhängende Darstellung der Geschichte der origines Byzantii gab Trogus Pompeius nach Prol. IX; erhalten ist Hesych. Miles. Πάτρια Κωνσταντινοπόλεως FHG IV 146ff. (kritiklos und voll grober Verwirrungen); Anonymus bezw. Kodinos περὶ τῶν πατρίων τῆς Κωνσταντινοπόλεως (ed. Bonn. 1843; s. o. S. 1126) wiederholt den Hesychios mit einigen Zusätzen. Von dem gleichnamigen Werk des Christodoros Koptos ist nichts erhalten. Viele Einzelheiten (oft aetiologischen Charakters) giebt Dionysios von Byzanz (ed. Wescher Paris 1874, danach im folgenden citiert; die §§ der commentierten Ausgabe von Frick, Wesel 1860, sind in [] beigesetzt; ähnliche Zählung der §§ bei C. Müller Geogr. gr. min. II 1ff.).

Eine phoinikische (ägyptische ?) Ansiedlung an der Stelle des späteren B. vermutet ohne sicheren Grund Dethier Der Bosphor und Constantinopel, Wien 1873, 6; Handelsfahrten der Phoinikier nach dieser Gegend Wieseler Der Bosporus, Göttingen 1874, 15f.

Gründungszeit.

Als Gründungsjahr nennt Euseb. v. Arm. Abr. 1357 = 660/59 v. Chr., Hieron. Abr. 1358 (1360) = 659/58 (657/56), vgl. Busolt Griech. Gesch.² I 472, 1. Nach Herod. IV 144 wurde B. 17 Jahre (nach Hesych. 20 : 19 Jahre) nach Kalchedon gegründet (Euseb. Hieron. setzt die Gründung von Kalchedon auf 785/84, also 27 Jahre vor B., nach Busolt a. a. O. ist ein Versehen des Eusebius anzunehmen). Ioann. Lyd. de mag. III 70 p. 265 nennt Ol. 38 = 628/25. Zu Eusebius stimmen die Ansätze des Cassiodor chron. ed. Th. Mommsen (Abh. sächs. Ges. d. Wiss. 1861) 593 auf die Zeit des Tullus Hostilius und des Nikephor. chron. 87, 22 de Boor auf die Zeit des Manasse, zu Ioann. Lyd. der des Kedren. I 197 Bonn, und des Iul. Poll. hist. phys. 120 ed. Hardt auf die Zeit des Iosias. Wertlos [1128] sind die Ansätze bei Diod. IV 49, 1 (auf die Zeit des Argonautenzugs) und Kodin. p. 18, 3 (685 oder 655 Jahre vor Severus, also die Zeit der Perserkriege, s. u.).

Gründungssagen.

Eine volkstümliche Überlieferung über die Gründung scheint nicht vorhanden gewesen zu sein; was bei Hesych. 3ff. Arrian bei Eustath. z. Dion. Per. 140. Dion. Byz. passim erzählt ist, sind aetiologische Combinationen oder Entlehnungen gelehrter Herkunft, so die Legende vom Mauerbau durch Apollon und Poseidon (Hesych. 12; vgl. das ,sibyllinische‘ Orakel Zosim. II 37 [θεόκτιτα τείχεα]); am meisten volkstümlichen Charakter trägt noch der Bericht des Dion. Byz. 24f. [20f.] über die anfängliche Gründung an anderer Stelle – der dem Apollon heilige Rabe (Ael. h. a. I 48) bezeichnet den von den Göttern gewünschten Platz. Über den angeblichen Gründer Byzas s. d. Wie Byzas ist auch der von Ioann. Lyd. a. a. O. angeführte Zeuxippos keine Person der Geschichte oder lebendigen Sage. Die Gründungsorakel Dion. Byz. 23 [19]. Hesych. 3. Eustath. Dion. Per. 803. Steph. Byz. s. Βυζάντιον und Strab. VII 320 (Tac. ann. XII 63) sind jedenfalls erst späteres Machwerk, der Inhalt des letzteren wird Herod. IV 144 dem Perser Megabazos in den Mund gelegt; vgl. auch Plin. n. h. V 149.

Nicht einmal über die Mutterstadt bestand eine allgemein anerkannte Überlieferung. Die Entstehung der Irrtümer bei Iustin. IX 1, 3 (Oros. III 13, 2) condita a Pausania rege Spartanorum (Duncker Gesch. d. Altert.⁵ VIII 142, 2 will ohne Grund capta lesen, so auch Busolt Gr. Gesch. II 379; richtig v. Wilamowitz Aristot. u. Athen I 145, 40) und Amm. Marc. XXII 8, 8 (Atticorum colonia) ergiebt sich aus der Geschichte der Stadt. Ein blosser Irrtum liegt wohl auch bei Vell. Pat. II 7, 7 vor, der B. (mit Kyzikos) für eine milesische Colonie hält (Chron. pasch. I 593: eine ionische Colonie). Dass B. eine dorische Colonie war, zeigt der Dialekt (s. u. S. 1143): Megara wird wenigstens von den späteren als die Mutterstadt genannt, Skymn. 716f. Philostr. v. soph. I 24, 3. Dion. Byz. 14 [10]. 34 [28] u. ö. Ioann. Lyd. a. a. O. Steph. Byz. Eustath. z. Dion. Per. 803. Zwingende Belege lassen sich aus Ortsnamen, Kulten u. dgl. nicht beibringen. Die Angaben des Dionysios von Byzanz über die Herkunft mehrerer Kulte aus Megara (des Hipposthenes 32 [26], Schoiniklos 34 [28], Aias 39 [30], Saron 71 [45], Polyeidos 14) werden durch die sonstigen Nachrichten über Megara nicht bestätigt und sind wohl blosse Vermutungen des Dionysios. Sonst zeigen die Reihen der in beiden Städten verehrten Gottheiten eine gewisse Übereinstimmung, aber fast nur in allgemein griechischen Kulten; bemerkenswert ist der gemeinsame Kult der Artemis ὀρθωσία (Herod. IV 87. CIG 1064; vgl. Preller Gr. Mythol.⁴ I 309, 2) und (wahrscheinlich) des Apollon Karinos, s. u. S. 1150, sowie der Titel ἱερομνάμων (s. u.), endlich der byzantinische Monatsname maleforus; vgl. den Kult der Δημήτηρ μαλοφόρος in Nisaia, Paus. I 44, 3. K. F. Hermann Philol. II 1847, 262. Auf Münzen der beiden Städte erscheint der Halbmond Head HN 231. 329 (aber auch sonst, z. B. bei Thespiai ebd. 300). Auch in Ortsnamen ist keine Übereinstimmung vorhanden. Das [1129] angebliche promuntorium Isthmicum (Busolt a. a. O. I² 473, 1) existiert nur in der lateinischen Übersetzung, Dion. Byz. 32 [26]; die Namen Περαικός Dion. Byz. 21 [17] (vgl. Steph. Byz. Περαία, Σκιρωνίδες πέτραι Dion. Byz. 15 [11]) könnten ebenso gut, wie dies im letzteren Falle auch von Dionysios geschieht, auf Korinth zurückgeführt werden; übrigens haben beide Namen appellativen Charakter. Eine zweite Besiedlung durch Megarer wurde früher (so noch Duncker a. a. O. I 409) mit Unrecht aus Ioann. Lyd. de mag. III 70. Dion. Byz. 49 [33; die lateinische Übersetzung war ungenau] geschlossen.

Dass den ursprünglichen Ansiedlern ἔποικοι gegenüberstanden, bezeugt Aristot. pol. 1303 a 33, ohne Zweifel handelt es sich hier um später Zugewanderte; die Nachrichten über Beteiligung anderer Städte an der Besiedlung sind äusserst unsicher. Völlig wertlos in dieser Beziehung sind die Angaben, die auf blosser Ausdeutung von Ortsnamen am Bosporos beruhen: Dion. Byz. 47 [31]. Hesych. 20 (Rhodos). Dion. Byz. 48 [32] (Thasos). Dion. Byz. 79 [51]. Hesych. 32 (Ephesos). Dion. Byz. 81 [52] (Lykier). Ausdrücklich werden argivische Ansiedler als die ersten bei Hesych. 3. 32 genannt; möglicherweise ist dies ein bloser Schluss aus der Verbindung der Gründungslegende mit der argivischen Iosage (anders Svoronos Ἐφημ. ἀρχ. 1889, 75ff.). Auch die Angabe des Dion. Byz. 15 [11] über die Beteiligung der Korinther an der Gründung lautet unbestimmt genug; eine Bestätigung dieser Angabe könnte in der Form des byzantinischen B (s. u. S. 1150), sowie in der wahrscheinlichen Übereinstimmung eines byzantinischen Monatnamens (Machaneus) mit einem kerkyraeischen (Bröcker und K. F. Hermann Philol. II 259. 267) gefunden werden. Vereinzelt steht die Nachricht, dass Korinthier, Karystier und Mykenaeer sich bei der Gründung beteiligt hätten, Genes. p. 27 Bonn. Von Arkadern soll nach Dion. Byz. 19 [15] der Kult des Zeus ἁψάσιος eingeführt worden sein. Auf ein boiotisches Element weist Diod. XIV 12, 3 (τοὺς ὀνομαζομένους Βοιωτούς), der Kult des Amphiaraos Dion. Byz. 63 [42] und seines angeblichen Wagenlenkers Schoiniklos 34 [28], endlich Konstant. them. II p. 46 Bonn.: Μεγαρέων καὶ Λακεδαιμονίων καὶ Βοιωτῶν ἐστιν ἀποικία τῶν ἀρχαιοτάτων Ἑλλήνων.

Bis zum Eintritt in den ersten athenischen Seebund.

Die Stadt hatte wohl von Anfang an Kämpfe mit den benachbarten Thrakern zu bestehen, wie denn auch die Gründungslegende von solchen zu erzählen weiss, Hesych. 17ff. Dion. Byz. 8 [9]. 16 [12]. 53 [35]. Die bestimmteren Nachrichten aus späterer Zeit s. u. S. 1141. Ebensowenig wie die kleinasiatischen Städte vermochte B. sich der Herrschaft der Perser zu entziehen. Als Dareios auf dem Zug gegen die Skythen den Bosporos in der Nähe der Stadt überschritt – 513 v. Chr.? vgl. Busolt II² 523, 1 – (Herod. IV 85. 87. Polyb. IV 43, 2. Dion. Byz. 57 [37]), waren unter seiner Flotte, die zur Donau fuhr, auch byzantinische Schiffe unter dem Tyrannen Ariston, Herod. IV 138. Während der Unternehmung des Dareios muss B. wie die übrigen Griechenstädte am Bosporos und der Propontis durch Abfall oder zweideutige Haltung, [1130] vielleicht durch Zerstörung der Brücke über den Bosporos, den Groll und Argwohn des Königs erregt haben; die Stadt wurde von Otanes, dem Nachfolger des Megabazos unterworfen, Herod. IV 143f. V 26f. Strab. XIII 591 (Ktes. frg. 17). Vielleicht ist auch Herod. IV 87 (Zerstörung der persischen Denksäulen) hierher zu beziehen (Duncker IV 516ff., der die etwas von einander abweichenden Notizen zu vereinigen sucht; Schwen 13f.), hierher auch Dion. Byz. 14 [10], wenn nicht eine Verwechslung mit der späteren Stadt vorliegt. Im Verlauf des ionischen Aufstandes besetzten die Ionier den Platz, Herod. V 103; an der Seeschlacht von Lade war B. nicht beteiligt, Herod. VI 8; Histiaios begab sich hieher, um die Schiffe aus dem Pontos abzufangen, Herod. VI 5. 26. Nach der Niederwerfung des ionischen Aufstandes flüchteten die Byzantier vor der Rache der Perser zusammen mit den Kalchedoniern und legten die Colonie Mesambria am schwarzen Meer an; B. selbst wurde zerstört, Herod. VI 33. Eustath. z. Dion. Per. 803. Vielleicht war die Stadt Mesambria schon vorher gegründet (bei der ersten Unterwerfung von B., Duncker IV 519), aber weder Herod. IV 93 noch Strab. VII 319. Skymn. 739–42 machen diese Annahme notwendig. Offenbar sahen die Perser in dem Platze bald eine wichtige Stütze ihrer Herrschaft in dieser Gegend. Nach der Niederlage von Plataiai nahm Artabazos seinen Rückweg über B., Herod. IX 89. Im J. 478 (v. Wilamowitz Aristot. u. Athen I 145) wurde B. von Pausanias erobert, wobei eine Anzahl persischer Adeliger, darunter Angehörige der königlichen Familie, den Griechen in die Hände fielen, Thuk. I 94. 128. Diod. XI 44, 3. Nep. Paus. 2, 2. Die athenischen Schiffe standen unter Aristeides und Kimon; Kimon wird als kluger Schiedsrichter bei der Verteilung der Beute genannt, Plut. Arist. 23; Kim. 9 (aus Ion). Polyaen. I 34, 2. Duncker VIII 18. Busolt¹ II 340. Über das von Pausanias im Ἱερόν am Bosporos gestiftete Weihgeschenk s. Duncker VIII 27f. In B. knüpfte Pausanias verräterische Verhandlungen mit Xerxes an, hier behauptete er sich, gegen den Willen der Spartaner, nach Iustin. IX 1, 3 sieben Jahre lang, also bis zum J. 471 oder 470 (gegen diese Zeitbestimmung richtig v. Wilamowitz a. a. O. I 145f.). Thuk. I 128–131. Anekdoten über die Tyrannei des Pausanias zu B. bei Plut. Kim. 6 = de ser. num. vind. 10; Aristeid. 23. Paus. III 17, 8. Aristodemos(?) bei Wescher Poliorcét. p. 357. Die Athener mussten ihn durch eine förmliche Belagerung vertreiben, vor deren Beendigung er, wie es scheint, aus der Stadt entkam, Thuk. I 131; auf diese Belagerung ist wohl Aristoph. vesp. 236ff. (trotz Kirchhoff S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 1182, 1 – das Alter der Männer wird absichtlich übertrieben; vgl. v. 219f.) zu beziehen (auch Aristeid. II 511 Dind. = Bergk PLG⁴ III 460?). Duncker VIII 142. Busolt II 379. J. Beloch Gr. Gesch. I 385.

Bis zur Belagerung durch Philipp von Makedonien.

B. trat in den delischen Bund ein. Für den raschen Aufschwung und die Blüte der Stadt zeugt die Höhe des φόρος, der im J. 450 15 Talente betrug (CIA I 230); für 447 sind Rückstände verzeichnet (CIA I 233; vgl. Boeckh Staatsh.³ II 406. 432), für 443 15 Tal. 4300 Dr. [1131] (CIA I 237), für 441 15 Tal. 460 Dr. (CIA I 239).

