RE:Creditor

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gläubiger t.t. der Rechtssprache
Band IV,2 (1901) S. 16991700
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Creditor heisst der Gläubiger, Dig. L 16, 10 und 11 (Gaius): Creditorum appellatione non hi tantum accipiuntur, qui pecuniam crediderunt, sed omnes, quibus ex qualibet causa debetur. Hieraus geht hervor, dass in einem engern technischen Sinne creditor der Darlehensgläubiger ist; vgl. rubr. Dig. I 12 de rebus creditis si certum petetur et de condictione; vgl. hierzu auch Dig. I 12, 1, 1. 2, 3 und 5, sowie für die engere Bedeutung von credere = borgen Dig. I 12, 11 pr. Übrigens werden gelegentlich mit dem Worte creditores die Pfandgläubiger (Dig. L 17, 158) und die Erbschaftsgläubiger bezeichnet, Dig. XXXV 2, 3, 1. Gai. II 35. III 85. Nach Voigt (Röm. Rechtsgeschichte I 821) ist das Wort credere im technischen Sinne auf einen mit condictio bewehrten Contract angewandt worden, wofür die rubr. Dig. XII 1 allerdings spricht; vgl. auch Cod. IV 1 und IV 2. Das Gebiet der condictio (s. d.) ist aber sehr streitig, vgl. besonders Pernice Labeo III 202ff. Die in der rubr. Dig. XII 1 si certum petetur angedeutete Klage bezieht sich jedenfalls nicht blos auf das Darlehen, es ist aber zweifelhaft, wie weit sie greift; vgl. Ulp. Dig. XII 1, 24 si quis certum stipulatus fuerit, ex stipulatu actionem non habet, sed illa condicticia actione id persequi debet, per quam certum petitur, und hierzu Gai. Dig. XLV 1, 74 stipulationum quaedam certae sunt, quaedam incertae. certum est quod ex ipsa pronuntiatione apparet quid quale quantumque sit, ut ecce aurei decem, fundus Tusculanus, homo Stichus, tritici Africi optimi modii centum, vini Campani optimi amphorae centum. Hieraus geht hervor, wie namentlich Voigt Röm. Rechtsgesch. I 818ff. im Widerspruche mit seiner früheren Meinung ausführt, dass certum im allgemeinen nicht blos bares Geld bezeichnet, wie man früher annahm, weil es im Gegensatze zu der actio triticaria eine solche engere Bedeutung allerdings hat, Dig. XIII 3 de cond. trit. 1 pr. (Ulpianus): Qui certam pecuniam numeratam petit, illa actione utitur, ‚si certum petetur‘; qui autem alias res, per triticariam condictionem petet. Die Bedeutung des Wortes certum (s. d.) war also bei der condictio certae pecuniae eine engere als bei der stipulatio certa. Hinsichtlich des Schuldgrundes war diese condictio jedenfalls zur Zeit der Pandektenjuristen völlig unbegrenzt, Dig. XII 1, 9 pr. (Ulpianus): Certi condictio competit ex omni causa (eine Stelle, die freilich für interpoliert gilt, vgl. Pernice a. a. O. 211 und die dort Angeführten). Dies steht anscheinend im Widerspruche mit der älteren Ansicht, nach der die condictio eine actio stricti iuris war und sich auf die Schuldgründe des strictum ius beschränkte, vgl. Cic. pro Rosc. com. 10. 14 pecunia petita est certa … haec pecunia necesse est aut data aut expensa lata aut stipulata sit. Baron (Ztschr. der Savignystiftung I 116ff.; Abhandlungen aus dem römischen Civilprocess I 186ff.), dem im wesentlichen Karlowa zustimmt (Röm. Rechtsgesch. II 595; vgl. ebd. Anm. 2 gegen Wlassaks Ausführungen in der Ztschr. d. Savignystiftung IX 383), löst diesen Zwiespalt zwischen Dig. XII 1, 9 pr. und Cic. a. a. O. 14 dahin, dass er einen Unterschied zwischen der allgemeineren condictio [1700] certae pecuniae und der besondern actio certae pecuniae creditae annimmt. Gaius bemerkt nämlich IV 171, dass bei der certa credita pecunia eine sponsio tertiae partis dem Verklagten abgenötigt wurde, so dass er als Strafe für sein grundloses Processieren dann, wenn er verurteilt wurde, noch ein Drittteil der Schuldsumme neben dieser zahlen musste. Daher nimmt Baron an, dass die actio certae pecuniae creditae von der condictio certi (= actio certae pecuniae sive creditae sive non creditae) als engerer Begriff zu unterscheiden sei. Obwohl nun Baron nach Dig. XII 1, 9 pr. unzweifelhaft nachgewiesen hat, dass die im Processe gegen den Schauspieler Roscius angestellte Klage ein engeres Gebiet hatte, als die condictio certae pecuniae zur Zeit der Pandektenjuristen besass, so lässt sich doch diese Erscheinung am ungezwungensten daraus erklären, dass das Gebiet der letzteren condictio sich in der Zeit zwischen Cicero und Ulpianus seinem Umfange nach durch Gewohnheitsrecht erweitert hat, so dass diese condictio ihren ursprünglichen Charakter als actio stricti iuris verlor. Der Wortlaut der ciceronianischen Rede enthält jedenfalls keinen Anhalt dafür, dass die Klage, um die es sich dort handelte, keine condictio certae pecuniae, sondern eine Unterart dieser Klage, die actio certae pecuniae creditae war. Ja selbst für die Zeit der Pandektenjuristen ist es mindestens zweifelhaft, ob eine solche Unterart der damals in ihrem Gebiete erweiterten condictio bestand und namentlich ob die bei Gai. IV 71 erwähnte Klage wirklich als eine solche Unterart aufzufassen ist und nicht vielmehr einfach jene condictio war. Gerade in einer Zeit, die mit dem Worte creditor alle Gläubiger bezeichnete, ist es nicht wohl wahrscheinlich, dass man die Wendung pecunia credita zur Bezeichnung einer Gruppe von Schuldgründen verwandte, deren Abgrenzung damals lediglich nur noch aus rechtsgeschichtlichen Gesichtspunkten möglich war. Voigts Behauptung, dass der Begriff credere bei der certa pecunia im technischen Sinne gerade ebenso weit reichte, wie die condictio, ist hiernach als richtig anzusehen.

Litteratur vgl. ausser den oben Genannten Bekker Die Actionen des römischen Privatrechts I 1871, 93ff. Lenel Paling. II 569, 4; Edict. perpet. 185ff. Kappeyne van Capello Abhandlungen zum römischen Staats- und Privatrecht. Nach dem Holländischen. Mit Vorwort von Max Conrat (Cohn) I Stuttgart 1885, 201ff. und hierzu Baron Münchener Krit. Vierteljahrsschrift XXVIII 243. Pernice Labeo III 202ff., besonders 228. Leonhard Institutionen 470ff.