RE:Coelius 7

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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[Antipater, L. Annalist, Begründer der historischen Monographie 2. Jh. v. Chr.
Band IV,1 (1900) S. 185194
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7) L. Coelius Antipater, der Annalist, Begründer der historischen Monographie in Rom. Sein Geburtsjahr ist nicht überliefert. Doch haben wir neben der allgemeinen Notiz bei Vell. II 9, 6, dass C. älter als Sisenna (geb. ca. 119) war, noch Anhaltspunkte an Cic. Brut. 102, wonach C. Lehrer des L. Crassus (geb. ca. 140) in der Rechtswissenschaft war, und an Cic. de leg. I 6, wo C. ein Altersgenosse des Fannius (cos. 122) genannt wird, so dass wir zu der Annahme berechtigt sind, dass C. zwischen 180 und 170 geboren ist (Meltzer De L. Coelio Antipatro belli Punici secundi scriptore, Lps. 1867, 6 und H. Peter Veterum historicorum Romanorum reliquiae, Lps. 1870, CCXIV befürworten 174 als Geburtsjahr). Aus seinem Beinamen Antipater hat man geschlossen, dass C. griechischer Abkunft und Freigelassener eines C. gewesen sei. Dem widerspricht aber Suet. rhet. 3, wo berichtet wird, dass nach Nepos Voltacilius, der Lehrer des Pompeius, der erste Freigelassene war, welcher sich der Geschichtsschreibung widmete (vgl. H. Peter Rell. CCXV). Auch hat schon F. Lachmann (De fontibus historiarum Titi Livii commentatio duplex Gott. 1822. 1828 II 19) mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass ein Freigelassener in jenen Zeiten kaum die Rechtskenntnis und Redegewandtheit besessen haben kann, die Cic. Brut. 102 und Pomp. Digest. I 2, 2, 40 dem C. nachrühmen; denn diese beiden Eigenschaften weisen zwingend auf eine öffentliche Thätigkeit des C. als Advocat hin (vgl. Cic. de orat. II 55). Vielleicht war er aber der Sohn eines Freigelassenen (Lachmann a. O. II 19). Seine Lebensschicksale sind uns ganz unbekannt. Im Staatsdienste scheint er nie thätig gewesen zu sein, dennoch aber muss er ein grosses Ansehen genossen haben. Dafür spricht, dass viele, darunter auch L. Crassus, seine Schüler waren, vor allem aber, dass ihn L. Crassus seiner vertrauten Freundschaft würdigte (Cic. de orat. II 54). Wann C. gestorben ist, wissen wir auch nicht. K. J. Neumann (Philol. XLV 385ff.) hat [186] den Africaumsegler, welchen C. nach Plin. n. h. II 169 gesehen hat (frg. 56), mit Eudoxus von Kyrene identificiert, dessen Expedition nach Létronne (Recueil des inscriptions grecques et latines de l’Égypte I 58ff.) einige Jahre nach 117 anzusetzen ist. C. könnte also jene Notiz auch erst frühestens einige Jahre nach 117, vielleicht aber erst erheblich später niedergeschrieben haben, vorausgesetzt, dass Neumanns Annahme richtig ist. Aber eben dies scheint trotz H. Peters Zustimmung (Jahresber. LXXVI 111) doch recht zweifelhaft. Sicher ist dagegen, dass C. die gracchischen Unruhen und den Tod des C. Gracchus erlebt hat (vgl. Cic. de div. I 56 und Val. Max. I 7, 6).