Die Vermutung Dunckers (Abhandl. z. griech. Gesch. 160ff.; Gesch. des Altert. IX 113ff.; vgl. Gilbert Gr. Staatsaltert.¹ I 333, 1), dass schon bei Gelegenheit der pontischen Fahrt des Perikles (ca. 443 v. Chr.) eine athenische Zollstätte bei B. eingerichtet worden sei, steht im Widerspruch mit Polyb. IV 44, 4 und ist mit Kirchhoff S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 1179ff., dem Gilbert Gr. Staatsaltert.² I 392, 3 beigetreten ist, abzuweisen. Die im Volksbeschluss CIA I 40 = Dittenberger Syll. 32, 35 (vgl. Boeckh Staatsh.³ I 70. II 500, 35) den Methonaeern erteilte Erlaubnis, Getreide bis zu einem bestimmten Mass aus B. auszuführen, bezieht A. Kirchhoff auf eine während des peloponnesischen Kriegs für notwendig erachtete Getreidesperre. Aus unbekannter Ursache hat B. sich an dem samischen Aufstande beteiligt, Thuk. I 115, 5. 441/40 hat B. noch Tribut bezahlt (CIA I 239, nach sicherer Ergänzung); dagegen fehlt B. auf der Liste für 440/39, CIA I 240 = Dittenberger Syll. 15, die freilich bei dem Tribut vom Chersonnes nicht ganz vollständig ist; vermutlich fand also der Abfall im J. 440 statt, Duncker Gesch. des Altert.⁵ IX 208. 216. Von einem ernstlichen Kampf gegen B., von einer Unterstützung der Samier durch B. wird nichts berichtet; Thuk. I 117, 3 erwähnt kurz den Wiedereintritt der Stadt in den Unterthanenverband. Auf der Tributliste für 438/37, CIA I 242, erscheint B. ohne Tributziffer; die Tributliste für 436/35 CIA I 244 = Dittenberger Syll. 17, 32 weist gegen 441/40 eine kleine Erhöhung – auf 18 Tal. 1800 Drachmen – auf. Nicht ungerechtfertigte Bedenken erhebt Müller-Strübing Thuk. Forschungen 271f. gegen die genannten Stellen des Thukydides, die er als Glossen beseitigen will; indessen wäre die Entstehung dieser Glossen in keiner Weise zu erklären; es ist anzunehmen, dass es zu wirklichen Feindseligkeiten nicht gekommen ist.

Im peloponnesischen Krieg stand B. auf der Seite Athens, Thuk. II 9, 4. Xen. anab. VII 1, 27. Bei der allgemeinen Erhöhung der Tribute im J. 425/24 wurde der von B. auf 21 Tal. 3420 Dr. angesetzt, CIA I 259; ein Geschwader wurde damals an die thrakische Küste gesandt, vielleicht um einen befürchteten Abfall der dortigen Städte zu verhindern, Thuk. IV 75, 1. Zu dem J. 416 berichtet Diod. XII 82, 2 von einem gemeinschaftlich mit Kalchedon unternommenen, mit grosser Härte ausgeführten Feldzug der Byzantier gegen Bithynien. Nach dem unglücklichen Ausgang der sicilischen Expedition wurde B. ein Gegenstand hartnäckiger Kämpfe zwischen beiden Parteien. Es verhandelte mit Sparta und fiel im Sommer 411 von Athen ab, Thuk. VIII 80, 3 (Diod. XIII 34, 2 setzt den Abfall von B. zusammen mit dem der andern Bundesgenossen auf das J. 412). Die Besatzung wurde im J. 410 durch Klearch, der Proxenos von B. war, im Auftrag des Königs Agis verstärkt, um die Getreidezufuhr nach Athen völlig zu sperren, Xen. hell. I 1, 35; vgl. Breitenbach z. d. St. Nach der Schlacht bei Kyzikos wurde im J. 410 von Alkibiades der Sundzoll – von den Schiffen aus dem Pontos wurde der Zehnte gefordert – zu Chrysopolis gegenüber B. eingerichtet, Xen. hell. I 1, 22. Polyb. IV [1132] 44, 4. Diod. XIII 64, 2. Boeckh Staatsh.³ I 396. Im J. 409 brachen die Athener gegen Kalchedon und B. auf und belagerten unter Alkibiades die Stadt, die von Klearch verteidigt wurde; nach dem Weggang des Klearch öffneten einige Bürger der von Hunger bedrängten Stadt – sogar die Spartaner erkannten nachher an, dass der Verrat durch die Not entschuldigt war (Plut.) – den Athenern die Thore nach der Landseite hin; es kam zu einem Kampf auf dem Marktplatz, wobei (Diod.) die Einwohner der peloponnesischen Besatzung Beistand leisteten, bis Alkibiades den Byzantiern Schonung verkünden liess, Xen. hell. I 3, 2. 14ff. Diod. XIII 64, 3. 66, 4ff. 67. Plut. Alk. 31; hieher ist auch Polyaen. I 47, 2 (Front, strat. III 11, 3) zu beziehen, Grote Hist. of Gr. (ed. 1884) VII 374ff. (ch. 63). Die athenische Verlustliste, bei der auch die vor und in B. (ἐμ Βυζαντίῳ) Gefallenen aufgeführt werden, s. CIA IV 2, 446 a. A. Kirchhoff Herm. XVII 623ff. Die Einnahme erfolgte spätestens im Winter 409/8, Xen. hell. I 4, 1. Vermutlich wurde jetzt die Zollstätte nach B. verlegt, A. Kirchhoff S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 1179. B. bezahlt jetzt wieder Tribut, CIA I 258 = Dittenberger Syll. 21, 5 (von den J. 408/6), 15 Tal. 100 Dr. Nach der Schlacht bei Aigospotamoi (405) wurde B. von Lysander besetzt; die athenische Besatzung wurde auf Grund eines Vertrags entlassen; diejenigen, die B. vorher an Alkibiades überliefert hatten, flohen nach dem Pontos und wurden später Bürger in Athen, Xen. hell. II 2, 1 (vgl. I 3, 19). Der erste Harmost daselbst war Sthenelaos, ebd. II 2, 2. Von inneren Streitigkeiten und Angriffen der Thraker bedrängt erbaten sich die Byzantier einen στρατηγός von Sparta; es wurde im J. 403 Klearch dorthin gesandt, der aber in B. alsbald eine Schreckensherrschaft aufrichtete, bis die Lakedaimonier ihn offen angriffen, Diod. XIV 12; übereinstimmend damit in der Hauptsache Polyaen. II 2, 7 (während Xen. anab. I 1, 9. 3, 3. II 6, 3 von diesen wenig rühmlichen Thaten des Klearch schweigt); bewusste Ungenauigkeit bei Isokr. VIII 98. XII 104. V 97. Grote Hist. of Gr. VIII 310 (ch. 69). Bei der Rückkehr der Zehntausend im J. 400 finden wir als Harmosten von B. den Kleandros, Xen. anab. VI 4, 18. 6, 1. 5ff. Die Zehntausend gelangten nach Chrysopolis (ebd. VI 6, 38) und von da nach B., VII 1, 7. Das hinterlistige Verhalten des in B. befindlichen spartanischen Nauarchen Anaxibios brachte die Stadt in die Gefahr der Plünderung durch die Kyreer, die sich hier unter Xenophons Führung festsetzen wollten; durch eine Rede gelang es dem Xenophon, die aufgeregten Soldaten zu beschwichtigen, VII 1 (Chion epist. 3 ohne selbständigen Wert). Auch damals waren die Byzantier unter sich uneins, ebd. VII 2, 39. Nachfolger des Kleandros wurde Aristarchos, der auf die Weisung des Anaxibios 400 in B. zurückgebliebene Kyreer in die Sclaverei verkaufte, VII 2, 5. 6. Vorteilhaft musste für B. der von Seuthes mit den Kyreern gegen die Thraker bei Salmydessos unternommene Kriegszug sein, ebd. VII 5. Diod. XIV 37. Nach der Schlacht bei Knidos (394) und zwar wahrscheinlich im J. 390 (G. Busolt Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 673. Volquardsen Untersuch. über die Quellen Diodors 45. Breitenbach Ausg. v. Xen. hell. [1133] II Einl. LXXXV) machte Thrasybul der spartanischen Herrschaft und der Oligarchie in B. ein Ende. Der Sundzoll wurde wieder eingerichtet und an B. verpachtet, Xen. hell. IV 8, 27. Demosth. XX 60. Swoboda Athen. Mitt. VII 188. Archebios und Herakleides, die B. an Thrasybul übergaben, wurden später verbannt, zu Athen aber mit grossen Ehren aufgenommen, Demosth. XX 60–63. Die entsprechenden Ehren werden auf einer athenischen, von P. Foucart Bull. hell. XII (1888) 164ff. veröffentlichten Inschrift (vom J. 387/6) einem Herakleides zuerkannt, der sich auch bei den Verhandlungen des antalkidischen Friedens um Athen verdient gemacht hat; dass dieser Herakleides mit dem Byzantier identisch sei, nimmt Foucart mit grosser Wahrscheinlichkeit an. Thrasybul soll, als er angeklagt wurde, einen Versuch gemacht haben, sich in B. festzusetzen, Lys. XXVIII 5. Ob ein förmliches Bündnis zwischen Athen und B. geschlossen worden ist, ist zweifelhaft. Dem Sundzoll machte wohl der antalkidische Friede ein Ende; nach Isokr. XIV 28 blieb aber B. auch nach diesem Frieden auf der Seite Athens. Noch vor der Neugründung des zweiten athenischen Seebundes (378/77) ist von Athen mit B., wie mit Chios u. a. ein Separatvertrag abgeschlossen worden, CIA II 19 = Dittenberger Syll. 62 a 4; b 2. 11; vgl. CIA II 17, 83 = Dittenberger Syll. 63, 83. Busolt Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 641; griech. Staatsaltertümer² 330. Festen Bestand hatte auch dieser Bund nicht; bei seinem Versuche, die Seeherrschaft für Boiotien zu erwerben, wandte sich Epaminondas mit Erfolg auch an B. (364 oder 363), Diod. XV 79, 1. Isokr. V 53. Nach der abgerissenen Notiz bei Nep. Timoth. 1 wäre an eine Wiederunterwerfung – Timotheos war damals Strateg in Thrakien, Schol. Aisch. II 34. Demosth. XXIII 149f. Beloch Attische Politik 318 – zu denken. Im J. 362 und aufs neue 361 belästigten die Byzantier die Getreidezufuhr nach Athen, indem sie die Getreideschiffe zwangen, in ihren Hafen einzulaufen und ihre Ladung hier auszuschiffen; über den Begriff des κατάγειν vgl. Aristot. oec. II 3 1346 b 29. Boeckh Staatsh.³ I 697. Das im J. 362 auf Aristophons Antrag ausgerüstete Geschwader hatte u. a. auch die Aufgabe, diesem Notstande abzuhelfen. Im Herbst 361 wurde die pontische Getreideflotte vom Hieron her durch athenische Schiffe beschützt, Demosth. L 6. 17. A. Schäfer Demosthenes² I 121; Beil. 149. Busolt Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 801ff. Wie lange B. auf Seiten Thebens geblieben ist, ist nicht überliefert (über die Schlacht von Mantineia hinaus? Beloch a. a. O. 159). Jedenfalls muss B. wieder in ein freundschaftliches Verhältnis zu Athen getreten sein; im J. 357 aber schlossen sich die Byzantier dem von Mausollos veranlassten Abfall von Rhodos, Kos und Chios an, kamen Chios zu Hülfe, verwüsteten mit den andern Lemnos, Imbros, Samos; ein byzantinisches Geschwader scheint damals die Athener bedroht zu haben, CIA II 69 = Dittenberger Syll. 91, 12. Die Stadt wurde von den Athenern belagert ohne Erfolg (Diod.), eine Nachricht, die A. Schäfer Demosthenes² I 170, 1 in Zweifel zieht, Demosth. XV 3. Diod. XVI 7, 3. 21. 22, 2. Nep. Timoth. 3 (Isokr. XV 64. VIII 16). Über die Zeit des [1134] Friedens vgl. U. Koehler Athen. Mitt. VI 21ff. Beloch a. a. O. 365ff. Die Bedingungen des Friedens sind nicht bekannt – angedeutet bei Demosth. XV 26 –, jedenfalls bedeuteten sie die Ablösung der aufständischen Städte vom Bunde, Busolt Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 858. Gilbert Griech. Staatsaltertümer² I 489ff. B. benützte den glücklichen Ausgang des Kriegs, um seine Macht über Kalchedon und Selybria auszudehnen, gegen die Verträge; die Verfassung Kalchedons wurde nach dem Vorbild von B. in demokratischem Sinne umgestaltet, Demosth. XV 26. Theop. frg. 65. FHG I 287 a (Athen. XII 526 e). Den Rhodiern kam B. gegen Mausollos nicht zu Hülfe, Demosth. XV 3. Zum phokischen Krieg hat B. den Boiotern zweimal eine Beisteuer geleistet, Dittenberger Syll. 95, 10. 20 = Larfeld Syll. inscr. Boeot. 309, 9. 20. Im Streit mit Kersobleptes von Thrakien begriffen schloss B. einen Vertrag mit Philipp, wohl bei dessen Zug nach Thrakien, Schol. Aisch. II 86 (Demosth. IX 34. XI 3. XVIII 87. 93). Von einer Beteiligung der Stadt an dem Kriege gegen Athen wird nichts erzählt, aber die Athener mussten zulassen, dass B. die durchfahrenden Schiffe wieder zum Einlaufen zwang (κατάγειν), Demosth. V 25. Trotzdem aber Philipp den den Griechenstädten feindlichen Kersobleptes im J. 343 bekriegte (Diod. XVI 71), bekam die Freundschaft der Byzantier mit Philipp bald einen Riss; als Grund giebt Demosth. XVIII 87 die Weigerung der Byzantier an, auf Grund ihres Bündnisses mit Philipp Krieg gegen Athen zu führen, was kaum denkbar ist, s. dagegen A. Schäfer a. a. O. II² 497, 2, der an Verletzung byzantinischen Gebiets von seiten des Philipp denkt. Philipp erkannte die Bedeutung der Stadt und wollte sich mit Gewalt ihrer bemächtigen. In der Rede über die Angelegenheiten im Chersonnes (Anfang des J. 341, A. Schäfer II² 467) erwartete Demosthenes die Belagerung von B. für die Zeit der Etesien (VIII 14. 66); zur Zeit der dritten philippischen Rede (Mai 341, A. Schäfer II² 468; über die Chronologie vgl. auch Boeckh Staatsh.³ I 666ff.) rückte Philipp gegen B., Demosth. IX 34. (20). Demosthenes brachte ein Bündnis zwischen Athen und B. zu stande, Demosth. XVIII 88ff. (238). 240f. 302. Plut. Dem. 17, im Sommer 341 (A. Schäfer II 482). Philipp wandte sich 341/40 zunächst gegen Perinth, das von B. unterstützt wurde, Diod. XVI 74, 5. 76, 3. Nachdem die Bestürmung Perinths im J. 340 missglückt war, griff Philipp B. an, dessen Kriegsmacht noch in Perinth sich befand, Diod. XVI 76. An eine Verteidigung des offenen Landes war nicht zu denken, Front. str. I 3, 4. Eine Geschichte der Belagerung in sieben Büchern schrieb der Byzantier Leon (Suidas s. v.); ein kurzer Bericht bei Iustin. IX 1 (Oros. III 13). Eine ausführliche Darstellung giebt A. Schäfer II² 507ff. Die Belagerung blieb lange im Gedächtnis und gab daher Anlass zur Legendenbildung; unzuverlässig erscheinen die Angaben Hesychs, der z. B. den Chares zum Strategen der Byzantier macht; auch bei Dionysios von Byzanz lässt sich der Verdacht aetiologischer Legendenbildung nicht abweisen. So könnte die Erzählung von der Schlacht bei Θερμημερία, Dion. Byz. 65 [43], aus dem Namen, die von der hülfreichen Lichterscheinung, Hesych. 27. Steph. Byz. s. Βόσπορος [1135] Constant. Porph. them. II p. 64 Bonn. (abgebrochen). Eustath. z. Dion. Per. 142, aus dem mit dem Ereignis in Zusammenhang gebrachten Kult der Ἑκάτη φωσφόρος – sogar der Bosporos soll danach genannt sein – herzuleiten sein. Auch die Distichen auf dem angeblichen Grabmal einer Gemahlin oder Geliebten des Chares, die damals gestorben sein soll (Münzen? Svoronos Ἐφημ. ἀρχ. 1889, 80), bei Hesych. 29f. Eustath. z. Dion. Per. 140. Anth. Pal. VII 169. Dion. Byz. 110 [66]; vgl. p. 36. 55 Wesch., und Heyne Antiqu. Byz. (Comment. soc. Gott. I 67), sind vielleicht nicht authentisch. B. erhielt Unterstützung von Athen, das jetzt den Krieg an Philipp erklärte, von Chios, Kos, Rhodos ,und einigen andern Griechen‘, Diod. XVI 77, 2. CIA ΙΙ 117 = Dittenberger Syll. 108 b (Tenedos). CIA II 118 (Chios?). Commandant der ersten athenischen Hülfesendung war Chares, der sich jedoch kein Vertrauen zu erwerben verstand, Hesych. 28. Plut. Phok. 14. Porphyr. frg. 1, FHG III 692 a, an der Spitze des zweiten Geschwaders standen Phokion und Kephisophon; auf die Fürsprache des byzantinischen Feldherrn Leon, der ihn persönlich kannte (derselbe ist nicht identisch mit dem genannten Schriftsteller), wurde Phokion in die Mauern der Stadt selbst aufgenommen, Plut. Phok. 14 (Apophth. Phok. 8). Nep. Phoc. 2. CIA II 808 c 98 = 809 d 240. Demosthenes betrieb persönlich die Hülfeleistung und stiftete eine Triere; unter den Trierarchen war auch Hypereides, CIA a. a. O. Boeckh Seeurk. 189. Plut. vit. X or. 848 E. 851 A. Demosth. XVIII 80ff. Der Führer der Byzantier selbst war Leon, Plut. Phok. 14, ein Freund des Phokion und Schüler des Platon (dort zahlreiche Anekdoten über ihn); wenn er mit dem Phyl. frg. 10. Athen. X 442 c = Aelian. v. h. III 14. Eustath. Il. 1242, 40, FHG I 336 b genannten Leonides identisch ist, so bemühte er sich zuerst die Disciplin unter den Byzantiern herzustellen (doch s. u. S. 1137). Ein Apelles von B., der damals um die Athener sich bemühte, wurde zum Proxenos ernannt, CIA II 119. Über die von Philipp ergriffenen Massregeln – die μηχανήματα des Polyeidos machten Epoche in der Belagerungskunst – s. Demosth. XVIII 87. Hesych. 26. Poliorcét. ed. Wescher 10. Philoch. frg. 135, FHG I 406 b. An sich unverdächtig sind auch die Angaben des Dionysios von Byzanz, dass Philipp, um die Zufuhr zu erleichtern, eine Brücke über das goldene Horn geschlagen und vermittelst versenkter Steinmassen sie gesichert habe, ferner dass er einen Tempel des Pluton vor der Stadt, um Baumaterial zu gewinnen, abtragen liess, 27 [23]. 14 [10]. Die Belagerung misslang; das Ende der Belagerung ist wahrscheinlich auf Frühjahr 339 anzusetzen., A. Schäfer II² 522. Über den Dank der Byzantier gegen Athen s. Demosth. XVIII 89; das Ehrendecret ist späteres Machwerk, Ahrens De dial. Dor. 21. Über einen förmlichen Friedensschluss zwischen Philipp und und B. ist nichts überliefert (ungenau und allgemein Diod. XVI 77, 3); dass die Byzantier den Krieg activ fortgesetzt hätten, darf aus Demosth. XVIII 230 nicht geschlossen werden (gegen A. Schäfer II² 531, 1). Leon wurde nachher von Philipp bei den Byzantiern verleumdet und gab sich selbst den Tod, Suid. s. Λέων. Plut. Nik. 22. Danach [1136] nimmt J. G. Droysen Hellenism.² I 119, 1 den Abschluss eines förmlichen Vertrags zwischen B. und Philipp an. Zur Zeit des Philipp – wie v. Gutschmid Kl. Schr. III 441 annimmt, unmittelbar vor der Belagerung – hat B. einen Streit mit dem Skythenkönig Ateas gehabt, Aristokr. frg. 4, FHG IV 336.

