RE:Claudius 297

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ap. Cl. Pulcher, cos. 54 v. Chr.
Band III,2 (1899) S. 28492853
Appius Claudius Pulcher (Konsul 54 v. Chr.) in der Wikipedia
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297) Ap. Claudius Pulcher, ältester Sohn von Nr. 296, nach dem Tode seines Vaters in dürftigen Verhältnissen und mit der Verpflichtung, für seine jüngeren Geschwister zu sorgen, zurückgelassen (Varro r. r. III 16, 1f.). Schwerlich darf er, wie Mommsen (Münzwesen 561 zu nr. 177) meinte, für den Interrex von 676 = 78 gehalten werden (Sall. hist. I 51, 22 Kr. = I 77, 22 Maur., vgl. Nr. 296), sondern sein erstes Auftreten fällt ins J. 679 = 75, wo er den Terentius Varro wegen Erpressungen vor Gericht zog (Ps.-Ascon. div. in Caec. p. 109, 20 Or.). Darauf begleitete er Lucullus, den Gemahl seiner Schwester, auf dessen asiatischem [2850] Feldzug und überreichte 682 = 72 in Antiochia dem Tigranes das römische Ultimatum, das ihm die Wahl zwischen Auslieferung des Mithridates und Krieg mit Rom liess (Plut. Luc. 19, 2. 21, 1f. 7–9. 23, 2. 29, 9. Memnon 46, 2 [FHG III 550]). Im J. 691 = 63 gehörte er dem Senate an und führte das Protokoll beim Process der Catilinarier (Cic. Sulla 42). 693 = 61, während sein Bruder Publius wegen Religionsfrevel vor Gericht stand, war Appius in Griechenland aufs eifrigste beschäftigt, Gemälde, Statuen und andere Kunstschätze zusammenzurauben, weil er sich um die Aedilität zu bewerben und seine aedilicischen Spiele möglichst glänzend auszustatten gedachte (Cic. de domo 111. Schol. Bob. p. 338 Or.). Er hat aber dieses Amt nicht bekleidet, sondern ist im J. 697 = 57 durch die Unterstützung des L. Piso, der im vorhergehenden Consul war, sofort zur Praetur gelangt (Cic. de domo 40). Er praesidierte dem Gerichtshof für Erpressungen (Cic. ad Att. III 17, 1) und suchte seinem Bruder Publius, dem er schon früher gegen M. Bibulus, Consul 695 = 59, beigestanden hatte (Cic. de domo 40), in verschiedener Weise nützlich zu sein (Cic. Sest. 16. Schol. Bob. z. d. St. p. 295. 307 Or.). Cicero erkannte zwar später an, dass sich Appius im ganzen taktvoll benahm und ihm nicht direct feindlich entgegentrat (de domo 87; ad fam. III 10, 8), aber er beklagte sich sehr, dass er allein von allen seinen Amtsgenossen gegen die Zurückberufung Ciceros war (Sest. 77f. 85. 87. 89. 126; Pis.35. Ascon. z. d. St. p. 10. Schol. Bob. p. 288 Or. Cic. ad Att. IV 1, 6. Dio XXXIX 6, 3. 7, 2) und auch, nachdem diese erfolgt war, fortfuhr, den Publius zu unterstützen (ad Att. IV 2, 3. 3, 3f. Dio a. O.). Nach der Praetur verwaltete Appius Sardinien, nahm aber im April 698 = 56 an der Zusammenkunft der Triumvirn in Luca teil (Cic. ad Q. fr. II 4, 6. 13, 3. Plut. Caes. 21, 2), und wurde im J. 700 = 54 Consul mit L. Domitius Ahenobarbus (Tesserae CIL I 732. Bull. d. Inst. 1882, 8. Chronogr. Idat. Chron. pasch. Cassiod. Obseq. 64. Caes. b. G. V 1, 1. Ascon. Pis. p. 1; Scaur. p. 16. Schol. Bob. p. 253. Dio XXXIX 60, 2. XL 1, 1). Mit Cicero war er damals ausgesöhnt, hauptsächlich durch die Bemühung des Cn. Pompeius, dessen Sohn seine Tochter geheiratet hatte (Cic. Scaur. 31f.; ad fam. I 9, 4. 19. III 10, 8. 