Die Hypothese Meursius-Plüss-Sieglin. Unter dem Namen des C. sind uns bei Nonius, Charisius, Priscian u. a. Grammatikern, ferner bei Livius, Cicero, Quintilian u. a. einige 60 Fragmente erhalten. Wo der Titel des Werkes genannt wird, lautet er historiae, nur Nonius gebraucht constant den Namen annales, Cicero citiert einmal (orat. 230) das bellum Punicum. Es lag nahe, diese Titel demselben Werke zuzuweisen, zumal unter allen drei Bezeichnungen Fragmente überliefert sind, die auf das bellum Hannibalicum zu beziehen sind. In der That sind schon Antonius Augustinus (Coll. fragm. Hist. Lat., Antv. 1595, 32) und Popma (Fragm. Hist. vet. Lat., Amstelod. 1620, 44) dieser Meinung gefolgt und haben hierbei die Zustimmung der meisten Gelehrten gefunden. Nur Meursius (Macrobii opera cum notis Pontani etc., Lugd. Batav. 1670, 202) stellte die Hypothese auf, dass C. zwei Werke, ein bellum Punicum sive annales und Historien über die ganze Geschichte Roms verfasst habe. Lange blieb diese Ansicht unbeachtet, bis Plüss sie in der sechsten These seiner Bonner Dissertation De Cinciis, 1865, wieder zur Geltung zu bringen suchte. Eingehende Begründung und Verteidigung fand sie dann durch Sieglin (Jahrb. f. Philol. Suppl. B. XI 1ff.). In das Historien betitelte Werk verweist Sieglin alle Fragmente des C., welche antiquarisch-historischen Inhalts sind und sich auf Sagengeschichte, Völkerkunde, Wortforschung und dergl. beziehen. Dasselbe soll ,mit der wesentlichen Tendenz, nebenbei Griechenland mit Rom in Verbindung zu bringen, in den italischen Städten das Werk griechischer Ansiedler zu suchen und zu erblicken‘ (S. 78), ein Seitenstück zu des Cato Origines gewesen sein und die Geschichte Roms bis mindestens zum Ständekampf herabgeführt haben. Beendet sei das Werk wegen des von C. erwähnten Todes des C. Gracchus (vgl. Cic. de div. I 56) nach 121, während das bellum Punicum, wegen der von Sieglin vertretenen Benutzung des C. durch Polybios mindestens vor 144 geschrieben sei. Trotz der Einwände, welche namentlich Unger, Gilbert und Pöhlmann im Philol. Anzeiger X 384ff. erhoben, und denen auch K. J. Neumann (a. O. 388) beipflichtete, hielt Sieglin in der Berl. philol. Wochenschr. 1883, 1451ff. an seiner Meinung fest und fand Unterstützung an Zarncke, welcher Sieglins Hypothese in der Wochenschr. f. klass. Philol. 1888, 515 noch weiter zu begründen suchte. Aber wirklich überzeugende Beweise haben weder Sieglin noch Zarncke beizubringen [187] vermocht, dagegen muss es auffallen, dass schon Gellius, welcher nach Sieglins Ansicht wie die andern Grammatiker das bellum Punicum als das ältere coelianische Werk zur Charakterisierung seiner Schreibweise verwendet, dafür den Titel des angeblichen antiquarischen Werkes Historien anführt, während dieses nach Sieglin doch noch Jahrhunderte lang bekannt gewesen sein muss, da es noch von Servius eingesehen sein soll. Wir müssen daher wohl mit Recht alle diese antiquarischen Fragmente Digressionen zuweisen und ihre recht beträchtliche Anzahl aus der noch zu behandelnden eigentümlichen Schreibweise und Tendenz des C. erklären.

Bedeutung und Umfang des coelianischen Werkes. Das Werk des C. bedeutet einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der römischen Historiographie. Denn C. ist der erste Römer, welcher mit der alten Weise der Annalisten, die Geschicke Roms von den sagenhaften Anfängen an zu berichten, bricht und sich auf die Darstellung eines kurzen Zeitabschnittes, des zweiten punischen Krieges, beschränkt. Dass C. mit diesem Kriege begann, beweist Cic. or. 229 = frg. 1 (vgl. H. Peter Rell. CCXV); auch führte das erste Buch schon bis 217, vielleicht sogar bis 216. Krauses (Vitae et fragmenta veterum historicorum Romanorum, Berol. 1833, 184) Vermutung, dass C. schon beim ersten punischen Kriege einsetzte, entbehrt also der Begründung. Dafür, dass das Werk nicht über den zweiten punischen Krieg hinausreichte, spricht der Umstand, dass im siebenten Buche ein Gefecht geschildert war, welches im J. 203, also ziemlich am Ende des Krieges, geliefert wurde. Mehr als sieben Bücher werden aber nirgends citiert, auch sind nur zwei Fragmente erhalten, welche Thatsachen aus späterer Zeit berichten. Da nun diese beiden Fragmente, die Erwähnung eines von C. persönlich gekannten Africaumseglers und eines Traumes des C. Gracchus, leicht ihren Platz in Digressionen gehabt haben können, so ist es zum mindesten unwahrscheinlich, dass C., wie Lachmann (a. O. II 20) und Krause (a. O. 184) vorschlugen, die Geschichte Roms bis auf seine Tage herabgeführt habe.

