RE:Castra

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Marschlager d. republikanischen Zt.
Band III,2 (1899) S. 17621766
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Castra. Das Marschlager der republicanischen Zeit beschreibt Polybios VI 27–32. Die Beschreibung bezieht sich auf das Lager eines exercitus consularis von zwei Legiones und zwei alae sociorum. Das Lager bildet ein Quadrat (31, 10), dessen Front nach jener Seite liegt, welche für die Zufuhr und das Wasserholen am bequemsten ist (27, 3). Eine Orientierung des Lagers nach den Regeln der Limitation, welche Nissen Templum 11ff. angenommen hat, kennt die Überlieferung nicht, ausser etwa Veget. I 23 porta–praetoria, aut orientem spectare debet. Das Lager wird seiner Breite nach (27, 7. 30, 3), parallel zur Front, von der Hauptstrasse durchschnitten, welche 100 Fuss Breite hat (28, 1, vgl. 33, 4). Der Name via principalis bei Liv. X 33, 1. In dem Vorderteil des Lagers zwischen der via principalis und der Front liegen die Truppen. Von der Mitte der via principalis geht eine 50 Fuss breite Strasse aus, welche das Vorderteil des Lagers der Länge nach durchschneidet und in zwei gleiche Hälften teilt. In jeder Hälfte lagert eine Legion und eine ala sociorum; die Lagerlinien laufen senkrecht auf die Front. An jener Strasse liegen in einer Reihe nebeneinander die zehn Turmae der equites legionis und parallel hinter den equites die zehn Manipeln der triarii. Eine Strasse von [1763] 50 Fuss Breite scheidet die triarii von den zehn Manipeln der principes, welche ihnen gegenüber lagern. Hinter den principes liegen die zehn Manipeln der hastati. Jede Turma und jeder Manipel erhält einen Lagerraum von 100 Fuss Breite und 100 Fuss Länge, eine Ausnahme bilden nur die Manipeln der triarii, deren Lagerraum auf gleichfalls 100 Fuss Länge nur 50 Fuss Breite hat (28, 3–29). Es mangelt eine Angabe über die Lagerplätze der velites (35, 5 bezieht sich nur auf den Wachdienst, und es ist τηροῦσι für πληροῦσι zu lesen); wahrscheinlich lagern sie bei den Manipeln (vgl. 24, 4). Von den socii sagt Polybios nur im allgemeinen, dass die equites den hastati gegenüber lagern, von ihnen durch eine Strasse von 50 Fuss Breite geschieden, und dass die pedites hinter den equites lagern, dem intervallum zugewendet (30, 1–4). Polybios unterlässt es, bestimmte Zahlen für die socii zu geben, weil sowohl die Gesamtzahl schwankt, als auch die Stärke der Contingente wahrscheinlich von einander abwich. Diese Lücke lässt sich ohne willkürliche Annahmen nicht ergänzen. Deshalb ist auch die Gesamtbreite des Lagers nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Quer durch das ganze Vorderteil des Lagers zwischen der fünften und sechsten Turma und dem fünften und sechsten Manipel, sowie auch den Lagerplätzen der socii läuft eine Strasse von 50 Fuss Breite, die via quintana (30, 5. 6); vgl. Liv. XLI 2, 11, wo jedoch der Ausdruck, in dem Sinne der späteren Lagerordnung jene Strasse bezeichnet, welche hinter dem Praetorium läuft. Die Rückseite des Lagers ist hauptsächlich für den Stab bestimmt. An der via principalis, gegenüber den Lagerlinien der Legionen, lagern die tribuni militum (27, 4–7). Ihre Lagerlinie erhält eine Tiefe von 50 Fuss. Hinter der Lagerlinie der Tribunen gegenüber der Mitte der via principalis liegt das Feldherrnzelt (praetorium), für welches ein Raum von 200 Fuss im Quadrat abgemessen wird (27, 1–2). Zu beiden Seiten des Praetoriums erstreckt sich hinter der Lagerlinie der Tribuni die ἀγορὰ (forum) und das ταμιεῖον (quaestorium) (31, 1). Dem Forum und dem Quaestorium gegenüber lagern in der Längsrichtung des Lagers die equites singulares und römische Soldaten (vgl. Westd. Ztschr. XIV 88, 357), hinter diesen, dem intervallum zugewandt, die pedites singulares (31, 2–4). Hinter dem Praetorium läuft quer durch die ganze Rückseite des Lagers eine Strasse von 100 Fuss Breite. Sie trennt die extraordinarii, welche die Rückseite des Lagers decken, vom Stabe (31, 5). An dieser Strasse liegen, dem Quaestorium, Praetorium und Forum gegenüber, die equites extraordinarii, und hinter ihnen, dem Intervallum zugekehrt, die pedites extraordinarii (31, 6–8). Die freibleibenden Ecken rechts und links von den equites und pedites singulares sind zur Aufnahme der auxilia externa bestimmt, welche nicht dem italischen Waffenbunde angehören (31, 9). Die Lagerlinie der extraordinarii wird durch eine 50 Fuss breite Strasse durchschnitten, welche in der Längsrichtung des Lagers senkrecht auf das Praetorium läuft (31, 7). Den ganzen Innenraum des Lagers umzieht eine 200 Fuss breite Strasse, welche die Lagerplätze vom Walle trennt, das intervallum (31, 11), so dass sich die lagernde [1764] Truppe ausserhalb der Geschosswirkung des Angreifers befindet, Marquardt St.-V. II 404ff.