10; ad Q. fr. II 10, 1; ad M. Brut. bei Quintil. inst. or. IX 3, 41). Ausser durch diese Beziehungen wurde er in seinen Entschlüssen und Handlungen vornehmlich durch die Habsucht bestimmt, die eine Folge seiner in Armut verbrachten Jugend war. So wollte er den Cicero nach dessen Auftreten gegen Antiochos von Kommagene von weiteren Schritten abhalten, weil er auf die Freigebigkeit dieses Fürsten rechnete (Cic. ad Q. fr. II 10, 2f.). Ferner suchte er zuerst zu Gunsten des von einer Anklage bedrohten Gabinius, des Statthalters von Syrien, die Comitien hinauszuschieben (ebd. II 11, 3), griff ihn aber nachher selbst scharf an, um gleichzeitig der allgemeinen Stimmung entgegenzukommen und jenem seine leicht zu erwerbende Unentbehrlichkeit fühlbar zu machen (ebd. III 2, 3. Dio XXXIX 60, 3). Dass er dem C. Pomptinus zu dem langersehnten Triumphe verhalf, geschah wohl gleichfalls aus Eigennutz (Cic. ad Att. IV 18, 4; ad fam. III [2851] 10, 3; ad Q. fr. III 4, 6). Anfang Juli begab er sich mit einer Commission von zehn Senatoren nach Interamna und Reate, um an Ort und Stelle die stets erneuten Streitigkeiten zu schlichten, welche die entgegengesetzten Wünsche beider Städte betreffend den Abfluss des Lacus Velinus hervorriefen (Varro r. r. III 2, 3; vgl. Cic. Scaur. 27; ad Att. IV 15, 5). Ganz unerhört war das Verhalten der beiden Consuln bei den scandalösen Wahlumtrieben dieses Jahres. Einer der Bewerber ums Consulat, C. Memmius, denuncierte sich auf Veranlassung des Pompeius im October selbst beim Senate: er und sein Mitbewerber Domitius Calvinus hatten sich den Consuln gegenüber schriftlich verpflichtet, falls sie mit deren Unterstützung gewählt würden, ihnen entweder eine hohe Geldsumme zu zahlen oder durch ein falsches Zeugnis dreier Auguren und zweier Consulare zu erhärten, dass das Curiatgesetz und der Senatsbeschluss, die jenen ihre gewünschten Provinzen bestimmten, ordnungsgemäss zu stande gekommen seien. Appius behielt angesichts dieser vernichtenden Beschuldigung seine ruhige Fassung (Cic. ad Att. IV 17, 2; vgl. 15, 7; ad Q. fr. III 1, 16), die Gerichtsverhandlung über den schmutzigen Handel wurde hintertrieben (Cic. ad Att. IV 17, 3f.), und die Wahlen ein volles Jahr lang verzögert (Cic. ad Q. fr. III 2, 3. 3, 2). Appius begehrte dringend nach der Verwaltung einer Provinz; er wollte Kilikien und das Commando über die dort stehenden Truppen auch ohne Curiatgesetz übernehmen, selbst wenn er dafür auf das Recht des Triumphes verzichten müsste (Cic. ad. Att. IV 18, 4; ad fam. I 9, 25; ad Q. fr. III 2, 3), und that schon damals ein Gelübde für den Fall seines Erfolges (s. u.). Er verwaltete Kilikien von Mitte 701 = 53 an und erwarb durch einen nicht näher bekannten Feldzug den Anspruch auf einen Triumph und den Imperatortitel, den ihm Cicero (ad fam. III 1 u. 2 Aufschr.), die Münzen von Laodikeia und Apamea (Pinder Cistophoren 570f. CIL I 526) und die Inschriften von Athen und Eleusis (s. u.) geben. Da Cicero sein Nachfolger in der kilikischen Statthalterschaft wurde, entwickelte sich zwischen beiden Männern ein lebhafter Briefwechsel, von dem dreizehn Briefe Ciceros erhalten sind und das dritte Buch der ep. ad familiares bilden. Sie sind mit Ausnahme des achten, der vor den siebenten gehört, in chronologischer Reihenfolge überliefert; der erste ist noch vor der Ernennung Ciceros zum Proconsul von Kilikien geschrieben, die anderen reichen von dieser Ernennung Anfang 703 = 51 bis zur Abreise Ciceros aus Asien Herbst 704 = 50. Für die Provincialverwaltung des Appius lehren sie weniger, als andere Äusserungen des Redners, dass Appius Kilikien hart bedrückte und nicht nur selbst rücksichtslos ausplünderte, sondern auch seinen Untergebenen, z. B. seinem Schwiegersohne M. Brutus, die ärgsten Ausschreitungen ungestraft hingehen liess (Cic. ad fam. III 8, 5ff. XV 4, 2; ad Att. VI 1, 2. 