Widmung. C. widmete sein Werk nach der hsl. Überlieferung von Cic. orat. 230 dem Laelius. Damit lässt sich aber kaum vereinigen, dass C. in seiner Schrift den Tod des C. Gracchus erzählte (frg. 50), den Laelius schwerlich noch erlebt hat. Daher hat schon Popma (a. O.) L. Aelius für Laelius vermutet; diese Conjectur erhielt nicht nur den Beifall vieler Gelehrten, sondern fand auch Unterstützung durch eine Entdeckung von Marx (Studia Luciliana, Diss. Bonn. 1882, 96), welcher an der Hand der besten Codices zu dem Schlusse kam, dass die an L. Aelius gerichteten Worte bei Cornif. ad Her. IV 18 gar nicht dem Lucilius, sondern dem C. angehören. Hierdurch sah sich sogar H. Peter, welcher vorher (Rell. CCXVII adn. 1) für die Widmung an Laelius eingetreten war, veranlasst, an Stelle des Laelius den L. Aelius zu setzen (Historicorum Romanorum fragmenta, Lps. 1883 p. XIII). Indessen sind damit noch nicht alle Zweifel gehoben, wie Peter selbst zugiebt, eingehender aber Sieglin (Berl. Philol. Wochenschr. 1883, 1450f.) begründet. [188]

Composition. Wie C. seinen Stoff, die 18 Jahre des hannibalischen Krieges, auf die sieben Bücher seines Werkes verteilte, vermögen wir nur mit Hülfe der Fragmente zu beurteilen. Von diesen aus versuchten einen Einblick in die Composition zuerst Nauta (Ann. acad. Lugd. Batav. 1820/21) und Groen van Prinsterer (ebd.) zu gewinnen. Es folgten später Meltzer (a. O.), H. Peter (Rell. und Fragm.), Gilbert (Jahrb. f. Philol. Suppl. B. X 365ff.), Sieglin (ebd. XI 1ff.) und Unger (Philol. XL 183ff.). Da jedoch die geringen Reste teils ganz allgemeinen Inhalts sind, teils eine ganz verschiedene Deutung zulassen, und nur verhältnismässig wenige auf ganz bestimmte Ereignisse zu beziehen sind, so weichen die Ergebnisse dieser Untersuchungen sehr von einander ab. Ganz eigenartig ist das Resultat, zu welchem Gilbert kommt. Indem er nämlich von der Annahme ausgeht, dass C. vorzugsweise die Thaten des Scipio habe schildern wollen, weist er den ersten beiden Büchern, die danach gewissermassen nur eine ausführlichere Einleitung bilden, nicht weniger als 8½ Kriegsjahre zu, während sich die übrigen 9½ Kriegsjahre auf fünf Bücher verteilen.

Quellen des C. und Art ihrer Benutzung. An Quellen hatte C. keinen Mangel. Die hohe Bedeutung des Entscheidungskampfes zwischen Rom und Karthago und das grosse Interesse, welches demselben fortdauernd entgegengebracht wurde, liess eine verhältnismässig umfangreiche Litteratur emporblühen, die sich mit den Ereignissen und den Männern jener grossen Zeit beschäftigte. Gilbert (a. O.) nimmt als unzweifelhaft an, dass C. alles gekannt habe, was über den hannibalischen Krieg geschrieben war. Ob dem so ist, lässt sich kaum entscheiden. Doch haben die zahlreichen Untersuchungen, welche im Anschlusse an die Frage über das Verhältnis zwischen Livius und C. auch die Quellen des C. behandelten, namentlich die von Böttcher (Jahrb. f. Philol. Suppl. B. V 353ff.), Gilbert (a. O.) und Sieglin (a. O.) dargethan, dass C. das sich ihm bietende Quellenmaterial nach Kräften ausgenutzt hat. Dass er sehr viel aus den Annalen des Q. Fabius Pictor schöpfte, ist bei der grossen Bedeutung, welche dieses Werk eines hervorragenden Zeitgenossen des zweiten punischen Krieges naturgemäss hatte, begreiflich und auch allgemein anerkannt worden. Auch Catos Origines hat C. oft und gern herangezogen. Zweifelhaft bleibt die Benutzung des L. Cincius Alimentus, welche Böttcher (a. O.) annahm; dagegen folgte er sicher dem Ennius (vgl. Fronto ad M. Caesarem IV 3 Ennius eumque studiose aemulatus L. Coelius). Ferner ist von Keller (Der zweite punische Krieg und seine Quellen, Marburg 1875) ausgeführt und von Sieglin (a. O. 54) nachdrücklich gebilligt worden, dass C. auch Memoiren des Scipio ausgebeutet hat; derselben Meinung ist Gilbert (a. O.). Selbst an untergeordneten Quellen, wie an der laudatio des Marcellus durch seinen Sohn, ging C. nicht vorüber (vgl. Liv. XXVII 27, 13 = frg. 29). Einen ganz besonderen Wert erlangte die Schrift des C. aber dadurch, dass in derselben zuerst von allen historischen Darstellungen der Römer auch gegnerische Quellen verwertet wurden. Aus Cic. de div. I 49 erfahren [189] wir nämlich, dass C. den Begleiter und Geschichtsschreiber des Hannibal, Silen, benutzt hat. Dass dies aber nicht nur gelegentlich geschah, dass Silen vielmehr häufig die Hauptquelle des C. war, hat Bujak (De Sileno scriptore Hannibalis, Diss. Königsb. 1859) überzeugend dargethan. Gilbert (a. O.) denkt auch an Philinus, kann aber keine stichhaltigen Gründe dafür beibringen. Schliesslich berücksichtigte C. auch die mündliche Tradition, ja er legte ihr sogar einen so hohen Wert bei, dass er sich nicht scheute, ihr zu folgen, wenn sie den schriftlichen Berichten widersprach.

