RE:Cornelius 325

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Scipio, L. Sohn von Nr. 335
Band IV,1 (1900) S. 14311433
Lucius Cornelius Scipio (Prätor 174 v. Chr.) in der Wikipedia
Lucius Cornelius Scipio in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register IV,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IV,1|1431|1433|Cornelius 325|[[REAutor]]|RE:Cornelius 325}}        

325) L. Cornelius Scipio. Eine sichere Thatsache ist es, dass während des Krieges der Römer mit Antiochos ein Sohn des P. Scipio Africanus in feindliche Gefangenschaft geriet, dort aber ehrenvoll behandelt und schliesslich noch vor der Entscheidungsschlacht bei Magnesia 564 = 190 ohne Lösegeld seinem Vater ausgeliefert wurde. Die Einzelheiten der Gefangennahme und die [1432] Persönlichkeit sind dagegen fraglich. Über jene bemerkt Livius XXXVII 34, 4–7. 36, 2. 6. 37, 6–8 (vgl. XXXVIII 51, 2. 53, 10), dass Ort, Zeit und nähere Umstände in den Quellen verschieden berichtet werden: alii principio belli, a Chalcide Oreum petentem, circumventum ab regiis navibus tradunt; alii postquam transitum in Asiam est, cum turma Fregellana missum exploratum ad regia castra, effuso obviam equitatu cum reciperet sese, in eo tumultu delapsum ex equo cum duobus equitibus oppressum, ita ad regem deductum esse (vgl. Oros. IV 20, 22: utrum explorantem an in proelio cepisset, incertum est). Die erste dieser beiden Angaben stammt ohne Zweifel von Polybios, wie dessen Excerpte (XXI 15, 2f. 5. 11) und Diodor XXIX 10f. beweisen; seinem Berichte stehen Iustin. XXXI 7, 4ff. und Auct. de vir. ill. 54, 4 ziemlich nahe, Appian. Syr. 29f. geht wohl auch auf Polybios zurück, hat aber den Sohn des Africanus mit dessen Enkel, dem späteren Africanus Minor, verwechselt, und Dio frg. 59, 2. Zonar. IX 20 nähert sich dadurch der zweiten livianischen Darstellung, dass er den Zeitpunkt der Gefangennahme gegen den der Auslieferung hin verschiebt (vgl. Nissen Krit. Untersuch. 194ff. Mommsen Röm. Forsch. II 515ff. Ed. Meyer Rhein. Mus. XXXVI 125). Diese zweite Darstellung ist von Nissen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Valerius Antias zurückgeführt worden (vgl. Liv. XXXVII 48, 2); die Angabe des Plinius n. h. XXXV 22: L. Scipio tabulam victoriae suae Asiaticae in Capitolio posuit, idque aegre tulisse fratrem Africanum haut immerito, quando filius eius illo proelio captus fuerat, ist zwar mit ihr verwandt, aber durch Absicht oder Flüchtigkeit entstellt, und ebenso steht es bei den zwei Stellen des Valerius Maximus, die davon handeln. Dieser Rhetor benützt die Erzählung einmal, um die selbst den Feinden Ehrfurcht einflössende Gestalt des Africanus hervorzuheben (II 10, 2), ein anderesmal, um die Entartung des Sohnes eines solchen Helden zu beweisen (III 5, 1 mit dem Schlusse: dii boni, quas tenebras e quo fulmine nasci passi estis.!), und er hat dementsprechend den Kern der Erzählung nach eigenem Gutdünken ausgestaltet. An der zweiten Stelle erzählt er drei Anekdoten von diesem Sohne des Africanus, nämlich ausser der Gefangennahme durch Antiochos als zweite, dass er nur durch die Unterstützung des Cicereius, der ein Schreiber seines Vaters gewesen war, zur Praetur gelangte, und als dritte, dass seine eigenen Verwandten fanden, er verwalte dieses Amt nicht gut, ihn deshalb an jeder Amtshandlung verhindern und selbst den Siegelring mit dem Bilde seines Vaters wegnehmen wollten. Dass ein Sohn des Africanus nur dadurch zur Praetur befördert wurde, dass sein glücklicherer Mitbewerber C. Cicereius, ein früherer Schreiber des Africanus, vor ihm zurücktrat, erzählt Val. Max. IV 5, 3 und nennt hier den Praetor Cn. Scipio. Ein Mann dieses Namens begegnet als Praetor und Statthalter von Gallien bei Liv. XLI 8, 1. 