6. 2, 8. Auct. de vir. ill. 82, 4). In dem Verhältnis des Cicero zu Appius lassen diese Briefe verschiedene Wandlungen erkennen. Sie sind zuerst voll von Versicherungen freundschaftlicher Ergebenheit und grösster Liebenswürdigkeit (Brief 1–4), aber der Adressat scheint diese Gefühle keineswegs erwidert [2852] zu haben, weil die Vorgänge in Rom bei und nach seines Bruders Ermordung nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben sein können. Infolgedessen sind die nächsten Briefe 5–8 zur Hälfte mit Klagen des Briefschreibers gefüllt und zur andern Hälfte mit Erwiderungen auf Beschwerden des Empfängers: Appius hatte auf jede Weise eine Begegnung mit seinem Nachfolger vermieden und war schliesslich, als sich ihre Wege dennoch kreuzten, heimlich bei Nacht an ihm vorübergeeilt; ausserdem hatte er noch nach dessen Eintreffen in der Provinz Verfügungen getroffen. Cicero hatte die Errichtung eines Denkmals für den Vorgänger und die Absendung einer Gesandtschaft nach Rom, die für dessen gute Verwaltung Zeugnis ablegen sollte, untersagt. Der scharfe Ton dieser Correspondenz änderte sich, nachdem Appius Ende 703 = 51 in Rom angelangt war, denn beide Correspondenten hatten einander nötig. Der Wunsch des Heimgekehrten, den Triumph zu erhalten (Cic. ad fam. III 9, 2), trat bald gegen andere Sorgen zurück, denn er wurde von P. Dolabella, der kurz darauf Ciceros Tochter heiratete, zuerst in einen Majestätsprocess und dann in einen Process wegen Amtserschleichung verwickelt. Er gab daher sofort die Hoffnung auf den Triumph auf und kam nach der Hauptstadt, um sich zu rechtfertigen. Ciceros Geneigtheit war ihm jetzt wertvoll, weil ihm ungünstige Zeugnisse aus der Provinz viel Schaden thun konnten, und er schrieb nicht nur selbst an ihn, sondern liess ihn auch durch Pompeius, Brutus und M. Caelius Rufus bearbeiten (Cael. ad fam. VIII 6, 1ff. Cic. ad fam. III 10; ad Att. VI 2, 10). In dem ersten Process führte der Einfluss des Pompeius und die Verteidigung des Hortensius und Brutus die Freisprechung herbei (Cic. ad fam. III 11; Brut. 230. 324), und ebenso endete der zweite, der eine Folge der Bewerbung des Appius um die Censur war (Cic. ad fam. III 12; vgl. 11, 2); ausserdem wurde Appius Mitte 704 = 50 mit L. Piso zum Censor gewählt (Cic. ad fam. III 10, 3f. 11, 5 und Aufschr. 13, 2. Dio XL 63, 2. Oros. VI 15, 11). Er war nicht makellos und rein genug, um diesem Amte durch seine Strenge mit Erfolg zu neuem Ansehen zu verhelfen. Die unsaubern Händel mit dem Aedilen M. Caelius Rufus, wobei Censor und Aedil sich gegenseitig wegen Unzucht belangen wollten, werfen ein bedenkliches Licht auf ihn (Cael. ad fam. VIII 12, 1. 