RE:Dekane

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sterne und Sternbilder zur Festlegung der Nachtstunden und der Zehntagewoche
Band S VII (1940) S. 116124
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Dekane. Man versteht darunter bestimmte Sterne und Sternbilder, welche zur Festlegung der Nachtstunden und der Zehntagewoche von den Ägyptern seit sehr alter Zeit verwendet wurden. Die ältesten geschlossenen Dekanlisten stammen aus dem Gräberfelde von Siut aus der 2. Hälfte des 9. bis zum Ende der 10. Dynastie, als aus dem 22. und 21. Jhdt. v. Chr.; sie finden sich auf den inneren Sargdeckeln und enthalten sicher bereits die Bilder des späteren Tierkreises, so die beiden hockenden Zwillinge, die beiden Fische u. a. m.; vgl. Lacau Catalogue général des antiquites égyptiennes du musée du Caire, Sarcophages antérieurs au Nouvel Empire (1906), nr. 28001–28126. E. Chassinat et Ch. Palanque Une campagne de fouilles dans la nécropole d’Assiout (Mémoires ... de l’Inst. franç. d’Archéol. Orient. du Caire XXIV 1911) 116ff. 127f. 145ff. B. Cunn The coffins of Heny, Annales du Service des Antiquités de l’Egypte XXVI (1926) 166ff. A. Pogo Die Sargdeckel aus Assiut in: W. Gundel Dekane und Dekansternbilder, Stud. d. Bibl. Warb. XIX (1936) 22ff., dazu S. Schott ebd. 2ff. und Taf. 1 u. 2. Dann sind als die nächsten Darstellungen die Bilder im Grabe des Senmut aus der Begierungszeit der [117] Königin Hatschepsut um 1500 v. Chr. zu nennen: H. E. Winlock The Mus. Excavations at Thebes, Metropolitan Mus. of Art, Bulletin 1928, 32ff. Fig. 40, 42ff. A. Pogo The Astron. Ceiling decoration in the Tomb of Senmut, Isis XIV, 2 (1930), 301f. und Tafel 3. G. Roeder Eine neue Darstellung des gestirnten Himmels in Ägypten aus der Zeit um 1500 v. Chr., Das Weltall XXVIII (1928) 1ff., dazu S. Schott a. O. und Taf. 3. Dann kommen die D.-Bilder auf der Wasseruhr aus der Regierungszeit Amenophis III (1411–1375), auf der Decke im Grab Sethos I und im Osireion desselben in Abydos aus der Zeit 1312–1292, es folgen die D.-Listen im Ramasseum von Theben, in zwei thebanischen Königsgräbern (13. und 12. Jhdt. v. Chr.). Dazu kommen die Listen und Abbildungen auf Götterthronen (besonders zu Philae, Edfu, Dendera und Esne), in Tempeln, Sarkophagen der Spätzeit, der Ptolemaerzeit und der römischen Epoche, die einschlägige Literatur gibt S. Schott a. O., s. die Abbildungen ebd. Taf. 4ff.