Bis zur ersten Berührung mit den Römern.

B. ist auch unter Alexander ein autonomer Staat geblieben; es behielt seine eigene Münzprägung, Droysen M.-Ber. Akad. Berl. 1877, 25. Bei seinem Donaufeldzuge wurde Alexander von B. durch ein Geschwader, das in die Donau einlief, unterstützt, Arrian. an. I 3, 3. Die Gründung des στρατήγιον führt Malal. 292 Bonn., wohl nicht mit Recht, auf Alexander zurück. Die Diadochenkämpfe scheinen B. im ganzen wenig belästigt zu haben. Bei dem Krieg des Polysperchon gegen Antigonos stand B. auf Seite des letzteren; zwei Seeschlachten wurden in diesem Kampfe vor B. geschlagen. Diod. XVIII 72 (zum J. 318). J. G. Droysen Hellenism.² II 231. Niese gr. u. mak. St. I 246; nachher dagegen blieb es zwischen Antigonos und dessen Gegnern Kassander und Lysimachos neutral, Diod. XIX 77, 7 (zum J. 313). J. G. Droysen a. a. O. II 2, 34. Niese a. a. O. I 290. Auf Hinneigung zu Antigonos und Demetrios weist CIA II 251; dasselbe Wohlwollen gegen diese Familie zeigt sich auch noch später; die Byzantier stellten nach dem J. 282, wohl erst nach 277/76 Bildnisse des Antigonos Gonatas und seines Vaters Demetrios zu Olympia auf, Paus. VI 15, 7. Dittenberger Syll. 161. v. Wilamowitz Philol. Unters. IV 260f. Der König Eumelos vom kimmerischen Bosporos bemühte sich um die Freundschaft von B., Diod. XX 25, 1 zum J. 310. Durch Lysimachos scheint B. bedroht aber nicht unterworfen worden zu sein, Plut. de Alex. virt. II 5. Nach der Schlacht von Korupedion (281) schloss Heraklea mit B. einen Bund, um sich vor Seleukos zu schützen, Memn. Her. 11 (FHG III 533 a).

Schwer hatte B. unter dem Einfall der Kelten zu leiden (seit dem J. 278, J. G. Droysen II 2, 351, 2). Eine Keltenschar verheerte das Land und legte der Stadt einen Tribut auf, zuletzt 80 Talente. Der Tribut musste bezahlt werden (wahrscheinlich an die in Europa gebliebenen Kelten, Holm Gr. Gesch. IV 119f.) bis auf die Zeit des Keltenfürsten Kauaros, der Zeitgenosse des Kriegs zwischen Rhodos und B. war (s. u.), also auch nachdem die Kelten zum Teil im Vertrag mit König Nikomedes von Bithynien nach Asien übergesetzt waren (278 oder 277. J. G. Droysen III 1, 191. 194). In den Vertrag waren auch die Verbündeten des Nikomedes, darunter B. und Heraklea, einbezogen. Ein Demetrios von B. beschrieb in 13 B. τὴν Γαλατῶν διάβασιν ἐξ Εὐρώπης εἰς Ἀσίαν, Diog. Laert. V 83. FHG II 624. Die Byzantier erbaten sich in ihrer Geldverlegenheit Unterstützung von den andern Griechen, aber nur wenige leisteten Hülfe, so Heraklea. Wahrscheinlich wurden in dieser Zeit die ausserordentlichen Finanzmassregeln ergriffen, von denen Ps.-Arist. oec. II 2, 3 (1346 b) berichtet; auch ein Sundzoll wurde erhoben, was zum Konflikt mit Rhodos führte, Polyb. IV 46f. Memn. Her. 19. Liv. XXXVIII 16, 3. Pausan. X 23, 14. [1137] Die Byzantier waren auch unter den von Nikomedes eingesetzten Vormündern seiner Kinder, Memn. Her. 22. Ein von B. damals gegen Kalatia und Istria um Tomi geführter Krieg endete mit der dauernden Schwächung Kalatias, Memn. 21.

Mit Heraklea war B. auch gegen Antiochos II. von Syrien verbündet. Dieser scheint in der Zeit 262–58 eine Belagerung von B. unternommen zu haben, Memn. Her. 23; hierauf bezieht J. G. Droysen III 1, 315 das oben (S. 1135) erwähnte Fragment des Phylarch; indessen kann die Anekdote, die Phylarch im Zusammenhang des sechsten Buchs anführt, ebenso gut auf die frühere Geschichte von B. sich bezogen haben. Wohl für diesen Krieg wurde den Byzantiern von Ptolemaios Philadelphos, dem Gegner des Antiochos I. und II., eine Unterstützung gewährt; sie erhielten Land in Asien, Getreide, Geld, Waffen; dafür wurde ihm ein Tempel beim Palinormikon errichtet, Dion. Byz. 41 [30]. Von einem (sonst nicht genannten) Kallimedes, Feldherrn des Seleukos II., erkauften sich die Byzantier den Fortbesitz des Hieron am Eingange des Bosporos, Dion. Byz. 92 [59]. Polyb. IV 50, 3.

Die Erhebung des Sundzolls durch die Byzantier gab den Anlass zu dem Kriege, den Rhodos gegen B. begann (220/19, Polyb. IV 37, 8 vgl. III 16, 7). Bundesgenosse der Rhodier war Prusias von Bithynien, der auf B. wegen dessen Freundschaft mit Attalos I. von Pergamos erzürnt war (Polyb. IV 49, 3); Bundesgenossen der Byzantier waren Achaios (über diesen Polyb. IV 48), Attalos I., ein Oheim des Prusias Tiboites, der sich in Makedonien aufhielt. Aber der letztere starb, Achaios wurde von den Rhodiern gewonnen, Prusias setzte im Bunde mit den Thrakern der Stadt hart zu, er nahm ihnen das Hieron und ihren Landbesitz in Mysien; so wurde unter Vermittlung des Keltenkönigs Kauaros ein Frieden geschlossen, nach dem die Byzantier auf den Sundzoll verzichteten, dagegen von Prusias alles Eroberte zurückerhielten, Polyb. IV 47–52. Holm Gr. Gesch. IV 351. Vielleicht ist auf diesen Krieg der Ortsname Ῥοδίων περίβολοι, Dion. Byz. 47 [31], zu beziehen; vgl. C. Müller Philol. XXXVII 74.

Bis zur Zerstörung durch Septimius Severus (196 n. Chr.).

Auch seit der Berührung mit den Römern behauptete B. eine geachtete Stellung; unter den griechischen Seestädten stand B. wohl nur hinter Rhodos an Bedeutung zurück (Mommsen Röm. Gesch.⁷ I 691). In dem römisch-aitolischen Krieg gegen Makedonien erscheint B. mit unter den Mächten, welche den Frieden (im J. 205) zwischen den Aitolern und Makedoniern vermittelten, Polyb. XI 4, 1. Als Philipp V. von Makedonien im J. 201 im Bunde mit Antiochos von Syrien die ägyptischen Besitzungen in Kleinasien zu erobern unternahm, die griechischen Städte dieser Gegend unterwarf und auch Perinth, das damals in einem Clientelverhältnis zu B. stand, besetzte, schloss sich B. der Kriegserklärung von Rhodos und König Attalos gegen Philipp an; die byzantinische Flotte hatte teil an dem Seesiege von Chios, Polyb. XVI 2, 10. Damals ist eine byzantinische Flotte in den Peiraieus eingelaufen, CIA II 414 = Dittenberger Syll. 197. So waren die Byzantier natürliche Bundesgenossen der Römer in zweiten Krieg mit [1138] Philipp; bei dem Friedensschluss (197) wurde die Zurückgabe Perinths an B. (εἰς τὴν Βυζαντίων συμπολιτείαν) ausdrücklich verlangt, Polyb. XVIII (XVII) 2, 4 (daraus Liv. XXXIII 30).

Philipp von Makedonien bewarb sich um die Gunst der Stadt, indem er sie gegen die Thraker unterstützte, hauptsächlich wollte er jedoch dadurch die thrakischen Fürsten einschüchtern, Polyb. XXII 18, 12. Liv. XXXIX 35, 4; dasselbe berichten Appian. Mak. XI 1. 5. Liv. XLII 13, 8 (40, 6. 42, 4) von Perseus. Es liegt darin für B. keineswegs ein Abfall von der römischen Sache. In dem Krieg gegen Antiochos von Syrien (191–190) und ebenso in dem Krieg gegen Perseus (der letztere schickte zu Anfang des Kriegs Gesandte nach B., Liv. XLII 46, 1; eine Parteinahme für ihn kann nicht daraus geschlossen werden, dass B. unter den bei Liv. XLIII 6 aufgeführten Städten genannt ist) stand B. auf Seite der Römer, Tac. ann. XII 62. Dem Andronikos wurden (im J. 149) von B. Ehren erwiesen; die Stadt hatte nachher dafür zu büssen, Diod. XXXII 15, 6. Damals zuerst wurde nach Tac. a. a. O. ein förmliches Bündnis zwischen B. und Rom geschlossen. Über das staatsrechtliche Verhältnis zu Rom s. unten S. 1144f. Im Krieg gegen Andronikos, im ersten und dritten mithridatischen und im Seeräuberkriege erfüllte die Stadt ihre Pflichten gegen die Römer, Tac. a. a. O. Zu Anfang des ersten mithridatischen Kriegs (88) stand eine römische Flotte bei B., um den Eingang in den Bosporos zu sperren, Appian. Mithr. 17; im Verlauf des Kriegs hatte die Stadt unter Flaccus und Fimbria zu leiden (im J. 86), Dio frg. 104, 1–4 (Memn. 34). Nach seiner Niederlage bei Kyzikos (im J. 73) suchte Mithridates mit seiner Flotte B. zu erreichen, erlitt aber Schiffbruch und wandte sich zurück nach Sinope, Oros. VI 2, 24. Eutr. VI 6, 3; von der Mitleidenschaft, in die B. durch diesen Krieg – wohl hauptsächlich durch die Belagerung von Kalchedon im J. 74 – gezogen worden ist, spricht auch Cic. d. prov. cons. 6. In der Folgezeit hören wir wieder von inneren Wirren: ein Teil der Einwohnerschaft wurde vertrieben, die Vertriebenen erkauften die Hülfe des Volkstribunen Clodius und auf seinen Antrag wurde Cato (im J. 58) beauftragt die Verbannten zurückzuführen, ein Auftrag, dessen sich Cato auch entledigte; übrigens blieben – so versteht Drumann, ohne zwingenden Grund, Cic. ad Qu. fr. II 9, 2 – die Byzantier dem Clodius die versprochenen Summen schuldig. Cic. pro dom. 52; pro Sest. 56. Plut. Cat. min. 34. 36; Cic. 34. Drumann Gesch. Roms II 263. 266. 272. V 166. Unter dem Proconsulat des Piso in Makedonien (in den J. 57 und 56) war die Stadt den schweren Plünderungen und Gewalttätigkeiten dieses Mannes preisgegeben, Cic. de prov. cons. 5–7; in Pis. 86. Drumann a. a. O. II 67ff. Über die sonstigen Beziehungen des Cicero zu B. – Cicero erwartete, vielleicht wegen seines Auftretens gegen Piso, τιμὰς καὶ ψηφίσματα von B. – ist nichts Näheres bekannt, Plut. Cic. 24 fin. Cic. ad Att. XIV 8, 1. Unter den Schiffen, die Pompeius gegen Caesar zusammenbrachte, waren auch solche von B., Cic. ad Att. IX 9, 2.

