RE:Comissatio

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Trinkgelage
Band IV,1 (1900) S. 610619
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Comissatio, κῶμος, das auf die Mahlzeit (s. Cena, Convivium, Δεῖπνον) folgende Trinkgelage, griechisch wohl auch συμπόσιον; doch ist in diesem Worte auch das Mahl mit eingeschlossen; compotatio bildet Cic. Cat. mai. 45; ep. IX 24, 3 als Übersetzung von συμπόσιον.

Zwischen griechischer und römischer Sitte ist in Betreff der C. kein wesentlicher Unterschied. Hier wie dort bleiben nach alter Sitte die Frauen – abgesehen von Hetaeren – der C. fern. Isae. III 14. Cic. Verr. I 66; in Betreff der römischen Sitte ist bekannt, dass den Frauen das Weintrinken verboten war, Plin. n. h. XIV 90 u. a. Teilnahme der Frauen kommt aber auch bei den Griechen in der Diadochenzeit vor, Athen. XIV 616 c, wurde jedoch nicht allgemein üblich, wie bei den Römern seit der letzten Zeit der Republik. Bei Cic. a. O. wird offenbar die griechische Sitte der römischen entgegengesetzt; vgl. ferner Petron. 65. 67. Plin. n. h. XIV 141. Darstellungen [611] der C. mit Hetaeren auf gemalten Vasen, z. B. Panofka Bilder antiken Lebens XII 3; aus römischer Zeit in pompeianischen Wandgemälden, Helbig Wandgem. 1445. Bull. d. Inst. 1885, 245, 12; vgl. auch Helbig 757. 758.

Die C. beginnt mit den secundae mensae, δεύτεραι τράπεζαι, die während der C. fortgesetzt werden, derart, dass das Trinken von Zeit zu Zeit durch einen Speisegang unterbrochen und so die Gäste zu neuem Weingenuss gestärkt werden. Besonders deutlich ist dies bei dem Hochzeitsmahl des Karanos, Athen. IV 129. Bei den Griechen bildet ein dem ἀγαθὸς δαίμων dargebrachter Trunk ungemischten Weines den Schluss der eigentlichen Mahlzeit. Dann werden die Esstische entfernt und der Boden gefegt, Wasser und Handtücher zum Waschen der Hände herumgereicht, Kränze und Salben verteilt. Der Wein wird im Krater mit Wasser gemischt und mit einem Trankopfer, σπονδή, das Trinkgelage eröffnet. Diese Reihenfolge der Handlungen ist mehrfach bezeugt, namentlich durch die von Athen. IX 408. 409. XV 665. 693 gesammelten Stellen; ferner Menander bei Suid. s. αἴρειν. Für die σπονδή, bei der die Versammelten im Chor den Paian singen, s. Athen. II 38 d. XI 462 e. XV 675 b. c. Xenoph. symp. 2, 1. Plat. symp. 176 a. Flötenbegleitung beim Paian Plut. VII sap. conv. 5; qu. conv. VII 8, 4. Weihrauchopfer Antiph. I 18. Athen. XI 462 d. Die σπονδή wurde, wohl mit geringerer Feierlichkeit, bei jedem neuen Krater wiederholt; die erste galt nach Philochares bei Athen. II 38 d und Philonides bei Athen. XV 675 c dem Zeus Soter. Doch sind hier die Angaben nicht übereinstimmend, und war wohl die Sitte nicht constant. Nach Schol. Plat. Phileb. 66 d. Poll. VI 15. 100 war der erste Krater dem Zeus Olympios, der zweite den Heroen, erst der dritte dem Zeus Soter geweiht. Auch das Verhältnis des μετάνιπτρον oder μετανιπτρίς genannten Trunkes, Athen. XI 486 f, zu der Spende ist nicht ganz klar. Bei Antiphanes, Athen, a. O., wird er δαίμονος ἀγαθοῦ μετάνιπτρον genannt und von der σπονδή unterschieden, scheint also mit dem oben erwähnten Schlusstrunk zusammenzufallen, der aber doch sonst durchaus vor das Händewaschen gesetzt wird. Nach Kallias und Philetairos bei Athen. XI 487 a gilt die μετανιπτρίς der Hygieia (so auch Poll. VI 100) und besteht nach Philetairos aus gemischtem Wein. Diphilos endlich, ebd., nennt sie μεστὴν Διὸς σωτῆρος ἀγαθοῦ δαίμονος. Offenbar haben wir es hier mit schwankenden Vorstellungen und Gebräuchen zu thun. Es sei hier gleich erwähnt, dass zum Schluss dem Zeus Teleios gespendet wird, Athen. I 16 b. Die Sitte der homerischen Phaiaken, zuletzt dem Hermes zu opfern (Od. VII 136), erscheint wieder bei Long. Pastor. IV 34. Bei den Römern treten an die Stelle des Zeus Soter die Laren und der Genius des Hausherrn, später der des Kaisers, s. Bd. III S. 1897. Von weiteren Trankopfern im Verlauf der C. ist für römische Sitte nichts überliefert.