Diese Fülle von Quellen, vor allem aber die Heranziehung gegnerischer Autoren macht es von vornherein wahrscheinlich, dass das Urteil des Val. Max. I 7, 6, C. sei ein certus historiae Romanae auctor, nicht unberechtigt war, dass C. vielmehr wenigstens den Willen hatte, Kritik zu üben und die Wahrheit zu berichten. Dafür haben wir aber auch noch andere Anzeichen: seine eigenen Worte ex scriptis eorum, qui veri arbitrantur (frg. 2), ferner den Wert, welchen Livius seinen Berichten beilegt (vgl. H. Peter Rell. CCXXVI), schliesslich sein offenkundiges Streben, unter den verschiedenen Versionen über den Tod des Marcellus die richtige herauszufinden (vgl. Liv. XXVII 27, 13). Schon Nauta (a. O. 16f.) hat daher dem C. Wahrheitsliebe und Gewissenhaftigkeit in der Benutzung der Quellen nachgerühmt, und zu demselben Schlusse kommen Böttcher (a. O.), Gilbert (a. O.), Sieglin (a. O.), Vollmer (Die Quellen der dritten Decade des Livius, Progr. Düren 1881) und Soltau (Livius’ Quellen in der dritten Decade, Berl. 1894). Auf der andern Seite ist C. aber auch heftig angegriffen worden, namentlich von Wölfflin (Antiochus von Syracus und Coelius Antipater, Winterthur 1872) und von Hermann Haupt, der in einer Recension der Vollmerschen Abhandlung im Philol. Anzeiger XII 96f. C. einen der gewissenlosesten aller römischen Annalisten nennt. Auch Zielinski (Die letzten Jahre des zweiten punischen Krieges, Leipz. 1880) hatte sich zu einer ähnlichen Ansicht bekannt, trat aber später (Litter. Centralbl. 1895, 658ff.) den Ausführungen Soltaus bei.

Tendenz. Die Erklärung für diese ausserordentlich widerspruchsvollen Beurteilungen des C. liegt in der natürlichen Begabung desselben und in der daraus entspringenden Tendenz seines Werkes. C. ist in erster Linie Rhetor und erst in zweiter Historiker; er will daher nicht nur ein narrator, sondern vor allem ein exornator rerum sein (Cic. de orat. II 54). Trockene Daten, eine schmucklose Aneinanderreihung von Thatsachen meidet er, wo es irgend angeht. Dafür nimmt er alles auf, was die Darstellung belebter und fesselnder gestalten kann. Prodigien, Anekdoten, bemerkenswerte Einzelheiten, Digressionen aetiologischen und antiquarischen Inhalts, besonders über Städtegründungen, heilige Orte und Culte flicht er allenthalben ein, auch ist er der erste Römer, der selbstverfasste Reden einlegt. C. will also vor allem interessant sein; wenn er in diesem Streben Erfundenes berichtet, so macht er nach den Anschauungen seiner Zeit nur von einem Rechte Gebrauch, welches auch der Historiker für sich in Anspruch nehmen darf (vgl. Cic. Brut. 42. Quint. X 1, 31). Ebenso ist es begreiflich, [190] wenn er trotz aller Wahrheitsliebe doch alles möglichst fern hält, was die Römer und namentlich die Scipionen, denen er offenbar sehr freundlich gesinnt war, in ungünstigem Lichte erscheinen liesse. Bedenklich wäre es dagegen, wenn nachgewiesen werden könnte, dass C. auch vor absichtlichen Verdrehungen und Entstellungen nicht zurückgeschreckt sei. Indessen ist dieser Nachweis zwar oft versucht, aber bisher keineswegs erbracht worden.