Auch in der Kaiserzeit wurde B. öfters als Übergangsstelle für die römischen Heere benützt, Tac. [1139] ann. XII 62; hist. II 83. III 47 (Mucianus, Herbst 69 n. Chr.). Hist. Aug. Aurel. 13, 1 (Valerian, 258 n. Chr.). 22, 3 (Aurelian, 271?). Zur Zeit des Augustus scheint nach einigen Münzen von B., die die Häupter des Augustus und des Thrakerkönigs Kotys – über seine Regierungszeit s. Th. Mommsen Ephem. epigr. II p. 254 – zeigen, ein freundschaftliches (Clientel?) Verhältnis zu letzterem bestanden zu haben, Eckhel D. N. II 59. Im J. 18 n. Chr. beehrte Germanicus die Stadt mit seinem Besuche, Tac. ann. II 54. Bei den Truppenübergängen nach Asien, sowie bei den Kriegen in Thrakien und am kimmerischen Bosporos wurde die Leistungsfähigkeit der Stadt stark in Anspruch genommen; sie erreichte bei Claudius im J. 53 einen Nachlass des Tributs auf fünf Jahre, Tac. ann. XII 62f. (vgl. XII 15). Traian verfügte mit Rücksicht auf die Menge des in B. zusammenströmenden Volkes die Entsendung eines Legionarcenturionen dorthin, ep. Plin. et Trai. 77f. Das Finanzwesen wurde durch Plinius d. J. während seiner Statthalterschaft in Bithynien revidiert; die jährlichen Ausgaben von 12 000 HS für die Beglückwünschung des Kaisers und 3000 HS für die Begrüssung des Legaten von Moesien wurden mit Zustimmung Traians gestrichen, ebd. 43. 44. Hadrian soll eine Wasserleitung in B. gebaut haben, Chron. pasch. I 619 Bonn.; falls die Nachricht richtig ist, könnte damit die von Philostr. v. soph. I 24, 3 erwähnte Gesandtschaft an Hadrian zusammenhängen.

Der Wohlstand der Stadt stand am Ende des 2. Jhdts. n. Chr. ,infolge des Fischfangs, der Zölle und der Fruchtbarkeit des Landes‘ (Herodian. III 1, 5) in hoher Blüte; die Befestigung war in vorzüglichem Stand, Kriegsmaschinen waren in Menge auf den Mauern, Paus. IV 31, 5. Cass. Dio LXXIV 10. 11 (14). Herod. III 1, 6 (s. u. S. 1120); für die Festigkeit der Stadt ist auch die Legende bezeichnend, dass die Athener einst ihre Schätze dort aufbewahrt hätten, Eustath. z. Dion. Per. 803. Verhängnisvoll aber wurde jetzt für die Stadt ihre Parteinahme für Pescennius Niger in seinem Kampfe gegen Septimius Severus. Septimius hielt sich zuerst nicht mit der Belagerung auf, sondern verfolgte den Niger nach Kleinasien. Führer des Belagerungsheeres wurde L. Marius Maximus, CIL VI 1450 = Dessau 2935. Mehrere Officiere des Niger retteten sich nach B., Herod. III 6, 9. Die Belagerung begann im Winter 193/94; der Widerstand wurde fortgesetzt, auch als Severus das Haupt des Niger als Beweis für dessen Niederlage nach B. sandte, aus Furcht vor der Rache des Severus, vielleicht in Hoffnung auf Hülfe von Albinus. Bei der Verteidigung zeichnete sich der Mechaniker Priskos aus, der nachher auch geschont wurde. Nahezu drei Jahre währte die Belagerung; die Hungersnot führte zuletzt zum Kannibalismus. Im Sommer 196 ergab sich endlich die Stadt und wurde mit grosser Härte behandelt. Die Soldaten und Beamten wurden niedergemacht, die Stadt verlor Freiheit und Stadtrecht (ἐλευθερία καὶ τὸ ἀξίωμα τὸ πολιτικόν) und wurde wieder steuerpflichtig; sie wurde als κώμη den Perinthiern überlassen, die mit Übermut gegen die unglücklichen Einwohner verfuhren. Die festen Mauern der Stadt (nach Herodian die ganze Stadt) wurden geschleift, wie Dio bemerkt, [1140] zum Schaden des Reiches selbst, Cass. Dio LXXIV 6–14 (= Zonar. XΙΙ 8. XIII 3). Herod. IΙΙ 1, 5. 2, 1. 6, 9. Hist. Aug. Sever. 8, 12. Hesych. 36 (unhistorische Erweiterung bei Kodin. p. 13 Bonn.). Synkell. I 670 Bonn. G. F. Hertzberg Griechenland unter den Römern II 416ff. H. Schiller Röm. Kaisergeschichte I 709ff. J. Marquardt Röm. Staatsverw. I² 17, 3. K. Fuchs Geschichte des Kaisers L. Septimius Severus (Untersuch. aus der alten Geschichte V) 40ff., über die Chronologie A. Wirth Quaestiones Severianae, Bonn Diss. 1888, 28f. Bezeichnend für den Eindruck, den die Eroberung und Bestrafung von B. in Griechenland machte, ist die Erzählung bei Philostr. v. soph. II 27, 2.

Bis zur Verlegung der Residenz nach Byzanz.

Severus hat, wie es scheint, selbst die allzustrenge Behandlung der Stadt bereut, angeblich auf Fürsprache des jungen Caracalla die Rechte der Stadt wiederhergestellt und neue Bauten zum Schmuck der Stadt begonnen – wie K. Fuchs a. a. O. 89 vermutet, bei seiner Anwesenheit im J. 202 –; so baute er eine στοά, die sog. Thermen des Zeuxippos, ein κυνήγιον (Amphitheater oder Theater mit Einrichtungen zu Tierkämpfen? vgl. Friedländer Röm. Sittengesch.⁵ II 379. 555), begann den Bau des ἱππικόν und stellte den Apollontempel auf der Burg und das στρατήγιον wieder her, Hist. Aug. Carac. 1, 7. Hesych. 37. Zosim. I 8. II 30. Chron. pasch. I 495 Bonn., vgl. II 342. Malal. 291. Synkell. I 670. Kedr. I 442. Suid. s. Σέβηρος. Bruchstück einer Ehreninschrift für Septimius Severus ὁ ἐν Κωνσταντινοπ. ἑλλην. συλλ. XVI 1885 παρ. p. 6 nr. 5; daselbst heisst Severus noch nicht παρθικος (μέγιστος) – so seit 198/99. Schiller I 720 –; danach ist vielleicht anzunehmen, dass bald nach der Zerstörung der Stadt bei dem Zug des Severus nach dem Orient im J. 197, nicht erst 202 die Verzeihung erfolgt ist.

Während der Regierung des Severus und seines Sohnes Caracalla führte die Stadt den Namen Antonia (Ἀντωνία oder Ἀντωνινία), Suid. s. Ἀντωνία πόλις. Eustath. z. Dion. Per. 803. Hesych. 38. Déthier Le Bosphore et Constantinople 17 will den Namen auf einem Ziegelstein gelesen haben. Die Münzen mit Ἀντωνινια Σεβαστα Βυζαντιων sind dagegen auf Spiele zu beziehen, Eckhel II 32.

Seit Valerian begannen die räuberischen Seefahrten der nördlich vom Pontos wohnenden Germanen – Gothen – die Küsten der griechischen Meere zu gefährden. Der Gothenschwarm, der im J. 258 zur Plünderung aufbrach, raubte die Fahrzeuge aus dem Hafen von Phileas, der (damals noch?) den Byzantiern gehörte (s. unten S. 1142). Valerian, der zu Anfang des J. 258 einen Kriegsrat vor seinem Krieg mit den Persern zu B. abgehalten hatte, schickte von Kappadokien den Officier Felix nach B., um diesen Punkt zu sichern, Hist. Aug. Aurel. 13, 1. Zosim. I (31). 36. (Synkell. I 716 Bonn. Oros. VII 22, 7). Schiller I 817. Unter Gallienus (im J. 262) litt die Stadt furchtbar unter einer Meuterei der römischen Soldaten (ut prorsus nemo superesset); die meuterischen Truppen wurden mit blutiger [1141] Strenge bestraft, Hist. Aug. Gall. 6. 7. Unsicher, wenn auch nicht unwahrscheinlich ist die Nachricht des Synkell. I 717, 10 Bonn. von einer Einnahme der Stadt (im J. 267?) durch die Heruler (κατέλαβον Β. καὶ Χρυσόπολιν), nach einem Gefecht kehrten sie zum Hieron zurück, um dann den grossen Zug gegen Kyzikos, Attika u. s. w. zu unternehmen, Schiller I 836f. Neue Kämpfe mit den Gothen fanden unter Claudius im J. 269 vor den Mauern von B. selbst statt, wobei sich die noch übrigen Einwohner der Stadt auszeichneten, Hist. Aug. Claud. 9, 7. Auf diesen Gothensieg bezieht Déthier Epigraphik von B. (Denkschrift. Akad. Wien phil. hist. Kl. 1864) 72 die Inschrift auf einer Säule im Hofe des Serail fortunae reduci ob devictos Gothos; s. dagegen Th. Mommsen zu CIL III 733. Bei der Reichseinteilung des Diocletian wurde nicht B., sondern Perinth Hauptstadt der Provinz Europa, Procop. III 298, 24 Bonn. Malal. 323 Bonn. Im Kampf mit Licinius nahm Maximinus im Winter 312/13 B. ein; nach der Niederlage des Maximinus zwischen Perinth und Adrianopel fiel B. ohne Zweifel sofort dem Licinius zu, Lact. de mort. pers. 45ff. Auch bei dem Zusammenstoss zwischen Licinius und Constantin (im J. 314) wird B. genannt, Anon. Vales. 18; an eine Einnahme (so Schiller II 197) der Stadt ist nicht notwendig zu denken. Nach der Niederlage bei Adrianopel (im J. 323) wurde der flüchtige Licinius von Constantin I in B. eingeschlossen; nach dem Sieg des Crispus bei Kallipolis verliess Licinius B., und Constantin drang ein, Zosim. II 23. 25. Anon. Vales 25–27. Aurel. Vict. ep. 41. Constantin fasste den Entschluss, seine Residenz hierher zu verlegen. Die Vorbereitungen dazu wurden bald nach der Besiegung des Licinius getroffen, Schiller II 224. S. unter Constantinopolis.

Kämpfe mit den Thrakern.

In der früheren Zeit waren die Einfälle der Thraker, die durch die Fruchtbarkeit des Bodens angelockt wurden, eine fortwährende Plage für die Stadt, Polyb. IV 45; vgl. dazu Diod. XIV 12, 2 (zum J. 403). Hesych. 31 (zur Zeit nach der Belagerung von B. durch Philipp von Makedonien) und o. S. 1129. Indessen behaupteten sich die Byzantier als Herren des Landes; Phylarch frg. 10 a, FHG I 336 b (bei Athen. VI 271 b) vergleicht das Verhältnis der Ureinwohner, die er Bithyner nennt, zu den Byzantiern mit dem der Heloten zu den Lakedaimoniern. Durch die Sicherung der Schiffahrt im Bosporos gegen die anwohnenden Barbaren erwarb sich B. ein Verdienst um ganz Griechenland, Polyb. IV 38, 6. Xenoph. an. VI 4, 2. VII 5, 13. Von B. war ohne Zweifel auch der zur Zeit des Dionysios verfallene Leuchtturm am nördlichen Eingang des Bosporos angelegt, Dion. Byz. 77 [50].

Verhältnis zu Kalchedon.

Von freundschaftlichen Beziehungen zu Kalchedon redet Hesych. 20. 23. Eine Zeit lang bestand zwischen beiden Städten eine Münzvereinigung, s. u. S. 1149. Ein Streitpunkt war der Besitz des ἱερόν auf der asiatischen Seite des Bosporos, das die Byzantier für sich behaupteten, Polyb. IV 50, 3. Dion. Byz. 92 [59], vgl. o. S. 1137 (die Benennung τὸ ἱερὸν τὸ Καλχηδονίων Strab. VII 319. XII 543. 563 scheint demnach nur geographischen, nicht politischen [1142] Sinn zu haben). Über die Einwirkung von B. auf die Verfassung von Kalchedon, s. o. S. 1134. Von kriegerischen Zusammenstößen zwischen den beiden Gemeinden sprechen ohne Zeitangabe Polyaen. VI 25. Plut. comm. in Hesiod. 11.

Landbesitz.

Nur spärliche Andeutungen erhalten wir über die Ausdehnung des byzantinischen Landbesitzes. Allgemein heisst das Land ,reichlich und gut‘, Herodian. III 1, 5. Das gegen das Nordende des Bosporos auf der europaeischen Seite gelegene Heiligtum heisst bei Strab. VII 319 ἱερὸν Βυζαντίων, vgl. Dion. Byz. 75 [49]; ebenso behaupteten die Byzantier das asiatische Hieron, s. S. 1141; dagegen ist das Panteichion auf der asiatischen Seite von Dion. Byz. 90 [58] nicht ausdrücklich als byzantinisch bezeichnet. Der Hafenplatz Phileas (Philia) am schwarzen Meer in Thrakien, in der Nähe der nördlichen Mündung des Bosporos, gehörte den Byzantiern, Skymn. 723. Steph. Byz. s. Φιλέας; ferner die thrakische Landschaft Ἀστική nach Theop. frg. 247, FHG I 319 b (bei Steph. Byz. s. v.). Endlich hatte B. Besitzungen in Mysien, Polyb. IV 50, 4 und Anteil an dem daskylitischen See, Strab. XII 576 (vgl. auch Diod. XII 82, 2). Über das Verhältnis zu Perinth vgl. S. 1137f.

Weder gegenüber den griechischen Staaten, noch gegenüber Rom ist B. jemals mit einer activen Politik in führender Stellung aufgetreten, und B. steht hierin gegen Rhodos entschieden zurück. Immer aber war der Besitz des Platzes oder die Freundschaft der Gemeinde ein begehrtes Ziel; und entgegen dem Schicksal so vieler anderen Griechenstädte haben die Jahrhunderte die Bedeutung der Stadt eher erhöht als vermindert; selbst die furchtbaren Schläge, die sie in der Kaiserzeit trafen, konnten nicht verhindern, dass sie zuletzt zum Mittelpunkt des ganzen Reiches ausersehen wurde. Die Gründe für die steigende Blüte der Stadt sind richtig schon von Polybios (IV 38ff.) erkannt worden. Sie lagen einmal in ihren unmittelbaren Hülfsquellen: in der Fruchtbarkeit des umgebenden Festlandes (Polyb. IV 45, 7; vgl. die Münzen mit Demeter- und Bakchoskopf, mit Ähren und Trauben; den Reichtum an Feigen rühmt Dion. Byz. 33 [27]; in späterer Zeit war der Landbau vernachlässigt, Dio Chrys. II 74 R.) und dem Fischfang, den die Eigentümlichkeit der Meeresströmung erleichterte, Polyb. IV 43. 44. Strab. VII 320. Plin. n. h. IX 50f. Es waren hauptsächlich Thunfische und Pelamyden, die auf ihren Wanderungen vom schwarzen Meer her alljährlich in B. anlangten; B. hiess θυννίδος μητρόπολις Archestr. frg. 20 (21, 4) Ribb., θύννων ὡραίων μήτηρ Ps.-Hesiod. bei Athen. III 116 b, vgl. auch Dio Chrys. II p. 11 R. P. Rhode Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII (1892) 34, wo auch die hieher gehörigen Münzen besprochen sind. Die für den Fischfang günstigen Buchten werden von Dionysios von Byzanz einzeln namhaft gemacht; die asiatische Seite war in dieser Beziehung viel weniger begünstigt, Dion. Byz. 98 [63]. Auch an Austern war kein Mangel, ebd. 37 [29]. Verlohnten demnach schon die natürlichen Hilfsquellen des Platzes die Mühe, die Stadt durch starke Befestigungen gegen die Barbaren des angrenzenden Landes zu halten, so [1143] musste ihre Bedeutung durch die Lage am Zugang zum Pontos, und zwar an einem infolge der eigentümlichen Strömung die Schiffahrt beherrschenden Punkt (Polyb. IV 44), sowie an einer bequemen Übergangsstelle nach Asien mit der Zunahme des Weltverkehrs sowohl in commercieller als in strategischer Hinsicht gewinnen; der ausgezeichnete Hafen bot den Schiffen sichere Zuflucht. B. heisst receptaculum terra marique copiis Iustin. IX 1; claustrum Ponticum Hist. Aug. Gall. 6; τῶν Ρωμαίων μέγα καὶ φυλακτήριον καὶ ὁρμητήριον πρὸς τοὺς ἐκ τοῦ Πόντου καὶ τῆς Ἀσίας βαρβάρους Cass. Dio LXXIV 14, 4; als ein Hauptcentrum des Handels bezeichnet B. Plinius (ep. Plin. et Trai. 78). Über den Handelsverkehr von und nach dem Pontos s. Polyb. IV 38, 4f. Strab. XI 493. Eingeführt wurden vom Pontos Sclaven, Honig, Wachs, gesalzenes Fleisch und Fische (τάριχος), Tiere (? θρέμματα Polyb., a. La. δέρματα, Häute); ausgeführt wurden nach dem Pontos Öl und Wein, Gewänder; Getreide wurde zuweilen nach dem Pontos eingeführt, in der Regel aber von dort ausgeführt und zwar nach Athen allein gegen 400 000 Medimnen jährlich; die Verbindung mit dem Pontos konnte daher für Athen zur Lebensfrage werden, Demosth. XX 32; vgl. VIII 16. Auch für den über den Pontos nach Innerasien geleiteten Handel musste B. eine wichtige Station sein. Grote Hist. of Gr. II ch. 98 (XII 301ff.). L. Preller Ausgew. Aufs. 441ff. Hüllmann Geschichte des byzantinischen Handels (1808) 4–10; Handelsgesch. der Griechen (1839) 139ff. 259ff.