Meist sind in diesen D.-Tafeln nur die Namen und die Bilder dieser Gottheiten aufgeführt, sie sind nach Dekaden zur Bestimmung der Nachtstunden geordnet. Die einzelnen Listen zeigen im einzelnen dauernde Schwankungen, behalten aber mit dem Konservatismus, der den Ägypter in Allem auszeichnet, die Grundzüge bei. Diese Sternmächte werden durch die Bezeichnungen insgesamt erfaßt als Götter: ,Götter des Himmels, die dreimal großen Götter, die göttlichen Sterne, die lebenden Seelen der Götter, sie heißen auch die ,Lebenden, Schiffsfahrer, Lampen, Boten ihrer Majestät, Gefolge der Jahres- und Dekankönigin Sothis. Zuweilen tragen sie auch schlechthin den Namen ,Die Sterne‘ oder was der Wiedergabe durch ,Dekane‘ in der hellenistischen Astrologie entsprechen dürfte. Es sind Sterne, Sterngruppen und Sternbilder in der Nähe des Äquators, darunter werden einige in Menschengestalt dargestellt, so Orion (= der Riese, später Osiris) und Sothis (die spätere D.-Gottheit des Sirius), der Keltergott, das göttliche Kind und das Männerpaar. Außerdem werden einige Tiergestalten, so das Schaf, die Fische, die Schildkröten, der Geier und die Geiervögel genannt, dann kommen einzelne sachlichen Sternbilder, so das Schiff, die Matte, das Rohr und das Keltergeräte. Davon schwinden in den späten D.-Tabellen alte Namen und Bilder, sie werden durch neue ersetzt oder nach Erlöschen der ursprünglichen Bedeutung in andere umgestaltet So ist der alte Name für den im Sirius erschauten Sterngott ,Dorn‘, sein Deutzeichen ist ein längliches gleichseitiges Dreieck mit schräger Grundfläche; dadurch werden die Sterne α, δ, und ι Canis maioris zum Bild verbunden, das sich als natürliches Sternbild jedem Beobachter leicht aufdrängt. Aus dem ,Dorn‘ wird dann im Neuen Reich ,die (Göttin) des Dorns‘, später wird diese astrale Göttin zur ,Isis‘, ferner zur ,Isis auf dem ihr heiligen Ermenthunde‘ und endlich zum ,Ermenthund‘ allein, vgl. L. Borchardt OLZ 1937, 506. Aus den beiden Fischen werden später ,Rohre‘, ,Schilfbündel‘ und daraus ,Lippen‘ und ,Blätter‘. Wie die Namen und Bilder so verschieben sich auch dauernd die D.-Fehler sowie die [118] mit den D. verbundenen Sterne und Sternbilder. Dadurch wird eine astronomische Fixierung derselben außerordentlich erschwert, vgl. E. Zinner Sternbilder der alten Ägypter, Isis XVI 1 (1931) 968. S. Schott 35.; eine neue Identifizierungsliste legt mir R. Böker im Manuskript vor.

Die Verbindung mit Gottheiten der Stunden, der Wochen, der Gaue und Orte bringen weitere Verwicklungen in die ägyptischen D.-Listen hinein. Eine Rhythmisierung erfolgt später dadurch, daß je drei Götter einen Vorsteher erhalten; es erscheinen also zwölf Genossenschaften mit dem zwölf Vorstehern. Diese Rhythmisierung dürfte die spätere Aufteilung der ägyptischen D. in der hellenistischen Astrologie an die zwölf Tierkreisbilder veranlaßt haben. Zu den 36 Dekanen, deren Reihe mechanisch über die 360 Tage des Jahres und über die 360 Grad des Äquators abrollt, kommen die fünf ägyptischen Zusatztage, die Epagomene, welche mit D., Planeten und Sternbildern in enger Beziehung stehen; dadurch sind die 365 Tage des ägyptischen Jahres mit allen weiteren Zeitabschnitten, mit den einzelnen Ständen des Tages und der Nacht, mit den Tagen und Nächten selbst, sowie mit den Zehntagewochen, den Monaten und Schalttagen dem Zeitregiment dieser Sterngötter unterstellt. Man wendet sich an die mit den D.-Sternen verbundenen Götter mit Gebet und Opfer, sie sollen den König und das Land vor Unheil schützen, Wasser, Wind und Felder (d. i. guten Saatenstand) und das Leben in ihrer Dekade bringen. Daneben stehen unausgeglichen solche Vorstellungen, welche den Sterngöttern selbst die Gewalt über Himmel, Erde und Unterwelt zuschreiben, das Nähere bei S. Schott 11ff.

