RE:Diodoros 38

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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D. von Agyrion, Historiker im 1. Jh. v. Chr. Verfasser einer Weltgeschichte
Band V,1 (1903) S. 663704
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38) Diodoros von Agyrion (I 4, 4) in Sicilien (ausgezeichnet zur Einführung Wachsmuth Das Geschichtswerk des Sikelioten Diodoros I. II. Dekanatsprogr. v. Leipzig 1892: Einleitung in das Studium d. alt. Gesch. 81ff; verfehlt Holm Gesch. Siciliens III 464ff.), verfasste in 40 Büchern unter dem Titel Βιβλιοθήκη) (durch Plin. praef. 25 ausdrücklich bezeugt) eine Weltgeschichte, die zum Teil noch erhalten ist. Seine Zeit ist erstens bestimmt durch den Endpunkt seines Werkes, Caesars Unterwerfung Britanniens (54), wonach Eusebios ihn auf Ol. 182, 4 = 49/8, die Epoche Caesars, setzt, zweitens durch eine Reihe von Anspielungen auf eigene Erlebnisse und zeitgenössische Ereignisse, die am sorgfältigsten von Cuntz De Augusto Plinii geographicorum auctore 32ff. zusammengestellt sind. Von diesen Anspielungen reicht am weitesten nach oben I 44, 1, vgl. 83, 8. 9, wonach D. Ol. 180 (60–56) in Ägypten war, nach unten XVI 7, 1, die Notiz enthaltend, dass Caesar (der Sohn) Tauromenion der Einwohner beraubte und eine römische Colonie dorthin legte. Gewöhnlich setzt man diese Deduction ins J. 21 v. Chr. (CIL X p. 716); Cuntz Hypothese, dass sie ins J. 36 v. Chr. gehört, hat viel für sich (vgl. Bd. IV S. 526). Von den vielen Reisen, die D. mit verdächtigem Anklang an Polybios (III 59) gemacht zu haben behauptet (I 4, 1), ist in seinem Werk nichts zu spüren; nachweisen lässt sich nur ein Aufenthalt in Ägypten oder richtiger in Alexandrien (XVII 52 ist nicht ohne Autopsie verfasst), und ein, nach eigener Angabe lange ausgedehnter, in Rom (I 4, 3).

D.s Compilation – ein Werk kann man das Buch nicht nennen – wollte dem Bedürfnis des grossen griechisch-römischen Publicums entgegenkommen, die griechische und römische Geschichte zusammen zu übersehen. Die grossen und lebendigen Gedanken des Polybios und Poseidonios sind bei den griechischen Litteraten der caesarisch-augusteischen Epoche, die in Rom ihr Glück suchten, zur Scheidemünze geworden; D. ist freilich ein besonders tief stehendes Exemplar dieser Bücherfabricanten der werdenden Welthauptstadt. Mit Handbüchern, Zusammenfassungen, Übersichten war damals ein Geschäft zu machen und sind sieher viel Geschäfte gemacht worden; es wirkt tragikomisch, wenn D. sich über böse Leute beklagt, die ihm seine Manuskripte vor der letzten Correctur entwandt und publiciert hätten (XL 8). Setzt die Anlage des Werkes das römisch-griechische Weltreich voraus, dessen geistiges Centrum in Rom lag und das den Hellenismus ablöste, so kennt der Provinciale andererseits ein sehr wesentliches Product der griechisch-römischen Cultur, den Classicismus, noch nicht; er schreibt das hellenistische Griechisch, das er in seiner Jugend gelernt hat, und befolgt bei der Auswahl und Benützung seiner Gewährsmänner keine puristischen Rücksichten: ein Menschenalter später würde man Kleitarch, Duris, Polybios, Poseidonios viel stärker umgearbeitet haben, als es D. that. Dass endlich die sicilische Geschichte neben die griechische und römische gestellt wird, ist eine specielle Geschmacklosigkeit, die dem Regionalismus des Sikelioten zu gute gehalten werden muss.

Nur ein günstiger Zufall kann einem solchen Buch zur Fortdauer verhelfen. Kein gebildeter [664] Heide citiert D. jemals; Plinius erwähnt nur den Titel; erst die Christen waren anspruchslos genug, ihn heranzuziehen: die euhemeristische Mythographie that das ihrige dazu. So sind ein oder mehrere Exemplare des Werkes oder einzelner Teile aus dem Altertum in die byzantinische Welt gelangt; hier muss genauere Kenntnis der Überlieferung noch vieles aufklären.