Dialekt. Der Dialekt von B. war der dorische, Aristoph. nub. 249; die Dialektinschriften bei Collitz-Bechtel Dialektinschr. III S. 33ff. mit Nachtrag S. 116. F. Köppner Jahrb. f. Phil. Suppl. XVIII (1892) 529ff. Über das Decret bei Demosth. XVIII 90, s. o. S. 1135. Ohne Zweifel ist die κοινή) frühe eingedrungen. Der Dorismus der Urkunde 3059 bei Collitz aus dem 1. Jhdt. der Kaiserzeit ist ,nicht viel wert‘. Die Notiz des Constant. Porph. them. II p. 46 Bonn. (οἱ Βυζάντιοι) τῆς τῶν Δωριέων γλώσσης ἐν ἐπιστήμῃ τυγχάνουσιν ist entweder ganz wertlos oder aus einer alten Quelle unverändert auf die Gegenwart des Verfassers übertragen. Als eigentümlich byzantinische Ausdrücke nennen Poll. VII 132 προύνικοι für μισθωτοί, Hesychios (Lexikon) θερμόν für θέρος, σάρον für κάλλυντρον, ὀψίχα für ὀψέ, Kleitarch bei Athen. XI 495 c ὄλπη (wie in Korinth und Kypros) für λήκυθος. Dazu kommen die Monatsnamen, s. S. 1145. Über die Form des byzantinischen B s. S. 1150.

Einwohnerschaft. Neben den Eingesessenen gab es Zugewanderte, ἔποικοι Aristot. pol. 1303 a 33, neben den Bürgern μέτοικοι, das Bürgerrecht war in der Regel davon abhängig, dass beide Eltern bürgerlich waren, Ps.-Aristot. oec. II 2, 3. 1346 b. 1347 a. Der Beschäftigung nach waren die Fischer ein starker Bestandteil der Bevölkerung, Aristot. pol. 1291 b 23.

Verfassung. Über die Verfassung von B. in der ältesten Zeit ist nichts bekannt; die Angaben des Hesychios verdienen keine Beachtung. Zur Zeit des Dareios war ein Ariston Tyrann von B., Herod. IV 138. Die vermutlich erst durch Lysander (so Gilbert Staatsaltert. II 192) eingerichtete [1144] Oligarchie wurde von Thrasybul aufgehoben und durch eine demokratische Verfassung ersetzt. Von inneren Streitigkeiten hören wir aus dem Ende des 5. Jhdts. und der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr., von einem Aufstand der ἔποικοι ohne Zeitangabe Aristot. pol. 1303 a 33; vgl. o. S. 1132. 1138. 1129. Das Volk war in ἑκατοστύες eingeteilt, CIG 2060, 30 = Collitz 3059, 30 (aus dem Anfang der Kaiserzeit), eine Einteilung, die auch für Heraklea Pontike nachgewiesen ist, vgl. Boeckh z. d. Inschr. p. 130. Die Volksversammlung heisst bei Demosth. XVIII 90 ἁλία. Das Volk konnte die Strategen zu einem Antrag veranlassen, Collitz 3059, 24. Als Behörde erscheint die βουλή Collitz 3059, 1 (auch Demosth. a. a. O., wo der Beschluss ῥάτρα heisst). Die σ[ο]ύνεδροι Larfeld Inscr. boeot. 309, 11. 24 = Dittenberger Syll. 95, 11. 24 sind nach Dittenberger nicht Ratsherren von B., sondern Abgesandte zum συνέδριον. Möglicherweise sind auch die 30 sog. Βοιωτοί Diod. XIV 12, 3 als Behörde anzusehen. Die antragstellenden Beamten heissen in der Inschrift bei Collitz a. a. O. στρατηγοί, vgl. Hesych. 23. 32. 34; dass es zwei waren, zeigt Polyaen. II 7, 7. Dieses Amt haben wohl auch die bei Polyb. IV 47, 4 genannten Hekatodoros und Olympiodoros (προέστασαν τοῦ πολιτεύματος) bekleidet. Ihr Amtslocal wird das bei Hesych. 16. Chron. pasch. I 495 Bonn. Suid. s. Σέβηρος erwähnte στρατήγιον gewesen sein. Auf den Münzen insbesondere der Kaiserzeit seit Traian finden wir Beamte und Priester mit und ohne Titel, bezw. Beisatz: η, ηρ = ἥρωος; ἀρχ (seit Septimius Severus) = ἀρχιερέως (ἀρχιερείας, ἀρχιερέων); ἱερομνά(μονος); βασ(ιλέως); der letztere Titel auch auf einer in Pera gefundenen Inschrift Συλλ. Κωνσταντινοπ. XVI 1885, παρ. p. 6 nr. 4 = Athen. Mitt. X 18, 4. Das Amt des ἀρχιερεύς konnte nach den Beisätzen Β, Γ wiederholt bekleidet werden. Über den Titel βασιλεύς s. A. v. Sallet Ztschr. f. Numismatik IX 145ff. Ob der ἱερομνάμων je ἐπώνυμος war, ist trotz Dem. XVIII 90. Polyb. IV 52, 4 zweifelhaft; dieser Titel war wohl schon von Megara her übernommen, wo der Priester des Poseidon ihn führte, Plut. qu. symp. VIII 8, 4; er erscheint auch in Kalchedon CIG 3794 (auch sonst nicht allzu selten, s. den Index des CIG). Auch Frauen – Priesterinnen – werden auf den Münzen genannt; an Stelle der Beamten und Priester (Priesterinnen) auch Kaiser und Kaiserinnen, Eckhel II 31f.; eigentümlich ist, dass an Stelle der Priester bezw. Priesterinnen zuweilen die Gottheit selbst, und zwar mit Zählung der ,Amtsjahre‘ erscheint; s. darüber A. v. Sallet a. a. O. 147ff. Münz-Katal. d. Berl. Mus. I 148ff. Pick Numism. Ztschr. XXVII 27ff. Heyne Comment. soc. Gotting. I 7f. Gilbert Gr. Staatsaltert. II 192ff.

Staatsrechtliche Stellung unter der römischen Herrschaft.

Ein Bündnis mit Rom wurde im J. 146 v. Chr. abgeschlossen, s. o. S. 1138. Die definitive Regelung des Verhältnisses erfolgte wohl durch Pompeius, Mommsen St.-R. III 683, 4. Die Freiheit ist der Stadt wiederholt genommen und wieder zurückgegeben worden. Cic. de prov. cons. 7 nennt B. civitas libera et pro eximiis suis beneficiis a senatu et populo Romano liberata. Unter Claudius – ohne Zweifel schon vorher, vgl. Strab. VIII 320 – war B. [1145] tributpflichtig, s. o. S. 1139; Plin. n. h. IV 46 nennt sie eine freie Stadt. Vespasian entzog ihr die Freiheit, Suet. Vesp. 8. Eutrop. VII 19, 4. Euseb. Hieron. ann. Abr. 2090. Oros. VII 9, 10. Zur Zeit des Severus scheint sie wieder frei und nicht tributpflichtig gewesen zu sein, Cass. Dio LXXIV 14, 3. Nach der Zerstörung der Stadt wurden ihr später die iura vetusta wiederhergestellt, s. o. S. 1140. Ein Wechsel in der Zugehörigkeit zu einer Provinz (Hertzberg II 133. Marquardt R. Staatsverw.² I 315) ist nach Mommsen Röm. Gesch. V 280, 2 nicht anzunehmen; B. stand unter dem Statthalter von Bithynien, ep. Plin. et Trai. 43.

Aus der Inschrift der sog. Säule des Pompeius auf einer der Kyaneen, CIL III 732, schliesst C. L. Grotefend Imper. rom. tributim descriptum 141 die Zugehörigkeit der römischen Bürger in B. zu der Tribus Claudia, ein Schluss, zu dem weder der Ort noch der Inhalt der Inschrift berechtigt; vgl. Kubitschek Imp. Rom. trib. discr. 239; de Rom. trib. orig. (Abh. arch. Sem. Wien III) 201.

Finanzwesen. Die Einkünfte der Stadt waren nach den an die Athener, später an die Kelten bezahlten Tributen sehr bedeutend. Dass Fischerei und Salzverkauf ursprünglich dem Staate zugehört hätten, schliesst Boeckh Staatshaush.³ I 372, schwerlich mit Recht, aus Ps.-Aristot. oec. II 2, 3 (1346 b 20). Leiturgien werden in dem unechten Volksbeschluss Demosth. XVIII 91 erwähnt. Anlässlich einer Geldverlegenheit – wohl bei der Galliernot – entwickelten die Byzantier grosses Geschick im Auffinden neuer Einnahmequellen; man verkaufte öffentliche Grundstücke, legte eine Steuer auf die Gewerbe der Fischer, Salzhändler, Wunderthäter, Wahrsager, Apotheker, führte eine Verkaufsteuer und ein Bankmonopol ein, verkaufte das Bürgerrecht an solche, die ihrer Geburt nach nicht Vollbürger waren (s. o. S. 1143), an die Metoeken das Recht Grundbesitz zu erwerben, Ps.-Aristot. oec. a. a. O. Boeckh Staatshaush.³ I 66. 164. 176. 395. 697. Ob dagegen der Gebrauch eiserner Münzen (s. u.) zur Zeit des peloponnesischen Kriegs mit einer Geldverlegenheit zusammenhängt (so Boeckh I 394f.), ist sehr fraglich.

Kalender. Die Namen von neun byzantinischen Monaten sind in dem Lexikon des Papias (einer in dem Glossarium Portense) überliefert, veröffentlicht und besprochen von L. O. Bröcker Philol. II (1847) 246 und K. F. Hermann ebd. 262ff. E. Bischoff Leipziger Studien VII (1884) 374ff.

Kultus. Für den Kult der Byzantier dürfen unbedenklich die Heiligtümer auch an der Nordseite des Κέρας in Anspruch genommen werden; dagegen gilt dies nicht ebenso von den Heiligtümern entlang dem Bosporos nördlich vom κέρας; hier kann es sich um Stiftungen Vorüberfahrender, auf der asiatischen Seite auch um Gründungen von Kalchedon handeln. Ein höheres Alter wird ausdrücklich bezeugt – abgesehen von den angeblichen Gründungen des Byzas, Hesych. 14–16 – für die Kulte der Artemis Orthosia und des Dionysos, Herod. IV 87; der Hera Dion. Byz. 14 [10 e] – ihr Tempel soll von den Persern unter Dareios zerstört worden sein –; des Pluton [1146] (ebd.), des Poseidon ebd. 9 [10]. Im übrigen mögen die Götter und Heroen in alphabetischer Reihenfolge angeführt werden: Aphrodite: Tempel am Meer, Zosim. II 30. Hesych. 16. Chron. pasch. I 495 Bonn.; am Bosporos ein τέμενος der Aphrodite πραεῖα Dion. Byz. 36 [29], ein Ἀφροδίσιον ebd. 80 [52]; eine Statue der Venus meretricia ebd. 73 [47]. Apollon: Heiligtum auf der Burg, Chron. pasch. I 495; τέμενος auf der Nordseite des κέρας, Dion. Byz. 26 [22]; dasselbe wohl gemeint bei Euagr. hist. eccl. II 13; am Bosporos eine dem Apollon geweihte Stelle am μέτωπον, Dion. Byz. 38 [29]; drei Altäre ebd. 46 [30]. 74 [48] ara a Romanis statuta. 86 [55]; das τέμενος und χρηστήριον des Apollon ebd. 111 [67] gehörte ohne Zweifel zu Kalchedon; Kopf des Apollon auf Münzen; über Apollon in der Gründungslegende s. o. S. 1128, Apollon Karinos s. u. S. 1150. Artemis: Altar der Artemis ὀρθωσία, Herod. IV 87, vgl. oben S. 1124; Heiligtum auf der Burg, Chron. pasch. I 495 Bonn. (Malal. 292); ein τέμενος πρὸς τὸ τῆς Θρᾴκης ὄρος, Hesych. 16; am Bosporos: τέμενος der Artemis φωσφόρος, Dion. Byz. 36 [29]; vgl. auch 78 [51] und dazu o. S. 1135; ἱερόν der Artemis Δικτύννη, Dion. Byz. 56 [36]; οἶκος der Artemis am Hafen des Phrixos, wohl zu Kalchedon gehörig, Hesych. 33 (vgl. Dion. Byz. 99 [63]. Ptol. V 1, 2. 5 und dazu C. Müller Philol. XXX VII 84); Kopf der Artemis auf Münzen. Athene: Athene heisst die πολιοῦχος von B. Marin. vit. Procl. 6; τέμενος Kodin p. 6, 22 Bonn. (nicht bei Hesych.); Altar der Athene ἐκβασία Dion. Byz. 8 [9]; Ἀθηνᾶς σκεδ[ασίας] oder σκεδ[άδος] (C. Müller Philol. XXXVII 68?, jedenfalls also nicht τροπαίας, wie noch Robert-Preller Griech. Mythol. I⁴ 215, 6 vermutet) ebd. 16 [22]; Weihinschrift Dethier a. a. O. S. 55; Kopf der Athene auf Münzen. Demeter und Kore: Tempel am κέρας, Dion. Byz. 13 [10 d], mit Gemälden und Holzbildern; Münzen mit verhülltem Demeterhaupt. Dionysos: Tempel Herod. IV 87; Kopf des Dionysos auf Münzen der römischen Zeit. Ge: τέμενος der Ge ὀνησιδώρα, Dion. Byz. 12 [10 d], vielleicht identisch mit dem Hesych. 15 genannten Tempel der Rhea, vgl. Frick z. d. St. Hekate: τέμενος Hesych. 15; Tempel am Bosporos, Dion. Byz. 62 [41]. Helios: einen neuen Tempel des Helios, der vorher unter dem Namen Zeuxippos in B. verehrt worden sein soll (??), baute Severus auf der Burg, Malal. 291f.; vgl. Chron. pasch. I 495 Bonn. Hera: Tempel der Hera (ἀκραία? La. unsicher), von den Persern zerstört, Dion. Byz. 14 [10 e]; ein Ἡραῖον erwähnen auch Procop. de aedif. Constantinop. III p. 185. 207f. Bonn. Kodin. de aedif. Constantinop. p. 117 Bonn. Hermes: Ortsname Ἑρμαῖον am Bosporos, Polyb. IV 43, 2; in dieser Gegend eine Weihinschrift gefunden für Hermes und Herakles, CIG 2034, Collitz 3058; Kopf des Hermes auf Münzen der römischen Zeit. Pluton: Tempel von Philipp zerstört, Dion. Byz. 14 [10 e]. Poseidon: Tempel ebd. 9 [10]; das Hieron (s. d. und unten) auf der asiatischen Seite des nördlichen Bosporos, vgl. o. S. 1141, heisst ein Tempel des Poseidon bei Nymph. Her. frg. 15, FHG III 15 a. Nicht selten auf Münzen. Rhea, Kybele: vgl. o. bei Ge; Tempel Hesych. 15; am Bosporos μητρὸς Θεῶν ἱερόν, Dion. Byz. 52 [34]; Altar matris deum ebd. 74 [1147] [48]; templum deae Phrygiae ebd. 75 [49]. Weihinschrift μητρι θεων, Dethier S. 54 (vgl. S. 56. CΙG 2039?). Tyche: als ein Τύχαιον soll der Hesych. 15 erwähnte Tempel der Rhea geehrt worden sein, andere Heiligtümer der Tyche sind erst von Constantin gestiftet (Zosim. II 31. Sokr. III 11, vgl. Strzygowsky Anal. Graeciens. 1893, 141ff.). Zeus: Tempel auf der Akropolis, Kodin. 24 Bonn.; ein Heiligtum am κέρας, genannt Ἁψασιεῖον (Ἀλασιεῖον? C. Müller Philol. XXXVII 68), angeblich von Arkadern gegründet, Dion. Byz. 19 [15]; Altar des Ζεύς ἵππιος, Hesych. 37; das ἱερόν auf der asiatischen Seite des Bosporos wird als das Heiligtum des Ζεὺς οὔριος bezeichnet, Arrian. per. pont. 17. 37 (Geogr. gr. min. I 380 mit Anm. 401f.). Marc. Herakl. epit. 7 (ebd. I 568). Cic. in Verr. IV 129f.; in Pis. 85. Kaibel Epigr. 779 = CIG 3797: vgl. auch Frick zu Dion. Byz. 93 [59]; Weihinschrift bei Dethier S. 68. Auf Münzen der Kaiserzeit erscheinen auch Asklepios und Hygieia; vgl. die Weihinschrift CIG 2038 und u. S. 1150. Die Lage eines angeblich von Iason gegründeten Heiligtums der 12 Götter am Bosporos wird verschieden angegeben, Dion. Byz. 75 [49]. Hesych. 33. Polyb. IV 39, 6. Diod. IV 49, 2. Von ausländischen Gottheiten Sarapis: Heiligtum am Bosporos, gegenüber dem ἱερόν (vgl. Dion. Byz. 75 [49]. Polyb. IV 39). Weihinschrift Σαραπι Ἰσι κ⟨αι⟩ ἀλλοις θεο⟨ις⟩ aus dem 3. Jhdt. v. Chr.(?) Dethier S. 52. Isis auch auf Münzen der Kaiserzeit (Caracalla).