Bei Petronius ist die Reihenfolge dieser Handlungen etwas verändert, vielleicht weil Trimalchio als ungebildeter Mann nicht versteht, ein Gastmahl richtig anzuordnen. Durch die von der [612] Decke herabgelassenen Kränze und Salben, Besprengung mit Safran, Anrufung des Kaisers und der Laren wird der Übergang zur C. bezeichnet (60). Dann folgt aber noch, nach längerem Trinken, ein Gang Speisen, und erst nach diesem werden die secundae mensae gebracht (68) und die epidipnis – vier Gänge – aufgetragen (69). Dann folgt wieder Salbung und Bekränzung, und zwar ist es eine Besonderheit Trimalchios, dass den Gästen die Füsse gesalbt und die Beine bekränzt werden (70). Übrigens kommt wiederholte Bekränzung und Verteilung von Salben auch bei dem Hochzeitsmahl des Karanos, Athen. IV 128 c ff., vor. Hier werden Kränze zu Anfang des Mahles und zu Anfang der C., dann Salben, und weiter noch zweimal Kränze und Salben verteilt.

Man trank den Wein mit Wasser gemischt. Die Mischung geschah im Krater, in den der Wein durch das Sieb (s. Colum) gegossen wurde. Mischung im Becher (Xenophanes bei Athen. XI 482 a; vgl. Pherekr. ebd. 480 b) war ohne Zweifel beim Essen das Gewöhnliche, wird aber bei der C. nur ausnahmsweise vorgekommen sein; ein Beispiel Athen. IV 129f. Wem die Mischung im Krater nicht recht war, konnte Wein oder Wasser, kaltes oder warmes, zugiessen lassen. Ersteres liebte man sehr kalt: χίονα πίνειν Athen. III 124 a. Sen. ep. 78, 23. Martial. V 64, 2. VI 86, 1. XII 17, 6. Daher eigene Kühlgefässe: ψυκτήρ, βαύκαλις, gillo. Plat. symp. 213 e. Vgl. auch Decocta. Für warmes Wasser findet Athen. III 123 kein Zeugnis aus älterer Zeit. Dass die Griechen den Gebrauch desselben kannten, ist wohl sicher; Worte wie thermopolium, thermopotare (Plaut. Trin. 1013f.) beweisen es hinlänglich; vgl. auch Athen. VIII 352 b. Für die Verwendung desselben bei der C. wäre Hippolochos bei Athen. IV 129 d anzuführen, wenn θερμὸς πότος unzweideutig wäre. Aber es kann auch ein scharfes, lebhaftes Trinken bedeuten. Die Römer liebten den warmen Trunk sehr (s. Calda), auch bei der C., Martial. I 106. Petron. 68.

Drei Krater galten bei den Griechen als mässiger Trunk. Eubulos bei Athen. II 36 b. c bezeichnet den ersten als ὑγιείας, den zweiten ἔρωτος ἡδονῆς τε, den dritten ὕπνου; die folgenden sieben steigern sich von ὕβρεος bis μανίας. Doch kam hierbei natürlich die Zahl der Gäste in Betracht.

Aus dem Krater wird das Getränk mit der Kanne (οἰνοχόη, lat. wohl urceus, urceolus; es fehlt ein speciellerer Ausdruck) oder dem Schöpflöffel (κύαθος, cyathus, als Opfergerät simpulum) in die Becher gefüllt, Poll. VI 19. X 75. Dies besorgen Sclaven, οἰνοχόοι, puer ad cyathum, Hor. od. I 29, 8. Weibliche Mundschenken werden selten erwähnt und waren offenbar wenig üblich. Hesych. s. οἰνοῦσσα. Athen. X 425 e = XIII 576 f. Doch beweist wohl schon die den Göttern einschenkende Hebe (Hom. Il. IV 2) oder Harmonia (Athen. X 425 c), dass diese Vorstellung den Griechen nicht fremd war.