All diese Widersprüche enthält auch die hellenistische D.-Astrologie. Die D. werden als die ,36 Götter‘ schlechthin bezeichnet, sie heißen die ,mächtigen Führer‘, die ,36 Weltelemente‘, die ,Weltenherren‘, die ,Aufseher und Wächter des Weltalls‘ (die Belege bei Gundel 27ff., auf dessen Ausführungen auch für das Folgende verwiesen sei). Daneben behalten sie aber auch den Charakter als Sendboten und Diener anderer Mächte bei, sie heißen auch die ,Boten‘ (ἄγγελοι) schlechtweg. Das hat dann in den christianisierten und jüdischen Traktaten dazu geführt, daß sie mit bestimmten Engeln und Erzengeln gleichgestellt oder diesen unterworfen werden. Ihre alte Eigenschaft als Stundenbestimmer bringt das Schlagwort λς’ ὡροσκόποι und λς’ ὥραι zum Ausdruck. Als Herren der Zehntagewoche heißen sie δεκανοί, decani, sie sind die Anführer von je zehn Tagen und Graden; das Schlagwort kann auch den Anführer einer Einheit von zehn Schiffen, einen Polizeibeamten, der auf den Nilschiffen die Aufsicht führt u. ä. bedeuten. Damit stimmt die spätere Wiedergabe der D.-Götter insgesamt in Schiffen, z. B. auf dem sog. rechteckigen Tierkreis von Dendera überein (abgebildet bei Gundel Taf. 10); die älteren Darstellungen, z. B. im Grabe Senmuts, im Ramasseum und der Sarkophag des Nektanebos lassen nur die überragenden D., Orion, Sothis und einige Gruppen sowie die Götter der Epagomene in einer Barke auf dem himmlischen Nil einherfahren (s. die Abb. bei Gundel Taf. 3, 5 und 9).

[119] Die ältesten Übermittlungen vom Wesen und Wirken der D. verdanken wir den Texten, die sich auf die speziellen Schriften des Hermes Trismegistos oder auf das unter dem Namen des Nechepso und Petosiris gehende Handbuch stützen. Auf die ersteren gehen die Fragmente der sog. Salmeschoiniaka und die beiden hermetischen D.-Kataloge. In ihnen sind die alten Sternbilder und Sterngötter des Äquators bereits systematisch in die Ekliptik als Herren von je zehn Grad bzw. Tagen derselben aufgenommen. In den Salmeschoiniaka heißt es apodiktisch, daß z. B. der Monat Pachon den Fischen gehört, von diesem ist der ,erste Gott‘ von 1–5, d. h. der erste D., der also über das von ihm vollbesetzte Feld und somit auch über den 1.–5. Tag herrscht, darauf folgt der Mächtige der nächsten fünf Grade, der 1. Pentadengott, der als Sohn des D. erscheint. Der zweite Gott der Fische, also der zweite D., gebietet über den 11.°–15.°, ihm folgt der zweite Pentadengott im Raum von Fische 16°–20° usw. Die heiligen Namen der einzelnen D. und ihrer Söhne, der Pentaden sind genau aufgeführt, ebenso die komplizierten Gestalten derselben, welche durchaus den bizarren Formen der ägyptischen Vorbilder entsprechen. An jeden Gott und seinen Sohn schließen sich Wahrsagungen, welche alle möglichen universalen, politischen, gesundheitlichen und individuellen Geschehnisse ohne jegliche logische Anordnung aufzählen. So werden beim ersten D. der Fische nördliche Feinde, Gegner vor Gericht, Anklagen, psychische Erkrankungen, Geburtsschicksale und spezielle Berufe unter den Voraussagungen erwähnt und durch den D.-Gott entschieden – es ist in diesem Fall eine Göttin, die auch zugleich Auge oder Gesicht des Sonnengottes genannt wird. Diese Bezeichnung erklärt sich aus der sehr alten Zusammenstellung der D. mit ägyptischen Sonnengöttern und hat in der späteren Aufteilung der D. an die Planeten ihre weitere, außerordentlich weittragende, Ausgestaltung erfahren (s. u.). Boll und Bezold glaubten in den Fragmenten der Salmeschoiniaka babylonische Vorbilder nachweisen zu können, vgl. C. Bezold und Fr. Boll Eine neue babylonisch-griechische Parallele, Aufs, für E. Kuhn (1916) 226ff. und W. Kroll Art. Salmeschoiniaka Suppl.-Bd. V S. 843ff. Dagegen hatte schon berechtigte Einwände erhoben M. Pieper OLZ 1927, 1048 und 1928, 187 und in dem Titel des hellenistischen Orakelbuches ein ägyptisches Wort mit der Bedeutung: ,Buch der Geburtsstätten‘ oder auch ,Buch vom Großen Bären‘ festgestellt; seine Ansicht wird weiter gestützt durch die Ausführungen von Gundel 327ff., dazu L. Borchardt 506 und A. Scherer Philol. Woche. LVII (1937) 977ff.