Heroen: Achilleus und Aias, Hesych. 16; ein Αἰάντειον am Bosporos, Dion. Byz. 39 [30], wo die Herkunft des Kults von Megara betont wird. Amphiaraos, Hesych. 16, Heiligtum wohl an der Nordseite des κέρας, vgl. Dion. Byz. 33 [27]; an derselben Stelle nennt Dion. Byz. 34 [28] ein τέμενος Σχοινίκλου dessen Kult aus Megara mitgenommen worden sei; derselbe sei Wagenlenker des Amphiaraos gewesen; in der lateinischen Übersetzung steht delubrum Amphiarai. Ohne Zweifel ist Σχοίνικλος Ortsname, die Deutung auf den Wagenlenker etymologische Spielerei. Kultstätte am Bosporos Dion. Byz. 63 [42]. Dioskuren, τέμενος Hesych. 15, ein zweites Hesych. 37. Zosim. II 31. Herakles: ἱερόν Symeon Mag. 704 Bonn., ἄλσος Hesych. 37. Anon. hist. Byz. VII (Kodin.) 167, 21 Bonn. Auf Münzen πύργος Ἡρακλέους, Hesych. 14; κλίνη Ἡρακλέους auf der asiatischen Seite des Bosporos, Dion. Byz. 95 [61]. Polyeidos, Opfer für einen μάντις Polyeidos und dessen Nachkommenschaft, Dion. Byz. 14 (fehlt in der lat. Übers.). Saron, Altar am Bosporos, ebd. 71 [45], hier ein megarischer Heros genannt. Sonst nicht bekannte Namen (die Änderungsversuche sind wenig einleuchtend): Hipposthenes (Grab eines angeblichen megarischen Heros Hipposthenes) ebd. 32 [26], Nikaios (Altar) ebd. 28 [23], am Bosporos noch Eurostos (τέμενος bei Kalchedon) ebd. 111 [67]; ein γέρων ἅλιος (Kultbild) ebd. 49 [33]; ein νυμφαῖον ebd. 95 [61]. Byzas, Phidaleia, Keroessa, Semystra, Byzia s. d. Ptolemaios s. S. 1137. Wohl nur willkürlich sind als Heroen bezeichnet Melias ebd. 17 [13], vgl. Hesych. 11; Ingenidas Dion. Byz. 21 [17]. Die Magie scheint in B. in hohem Ansehen gestanden zu sein, über die Thätigkeit des Apollonios von Tyana daselbst s. Bd. II S. 147; ein Kokkonas von B. war Genosse des Alexander [1148] von Abonuteichos, Luk. Alex. 6; die θαυματοποιοί konnten sogar besteuert werden, Ps.-Aristot. oec. 1346 a.

Über das erste Auftreten des Christentums in B. haben wir nur unsichere Nachrichten; Andreas soll die Gemeinde begründet und den Stachys (vgl. Paulus ad Rom. 16, 9) zum ersten Bischof in B. gemacht haben; bis auf die Zeit des Constantin (ausschliesslich) wurden mit Andreas 22 Bischöfe gezählt, Nikephoros in der Ausgabe des Synkell. I p. 771 Bonn. Banduri Imper. Orient. I (8) 187ff. G. F. Hertzberg III 287. Die Nachrichten der Legenden über die Mission des Andreas in B. s. bei R. A. Lipsius Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Ind. S. 193. Die Behauptung, dass die Gemeinde von Andreas gestiftet worden sei, ist ,eine notorische Fälschung‘, Gutschmid Rh. Mus. XIX 393 = Kl. Schriften II 382. Die Erfindung stammt spätestens aus der Zeit kurz nach der Verlegung der Residenz nach B., Lipsius a. a. O. I 606. Lukas erscheint als Apostel von B. in einer syrischen Tradition ebd. II 2, 367. Später, unter Iustinian, war man so glücklich, die Gräber des Andreas, Timotheos und Lukas zu B. aufzufinden, Procop. de aedif. Constantinop. III 189 Bonn. Christliche Katakomben will Dethier (Epigraphik 74) bei Selybria entdeckt haben, ebd. wird eine angeblich christliche Grabinschrift besprochen. Christliche (?) Zeichen auf einer Mauer Συλλ. κωνσταντινοπ. XVI 1885 παρ. p. 7 nr. 6. Auf eine Christenverfolgung zu B. wird Tertull. ad Scap. 3 (Caelius Lapella in exitu Byzantino ,Christiani gaudete‘ exclamavit) gedeutet, Fuchs Geschichte des Kaisers L. Septimius Severus (Untersuchungen aus der alten Gesch. V) 57.

Sitten. Die Sitten der Byzantier werden nicht besser und nicht schlechter als bei den Bewohnern anderer grosser Seestädte gewesen sein; Thatsachen, die zu Ungunsten der Byzantier sprächen, sind nicht bekannt; in der Verteidigung der Stadt haben die Einwohner wiederholt die grösste Hartnäckigkeit und Tapferkeit bewiesen. Demgegenüber darf man auf das absprechende Urteil des tadelsüchtigen Theopomp (frg. 65, FHG I 287 a), wonach Demokratie und Beschäftigung mit dem Handel den Charakter der Byzantier verschlechtert und das böse Beispiel von B. sogar die guten Sitten von Kalchedon verdorben hätte, nicht allzuviel geben, und die Anekdoten über ihre Feigheit und Trunksucht (Phylarch. frg. 10, FHG I 336 b. Damon oder Leon FHG II 329. Menand. bei Athen. X 442 c = FCA III 23) nicht für wohlbezeugte Thatsachen ansehen. Auch dass das Verbot, den Bart nicht zu scheeren, nicht beachtet wurde, braucht nicht als Zeichen der Weichlichkeit gedeutet zu werden (Athen. XIII 565 d). Wenn ein Gesuch in Rom mit klingender Münze unterstützt wurde (s. o. S. 1138), wenn auf Münzen die Gottheit der kaiserlichen Familie geehrt wurde (Eckhel VII 82. Mionnet Suppl. II 25f. Catal. of coins Brit. Mus., Thrace p. 99f.), so geschah damit nichts Außergewöhnliches. Von gutem Einfluss auf die Sitten soll die Thätigkeit des Gesetzgebers Timesios (nach Chares) gewesen sein, Hesych. 32. Die Unsitte der Tierhetzen scheint auch in B. eingedrungen zu sein, s. o. S. 1140. Die Zunge der Byzantier verlangte wohlgesalzene [1149] Gerichte, Diphilos bei Athen. IV 132 e = FCA II 545.

Gymnastik. Spiele. B. unterhielt ein Schatzhaus zu Olympia, Paus. VI 19, 9. Athen. XI 480 a. Sieger zu Olympia aus B. sind nicht bekannt, G. Förster Die Sieger in den olympischen Spielen, Zwickauer Progr. 1892, 30ff. Ein Athlet Koros wurde Ehrenbürger in B., CIG 3674. In B. wurden Βοσπόρια gefeiert mit Fackellauf CIG 2034 = Collitz 3058; Dionysien CIA II 251; Ἀντωνεινια (Ἀντωνινεια, Ἀντωνινια) Σεβαστα sind auf Münzen, Σεβαστα auch CIG 3676. CIA III 129,21 genannt, Pick Numism. Ztschr. XXVII 53. 132. Ephebenlisten (unbedeutende Fragmente) Dethier Epigr. 75ff.

Kunst und Wissenschaft. Ein Mittelpunkt der Bildung ist B. in vorconstantinischer Zeit nie gewesen. Immerhin lassen sich jedoch einige Angaben über die Pflege von Kunst und Wissenschaft zu B. und einige Namen anführen. Die Stadt war refertissima signis, Cic. de prov. cons. 6, vgl. Dion. Chrys. I 621 R. Der Maler Timomachos stammte aus B. Ein κιθαρῳδὸς Χαρῖνος Βυζάντιος erscheint auf einer delphischen Inschrift, Dittenherger Syll. 404, 13; einen tragischen Schauspieler Clemens rühmt Philostr. v. soph. II 27, 2. Dichter: Alkibiades (Ἑλλήνων πάντων ὄρνις ἀοιδότατος! CIG 2211 = Kaibel Epigr. 330), Archias Anth. Pal. VII 278, Telenikos Athen. XIV 638 b, die Dichterin Myro. Historiker: Leon, vielleicht identisch mit Damon FHG II 328ff. IV 377, Demetrios, Zopyros. Andere Gelehrte: der grosse Kritiker Aristophanes, Demetrios περὶ ποιημάτων, der Geograph Dionysios, der Mathematiker Epigenes, der Mechaniker Philon, die Redner Python, Theodoros (λόγοι πολιτικοί, Diog. Laert. II 104). Sophisten: Aristainetos, Chrestos, Philostr. v. soph. II 11; Markos, ebd. I 24.

Litteratur: Heyne Antiquitates Byzantinae, Comment. soc. Gotting. I 1809. B. C. Schwen Hist. Byzant. inde ab urbe aedificata usque ad aetatem Philippi Macedonis, Diss. Halle 1875. C. de la Berge De rebus Byzantiorum ante Constantinum, Diss. Paris 1877 (dem Verfasser nicht zugänglich).

Die Geschichte der Stadt seit der Verlegung der Residenz nach B. s. unter Constantinopolis.

Numismatik.

a) Stadtmünzen von B. Eiserne (Scheide-, so E. Meyer Gesch. des Altert. II 550) Münzen waren jedenfalls Ende des 5. Jhdts. v. Chr. zu B. in Gebrauch, Aristoph. nub. 249 mit Schol., wo der Komiker Platon citiert wird. Poll. VII 105. IX 78. Hesych.s. σιδάρεος. Aristid. or. 46 II 195 Dind.; erhalten ist kein Exemplar (vgl. o. S. 1145). Die Silber- und Kupfermünzen sind sehr häufig, nach Head wahrscheinlich sämtlich aus der Zeit nach 400. Head unterscheidet die Perioden 1) ca. 400–350, Drachme im Gewicht der persischen Siglos, 2) ca. 350–280, phoinikisches Gewicht, 3) ca. 280–277, fremde Münzen, mit Gegenmarke , so des Ptolemaios I. Soter, Brit. Mus. Thrace, 110, Zeit des Galliereinfalls, 4) ca. 277–270, gemeinschaftliche Prägung mit Kalchedon, Brit. Mus. Thr. 107, 5) ca. 270 bis zur Zeit der römischen Herrschaft, Münzen des Alexandros und Lysimachos mit Gegenmarke ΒΥ und Dreizack, 6) Zeit der römischen [1150] Herrschaft vom 1. Jhdt. v. Chr. an. Die Bestimmung der Perioden 3) und 4) ist zum mindesten sehr problematisch; die Zahlung des Tributs an die Gallier erstreckte sich auf eine viel längere Zeit, vgl. o. S. 1136; s. auch Svoronos a. a. O. 109. L. Müller 29 führt das barbarische Gepräge vieler Münzen der fünften Periode auf die Schwächung der Stadt durch die Gallier zurück. Über die Kupfermünze der ersten Periode mit der Aufschrift δραχμα s. J. Brandis 294f. In der Kaiserzeit wurden auch Münzen ohne die Bilder der Kaiser geprägt. Die Stadt wird auf älteren Münzen mit , (diese Form der korinthischen Form des β ähnlich, Brit. Mus. Thr. 93. Berliner Münzkatal. I 142. F. Köppner Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 537. Kirchhoff Griech. Alphab.⁴ 113), , ,Υ, ΠΥ, auf späteren Münzen seit dem 3. Jhdt. ΒΥ, ΒΥΙΑΝ(Τ), ΒΥΖΑΝΤΙΩΝ bezeichnet. Die älteren Münzen (4. Jhdt.) zeigen ein Rind mit einem Delphin (Io? Svoronos a. a. O. 74), Rindskopf, auf dem das Quadratum incusum, den Dreizack, Delphine; die späteren meist den Kopf oder die Figur von Göttern, mit und ohne Attribute: Demeter, Artemis, Pallas, Apollon, Dionysos, Hermes, Poseidon (letzterer oft auf einem Felsen sitzend, vgl. Overbeck Kunstmythol. III 2, 293ff.), seltener Herakles, Zeus; auf dem entsprechende Attribute, u. a.: Ähren, Füllhorn, Halbmond mit Stern, Fackeln, Dreifuss, Trauben, Stab, Dreizack, Thunfische und Delphine, Geräte für den Fischfang, Schiffsvorderteile, einen vierfüssigen Tisch u. a. m. Bemerkenswert ist: Apollon auf Bronzemünzen, Obelisk, auf den zu Megara verehrten Apollon Karinos bezogen von Drexler Ztschr. f. Numism. XIX 128; Kopf einer Bakchantin oder des Bakchos Strauss und Hund, Berl. Münzkatal. I 149. Brit. Mus. Thr. 98. Auf Münzen der Kaiserzeit (der römischen Zeit?) erscheint (statt des Kaiserbildes) der Oikist Byzas, ein bärtiger Kopf mit Helm, Umschrift ΒΥΙΑΣ. Von Gottheiten erscheinen in der Kaiserzeit ausser den genannten auf dem noch Tyche, Asklepios und Hygieia, Nike, Isis (Caracalla), Nemesis, Europa oder Artemis Selene mit aufgeblähtem Schleier auf einem Stier (Brit. Mus. Thr. 103. 105. Berl. Münzkatal. I 157) über das Wasser reitend. Münzvereinigung im 3. Jhdt. n. Chr. mit Bizye und Nikaia, Brit. Mus. 92. 109. 233, vgl. Head LXXVII. Vermutungen über Münzvereinigungen aus dem 3. Jhdt. v. Chr. bei L. Müller 57. Über die Magistrate s. o. S. 1144; die Spiele 1149. Im allgemeinen s. Eckhel II 26ff. 59. Mionnet I 376ff.; Suppl. II 239ff. L. Müller Die Münzen des thrakischen Königs Lysimachos 27ff. 55ff. (Tab. IV Monogramme). J. Brandis Münz-, Mass- und Gewichtswesen in Vorderasien, Berlin 1866. Head HN 229ff. Münzkatal. des Berliner Museums I 142ff. Catal. of coins British Mus., Thrace 92ff. Svoronos Ἐφημ. ἀρχ. 1889, 69ff. 107ff. Pick Numism. Ztschr. XXVII 27ff. Zahlreiche Abbildungen von Münzen (meist aus der Kaiserzeit) bei Banduri Imper. Orient. II nach p. 456.