Das Marschlager der Kaiserzeit ist beschrieben in der Schrift de munitionibus castrorum des sog. Hyginus. Das Lager ist bestimmt für drei Legionen, auxilia und die kaiserliche Garde. Den Mittelpunkt des Lagers bildet das praetorium, dessen Eingang (introitus) sich nach der Front des Lagers gegen die 60 Fuss breite via principalis öffnet. An der via principalis liegt rechts das auguratorium, links das tribunal. Zwischen dem Feldherrnzelte und der via principalis liegt noch ein freier Platz, auf welchem die Altäre der Heeresgötter stehen, Westd. Ztschr. XIV 8. Hinter der Rückseite des Praetoriums (posticum) läuft die 40 Fuss breite via quintana. Die Länge des Praetoriums beträgt, zwischen via principalis und via quintana 720 Fuss, die Breite im Normallager 180 Fuss. Rechts und links des Praetoriums (lateribus praetorii) liegen der Stab und die Stabstruppen. Rechts ist zunächst dem Praetorium der Raum für die Stabswache (statio), der auf 20 Fuss Breite bemessen ist. Dann folgt die Lagerlinie der comites des Kaisers mit 60 Fuss Breite; in dieser lagert der praefectus praetorio zunächst der via principalis, links liegen unmittelbar neben dem Praetorium die officiales auf 30 Fuss Breite. Dann folgen rechts und links je zwei cohortes praetoriae auf je 60 Fuss Breite, nach ihnen rechts die equites praetoriani, links die equites singulares auf je 60 Fuss Breite. In dem oberen Teil der Lagerräume der cohortes praetoriae, nach der via quintana hin, ist noch Raum für die primipilares und evocati. Es folgen dann rechts zwei, links drei alae quingenariae auf je 60 Fuss Breite. Zuletzt auf jeder Seite eine cohors prima einer Legion auf 120 Fuss Breite. Oberhalb der cohors prima lagen die Heeresanstalten der Legion, zunächst das valetudinarium und dann, durch die vexillarii legionis von ihm geschieden, das veterinarium und die fabrica. Zwischen den cohortes primae und den alae quingenariae läuft die 20 Fuss breite via vicinaria, ebenso zwischen den alae quingenariae und den Gardereitern eine via von 10 Fuss Breite; endlich sind die comites von den cohortes praetoriae durch eine via von 10 Fuss Breite geschieden. Der Vorderteil des Lagers von der via principalis bis zu der Lagerfront heisst praetentura. Er wird durch eine Strasse, die von der Mitte der via principalis ausgeht, der Länge nach durchschnitten. Es ist die via praetoria und hat 60 Fuss Breite. Die Lagerlinien der praetentura laufen senkrecht auf die via praetoria und haben 600 Fuss Länge. Beiderseits der via praetoria liegen an der via principalis die scamna der legati legionis, in welchen auch die praefecti der cohortes praetoriae lagern; in dieser Lagerlinie liegen auch den cohortes primae gegenüber die scholae, jene Plätze, wo der Lagerdienst verlautbart wird. Dann folgen die scamna der tribuni legionis. Beide Arten von scamna haben 60 Fuss Breite. An die scamna schliessen sich beiderseits die Lagerräume von je zwei alae miliariae an mit 150 Fuss Breite. Es folgen rechts die classiarii Misenates, links die classiarii Ravennates auf je 150 Fuss Breite. Zu unterst liegt, rechts von der via praetoria, der Lagerplatz der cohors prima der dritten Legion [1765] mit 180 Fuss Breite. Über diesem liegen die Heeresanstalten dieser Legion: valetudinarium, vexillarii, veterinarium und fabrica. Links von der via praetoria liegen der cohors prima gegenüber drei einfache cohortes dieser Legion, jede auf 180 Fuss Breite, übereinander. Der Raum über den cohortes legionariae und den classiarii wird links von den Pannonii veredarii eingenommen. Rechts lagern über der fabrica die exploratores und dann Mauri equites, von denen ein Teil noch über den Misenates seinen Lagerplatz erhält. Auch in der praetentura ist die cohors prima, sowie die ihr gegenüberliegenden Legionscohorten von der anstossenden Truppe der classiarii durch die via vicinaria getrennt. Ebenso scheidet je eine via von 10 Fuss Breite die alae von den classiarii und den scamna der tribuni. Endlich läuft noch eine via von 10 Fuss Breite zwischen den scamna der tribuni und den scamna der legati. Der rückwärtige Teil des Lagers oberhalb der via quintana heisst retentura. Die Lagerlinien laufen hier senkrecht auf die via quintana und haben in dem Normallager 480 Fuss Länge. In der Mitte der retentura, hinter dem praetorium, liegt