Stil. Mit der rhetorischen Tendenz des coelianischen Werkes harmoniert sein Stil, auf den der Verfasser eine ganz besondere Sorgfalt verwandt hat, wie Cicero mehrfach rühmend hervorhebt (de leg. I 6 paulo inflavit vehementius ... admonere reliquos potuit, ut accuratius scriberent; de orat. II 54 paullulum se erexit et addidit historiae maiorem sonum vocis). Seine Sprache war im Gegensatz zu Cato schlicht und einfach (Fronto ad Verum 1 historiam quoque scripsere ... verbis Cato multiiugis, Coelius singulis), wohlbedacht in der Wahl der Worte (nach Fronto ad M. Caesarem IV 3 gehört C. zu denen, die in laborem studiumque et periculum verba industriosius quaerendi sese commisere), knapp und lebhaft im Ausdruck. Letzteres erreichte er namentlich durch asyndetisch aneinandergereihte Sätze und durch den häufigen Gebrauch des Praesens historicum. Manchmal nahm die Sprache auch einen höheren Flug und zeigte, offenbar in Anlehnung an Ennius, der nach Fronto ad M. Caesarem IV 3 des C. Vorbild war, eine poetische Färbung (vgl. Liv. XXIX 27, 14 = frg. 40 und vielleicht auch Liv. XXIX 25, 1 = frg. 39, das H. Peter Rell. CCXXII aber aus Silen herleitet; auch eine gewisse Freiheit in der Wortstellung gehört hierher, vgl. Cic. orat. 229 und Cornif. ad Her. IV 18). Nach Sieglin (a. O. 55f.) hat sich C. auch an Thukydides angeschlossen und diesen öfter stilistisch und auch inhaltlich nachgeahmt. Zarncke (Commentat. philol. in hon. O. Ribbecki, Lps. 1888, 268ff.) stimmt Sieglin bei; er hält es für wahrscheinlich, dass C. wenn nicht der Bahnbrecher, so doch wenigstens einer der Hauptbeteiligten bei den zahlreichen Entlehnungen sei, welche die römischen Historiker der Gracchenzeit bei Thukydides, bei Herodot, Xenophon und auch bei den späteren griechischen Historikern gemacht hätten. Auch Zielinski (a. O. 149) und Soltau (a. O. 88) sind der Ansicht, dass C. griechischen Mustern gefolgt sei, während Hesselbarth (Historisch-kritische Untersuchungen zur dritten Dekade des Livius, Halle 1889, 658) eine derartige Beeinflussung in Abrede stellt; desgleichen weist die Recension der Abhandlung von Sieglin im Litter. Centralbl. 1880, 946 darauf hin, dass diese Anklänge an Thukydides eben so gut auch erst Livius zugeschrieben werden können, der sicher mit dem griechischen Historiker hinlänglich vertraut gewesen sei, um die Vermittlung des C. überflüssig zu machen.

C. bei den Späteren. Das Werk des C. fand allgemein grossen Beifall. M. Brutus machte einen Auszug daraus (Cic. ad Att. XIII 8), Cicero spendete ihm reichliches Lob (de leg. I 6; de orat. II 54; Brut. 102), das freilich zum guten Teile dem exornator rerum galt. Fronto (ad M. Caesarem IV 3) gedachte seiner voller Anerkennung, [191] und Hadrian (Hist. Aug. Hadr. 16, 6) stellte C. in seiner Vorliebe für das Altertümliche noch über Sallust. Auch einen Commentator fand C. nach Charisius (p. 127. 143. 217 K.) in Paulus, der vielleicht identisch mit dem Freunde des Gellius, Iulius Paulus, war. Ob der Commentar des Paulus sich nur auf des C. erstes Buch erstreckte, wie H. Peter (Rell. CCXXXI) vermutete, lässt sich kaum ausmachen.

Natürlich wurde ein so angesehenes Werk auch vielfach benutzt. Einerseits bot sein Wortschatz den Grammatikern, wie Gellius, Charisius, Priscian, Nonius, bezw. deren Gewährsmännern, eine reiche Fundgrube für ihre archaistischen Forschungen, andererseits wurde es auch inhaltlich oft und gern zu Rate gezogen. Schon Nauta hat (a. O. 13) nachgewiesen, dass C. in der Folgezeit vorzugsweise als der Geschichtsschreiber des zweiten punischen Krieges angesehen wurde, und dass seine Darstellung jenes Entscheidungskampfes die massgebende wurde. Er wurde dadurch eine Hauptquelle für alle Schriftsteller, welche sich mit den Ereignissen des hannibalischen Krieges beschäftigten. Ob und in welchem Umfange C. von den einzelnen benutzt worden ist, ist der Gegenstand mancher Untersuchung geworden.