b) Im weiteren Sinne umfasst die byzantinische Numismatik die Münzungen des oströmischen und des byzantinischen Kaisertums, sowie die unter ihrem Einflüsse entstandenen und sich ausgestaltenden Prägungen der Vasallenstaaten und Nachbarn. [1151] Sie endet mit dem Fall der Kaiserreiche in Constantinopel 1453 (aus diesem Jahre die Kupferstücke mit dem Namen des osmanischen Siegers Mahomet II. ὁμμελήκις πάσης Ρομα(νίας) καὶ ἀνατολῆς Μαχαμάτης) und in Trapezunt 1461 (die letzten Prägungen mit Δ(αβὶδ) β(ασιλεὺς) ὁ Κομν(η)νός und dem Bilde des Schutzpatrons von Trapezunt auf dem Reverse: ὁ ἅγιος Εὐγένιος). Ihre Anfänge heben sich nicht mit gleicher Schärfe ab wie das Ende, da sie nicht einem völligen Bruch mit der Vergangenheit folgen, sondern bei ihren Neuerungen das überlieferte organisch weiter entwickeln. Die Einführung ihres wichtigsten Elementes, der Goldwährung, gehört der römischen Kaiserzeit an. Ebenso sind die Bezeichnungen für die einzelnen Nominale der alten Terminologie entnommen, und in den Typen wie in der Technik und in der Unterscheidung der Ateliers bereitet das 3. Jhdt. der römischen Kaiserzeit die Formen des vierten vor, aus dem in stetiger Entwicklung die späteren Reihen sich fortbilden.

Währung. Das vollständige Zusammenbrechen des römischen Geldes hatte bereits gegen das Ende des 3. Jhdts. insofern wieder zu den ursprünglichen Formen des Verkehrs im Wertmetall zurückgeführt, als das Tauschmittel nur durch seinen inneren Wert Geltung haben sollte. Leistungen an die Staats- oder andere öffentlichen Kassen, z. B. bei Gräberbussen, werden seitdem oft ausdrücklich in Gewichtsteilen von Gold oder Silber vorgeschrieben. Bei grösseren Beträgen wird man wohl auch häufig mit Barren des Wertmetalls gezahlt haben. Eine Erleichterung des Verkehrs bildete es einerseits, wenn diese Barren einen amtlichen Stempel erhielten, der die Feinheit des Metalls garantierte, wie uns Proben durch den CIL III p. 1443f. mitgeteilten Fund erhalten sind; andererseits, wenn der Staat in der hergebrachten Weise kleine Metallstücke in bequemen Bruchteilen des Münzpfundes ausprägte, nur dass diese Stücke mehr denn je zuvor der Prüfung durch die Wage und den Prüfstein unterlagen, also eigentlich nur Ware darstellten; freilich wird auch die herkömmliche und im wesentlichen richtige Meinung, dass in früherer Zeit das staatliche Gepräge dem Gelde Zwangscurs verlieh wie heute etwa der Mark oder dem Hartgulden, in etwas modificiert werden müssen, wenn Bedingungen wie in dem auf Taf. 190 der Facsimileausgaben der Palaeographical society = Herm. XXXII 1897, 274 mitgeteilten Papyrus aus dem J. 166 (denarios) probos nicht sinnlos sein oder lediglich von Falschmünzern in den Verkehr gebrachte Stücke ausschliessen sollen; die probitas war natürlich in loyalem Sinn zu fassen, ganz wie heute gegenüber den genannten Sorten. Mit der Fundierung der Münzstücke auf das Gewicht concurriert ihre Beziehung auf eine Münzeinheit, zunächst auf den Denar, später auf den Follis; der Denar ist aber nur mehr eine ideelle Einheit, da schon Diocletians Münzordnung und wahrscheinlich auch die seiner nächsten Vorgänger sie ebensowenig prägen liess als heute etwa Portugal seinen Real.

Das primaere Metall ist Gold. Diocletian, dessen Maximaltarif das Goldpfund mit 50 000 Denaren glich, hat vielleicht zuerst unter den Kaisern den Gewichtsbetrag – übrigens nur sporadisch – auf der Münze genannt: Ξ = 1/60 Pfund, und [1152] Ο = 1/70 Pfund. Wahrscheinlich Constantin d. Gr. hat diese vom Standpunkt der römischen Duodecimalteilung des Pfundes irrationellen Beträge durch 1/72 ersetzt, also = 4 scriptula = 4·548 g.; diese Neuerung hat sich durch Jahrhunderte behauptet, wie die Münzbefunde und die kaiserlichen Decrete (z. B. Cod. Theod. XII 6, 13 = Cod. Iust. X 72, 5 aus dem J. 367. Cod. Theod. XII 7, 1. Iust. X 73, 2) zeigen, und wie gewöhnlich auch auf der Münze selbst gesagt ist: ΟΒ. Um die Prüfung des Gewichts jedermann zu erleichtern, wurde die Einrichtung verfügt, Cod. Theod. XII 7, 2, placet (im J. 363), quem sermo Graecus appellat, per singulas civitates constitui zygostatem, … ut ad eius arbitrium atque eius fidem, si qua inter vendentem emptoremque in solidis exorta fuerit contentio, dirimet. Im ganzen wird wohl bald die so bedenkliche Neigung der römischen Finanzpolitik, das Publicum bei der Münze zu übervorteilen, vielleicht auch die Unredlichkeit von Beamten ab und zu mit der Gleichgültigkeit des ,kleinen Mannes‘ in derlei Dingen gerechnet haben, und darauf sind wohl die verschiedenen Abknappungen des Gewichtes z. B. unter Iustinian zurückzuführen, die Seeck Ztschr. für Num. XVII 47 bespricht, aber ,aus der geringen Verminderung‘ erklärt, ,welche die Gewichte selbst im Laufe zweier Jahrhunderte durch Abnutzung erleiden mussten‘. Das Publicum rächte diese Unredlichkeit, indem es die Goldstücke der verstorbenen Herrscher nur mit Disagio nehmen wollte; die Wahl dieses Mittels zeugt zwar von einiger Borniertheit, ist aber noch lange nicht so arg, als die Weigerung der Wiener Kleinkrämer und Lohndiener im J. 1894, Silbergulden als Zahlung entgegenzunehmen, deren Kopfbild das Porträt des Kaisers ohne Bart, also aus seinen ersten Regierungsjahren darstellte, da diese auf gar keinem realen Motive beruhte; sie erklärt sich vielmehr sehr leicht daraus, dass man nicht bei jeder Kaufgelegenheit eine feine Wage und unzweifelhaft richtige Gewichtsstücke zu verwenden Gelegenheit hatte. Gegen die wiederholt erlassenen kaiserlichen Verbote (so erneuert nov. 14 Valentinians III. aus dem J. 445) sündigte z. B. auch der Verfasser des Kaufcontractes vom J. 359 (Herm. XIX 424), wo die Zahlung stipuliert ist χρυσ[ινῶν] δεσποτικῶν τετραγραμμιαίων διζῴδων (διζῴδων bezieht sich auf den üblichen Reverstypus) durch das an der ersten Stelle gesetzte Adjectiv. Aber dieser Gebrauch oder Missbrauch hat sich nicht ganz ertöten lassen. Auch die spätere Zeit kennt den Μανουηλάτης, den Ρωμαμάτης u. ä. Bezeichnungen nach dem prägenden Regenten. Ausser dem Solidus (χρύσινος, νόμισμα) werden auch Halbstücke (semisses, ἡμιχρύσινοι) und häufiger Drittel (trientes, tremisses) und seltener das Tetarteron geprägt. Multipla, die im 4. Jhdt. noch häufiger gewesen sind, verschwinden fast ganz. Ausnahmen fehlen indes nicht, und unter ihnen verdienen an erster Stelle die ein volles Pfund wiegenden Goldmedaillons genannt zu werden, die Kaiser Tiberius Constantinus zu Geschenkzwecken bestimmt hatte (Gregor von Tours hist. franc. VI 2: aureos etiam singularum librarum pondere habentes ab una parte iconem imperatoris pictam, et scriptum in circulo ,Tiberii Constantini perpetui Augusti‘, ab alia vero parte habentes quadrigam et ascensorem [1153] continentesque scriptum ,gloria Romanorum‘, also dasselbe Gewicht darstellten wie das im Wiener Hofmuseum aufbewahrte Goldmedaillon des Kaiser Valens mit gloria Romanorum (bei Kenner Röm. Medaillons nr. 354). Das schwerste Stück, das uns das Fundglück aus der byzantinischen Goldprägung überhaupt gezeigt hat, ist das Goldmedaillon Iustinians I. mit dem Revers salus et gloria Romanorum und dem Münzindex CONOB, das ein halbes römisches Pfund = 36 Solidi wog; es war 1751 im kappadokischen Caesarea gefunden worden und ist 1832 bei dem grossen Diebstahl im Pariser Museum vernichtet worden.

Anhangsweise sei noch bemerkt, dass nach einer feinen Beobachtung Seecks Ztschr. für Num. XVII 55ff. aus Cod. Theod. XII 7, 1. X 19, 4 geschlossen werden muss, dass bei gewissen Zahlungen an die Staatskasse eine Erhöhung der Abgabe formell dadurch herbeigeführt wurde, dass man nicht 72 Solidi, sondern erst 84 Solidi mit einem Pfund glich, das also dann 382,03 Gramm normal wog, und dass dieses Pfund bei Symmachus rel. 13, 2 gemeint sei: urbanis ponderibus conferendas, id est trutinae largioris examine.

Die Silberprägung, die gegenüber den beiden anderen Metallen sehr zurücktritt, basiert auf der Siliqua (κεράτιον), die 1/24 Solidus gleichgesetzt wurde (s. Siliqua). Genaueres lässt sich über ihre Genesis, ihren Zusammenhang mit der unter Diocletian eingeführten Silbermünze mit dem Wertzeichen XCVI(= 1/96 des Silberpfundes), sowie über ihre Beziehung zum Dekargyros (s. d.) und zum Miliarense (s. d.) nicht sagen. Teile der Siliqua sind die Münzchen mit der blossen Wertzahl auf der Rückseite: CN (= 250) und PKE (= 125) oder PK (= 120), die unter Iustinus I. beginnen (bekanntes Höchstgewicht des ersteren 1·37 g., der PKE Stücke 0·76 g., von PK 0·69 g.); die Einheit, auf die sich die Zahlen beziehen, ist das (νουμμίον. Das Wertverhältnis von Gold zu Silber war 397 das, ut pro singulis libris argenti quinos solidos inferat, also : 1 = 14·4 : 1 (Cod. Theod. XIII 2, 1); 422 so, dass pro singulis libris argenti quaterni solidi praebeantur (VIII 4, 27). Das wichtigste Kupferstück der früheren byzantinischen Zeit ist der follis (s. d.), der schon in den ersten Jahren der Regierung Constantins d. Gr. auftaucht (Migne Patrol. Lat. XLIII 795. Euseb. hist. eccl. X 6, 1. Cod. Theod. XI 36, 2. 3. XIII 3, 1. VII 20, 3). Seit Anastasius I. trägt der follis die Wertzahl XXXX oder M (= 40 nummia), seine Teilstücke sind mit XX oder K (das εἰκοσάριον oder ὀβολός), I oder X (δεκανούμμιον), V oder E (πεντανούμμιον) und A (nummus, νούμμιον) bezeichnet. Das Verhältnis von Kupfer zu Gold wird 396 dahin bestimmt, ut pro XXV libris aeris solidus a possessore reddatur, also 25 ✕ 72 : 1 = 1800 : 1 (Cod. Theod. XI 21, 2); 538 werden statt XXV in der sonst wortgleichen Vorschrift XX eingesetzt, also 20 ✕ 72 : 1 = 1440 : 1 (Cod. Iust. X 29). Beziehung zum Solidus bei Procop. hist. arc. 25 p. 72 d (etwa im J. 557) τῶν… ἀργυραμοιβῶν πρότερον δέκα καὶ διακοσίους ὀβολούς, οὓς φόλλεις κολοῦσιν, ὑπὲρ ἑνὸς στατῆρος χρυσοῦ προίεσθαι … εἰωθότων, αὐτοὶ ἐπιτεχνώμενοι [1154] κέρδη οἰκεῖα ὀγδοήκοντα καὶ ἑκατὸν μόνους ὑπὲρ τοῦ στατῆρος δίδοσθαι τοὺς ὀβολοὺς διετάξαντο. Die 14. Novelle Valentinians III. hatte verfügt: ne unquam intra septem milia nummorum solidus distrahatur, emptus a collectario septem milibus ducentis, also 1 Solidus zwischen 7000 und 7200 Nummi oder und = 175 und 180 Folles.

Die Sprache der Legenden ist in Aufrechthaltung des römischen Staatsgedankens zunächst die lateinische. Die erste griechische liest man auf Kupfer von Heraclius I. aus der karthagischen Münzfiliale: ἐν τούτο νίκα. Das allmählich erstarkende Eindringen griechischer Buchstaben in die lateinischen Legenden (z. B. bei Heraclius I. ΕΡΑCΛΙΟ CΟΝSVΛΕ) hat um so weniger Auffälliges, als derlei ,Stempelfehler‘ bereits auf Reichsprägungen von Antiochia in der Zeit des Pescennius Niger und Septimius Severus sich finden. Die Namen der Münzstätten erscheinen noch früher in griechischer Form Κυζ., Χέρσωνος u. ä., wozu übrigens schon in diocletianischer Zeit Anfänge gegeben sind.