Zur Leitung der C. ernannte man einen Vorsteher, ἄρχων τῆς πόσεως; Plat. symp. 213 e, συμποσίαρχος Alexis bei Athen. X 431 c. Plut. qu. conv. I 4, 1; βασιλεύς; Luc. Sat. 4; potandi modiperator Varro bei Non. 142, 8; arbiter bibendi Hor. od. II 7, 25; rex, regna vini Hor. od. I 4. 18. Meist geschah dies wohl durch Würfel oder [613] Astragalen, Horaz und Lucian a. O. Bei Plat. symp. 176 e einigt sich die Gesellschaft, ohne Zwang und ohne Vorsteher zu trinken; nachher ernennt Alkibiades sich selbst zum ἄρχων τῆς πόσεως; so auch Plutarch a. O. Zu den Römern war diese Sitte mit den übrigen Gebräuchen der C. ohne Zweifel von den Griechen gekommen, und zwar nach Ciceros Ansicht, Cato mai. 46, schon in alter Zeit, da dort der ältere Cato sie als a maioribus instituta bezeichnet. Wenn Plut. a. O. sie als ganz veraltet bezeichnet, so hat dies wohl nur locale Bedeutung.

Über die Thätigkeit des Symposiarchen ist zwar sehr wenig überliefert. Ohne Zweifel bestimmte er aber den Grad der Mischung und die Regeln, nach denen getrunken werden sollte, regelte auch das, was die einzelnen zur Unterhaltung der Gesellschaft zu leisten hatten, Plut. a. O. Plat. symp. 214 b. Leges insanae Hor. sat. II 6, 69. Cic. Verr. V 28. Lucian. a. O.

Über die Mischung des Weines mit Wasser s. namentlich Athen. X 426. 430. 431, wo die verschiedenen Mischungsverhältnisse durch Citate belegt werden. Der Regel nach überwog das Wasser; ἴσον ἴσῳ galt schon als sehr starke Mischung, Athen, a. O. und II 36 b. XI 487 a. Ein beliebtes Verhältnis für einen mässigen Trunk scheint 5:2 gewesen zu sein. Alkaios verlangt 2:1; 3:2 Aristoph. equ. 1187 m. d. Schol. Hesych. τριὰ καὶ δύο; dagegen galt 4:1 (Hesiod. op. et d. 596) für wässerig. Die Regel ἢ πέντε πίνειν ἢ τρί’ ἢ μὴ τέτταρα war schon den Alten nicht recht verständlich. Nach Plut. qu. conv. III 9, 1 sind mit den drei Zahlen die Verhältnisse 3:2, 2:1 und 3:1 gemeint, nach Athen. X 426 e mit den beiden ersten 5:2 und 3:1. Wenn bei Plaut. Stich. 707 die Zahl der cyathi verstanden wird, so ist dies ein absichtliches oder unabsichtliches Missverständnis. Über das Mischungsverhältnis bei den Römern ist nichts überliefert. Nach älterer Sitte goss man zuerst das Wasser ein (Xenophanes bei Athen. XI 782 a. Hesiod. a. O.), dann den Wein, später umgekehrt. Theophr. bei Athen. XI 782 a. b; so auch Athen. IV 129 f. Das Trinken ungemischten Weines galt als Barbarensitte (Plat. leg. I 637 e. Herodot. VI 84), kam aber doch vor; so bei den Gelagen Alexanders, Athen. XI 434; vgl. Aristot. probl. III 3.