Besonders oft ist in den letzten Jahrzehnten die Frage, ob Livius den C. in der dritten Dekade stärker herangezogen hat, in Verbindung mit der bekannten Controverse über das Verhältnis zwischen Polybios und Livius bei der Schilderung des zweiten punischen Krieges behandelt worden. Der Umstand, dass C. die einzige Specialgeschichte dieses Krieges geschrieben hat, vor allem aber die Hochachtung, welche Livius dem von ihm elfmal citierten Autor offenbar entgegenbringt (vgl. H. Peter Rell. CCXXVI), machen es von vornherein sehr wahrscheinlich, dass Livius bei der Wiedergabe jenes Krieges C. oft und eingehend zu Rate gezogen hat. Diese Meinung, welche zuerst C. Peter (Über die Quellen des 21. und 22. Buches des Livius, Progr. Schulpforta 1863) nachdrücklicher geltend gemacht hat, hat denn auch nur bei wenigen Gelehrten Widerspruch erfahren. Am weitesten geht Sturm (Quae ratio inter tertiam T. Livi decadem et L. Coeli Antipatri historias intercedat, Diss. Würzb. 1883), welcher behauptet, Livius habe in der dritten Dekade den C. überhaupt nicht gekannt. Später allerdings sei er auf das Werk desselben gestossen und habe nun aus demselben die ihm beachtenswert erscheinenden Angaben in die bereits abgeschlossene dritte Dekade eingeschoben. Die Besprechungen in der Wochenschr. f. klass. Philol. I 667f. durch Egelhaaf, in der Philol. Rundschau IV 1578ff. durch L. Bauer, im Philol. Anzeiger XV 335ff. durch L. Cohn und im Jahresber. LXXVI 112 durch H. Peter haben das Haltlose dieser Hypothese zur Genüge dargethan. Ebensowenig fand Keller (a. O.) Beifall, als er dem Nachweis versuchte, dass C. von Livius nur sehr wenig beachtet worden sei, dass wir vielmehr in Piso die Hauptquelle des Livius wie des Polybios erblicken müssten. Kessler namentlich (Secundum quos auctores Livius res a Scipione maiore in Africa gestas narraverit, Diss. Kil. 1877, 11), aber auch Luterbacher (Philol. Anzeiger VII 58) traten ihm mit treffenden Gründen entgegen. [192] Dasselbe Schicksal hatte endlich auch Gilbert (a. O.), der eine weitergehende Benutzung des C. durch Livius wenigstens für die Kriegsereignisse der ersten Hälfte des hannibalischen Krieges deshalb bestritt, weil C. wegen der Dürftigkeit des Inhalts hier gar nicht hätte Hauptquelle sein können. Auch diese Abhandlung rief lebhaften Widerspruch hervor, so im Litter. Centralbl. 1880, 466f., am eingehendsten aber begründete sein ablehnendes Urteil Sieglin (a. O.).