Titulatur. Noch Theodosius II. und Marcianus bezeichnen sich in der seit mehr als anderthalb Jahrhunderten üblichen Weise als d(ominus) n(oster) Theodosius, bezw. Marcianus p(ius) f(elix) Aug(ustus). Leo I. wird d. n. Leo perpet(uus) Aug. genannt, und dieser Neuerung schliessen sich mit wenigen Ausnahmen die Münzen seiner Nachfolger bis auf Constantin II. an, der noch gewöhnlich als d. n. Constantinus pp. Au. erscheint. Doch ist schon die bisherige Ordnung bei ihm gelockert; bald fällt d. n., bald pp., bald Au. weg. Mit Iustinian II. tritt in den Titel mitunter serv(us) Christi ein (z. B. d. Iustinianus serv. Christi), mit Anastasius II. mul(tis annis), daher z. B. Leo III. d. n. Leon p. A. mul., Artavasdes d. Artavasdos multu A. Leo IV. und Constantin V. werden vereinzelt als δεσπ(όται) bezeichnet und als βασιλῖς. Damit sind die in der letzten Zeit wohl ohnehin nicht mehr immer verstandenen Titulaturstücke d. n. pp. Aug. ganz abgeschafft und machen einer neuen Entwicklungsreihe Platz. Doch tritt Aug. noch gelegentlich, wohl gleichbedeutend mit βασιλεύς, auf. Michael I. und sein Sohn Theophylaktus bezeichnen sich ausführlicher als βασιλῖς Ρομαίον; Michaels Nachfolger und dessen Sohn als Λέον κὲ Κονσταντῖνε ἐκ θεοῦ βασιλῖς Ρομαίον oder ἐν Χ(ριστῷ) εὐσεβῖς βασιλῖ(ς) Ρομ. Michael III. nennt sich imperat(or), vielleicht schon Nikephoros II. und Basilius II. zusammen als αὐτ(οκράτορες), sicher so bereits Johannes I. (Ἰωανν. ἐν Χω. αὐτοκρατ. εὐσεβ. βασιλεὺς Ρωμαίω). Um die Zwischenzeit zu überspringen, bemerke ich nur noch, dass der vorletzte Palaeologe, der letzte uns bekannte Münzherr des griechischen Constantinopel, als Ἰωάν(νης) δεσπότης ὁ Παλεόλογος θ(εο)ῦ χάριτι βασιλεὺς τῶ(ν) Ρωμέων, daneben aber auch als Ἰωαν. βασιλεὺς ὁ Παλεόλογο(ς) oder blos als Ἰω., der letzte Komnene in Trapezunt als Δ(αουίδ) β(ασιλεὺς) ὁ Κομν[η]νός erscheint.

Die Reverslegenden sind bis auf Anastasius I. im wesentlichen noch denen des 4. Jhdts. [1155] gleich, obwohl an Zahl geringer und zusehends abnehmend. Von Arcadius bis auf Anastasius, also rund in einem Jahrhunderte, sind nicht mehr zu verzeichnen als die concordia Augg. und die concordia militum; gloria Romanorum und gloria orvis terrarum; invicta Roma, urbs Roma, urbs Roma felix; salus Augg., salus reipublicae; salus orientis, felicitas occidentis; victoria Augg., victoria exercitus und victoria Romanorum; ebenso virtus Augg., virt. exerc. Rom. und virtus Romanorum; vota Romanorum und vot(is) X, mult(is), XX o. ä.; endlich vereinzelt adventus s. d. n. Aug., feliciter nubtiis, imp. XXXXII cos. VII p. p., nova spes reipublicae und triumfator gent. barb. Mit Anastasius beginnt das Wertzeichen das Feld des Kupferstückes zu dominieren, bald tritt auch die Angabe des Regierungsjahres hinzu und die alten Reverslegenden verschwinden ganz; nur die victoria Aug(usti) oder Aug(ustorum) erhält sich noch lange auf dem Goldstücke. Mit Heraclius beginnen die frommen christlichen Wendungen, zunächst deus adiuta Romanis, dann unter Iustinian II. bürgert sich d. n. Jes. Chs. rex regnantium ein, anfangs nur auf Gold und Silber. Fast im ganzen übrigen Rest der byzantinischen Reiche gehört die Reverslegende dem Mitregenten oder einem Ausdruck religiösen Gefühles (seit Constantin VI. häufig Ἰ(ησοῦ)ς Χ(ριστὸ)ς νικᾷ, auch Ἰ(ησοῦ)ς Χριστός, Κύριε βοήθη τõ σõ δούλο – Theophilos –, die Madonna μ(ήτηρ) θ(εο)ῦ – Theophano –, noch später und seltener andere Heilige, so unter den letzten Palaeologen Theodoros, Andronikos, Demetrios, Michael, in Trapezunt Johannes und am häufigsten Eugenios).

Die Typen werden noch einförmiger, als sie in den letzten Decennien vor der Teilung des römischen Reiches sich gestaltet hatten. Seit Anastasius I. verfällt Stil und Technik überdies in besonders auffälliger Weise, und seit dieser Zeit haben die Gepräge jenen merkwürdigen starren Habitus, ohne dass dadurch dem weiteren Niedergang der Kunstübung eine Grenze geboten worden wäre. Noch sieht man auf der Hauptseite (Vorderseite) das Bild eines Regenten (Kopf, Büste oder ganze stehende Gestalt) oder der Samtherrscher; später treten Christus oder die Muttergottes, auch Heilige (so der Erzengel Michael) als Beschützer des Kaisers hinzu. Mitunter fällt das Kaiserbildnis auch ganz weg, und die Titulatur des Regenten oder sein Monogramm füllt die Vorderseite. Die Typen der Rückseite bringen anfangs noch die aus den früheren Prägungen gewohnten Gestalten der Moneta mit Füllhorn und Wage, den die Weltkugel in der Hand tragenden und das Kreuz auf dem Labarum führenden Monarchen, die weltbeherrschende Roma, das Reiterstandbild des Kaisers, die Victoria, ein Tropaion, einen Festungsbau u. ä. Nach und nach verschwinden auch diese Typen und das Kreuz, das Monogramm Christi (beide schon unter Arcadius), und Bilder von Heiligen bilden den gewöhnlichen Schmuck der Rückseite der Gold- und Silberstücke. Am dürftigsten wird das Kupfer bedacht, das nach einem entscheidenden Schritte Anastasius I. gewöhnlich nur mehr Schrift auf der Rückseite trägt; z. B. ein Follis des Iustinianus I. (Vorderseite: d(ominus) n(oster) Iustinianus p(er)p(etuus) Aug(ustus) [1156] und Büste des gewappneten Kaisers, der die vom Kreuz gekrönte Weltkugel in der Rechten hält, mit dem Rückseitestempel M (= 40, nämlich νουμμία, also ein Follis), anno XIIII der Regierung Iustinians, geprägt in ΚΥΖ (Cyzicus) am zweiten (B) Münztisch.

Münzämter (Münzhäuser, Münzämter, Emissionsstellen). Bereits in der Zeit des Septimius Severus (s. Kubitschek Quinquennium 1890–1894, 80) und wahrscheinlich noch früher sind auch ausserhalb Roms Reichsmünzstätten organisiert gewesen. Seit Aurelian wurden die verschiedenen Provenienzen durch die Initialen oder andere Siglen der Ortsnamen gekennzeichnet, während die Durchzählung der in einem und demselben Münzhause thätigen Unterabteilungen (Tische, Officinen) durch lateinische oder griechische Zahlzeichen oder durch Punkte schon weit früher begonnen hat. Während der zweiten Tetrarchie sind 15 Ämter thätig, die in Rom und in den Hauptstätten der Dioeceses gelegen sind (Mommsen Ztschr. für Num. XV 239ff.). Die Unterscheidung von Münzämtern und Tischen innerhalb dieser wird auch in den byzantinischen Prägungen bis auf Kaiser Leo III. Isauricus beibehalten. Seit Anastasius zeigt aber blos das Kupfer eine Mannigfaltigkeit der Münzhäuser an, während Gold nach Ausweis der Marken nur mehr in Constantinopel zur Prägung gelangte. Silber trägt nur ausnahmsweise den Herkunftsstempel, von Constantinopel, von Rom und einmal von Neapel (?). Die Zahl und die Lage der Münzhäuser verändert sich naturgemäss in den verschiedenen Entwicklungsphasen des byzantischen Reiches. Sie ist am grössten unter Iustinian I. nach der Eroberung grosser Länderstrecken des ehemaligen abendländischen Reiches.

Die Siglen für die Namen der Münzhäuser stehen in der Regel im Abschnitte (à l’exergue) des Reverses. Wir können mit Auslassung ganz fraglicher Münzhäuser folgende von Anastasius I. oder Späteren constatieren: Ἀλεξ. = Alexandria in Ägypten von Anastasius I. bis auf Constantinus IV. Ἀντ., m(oneta) Ant., Ἀντχ., Ἀντιχ. = Antiochia am Orontes seit Anastasius I.; nachdem es durch das grosse Erdbeben zerstört und als Theupolis neu aufgebaut worden war, laufen bis auf Heracleonas die Marken Theu., Theup., Theupo., Θυ, Θυπ, Θυπολε u. ä. Cat. = Catania von Mauricius bis auf Heraclius Constantinus. Χερ., Χέρσονος, Χέρσωνος = Cherson unter Iustinianus I. und Mauricius. Isaur. = Isauria unter Heraclius und Heraclius Constantinus. Ct., Car., Kar., Kart., Krtg., Kartago = Karthago von Iustinus I. bis auf Iustinianus II. Co. m., Con., Cons., Const. = Constantinopel bis auf Leo III. Auf dem Gold regelmässig in Verbindung mit der Wertmarke, daher gewöhnlich CONOB oder COMOB. Κυπρ. = Kypros von Heraclius bis auf Heracleonas. Κυ., Κυζ. = Kyzikos von Iustinus I. bis auf Heraclius [1157] Constantinus. Ml. = Mailand unter Mauricius. Νε. = Neapel unter Constans II. und Tiberius III. Ni., Nic., Νικ., Νικμ., Νικο. = Nicomedia bis auf Heracleonas. Ra., Rab., Rav., Ravenn., Ravenna von Iustinian I. bis auf Leo III. R., Ro., Rom., Roma bis auf Constantinus IV. Scl., Sicilia, Secilia von Mauricius bis auf Leo III. Tes., Τσ., Θεσ. = Thessalonike von Iustinus I. bis auf Heracleonas. Ob aus dem Aufhören der Münzhausmarken unter Leo III. auf die Concentrierung der Münzprägung in Constantinopel, wie das Sabatier I 46 thut, geschlossen werden darf, wage ich nicht zu entscheiden. Innerhalb eines und desselben Münzhauses werden die einzelnen Tische mit den Zahlzeichen A bis E unterschieden, aber diese Angaben finden sich sehr viel seltener als in der spätrömischen Münze. Genauere Tabellen und Untersuchungen stehen übrigens auf diesem Gebiete noch aus.

Litteratur. Für ihre Zeit vortrefflich und heute noch unentbehrlich sind Ducange De imperatorum Constantinopolitanorum numismatibus (öfters abgedruckt, auch als Anhang des 7. Bandes des Glossarium Lat. 145ff., Paris 1850) und Banduri Numismata imperatorum Romanorum a Traiano Decio ad Palaeologos Augustos 1718; dazu das Supplementum von Tanini 1799. An die Untersuchungen von Saulcy Essai de classification des suites monétaires byzantines 1836 und J. et L. Sabatier Production de l’or, de l’argent et du cuivre chez les anciens et hôtels monétaires romains et byzantines 1850 knüpft das Hauptwerk an: J. Sabatier Description générale des monaies byzantines frappées sous les empereurs d’Orient depuis Arcadius jusqu’à la prise de Constantinople par Mahomet II 1862 mit 70 Tafeln, vom Verfasser als suite et complément de la description historique des monnaies frappées sous l’empire Romain par H. Cohen ausgestaltet, ebenso gewissenhaft in der Materialsammlung, aber mit noch geringerem Verständnis für die Aufgaben wissenschaftlicher Forschung; von Cohens Werk kommen hier hauptsächlich VII² (1888) und VIII² 2 (1892), also die Münzungen von Constantin d. Gr. bis zum Untergang des weströmischen Reiches in Betracht. Speciellere Litteraturnachweise bei Lipsius Bibliotheca numaria (1801). Leitzmann Bibliotheca numaria² (1867). Koner Repertorium über die vom J. 1800 bis zum J. 1850 auf dem Gebiete der Geschichte… erschienenen Aufsätze (1856). Friedländer Repertorium zur antiken Numismatik (1885) und Krumbacher Geschichte der byz. Litteratur² (1897) 1128–1132. Abrisse der Geschichte des Münzwesens am besten bei Finlay A history of Greece I 432–453 (Oxford 1877) und bei Engel et Serrure Traité de numismatique du moyen-âge (1891/94). Die Anfänge der byzantinischen Numismatik behandelt am eingehendsten, aber nicht oft überzeugend Seeck Ztschr. f. Num. XVII 1887, 36–89. 113–166. Specialsammlungen sind nicht zu zahlreich: hier seien erwähnt Soleirol (Katalog 1855), Sabatier (Iconographie d’une collection choisie de 5000 médailles [1877]; an Grafen Strogonoff 1856 veräussert), Graf Salis (erworben vom British Museum), Vicomte de Ponton d’Amécourt (Verkaufskatalog des Hauses Rollin et Feuardent 1887), Montagu (Verkaufskatalog [1158] des Hauses Sotheby, Wilkinson and Hodge 1896), die von der türkischen Regierung erworbene des Makridi Pascha und die dem Petersburger Kabinet einverleibte von Photiadis Pascha (Katalog von Wilhelm Fröhner 1890).

Nachträge und Berichtigungen

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S. 1127ff. zum Art. Byzantion Nr. 1:

S. 1127, 46: Auf karische Ansiedlung schliesst v. Wilamowitz Herakles² I 3, 6 aus dem Cult der Artemis φωσφόρος (s. zu S. 1146, 23).

S. 1128f.: Über die Gründung vgl. noch Philol. LVI 326ff., wonach auch Gruppe Griech. Mythologie 223 zu berichtigen. Ansiedler von verschiedener Heimat nimmt auch Holm Griech. Gesch. I 338 an.

S. 1130, 30ff.: Über die Zeit des Aufenthaltes des [265] Pausanias in B. vgl. noch Ed. Meyer Forsch. II 60, 3; Gesch. d. Altert. III 519.

S. 1131, 6: Über die Zeit der pontischen Fahrt des Perikles s. Beloch Gr. Gesch. I 504, 1. Ed. Meyer Gesch. d. Altert. III 78.

S. 1144, 22: Über byzantinische Magistrate nach Münzen D. Kalopothakes De Thracia prov. Romana, Berlin 1893, 31ff. 63ff. Ein ἀρχιερεύς auf einer Inschrift genannt Papageorg Ἑστία 1892 nr. 25 (dem Verfasser nicht zugänglich; vgl. Larfeld Jahresber. LXXXVII 229). Eine Fünfzehnercommission aus B. Heberdey-Wilhelm Kilikien (dem Verfasser nicht zugänglich; vgl. Keil Herm. XXXII 406).

S. 1145: Finanzwesen, vgl. Hermann-Thalheim Gr. Rechtsaltert.⁴ 37. 94, 1. 102, 5.

S. 1146, 23: Artemis φωσφόρος, karische Göttin, v. Wilamowitz Herakles² I 3, 6. [266]

S. 1147, 60: Der γέρων ἅλιος gehört nicht zu den Heroen, sondern zu den Göttern, vgl. Milchhoefer Anfänge der Kunst 84f. Furtwängler Die Bronzen v. Olympia 1890, 102.

S. 1148, 37: Zu den Sitten der Byzantiner vgl. noch Sext. Emp. adv. rhet. 37 über die allzugrosse Macht der Rhetoren in B.

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S. 752 zum Art. Bosporus und S. 1147 zum Art. Byzantion:

Die Verfasser haben die Opferinschrift Dittenberger Syll. II² 595 übersehen, die den Altar des Iason direkt bezeugt und festlegt in dem Taleinschnitt zwischen dem Ἱερὸν und Ἡρακλέους Κλίνη (heute Iosos Kalessi und Juscha dagh auf der asiatischen Seite). Auf Polyb. IV 39, 6 hat in Verbindung mit dieser Urkunde Bechtel zuerst aufmerksam gemacht bei Collitz Dial.-Inschr. III 1 p. 28 nr. 3051.

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1) Stadt am thrak. Bosporus. (K) (L) S I. (L) S III 213 (erg.: ›1)‹).