Das Wesen, die Namen, die Gestalt und die Wirkung der 36 D.-Götter des graeco-ägyptischen Kulturkreises erhellen zwei D.-Listen, die unter dem Namen des Hermes Trismegistos erhalten sind; es handelt sich einmal um eine griechische D.-Liste, das sog. Heilige Buch des Hermes an Asklepios, ed. Pitra Analect. sacr. V 2, 285ff. und Ruelle Rev. de Phil. 1908, 250ff., dazu Béjottes Le livre sacré d’Hermes Trismégiste et ses trente six herbes magiques, Diss. Bordeaux 1911. Gundel 270ff. 374ff., ferner Fr. Pfister [120] Byz. Ztschr. XXXVII (1987) 389 und K. W. Wirbelauer Antike Lapidarien, Diss. Berl. 1937, 30ff. Dazu kommt eine lateinische D.-Liste im Liber Hermetis Trismegisti, der nur im cod. Harleian. lat. Nr. 3731 erhalten ist, ed. Gundel Neue astrol. Texte des Hermes Trismegistos, Abh. Akad. München N. F. XII (1936) 19ff., dazu ebd. 115ff. und a. O. 379ff., einiges auch bei Wirbelauer 26ff. Scherer 977 und Fr. Cumont L’Égypte des Astrologues 1937, 148.

Die beiden hermetischen Kataloge lassen noch das Wesen und die impulsiv freie Handlungsart der D.-Götter und den Ausgleich mit ganz verschiedenartigen Göttern der Eingeweide, der Körperteile, des Schaden- und Heilzaubers und ihre medizinische und magische Verbindung mit der organischen und anorganischen Natur hervortreten. Etwas weiter entfernt sich davon bereits der nur durch Firmicus IV cap. 22, 8 erhaltene D.-Katalog des Nechepso. Er knüpft an die altägyptische Lehre der vollen und der leeren D.-Felder an (dazu S. Schott 5f. und Gundel ebd. 256ff.). Auch in dem System des Nechepso sind die D. noch überaus mächtige, aus eigener Initiative handelnde Gottheiten. Ihr Wesen ist jedoch allein durch ihren heiligen Namen charakterisiert. Diese werden von Firmicus einzeln aufgezählt und stehen mit den auch sonst bekannten D.-Namen in engem Zusammenhang (s. die Tabellen bei Gundel 77ff.). Ihrer Macht untersteht aber nicht der ganze Bezirk von je zehn Grad, sondern nur die vollen Grade, die sie selbst ganz ausfüllen; diese werden von Firmicus im einzelnen genau aufgezählt. Die leeren Grade der D.-Bezirke werden nie von einem D.-Gott besetzt – die ganze Lehre geht in direkter Linie an die alte schematische Darstellung der D.-Felder und auf die von ihnen besetzten und unbesetzten Gottheiten zurück. Diese Systematik wird von Nechepso besonders zur Kennzeichnung der Geburtenschicksale verwertet: volle D.-Teile im Aszendenten veranlassen Reichtum, Glück, günstige körperliche und geistige Veranlagung und eine mächtige Lebensstellung, dagegen verhängen die leeren Partien ein elendes niederes Schicksal über Leib und Seele (Firmic. IV cap. 22, 4ff.).

Nach dem Bericht des Firmicus stehen die D. als Schicksalsmächte in der Lehre des Nechepso noch auf der Mittellinie, sie sind einerseits Persönlichkeiten magni numinis ac potestatis et per ipsos omnia prospera et omnia infortunia decernuntur. Sie werden ganz im Sinne der hermetischen D.-Bücher als Heilgötter im allopathischen Sinn von Nechepso empfohlen: Nechepso ... per ipsos decanos omnia vitia valetudinesque collegit ostendens, quam valetudinem qui decanus efficeret, et quia natura alia natura vincitur et quia deum frequenter alius deus vincit, ex contrariis naturis et ex contrariis potestatibus omnium aegritudinum medelas divinae rationis magisteriis invenit. Die einzelnen Götter dürften ganz in der Art der hermetischen Listen zu Amulettzwecken geschildert und empfohlen worden sein; am bekanntesten ist das von ihm gegen Magenleiden empfohlene Chnubisamulett, vgl. Galen, oper. XII 207 K. und die zahlreichen Chnubisamulette, besprochen von W. Deonna Anz. f. Schweiz. Altertsk. N. F. XXII (1920) 173ff. A. Jacoby [121] Arch. f. Rel. XXVIII (1930) 269ff. Wirbelauer 32ff. 39 und Gundel 269. 284. 288. Andrerseits sind sie in das lineare Netz des Zodiacus eingekerkert, ihre Macht ist von der Zusammenkunft von Sonne, Mond und Planeten und von ihrer jeweiligen Stellung im Horoskopschema abhängig.