Viel weniger einig als über die Benutzung des C. durch Livius überhaupt sind die Gelehrten über das Mass dieser Benutzung. Nachdem schon K. W. Nitzsch in Sybels histor. Zeitschr. 1864, 20 dieselbe Ansicht mit kurzen Worten ausgesprochen hatte, führte Böttcher (a. O.) in einer eingehenden Erörterung aus, dass die gesamte Darstellung des Livius im 21. und 22. Buche ganz coelianisch sei, und dass auf Rechnung des Livius kaum einige stilistische Änderungen kämen. Posner (Quibus auctoribus in bello Hannibalico enarrando usus sit Dio Cassius, Diss. Bonn. 1874, 73) stimmte ihm bei, und Nitzsch (Die römische Annalistik, Berl. 1873, 13ff.) dehnte Böttchers Satz auf die ganze erste Hälfte der dritten Dekade aus; für die zweite Hälfte dagegen nahm er Valerius Antias als Hauptquelle in Anspruch, während Friedersdorff (Das 26.Buch des Livius, Progr. Marienburg 1874) den grössten Teil des 26. Buchs ebenfalls für coelianisch hielt. Kessler (a. O.) endlich fand die Ansicht Böttchers auch für Buch 30 und 29 bestätigt und constatierte nun von diesen Büchern ausgehend, dass die ganze dritte Dekade, wenige Zusätze aus Valerius Antias abgerechnet, ganz auf C. beruhe. Im Gegensatz hierzu behauptete eine Anzahl von Gelehrten, dass Livius nicht ausschliesslich oder fast ausschliesslich den C. ausgeschrieben habe, sondern auch einem oder einigen andern Autoren gefolgt sei, ja, manche glaubten sogar, dass C. hinter diesen Quellen erst in zweiter Linie in Betracht gekommen sei. Dies geschah vor allem von seiten der Gelehrten, welche in Polybios eine Hauptquelle des Livius erblickten. Auf Polybios und C. führten die livianische Darstellung zurück C. Peter (a. O.), H. Peter (Rell. CCXXVI), Wölfflin (a. O.), dessen Ausführungen von Gutschmid (Litter. Centralbl. 1872, 1133f.) und Büdinger (Jahresber. 1873, 1188f.) gebilligt wurden. Vollmer (Quaeritur unde belli Punici secundi scriptores sua hauserint, Diss. Gott. 1872) dagegen legte in weiterer Ausführung eines Gedankens, dem A. Schäfer (in einer Recension der Böttcherschen Arbeit in Sybels histor. Zeitschr. XXIII 436ff.) Ausdruck gegeben hatte, dar, dass Livius auf C. und Valerius Antias zurückgehe. Dasselbe suchte er in einer späteren Abhandlung: Die Quellen der dritten Dekade des Livius, Progr. Düren 1881, zu erweisen. Dass Livius nicht nur auf C. fusse, war auch das Ergebnis einer Untersuchung, welche v. Breska veröffentlichte (Quellenuntersuchungen im 21. bis 23. Buche des Livius, Progr. Berl. 1889); nur liess er es unentschieden, wem die nichtcoelianischen Partien zuzuweisen seien. Nicht nur zwei, sondern drei Hauptquellen, nämlich Polybios, C. und Valerius Antias fanden Luterbacher (De fontibus librorum XXI et XXII Titi Livi, Diss. Argent. 1875) [193] für die ersten und Zielinski (a. O.) für die letzten Bücher der dritten Dekade, und zu einem ähnlichen Resultate gelangte Hesselbarth, dessen Historisch-kritische Untersuchungen zur dritten Dekade des Livius, Halle 1889, auf Grund von Vorarbeiten, die unter demselben Titel 1882 im Programm der Realschule zu Lippstadt erschienen, die Frage nach den Quellen des Livius in der dritten Dekade abermals zum Gegenstande sehr eingehender Forschungen machten. Danach hat Livius von Hannibals Aufbruch aus Spanien an in erster Linie nach Polybios, in zweiter nach C. gearbeitet, beide aber im Verlaufe des Krieges immer mehr zu Gunsten des Valerius Antias vernachlässigt. In den letzten Jahren hat Soltau eine ganze Reihe von Abhandlungen erscheinen lassen (Herm. XXVI 408ff.; Philol. Suppl. B. VI 699ff.; Die Quellen des Livius im 21. und 22. Buch, Progr. Zabern 1894.; Philol. LIII 588ff. und zusammenfassend: Livius’ Quellen in der dritten Dekade, Berlin 1894), welche darthun sollen, dass neben Claudius, welcher dem Livius den Polybios vermittelt habe, am Anfange der Dekade C., später auch Valerius Antias die wichtigste Quelle des Livius gewesen sei.

Hinter diesen zahlreichen und eingehenden Erörterungen über das Verhältnis zwischen Livius und C. treten die Forschungen über die Benutzung des C. von Seiten anderer Autoren weit zurück. Dass Polybios aus dem viel jüngeren C. geschöpft haben sollte, wie Sieglin (a. O.) zu erhärten versucht hat, ist überall auf Widerspruch gestossen; mehr Anklang fand die Vermutung, dass sich C. auf Polybios stütze, so bei Kessler (a. O.) und Hesselbarth (a. O.). Doch haben sich in letzter Zeit die Gelehrten mehr und mehr der Ansicht H. Peters (Rell. CCXXIV) angeschlossen, dass C. den Polybios kaum gelesen habe, vgl. z. B. Bauer Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XLI 349. Zielinski a. O. 122. Soltau Livius’ Quellen in der dritten Dekade 17.

In bedeutendem Umfange dagegen ist C. von Cassius Dio herangezogen worden, wie Posner (a. O.) für den Anfang, Zielinski (a. O. 136ff.) für den Schluss des Krieges nachgewiesen hat. Den Ausführungen dieser Gelehrten stimmten zu Hesselbarth (a. O. 266ff.) und v. Breska (Wochenschr. f. klass. Philol. 1891, 327ff.), welche eine zweite Quelle in Livius sahen, ferner Vollmer (Progr. Düren 36ff.), der ausser C. den Fabius als Gewährsmann des Cassius Dio vorschlug, und Soltau (Livius’ Quellen in der dritten Dekade 110f.), nach welchem Cassius Dio aus C. neben Valerius Antias nur indirect geschöpft hat. Nur Unger (Philol. Anzeiger VIII 554. X 386 und Philol. XL 184) hielt daran fest, dass dem Cassius Dio eine Benutzung des C. gar nicht nachzuweisen sei; s. auch E. Schwartz oben Bd. III S. 1694f.