Die τρόποι τῆς πόσεως unterschieden sich durch die Grösse der Becher und durch die Reihenfolge, in der man sich vortrank. In beiden Beziehungen herrschten in verschiedenen Teilen Griechenlands verschiedene Sitten. Nach Kritias bei Athen. XI 463 c trank man auf Chios und Thasos aus grossen Bechern nach rechts herum, ἐπὶ δεξιά, in Athen aus kleinen Bechern ebenfalls rechts herum, in Thessalien aus grossen Bechern so, dass jeder vortrank, wem er wollte. Dagegen war nach demselben Kritias bei Athen. X 432 e bei den Spartanern die ganze Sitte des Vortrinkens, als die Unmässigkeit befördernd, ausgeschlossen. Das Vortrinken war, wie Athen. V 193 a richtig bemerkt, verschieden von dem homerischen δειδέχθαι, welches nur darin bestand, dass man dem anderen einen vollen Becher hinreichte. Dagegen nach späterer Sitte trank man den Becher aus und liess ihn dann, wieder gefüllt, dem anderen überreichen, der ihn dann auch leeren musste, [614] Plat. symp. 214 a. Man nannte dies φιλοτησία, auch πρόποσις. Hierbei war nun die gewöhnlichste Sitte das oft erwähnte πίνειν ἐπὶ δεξιά, Plat. symp. 223 c; resp. IV 420 e. Kritias bei Athen. X 432 e. XIII 600 e; lateinisch ab summo, Plaut. Asin. 891; Pers. 771. Es bestand darin, dass jeder seinem Nachbarn zur Rechten zutrank. Hierauf beziehen sich Ausdrücke wie περιάγειν, περισοβεῖν τὰς κύλικας, Xenoph. symp. 2, 27. Diog. Laert. II 139. Lucian. conv. 15, περισοβεῖν τὴν φιλοτησίαν, Alkiphr. 3, 55, 6. Bei den Römern scheint es wenig üblich gewesen zu sein; es erscheint bei Cic. Cat. mai. 46 als alte Sitte, sonst nur bei Plautus. Aber auch die Sitte, beliebig einem anderen zuzutrinken, wird oft genug erwähnt, und es scheint dabei üblich gewesen zu sein, das Vortrinken zu erwiedern, so dass jeder den Becher zweimal leerte; deutlich ist dies in dem, was bei Athen. X 434 von Alexander und Proteas erzählt wird; ebd. 434 c von Alexander: πᾶσι προὔπιε παρὰ πάντων τὰ ἴσα λαμβάνων. Solch freies Vortrinken auch Lucian. Hermot. 11. Bei Lucian. Gall. 12 ist es Pflicht des Wirtes, jedem seiner Gäste vorzutrinken, so auch Heliod. Aeth. III 11, wobei aber nach Plut. qu. conv. I 22 die angeseheneren Gäste bevorzugt wurden. Es kommt auch vor, dass einer der ganzen Gesellschaft auf einmal vortrinkt, und dann alle der Reihe nach nachtrinken, Athen. XI 504 a. Die dabei gesprochenen Worte kennen wir nur in der lateinischen Form, propino tibi, Plaut. Stich. 707. 710; vgl. Curc. 359. Cic. Tusc. I 96. Wahrscheinlich sind aber diese Worte der griechischen Sitte entlehnt und sagte man auch griechisch προπίνω σοι. Man hat die beim Vortrinken gesprochenen Worte auch in den Aufschriften gemalter Gefässe erkennen wollen, wie χαῖρε τῇδε, χαῖρε καὶ πίε, χαῖρε καὶ πίε εὖ, und Ähnliches, Jahn Vasens. CXI; ebenso in lateinischen Becherinschriften, wie vivas, Rhein. Jahrb. XIII 105. XVI 71. Doch ist dies für die griechischen Inschriften sehr unsicher, und für die lateinischen ergiebt sich eine andere Erklärung aus Cass. Dio LXXII 18, 2, wo Senat und Volk dem trinkenden Commodus τοῦτο δὴ τὸ ἐν τοῖς συμποσίοις εἰωθὸς λέγεσθαι ἐξεβοήσαμεν, ζήσειας. Es scheint nach dieser Stelle, dass vielmehr, wenn einer einen starken Trunk that, die Mitgäste riefen: vivas, wohl bekomme es!

Von dem eigentlichen Vortrinken ist zu unterscheiden das Trinken auf die Gesundheit jemandes, wofür im Lateinischen die Formel bene mit dem Accusativ oder Dativ üblich ist, Plaut. Pers. 776; Stich. 709. Tibull. II 1, 31. Ovid. a. a. I 601; fast. II 637. An allen diesen Stellen ist von einem eigentlichen Vortrinken nicht die Rede; der Glückwunsch richtet sich zum Teil an Abwesende. Doch mag wohl die so gefeierte Person, wenn anwesend, in gleicher Weise das Compliment erwiedert haben. Eine Besonderheit ist hierbei das Trinken so vieler Cyathi, als der Name der gefeierten Person Buchstaben enthält. Das älteste Beispiel ist Plaut. Pers. 771, wo Toxilus sich und seinen Gästen je sieben einschenken lässt, um auf sein Wohl zu trinken. Dann bei Martial. I 71. IX 93, 4. XI 36, 7. XIV 170. Hier überall ist für die Zahl der Nominativ des Namens, VIII 51, 23–26 der Vocativ massgebend. [615] Etwas Ähnliches ist es, wenn bei Hor. od. III 19, 13 die Musen mit neun, die Gratien mit drei Cyathi gefeiert werden sollen. Vgl. auch Alexis bei Athen. VI 254 a.

Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dass manchmal auch die Zahl der Cyathi durch Würfel bestimmt wurde, Plin. n. h. XIV 141.

Für alle solche Trünke war wohl, obgleich dies nicht ausdrücklich bezeugt ist, das Leeren des Bechers in einem Zuge, das oft erwähnte ἀπνευστί oder ἀμυστί trinken, obligatorisch. Antiphanes bei Athen. X 459 b. Athen. XI 783 d. e; für die Römer Plin. n. h. XIV 146; vgl. o. Bd. I S. 2013.

Nach älterer Sitte trank man mässig aus kleinen Bechern, Alexis bei Athen. X 431 e. Später wurde es üblich, im Laufe des Gelages zu grösseren Bechern überzugehen. Man hielt dies für eine aus dem Orient eingedrungene Sitte. Dikaiarch bei Athen. XI 461 a; vgl. Xenoph. symp. 2, 23. So trinken bei Platon am Schluss des Symposion (223 c) Sokrates, Agathon und Aristophanes aus einer grossen Schale; Diog. Laert. I 103. Athen. IV 129 d. XI 504 b. Cic. Verr. I 66. III 105. Hor. sat. II 8, 35. Und zwar wurde manchmal das Verlangen nach grossen Gefässen so stark, dass die eigentlich zum Trinken bestimmten nicht ausreichten; so greift Alkibiades, Plat. symp. 213 e, zu einem Kühlgefäss, ψυκτήρ, welches acht Kotylen, über 2 Liter, fasste; vgl. Athen. II 58 c.; Auch das ποτήριον δίχουν (6½ Liter), aus dem Alexander und Proteas tranken (Athen. X 434 a) kann wohl kaum ein eigentliches Trinkgefäss gewesen sein. Letztere Leistung, an deren Wiederholung Alexander gestorben sein soll, klingt freilich unglaublich. Von einem 10 Kotylen, 2¾ Liter, fassenden Gefäss ist bei Menander, Athen. X 434 c, die Rede. Die Sitte, zum Schluss wieder, zur Beruhigung, aus kleinen Gefässen mässig zu trinken, erscheint bei Hippolochos Athen. IV 130 c. Bei den Römern ist der Becher eines mässigen Trinkers der Sextans, 2 Cyathi = 0,09 Liter fassend, Suet. Aug. 77. Martial. XII 28, 1. Ein bei der C. besonders beliebtes Mass ist der Triens, 4 Cyathi = 0,18 Liter, Prop. IV 10, 29. Martial. IV 82, 5. VI 86, 1. X 13, 5. Doch kommt auch die Hemina, 6 Cyathi = 0,275 Liter, vor (Sen. de ira II 33, 4), und der Deunx, 11 Cyathi = ½ Liter, Mart. VI 78, 6. XII 28, 1, abgesehen von den durch die Buchstaben eines Namens bedingten Massen. Grössere Gefässe waren auch üblich, Galen. X 3 K.: ἁμιλλωμένων περὶ μεγέθους ἐκπωμάτων. Plin. n. h. XIV 139; doch sind keine Masse derselben überliefert. Die Unmässigkeit im Trinken war bei den Griechen gross (s. namentlich was Athen. XI 434 von Alexander berichtet wird) und kam mit anderen griechischen Sitten zu den Römern, Cic. Verr. V 28. Galen, und Plin. a. O. Lucian. conv. 43ff. Wie nachsichtig man bei den Griechen solche Excesse beurteilte, zeigt Platon, der im Symposion mit offenbarem Wohlgefallen die erstaunliche Trinkfähigkeit des Sokrates schildert; bei den Römern werden sie kaum je ohne strenge Missbilligung erwähnt. Die ganze Nacht durch zu zechen (παννυχίζειν, διαπαννυχίζειν) war nichts Ungewöhnliches. So in Platons Symposion. Zeitweise war es Sitte, dass, wer bis zuletzt aushielt, einen Kuchen, πυραμοῦς oder σησμοῦς, zum [616] Lohn erhielt, Athen. XIV 647 c. Poll. VI 108. Schol. Arist. equ. 277. Bestritten ist die Sitte die Eingeschlafenen mit der ἑωλοκρασία (s. d.), d. h. Wein- und Speiseresten, zu begiessen.