Weitere astromagische Listen dieser Art werden auf Teukros von Babylon zurückgeführt (dazu Boll Sphaera 7 und Gundel 373); am besten informiert uns der Verfasser des Testamentum Salomonis über die weitere Entartung dieser astralen Körpermächte, über ihre Gestalten, Namen, Einflüsse und Knechtung unter die Gottes- und Engelnamen des Alten Testamentes (ed. Mc Cown The Test. of Solomon. (1922) cap. XVIII 518., dazu Gundel 57ff. 227. 275. 286 und 383ff.). Von späteren Texten, die alle auf der hellenistischen D.-Religiosität fußen, sind noch zu nennen: das griechisch-jüdische D.-Buch, ed. W. Kroll Catal. cod. astr. Gr. VI 73ff., dazu die Übersetzung und die Kollationen von Gundel 385ff., Ps. Ptolemaeus, Liber de imaginibus, in Übersetzung vorgelegt von Gundel 394ff. und das D.-Buch im Lapidario del rey d’Alfonso (ebd. 391ff.).

Schließlich haben die D. wie alle übrigen orientalischen Sterngötter in der hellenistischen Astrologie die Persönlichkeit ganz eingebüßt, sie sind in den Texten der prophezeienden Sterndeutung zu Raumbegrifien des Zodiakus degradiert oder wie alle anderen Sterne und Sterngruppen als planetarische Energiequellen erfaßt worden. Ein rein zodiakales D.-Schema bringt Manilius (IV 294–386). Danach hat der Widder als Herrn des ersten D., d. h. seiner ersten zehn Grad oder seines ersten Drittels den Widder selbst, den zweiten D. beherrscht der Stier, den dritten die Zwillinge. So rollt nun das Zodiakalschema in der üblichen Reihenfolge der Tierkreisbilder weiter über die folgenden Tierkreisbilder und ihre Drittel; die Serie beginnt dann wieder von neuem beim ersten Dekan des Löwen und des Schützen. Es sind also entsprechend der ägyptischen Aufteilung dieser Sterngottheiten in zwölf Vorsteher und 36 Dekane hier die Zodiakalbilder als die Herren der Monate und auch als Herren der Zehntagewochen bzw. der Tierkreisdrittel eingedrungen. Den Anstoß dürften zu dieser konstruktiven Phantasie die tierartigen Gottheiten der alten D. gegeben haben. So ist in den alten Listen der erste D.-Gott des Widders ein Widder, der erste D. des Stiers ochsenköpfig – so zeigt ihn auch die Tabula Bianchini, s. die Abb. bei Gundel Taf. 17. Eine andere zodiakale Aufteilung setzt als D.-Mächte die befreundeten Trigonalherren des einzelnen Zeichens ein, es herrscht also im Widder über den ersten D. der Widder selbst, über den zweiten der Löwe und über den dritten der Schütze usw.; vgl. die auf antike (hermetische) Vorbilder zurückgehenden Aufteilungen von Varahamihira und des Persers Achmet, ed. Boll Catal. cod. astr. Gr. II 153, dazu und zu weiteren zodiakalen Überlagerungen der alten D.-Götter Gundel 246ff. 362ff.