das quaestorium mit 160 Fuss Breite, rechts und links vom Quaestorium liegt an der via quintana je eine centuria statorum, denen der Schutz des posticum des Praetoriums obliegt. In ihrer 60 Fuss breiten Lagerlinie liegen oberhalb noch je eine cohors peditata quingenaria. Dann folgen rechts zwei cohortes peditatae miliariae, links eine cohors peditata miliaria und eine quingenaria. Daran schliessen links und rechts zunächst je eine cohors equitata miliaria und dann zwei cohortes equitatae quingenariae. Die Räume, welche in den Lagerlinien der cohortes auxiliariae frei bleiben, werden im untersten Teil der praetentura durch die nationes eingenommen. So erhalten rechts vom Quaestorium die Palmyreni und Gaetuli, links die Daci, Brittones, Cantabrii ihren Platz. Die via vicinaria läuft hier zwischen den cohortes equitatae quingenariae und miliariae durch, setzt also die via vicinaria der latera praetorii direct fort. Zu beiden Seiten der cohortes peditatae läuft je eine via von 10 Fuss Breite, welche sie so einerseits von den cohortes equitatae miliariae, andererseits von den centuriae statorum trennt. Den ganzen Innenraum des Lagers umzieht eine 30 Fuss breite Strasse, die via sagularis. Zwischen dieser und den Intervallen von 60 Fuss Breite lagern die Legionscohorten, zehn in der praetentura, sechs in den latera praetorii, acht in den retentura. Die allgemeinen Grundsätze für die Anordnung der Truppen sind durchsichtig. Die Legionscohorten lagern am Walle, dessen Verteidigung ihnen obliegt, nur die cohortes primae erhalten ihren Platz innerhalb der via sagularis, weil in ihren Lagerräumen die heiligen signa stehen. In der praetentura lagern die Pioniere (classiarii) und die Reiterei der auxilia mit Ausnahme der alae quingenariae. In den latera praetorii lagern die Stabstruppen, in der Retentura die pedites der auxilia. Über das Einzelne vgl. die Ausgaben des Hyginus von Lange 1848 und v. Domaszewski 1887. Über die Zeitbestimmung der Schrift Domaszewski Rh. Mus. XLVIII (1893) 243; Westd. Ztschr. XIV 111.

Lagerbefestigung. Der Lagerwall hat vier [1766] Thore (Hygin. de lim. const. p. 180 L. Joseph bell. Iud. III 5, 2. Liv. XL 27, 2. Frontin. strat. III 17, 2). Die beiden Seitenthore, an welchen die via principalis endet, heissen porta principalis dextra und sinistra, Hyg. de m. castr. 14. Liv. IV 19, 8. XXXIV 46, 9. XL 27, 4. Das Thor an der Frontseite, an welchem die via praetoria endet, heisst porta praetoria, Veg. I 23. Hyg. de mun. c. 56. Fest. ep. 223. Liv. XL 27, 3. Tac. hist. IV 30. Das Thor an der Rückseite des Lagers heisst porta decumana, Liv. X 32, 8. Caes. b. G. III 25, 2. Hyg. de mun. c. 56. Tac. ann. I 66. Veg. I 23. Zu Polybios Zeit bestand die Verschanzung aus Wall und Graben. An der Aussenseite wird aus Schanzpfählen, valli, welche die Soldaten bei sich tragen, ein Verhau gebildet, Varro de l. l. V 117. Isid. orig. XV 9, 2. Polyb. XVIII 18. Liv. XXXIII 5, 9. Auch in der Kaiserzeit ist die Befestigung regelmässig ein Erdwall – 8 Fuss breit, 6 Fuss tief – und ein davorliegender Graben – 5 Fuss breit, 3 Fuss tief. 60 Fuss vor dem Thoreingang liegt ein kleiner Graben mit Wall (titulus). Die Lagerecken werden abgerundet. Auf der rechten Seite des Thoreingangs ist nach aussen noch ein halbkreisförmiger Wall mit Graben gezogen (clavicula). An der Innenseite des Walles führen Treppen auf den Wall. An den Thoren, sowie in den Ecken sind Geschützbänke angebracht.

Standlager. Der Name für die Standlager ist hiberna, Westd. Ztschr. XIV 18. Die Anlage der Standlager liegt bei der geringen Umsicht, mit welcher erhaltene Reste bisher aufgedeckt wurden, sehr im Dunkeln. Die Form ist im allgemeinen dieselbe wie die der Marschlager, ebenso die Befestigung, nur dass der Wall aus Stein erbaut ist und die gefährdeten Punkte, Thore sowie die Ecken, durch Türme gesichert sind. Von dem Innenraum ist nur das Praetorium einigermassen bekannt. Es besteht stets aus einem grossen Hofe, in dessen Rückseite das Fahnenheiligtum liegt. Pläne des Standlagers von Carnuntum, Arch.-epigr. Mitt. VIII Taf. III; Lambaesis, Cagnat L’armée Romaine en Afrique 526, für die Grenzcastelle Bruce The wall 1867, und besonders das im Erscheinen begriffene Werk der deutschen Limescommission, bis jetzt Lief. 1–4. Vgl. auch Westd. Ztschr. XIV 11–19.