Die Unterhaltung bei der C. besteht, abgesehen von zwanglosem Gespräch, teils aus Leistungen der Gäste selbst, teils aus Dingen, die der Gastgeber zu ihrer Belustigung veranstaltet. Wie in Platons Symposion die Gäste sich über der Reihe nach zu haltende Vorträge einigen, so konnten derartige Aufträge allen oder einzelnen auch durch den Symposiarchen erteilt werden. Meist handelte es sich hierbei wohl um allerlei lächerliche Handlungen, wovon Lucian. Saturn. 4 und Plut. qu. conv. I 4, 3 einige Beispiele geben. Es kam auch vor, dass die Gäste der Reihe nach einem anderen etwas auftrugen. Plut. a. O. Plat. symp. 214 c, wo auch dies ἐπὶ δεξιά geht.

Zu den Aufgaben, die sich die Gäste gegenseitig stellen, gehört auch das Lösen von Rätseln, γρῖφοι, von denen besonders ausführlich Athen. X 448 b ff. handelt, s. Griphos. Wer es nicht löste, musste trinken, ungemischten Wein oder Wasser (Hesych. s. γρῖφος), auch wohl Salzwasser. Antiphanes bei Athen. X 458. Es wurde auch gesungen, Aristoph. nub. 1354ff. Und zwar heisst es (Artemon bei Athen. XV 694 a. b. Plut. qu. conv. I 1, 5), dass nach älterer Sitte zuerst, wohl bei der σπονδή (vgl. Athen. XIV 628 a), alle im Chor sangen, dann Einzelvorträge aller der Reihe nach folgten, wobei nach Poll. VI 108 ein Myrtenzweig (Aristoph. a. O. 1364), eine Lyra und ein Becher herumgegeben wurden; es musste also der Singende auch trinken; vgl. Hesych. s. τὴν ἐπιδεξιὰν. Endlich folgten Gesänge der hierzu besonders Befähigten. Diese letzteren sind nach Artemon die Skolia, so genannt (σκολιός, schief) eben weil es nicht mehr der Reihe nach ging. Nach Plutarch ging bei dem Gesang ἐπὶ δεξιά ein Myrtenzweig, erst bei den Skolien die Lyra herum; über diese früh abgekommene Sitte lagen offenbar nur unvollständige und widersprechende Nachrichten vor. Vgl. auch Quintil. inst. I 10, 19. Auch die Römer sangen bei der C., Quintil. inst. I 2, 8: omne convivium obscenis cantibus strepit.

Eine beliebte Unterhaltung bei der C. sind ferner die Spiele, unter denen in älterer Zeit der Kottabos (s. d.) das am meisten genannte ist. Später und auch in römischer Zeit überwiegt durchaus das Würfel- oder Astragalenspiel, Plaut. Capt. 72; Asin. 904; Curcul. 354. Copa 37. Suet. Aug. 71. Plut. qu. conv. I 4, 3.