14, 4; vgl. o. S. 1270), und Bestimmungen gegen den unrechtmässigen Erwerb von Kunstwerken klangen eigentümlich im Munde eines Mannes, der selbst darin nicht eben scrupulös gewesen war (Cael. ad fam. VIII 14, 4. Cic. ad Att. VI 9, 5). Andere seiner Verordnungen betrafen Ackerbesitz und Schuldenwesen (Cael. ebd.); den Historiker C. Sallustius stiess er wegen Unsittlichkeit aus dem Senat (Invect. in Sall. 16. Dio XL 63, 4), den C. Ateius wegen der Erdichtung von Auspicien (Cic. div. I 29), und C. Curio wurde nur durch Piso vor demselben Schicksal geschützt (Dio XL 63, 5). Doch griff Appius den Curio wenigstens im Senate heftig an (Cael. ad fam. VIII 17, 1. Dio XL 64, 1) und zeigte sich überhaupt den Anhängern Caesars so feindlich gesinnt, dass sein Übereifer diesem mehr nutzte als schadete. Über seine Haltung in dem bald darauf ausbrechenden Bürgerkriege [2853] konnte kein Zweifel bestehen (Cic. ad Att. IX 1, 4; vgl. VIII 1, 3). Er schloss sich dem Pompeius an und erhielt Griechenland als Provinz. Hier befragte er das delphische Orakel über die Zukunft und empfing eine zweideutige Antwort, die nur in der lateinischen Fassung überliefert wird: Nihil ad te hoc, Romane, bellum; Euboeae coela obtinebis. Infolgedessen zog er sich nach Euboea zurück, wo er noch vor der Entscheidungsschlacht bei Pharsalus etwa im Anfang 706 = 48 starb (Val. Max. I 8, 10. Oros. VI 15, 11. Lucan. V 68ff. 122ff.). In dieser Erzählung tritt ein Grundzug seines Charakters scharf hervor, seine Religiosität. Ein stattliches Denkmal derselben sind die sog. kleinen Propylaeen des Weihetempels von Eleusis. Nach der Inschrift des Epistyls (CIL I 619 = III 547) hat er den eleusinischen Göttinnen den Umbau der alten Vorhalle (vgl. Athen. Mitt. II 190ff. und Art. Eleusis) als Consul gelobt und als Imperator begonnen; im J. 704 = 50 wurde daran gebaut (Cic. ad Att. VI 1, 26. 6, 2), und die Athener erwiesen sich dem Stifter dankbar durch Errichtung einer Statue (CIA III 566); aber die Vollendung der Propylaeen erlebte er nicht, sondern zwei seiner Neffen haben als seine Testamentsvollstrecker das Werk zum Abschluss gebracht. Auch das Amphiaraosheiligtum bei Oropos hatte sich der Gunst des Appius zu erfreuen, denn eine dort gefundene Ehreninschrift wird mit Wahrscheinlichkeit auf ihn bezogen (IGS I 428). Nicht minder war er auch dem Glauben seines Volkes ergeben. Ums Pontificat hatte er sich vielleicht vergeblich beworben (Mommsen Röm. Forsch. I 90, 38); desto eifriger waltete er seines Amtes als Augur schon seit 691 = 63 (Varro r. r. III 2, 2. 7, 1. Cic. Brut. 267; div. I 29. 105. II 75; leg. II 32) und verfasste eine Schrift über Auguralrecht, deren erstes Buch er Cicero widmete (Cic. ad fam. III 4, 1; vgl. 9, 3. 11, 4; Fragmente bei Fest. p. 197. 297. 298). Er huldigte daneben noch schlimmerem Aberglauben und Geisterbeschwörungen (νεκρομαντεῖα Cic. Tusc. I 37; psychomantia div. I 132). Er hatte jedenfalls Interesse für Landwirtschaft, denn er wird von Varro r. r. III als eine Hauptperson des Dialogs eingeführt; die Unterhaltung fällt in sein Consulat, doch hat Varro das gelegentlieh vergessen (z. B. III 2, 2. 7, 1). Das günstige Urteil, das Cicero (Brut. 267) nach seinem Tode über seine geistige Begabung im allgemeinen fällt, dürfte durch die Rücksicht auf seinen Schwiegersohn M. Brutus beeinflusst sein. Seine Töchter Nr. 388 und Nr. 389, sein Adoptivsohn Nr. 299.

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297) (S. 2853, 52) Seine Frau war vielleicht eine Servilia (Cic. ad Att. XII 20, 2).

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