Weit größeren Anklang hat die Aufteilung der D. an die Planeten gefunden. Es handelt sich um die Lehre der planetarischen Prosopa (πρόσωπον, [122] der Römer gibt diesen terminus technicus durch numen, dignitas, imago, persona, vultus wieder, im Mittelalter tritt dafür das Schlagwort facies ein). Auch hier stehen verschiedene Lehren nebeneinander ebenso wie in der Doktrin der planetarischen Bezirke der Tierkreisbilder. Diejenige Systematik, die auf Teukros zurückgeführt und als speziell ägyptische Prosopalehre bezeichnet wird, hat dabei die stärkste Wirkung gehabt. Wie bei der zodiakalen Aufteilung so beginnt auch hier der Widder die ganze Reihe: den ersten D. beherrscht der Hausherr desselben, Mars, den zweiten der Sonnengott, den dritten Venus und nun teilen sich die Planeten nach ihrer Abfolge in der sog. Heptazonos (dazu Boll Hebdomas, o. Bd. VII S. 2567ff.) in die Herrrschaft der weiteren Tierkreisdrittel. Die Lehre dürfte wesentlich älter als Teukros sein, denn Antiochos von Athen (1. Jhdt. v. Chr. s. W. Kroll Bd. XVI S. 2166, 318.) schrieb bereits ein spezielles Kapitel über die Prosopa und ihre Bedeutung (Catal. cod. astr. Gr. I 149. VIII 3. 105, 34), spätere berufen sich auf Hermes Trismegistos (die Belege für die Lehre über die planetarischen Prosopa bei Gundel 248ff. 355ff. 379ff. 417f.).

Die Entwicklung weist in sehr alte Zeit zurück; denn bereits auf den Sargdeckeln von Siut treten Sonnen-, Mond- und Planetengötter als D.-götter auf. In diesem System der planetarischen Prosopa dürften die Anfänge der späteren rein planetarischen Siebentage-Woche und ihrer 168 Planetenstunden zu suchen sein (vgl A. Scherer Phil. Woch. 1937, 978f.). Bildhaft treten diese Planetenprosopa am anschaulichsten in der Tabula Bianchini und im Fragmentum Peiresc auf, wo die Planeten in Brustbildern und von Kreisen eingeschlossen über die unter ihnen in ganzer Gestalt dargestellten, griechisch umstilisierten, alten D.-Gottheiten triumphieren; die mittelalterlichen Entartungen führt am besten der D.-Zyklus im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, ferner das Astrolabium Planum und einige illuminierten Astrologenhandschriften vor Augen (s. die Abb. bei Gundel Taf. 16f. 28f. 32 und A. Warburg Italienische Kunst und internationale Astrologie, Ber. d. X. Kunsthistor. Kongresses zu Rom 1912 [1922], 7 Abb. 1 u. 2, Taf. XXXIXff., u. Ges. Schrift. II [1932] 459ff., dazu Taf. LIXff.). Neben diesem ägyptischen System gibt es eine Aufteilung nach den planetarischen Trigonalherren und eine dritte Abart, welche als ersten D.-Gott den Hausherrn des betreffenden Zeichens aufführt, den zweiten und dritten D. beherrschen die Hausherren des von dem Zeichen selbst aus gerechneten 11. und 12. Tierkreisbildes (die Zeugnisse und die Anwendung der Planetenprosopa bei Gundel 248ff.).

Der Einfluß der entpersönlichten D. als bloße Raumbegriffe oder planetarische Energiequellen wird sowohl in den Texten der universalen als auch der individuellen Sterndeutung und in der Katarchenhoroskopie im einzelnen näher dargelegt; s. o. Bd. XI S. 1885f. XIII 135f. III A S. 607f. und Gundel 299ff. 402ff., es darf dazu noch auf die Ausführungen in den letzten Bänden des Catal. cod. astr. Gr. verwiesen werden: XI 1, 259, 238. (zur D.-Geographie), 85 fol. 282 v. (Wirkungen des Sonnengottes in jedem einzenen D., [123] unveröffentlicht), XI 2, 149, 13ff. (ägyptisches Zahlenorakel über Leben und Tod nach den 36 Dekanen), 188, 1ff. (Geburtsorakel nach den Planetenprosopa) und XII 107, 1ff. (Einteilung des Zodiacus in D. usw.). – Ein merkwürdiges Doppelgängertum führen die D. als Persönlichkeiten und als ganz abstrakte δεκαμοιρίαι in den Listen, welche die außerzodiakalen Sternbilder nach den D. aufzählen; zu den verschiedenen Wirrungen derselben vgl. Boll Sphaera 485ff., Catal. cod. astr. Gr. XI 1, 89 fol. 292 v. und die weiteren Entartungen und Vermengungen der D. [124] mit Teilen der sog. Paranatellonta bei Gundel 194ff. 293ff. 354ff. und Taf. 18ff.

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