3 im J. 577 = 177 und wird von Mommsen (CIL I p. 13) für den von Val. Max. gemeinten gehalten. Dagegen verzeichnet Liv. XLI 21, 1. 27, 2 zum J. 580 = 174 einen Fremdenpraetor L. Cornelius Scipio (an der ersten Stelle nur [Sci]pio erhalten), [1433] der von den Censoren dieses Jahres mit einer Rüge bestraft wurde und auch nur ein Sohn des Africanus sein kann, so dass dieser zwei missratene Söhne gehabt haben müsste. Wie Weissenborn (zu Liv. XLI 8, 1) richtig bemerkt, passt aber die Angabe des Val. Max. in 5, 1, die Verwandten des unwürdigen Praetors hätten verhindern wollen, ne aut sellam ponere aut ius dicere auderet, nur auf einen Fremdenpraetor, wie es L. Scipio, und nicht auf einen Statthalter, wie es Cn. Scipio nach Livius war. Ferner ist C. Cicereius ein Jahr nach diesem L. Scipio selbst zur Praetur gelangt, und es ist doch wahrscheinlich, dass er sofort nach seinem freiwilligen Rücktritt den Lohn dafür erhielt, indem er das nächstemal wiedergewählt wurde. Aus diesen Gründen scheint es fast notwendig, den Vornamen Gnaeus bei Val. Max. IV 5, 3 zu verwerfen und Lucius dafür einzusetzen. Aber dass dies nicht eine Textverderbnis, sondern eine Fälschung ist, ergiebt sich aus der Betrachtung der Praetorenliste des Livius für 577 = 177. Nach einer kurz vorher getroffenen Bestimmung hätten damals nur vier Praetoren gewählt werden sollen; Livius nennt sechs, aber die Namen der beiden letzten, eben des Cn. Cornelius Scipio und des C. Valerius Laevinus, finden sich schon unter den Praetoren von 575 = 179 (vgl. Nr. 346), diese beiden lassen sich nicht identificieren, und sie erhalten eine Provinz, Gallien, gemeinsam, die sonst in dieser Zeit niemals an Praetoren gegeben wird. Es sind also ihre beiden Namen interpoliert (vgl. Münzer De gente Valeria [Berl. Diss. 1891] 70). Damit fallen die Schwierigkeiten hinsichtlich der Söhne des Africanus. Ein Sohn desselben Namens Gnaeus hat nicht existiert; die Notiz des Livius über einen solchen ist zu verwerfen, die des Val. Max. ist auf Lucius zu beziehen. Dieser Lucius ist also im Kriege gegen Antiochos gefangen worden, denn sein älterer Bruder Publius Nr. 331. an den man auch denken könnte (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 517. 3), hat vielleicht wegen seines schwächlichen Körpers keine Kriegsdienste geleistet. Seine Gefangennahme erfolgte bald nach Beginn der Feindseligkeiten im J. 562 = 192 zur See bei Oreos, und er blieb in den Händen der Feinde bis ins J. 564 = 190 hinein. Vielleicht hat ihm dies in der öffentlichen Meinung geschadet, denn nur die Bescheidenheit des Cicereius verhalf ihm im J. 580 = 174 zur Praetur, und die Censoren dieses Jahres, die auch einen andern Scipio (Nr. 348) bestraften, schritten gegen ihn ein, da er selbst seinen Verwandten Ärgernis bot. Eine ähnliche Nachricht über einen andern Praetor Cn. Scipio (Nr. 321) kann zur Entstehung der Verwirrung hinsichtlich seines Namens beigetragen haben.