Mit Ausnahme aber eben des Würfelspieles treten in späterer und namentlich in römischer Zeit die auf Selbstthätigkeit der Gäste beruhenden Unterhaltungen zurück gegen die vom Gastgeber veranstalteten Akroamata, unter welchem Namen man auch auf das Gesicht, nicht nur auf das Gehör wirkende Unterhaltungen begriff, wie namentlich Tänze, Athen. XIII 607 c, Plut. qu. conv. VII 8, wo am ausführlichsten von den Akroamata die Rede ist. Das älteste und allgemeinste Akroama ist die Musik. Schon bei Hom. Od. I 153. VIII 73 folgen nach dem Mahle die Vorträge des Sängers. Später gehört zum Symposion die Flötenbläserin, αὐλητρίς; es ist Ausnahme und besonderer Motivierung bedürftig, wenn sie bei Plat. symp. [617] 176 e fortgeschickt wird. Platon ist ihr feindlich, weil sie das Gespräch beeinträchtigt, Protag. 347 c. d. Sie diente nicht blos durch ihre Musik zur Belustigung der Gäste (Lucian. Sat. 4), wird oft erwähnt (z. B. Plut. qu. conv. VIII 7. Martial. V 78, 30) und ist in zahlreichen Vasengemälden und sonstigen Bildwerken dargestellt. Stephani Compte-rendu 1868, 85, 1–3. Ein eigentümlicher Gebrauch ist der, dass sie zum Schluss versteigert wird, natürlich für die Nacht. Persaios und Antigonos von Karystos bei Athen. XIII 607 d. e. In Rom waren in der ersten Kaiserzeit die Ambubaiae (s. d.) besonders beliebt. Dazu kamen Musikantinnen auf allerlei Saiteninstrumenten, ψαλτρίαι, Plat. Protag. 347 d; Bildliches Stephani a. O. 85, 1–7; diese und die Sambucistriae (Athen. IV 129 a) kamen, wie Liv. XXXIX 6, 8 sagt, mit anderen Akroamata nach 187 v. Chr. auch nach Rom, wo aber schon von alters her Flöten- und Saitenspiel beim Mahl üblich war, Quintil. inst. I 10, 20. Doch wurde hier die Musik früher ohne Zweifel von Männern ausgeführt, wie denn auch in den Gemälden etruskischer Gräber der Flötenbläser und sonstige Musikanten männlich sind. Mon. d. Inst. XII 14, und andere für den Tanz zu citierende. Flöte und Lyra zusammen Xenoph. symp. 3, 2. Athen. VIII 364 d. XIV 617 f. Plut. qu. conv. II 10, 1. Vollständige Instrumentalconcerte wurden von den oft genannten Symphoniaci (s. d.) aufgeführt. Cic. Verr. III 105. Petron. 32. 33. 36. 47. Macrob. II 4, 28. Ferner Gesangvorträge. Plutarch. qu. conv. VII 8, 4 will Instrumentalmusik nur als Begleitung des Gesanges zulassen. Athenaios XIV 620 b ff. handelt ausführlich von verschiedenen Arten der bei der C. auftretenden Sänger, den ῥαψῳδοί, ἱλαρῳδοί, den stark obscönen ἰωνικολόγοι oder κιναιδολόγοι und μαγῳδοί. Hor. ep. II 2, 9. Sängerchöre Athen. IV 130 a. Sen. ep. 84, 10, unter Begleitung des Choraules Martial. IX 77, 5.

Tanz als Unterhaltung nach dem Mahle kommt schon bei Homer vor, Od. I 152. 421. XVII 605. XVIII 305, doch ist es der Tanz der Gäste selbst, der auch später üblich blieb, Herodot. VII 129. Xen. Hiero 6, 2. Athen. XIV 157 b. Tänzerinnen bei der C. Plat. Protag. 347 d. Xenoph. symp. 2. Athen. IV 130 a. In der Diadochenzeit waren besonders beliebt thessalische Tänzerinnen, die nur mit einem Gurt bekleidet auftraten (Persaios bei Athen. XVIII 607 c), in Rom zur Zeit der Flavier die Tänzerinnen aus Gades, Martial. V 78, 26. VI 71, 2. XIV 203, die ihren Tanz mit Castagnetten und Gesang begleiteten. Ein Wandgemälde aus Pompeii zeigt eine C., bei der eine nackte Tänzerin nach der Musik zweier Flötenbläser tanzt und einer der Gäste, in die Hände klatschend, den Takt angiebt, Bull. d. Inst. 1885, 243, 11. So tanzt auch die Crotalistria, Prop. V 8, 39, nach der Flöte. Auch in den Gemälden etruskischer Gräber erscheinen Tänzer und Tänzerinnen, zum Teil selbst musicierend, bei der C., Mon. d. Inst. I 32. 33. V 33.

An den Tanz schliessen sich an die Productionen der Gaukler und Equilibristen. Bei Xen. a. O. führt die Tänzerin selbst equilibristische Kunststücke aus, und in der That stehen dieselben – Springen durch Reifen, Tanz zwischen [618] Schwertern (vgl. das Vasenbild Panofka Bild. ant. Lebens XII 4. 6) – auf der Grenze zwischen Tanz und Gauklerkünsten. Weiber, die solche Künste machen, heissen θαυματουργοί, θαυματοποιοί, Athen. IV 129 d. 137 c. Hierher gehören auch die κυβιστητῆρες Hom. Od. IV 18, freilich in einer Stelle, die schon im Altertum für interpoliert galt. Bei den Römern heissen sie petauristae oder petauristarii (s. d.), Petron. 53. 60.