Eng verbunden mit Cassius Dio ist in der Quellenfrage Appian. Während C. Peter (a. O. 77), Kessler (a. O.) und Keller (a. O.) für die bei Appian aufbewahrte Tradition libyschen Ursprung vermuteten, hat zuerst Zielinski (a. O. 136ff.) darauf aufmerksam gemacht, dass für den africanischen Krieg vielfach C. die gemeinsame Quelle für Livius, Appian und Dio-Zonaras sei. Widerspruch fand dieser Satz bei Vollmer (Progr. [194] Düren), dagegen Anerkennung bei Hesselbarth (a. O.), der als Zwischenglied zwischen Dio und Appian einerseits und C. andererseits den Valerius Antias einführte (vgl. oben Bd. II S. 218); Soltau wiederum (Livius’ Quellen in der dritten Dekade 91ff.) nahm statt des Valerius eine epitome Coeliana an. Für eine indirecte Benutzung des C. sprach sich auch die Recension zu Soltau im Litter. Centralbl. 1895, 659 aus, ohne entscheiden zu wollen, ob das Mittelglied in einer Epitome oder in einem andern Historiker zu suchen ist.

Auch Diodors 27. Buch ist nach Soltau (Livius’ Quellen in der dritten Dekade 58) wohl coelianisch. Dagegen lassen sich für die Vermutung Wölfflins (a. O. 28. 50), dass sogar Ammian auf die epitome Coeliana des Brutus zurückgegangen sei, keine zwingenden Gründe anführen (vgl. Litter. Centralbl. 1872, 1133). Ebensowenig haben wir Gewissheit darüber, ob Florus und Aurelius Victor (so Soltau De fontibus Plutarchi in secundo bello Punico enarrando, Diss. Bonn 1870), Eutrop (so Wölfflin a. O. 36), Orosius (so Wölfflin a. O. 40) u. a. Epitomatoren von C. abhängen. Dagegen hat Cicero dem C. vieles entnommen, namentlich in de divinatione (I 48. 49. 55. 56. 77), vgl. v. Breska Untersuchungen über die Quellen des Polybios im dritten Buche, Diss. Berol. 1880, 97; auch Vergil zog ihn nach Serv. Aen. VI 9 zu Rate, und ebenso war sein bellum Punicum den Verfassern von Sammelwerken eine willkommene Fundgrube, so dem Valerius Maximus (vgl. H. Peter Rell. CCXXIV. Wölfflin a. O. 77 und Kranz Beiträge zur Quellenkritik des Valerius Maximus, Progr. Posen 1874, 24), dem Frontin (Wölfflin a. O. 67) und dem Plinius, der ihn für Buch II, III, XXXI und XXXVI unter seinen Gewährsmännern nennt.

Schliesslich ist auch nach dem Vorgange H. Peters (Die Quellen Plutarchs in den Biographien der Römer, Halle 1865, 56 und 80) Plutarchs Vita des Fabius Maximus fast ganz und die Vita des Marcellus wenigstens zum Teil in eingehender Erörterung auf C. zurückgeführt worden von Soltau (De fontibus Plutarchi und Livius’ Quellen in der dritten Dekade 85). Seiner Ansicht pflichteten bei Böttcher (a. O.), K. W. Nitzsch (a. O.) u. a. Zwar versuchte Vollmer (Progr. Düren) Livius und Valerius Antias, Hesselbarth (a. O.) Livius und Polybios als Quellen Plutarchs zu erweisen, aber ohne Erfolg, so dass v. Breska sich in der Wochenschr. f. klass. Philol. 1891, 327ff. abermals entschieden für Soltau aussprechen konnte.

Sammlungen der Fragmente des C.: Nauta De L. Coelio Antipatro historico belli Punici secundi. Ann. acad. Lugd. Batav. 1820/21. Groen van Prinsterer Disputatio de L. Coelio Antipatro historico belli Punici secundi. Ann. acad. Lugd. Batav. 1820/21. Krause Vitae et fragmenta veterum historicorum Romanorum. Berol. 1833. Roth Historicorum veterum Romanorum reliquiae in Gerlachs Ausgabe des Sallust, Basel 1852. Meltzer De L. Coelio Antipatro belli Punici secundi scriptore, Diss. Lps. 1867. H. Peter Historicorum Romanorum reliquiae I, Lps. 1870; Historicorum Romanorum fragmenta, Lps. 1883. Sieglin Jahrb. f. Philol. Suppl. B. XI 80–92.