Der bei Xenoph. symp. 1, 11 auftretende γελωτοποιός Philippos gehört der später Parasiten (s. d.) genannten Classe an und ist selbst Gast. Doch kommen auch γελωτοποιοί vor, die geradezu als Akroamata vorgeführt werden. Polyb. XXXI 4, 8. Athen. IV 130 c. XIV 613 d ff., wo verschiedene Arten derselben, πλάνοι, φιλοσκῶπται, unterschieden werden. Auch bei den Römern war diese Art Unterhaltung sehr üblich. Plinius ep. XVII 2 unterscheidet cinaedi, die Obscönitäten vorbrachten, scurrae, die freche Witze machten, und morimes, die durch ihren wirklichen oder fingierten Blödsinn ergötzten. Auch Schauspieler, Mimen und Pantomimen (ludii, histriones, planipedes) liess man in dieser Weise auftreten, Polyb. XXXI 4, 7. Suet. Aug. 74. Plut. qu. conv. VII 8, 4. Macrob. II 1, 9.

Ernstere Leute zogen diesen Akroamata den Vortrag von Litteraturwerken vor. Wir hören von dieser Sitte nicht vor der Kaiserzeit. So liess Iuvenal (11, 180) seinen Gästen Homer und Vergil vorlesen; vgl. Pers. 1, 30. So am Tische Traians, Plin. ep. III 5, 11. Das hierzu verwendete Personal bezeichnet derselbe Plinius an zwei Stellen, I 15, 2. IX 17, 3, als comoedus, lector, lyristes, entsprechend dem Vortrag dramatischer, prosaischer und lyrischer Werke; letztere ohne Zweifel mit Musikbegleitung. Plutarch qu. conv. VII 8, 4 will nur die Komoedie, und namentlich Menander zulassen. Ebd. 1 erfahren wir, dass man damals in Rom so weit ging, platonische Dialoge mit verteilten Rollen vortragen zu lassen. Sehr beliebt war diese Unterhaltung nicht, Plin. ep. IX 17, 3; besonders gefürchtet war der seine eigenen Gedichte vorlesende Hausherr, Martial. III 50. V 78, 25. Übrigens fanden diese Vorlesungen nach den angeführten Stellen (besonders Martial. III 50) nicht gerade bei der C., sondern überhaupt bei der Cena statt. Martial freilich will bei der C. gelesen werden: IV 72, 5. X 19, 20.

An das Zechgelage schloss sich häufig noch nächtliches Umherschwärmen an. Auch dies wird als κωμάζειν, comissari bezeichnet, Theopomp. bei Athen. VI 260 b. Liv. IX 17, 17. Plin. n. h. XXI 9. Sen. ben. VI 32, 1. Bildliche Darstellungen gesammelt von Stephani Compte-rendu 1868, 83f.; vgl. Panofka Bilder ant. Leb. XII 7. 8. Ann. d. Inst. LI 1879, U, wo von Engelmann 244, 2 weitere Beispiele gesammelt sind. Oft führen hier diese Schwärmenden ein Weingefäss mit sich und sind von einer Flötenspielerin oder Leierspielerin begleitet. Besonders üblich war es, dass auf diese Weise eine Zechgesellschaft die andere besuchte (ἐπικωμάζειν, ἐπίκωμος Athen. V 180 a). So Alkibiades und später noch andere, Plat. symp. 212 c. 223 b; auch die mitgebrachte Flötenbläserin wird hier erwähnt. Vgl. Athen. V 193 e. Plaut. Most. 317; Stich. 686. Ter. Eun. 442. Liv. XL 7, 5, und öfter im Folgenden. Hοr. od. IV 1, 11. [619] Petron. 65. Athen. VIII 348 c. Lucian. Lexiph. 9, wo die εἰσκωμάζοντες Wein, Trinkgerät und τραγήματα mitbringen. Die Ankunft solcher comissatores in einer schon im Aufbruch begriffenen Tischgesellschaft ist dargestellt auf einem pompeianischen Gemälde, Bull. d. Inst. 1885, 246, 13. Als κωμάζειν wird es auch bezeichnet, wenn sich die trunkenen Leute Einlass suchend vor das Haus einer Hetaere begeben, Alkaios frg. 56 B. Isae. III 14. Athen. XIII 574 e. 585 a, oder einem Mädchen ein Ständchen bringen, Theokr. 3, 1. Lucian. dial. mar. 1, 4. Schwarz De comissationibus veterum. Altdorf 1744. Becker-Göll Charikles I 160ff. II 335ff.; Gallus I 203. Hermann-Blümner Griech. Privataltert. 244ff. 500ff. Marquardt Privatl. d. Römer² 331ff.

[Mau.]