Direct erhalten sind Buch I–V und XI–XX; doch ist nur über die Handschriften von I–V und XI–XV einiges bekannt, dank den Mitteilungen Vogels in seiner Ausgabe (Leipzig, Teubner 1888–93; sie ist über den III. Band nicht hinausgelangt). Für I–V ist sorgfältig verglichen nur ein alter Cod. Vindobonensis (D); daneben tritt eine sehr ungenügend bekannte Gruppe von Handschriften hervor, deren älteste Vat. 130 ist: sie dürfte sich bei ordentlicher Durchforschung als der Sippe von D mindestens gleichwertig erweisen; ich möchte auch stark bezweifeln, dass die Teilung der Tradition bis ins Altertum zurückreicht. XI–XVI liegen zunächst vor in einer sehr alten Handschrift des Johannesklosters auf der Insel Patmos, die R. Bergmann vortrefflich collationiert hat; so viele Stellen durch die Handschrift gebessert sind, so reicht sie doch nicht aus; aber ehe nicht mindestens Venet. 375. Laur. LXX 12. Vat. 994 genau untersucht sind, lässt sich über die sonstige Überlieferung nichts sagen. Über XVI–XX ist zuverlässiges Material nicht vorhanden.

Bruchstücke der verlorenen Bücher sind erhalten durch die constantinischen Excerpte, Auszüge des Photios (Cod. 244) und durch einen byzantinischen Anonymus. David Hoeschel gab 1603 zu Augsburg als Corollar zu den Eclogae legationum Excerpte aus dem XXI.–XXVI. Buch D.s heraus, über deren Herkunft er in der Vorrede bemerkt: e codice Loudouici Alemanni Florentini doctissimus R. Thomson Auglus mecum amice communicauit; die Handschrift ist noch nicht wiedergefunden, freilich auch noch nicht gesucht. Die Excerpte unterscheiden sich von den constantinischen auf das bestimmteste durch die Angabe der Buchzahl, durch die Auswahl – die kurzen litterarhistorischen Notizen des diodorischen Chronographen finden sich in ihnen wieder – und ein arg entstelltes Griechisch. An ihrer Echtheit ist, vom Sprachlichen abgesehen, nicht zu zweifeln, das zeigt die gelegentliche Coincidenz mit den constantinischen Excerpten; dass sie der byzantinischen Chronographie angehören, zeigt der Titel ἀδήλου ἐκ τῶν Χρονικῶν Διοδώρου: bei dem Synkellos Georgios findet sich Verwandtes (vgl. XXXI 8, 4).

Über die Ausgaben vgl. Diodor. ed. Vogel I p. XXIff. Diejenige Wesselings (Amsterdam 1746) ist wissenschaftlich die bedeutendste, der Commentar immer noch sehr brauchbar. Für XVI–XL ist die kleine Ausgabe von L. Dindorf leider noch nicht entbehrlich, da sie die Fragmente am vollständigsten enthält.

Vor der eigentlichen Analyse der Bibliothek muss das chronologische Gerüst geprüft werden. Die Äusserungen D.s über den Endpunkt seiner Erzählung sind seltsam verwirrt. I 4, 7 behauptet er, in Buch XVIII–XL, dieses eingeschlossen, die Erzählung von Alexanders Tod bis zum Beginn [665] von Caesars gallischem Krieg hinabgeführt zu haben, und fügt hinzu: τούτου δ’ αἱ πρῶται πράξεις ἐπετελέσθησαν ἀλυμπιάδος τῆς ἑκατοστῆς καὶ ὀγδοηκοστῆς κατὰ τὸ πρῶτον ἔτος ἐπ’ ἄρχοντος Ἀθήνησιν Ἡρώιδου (60/59). Fasst man das Jahr als das von Caesars Consulat – und dies ist thatsächlich D.s Rechnungsweise –, so ist die Zeitbestimmung nicht unrichtig; vgl. die chronologische Notiz über die sicilische Expedition XIII 1, 2. Man lässt es sich auch noch gefallen, wenn D. in späteren Stellen seines Werkes ausdrücklich erklärt, Caesars britannische Expedition erzählen zu wollen (III 38, 2. V 21, 2. 22, 1), aber erstaunlich ist es, dass er unmittelbar (I 5, 1) nach den ausgeschriebenen Worten einen um volle 14 Jahre späteren Schlusspunkt angiebt, 730 Jahre nach Ol. 1 = 46/5; und die Zahl kann nicht geändert werden, da sie von der Gesamtsumme von 1138 Jahren, die D. gleich darauf für die Zeit von der Zerstörung Troias bis zum Schluss seines Werkes ansetzt, vorausgesetzt wird. Da er in der Mitte des letzten Buches (Phot. cod. 244) erst bis zum jüdischen Krieg des Pompeius gekommen war, ist gar nicht daran zu denken, dass er die Erzählung wirklich bis 46/5 fortgeführt hat; ich weiss keine andere Erklärung, als dass die von D. benützte chronologische Tabelle bis 46/5 reichte und er deren Schlusssumme einfach abgeschrieben hat.

D. wollte synchronistische griechisch-römische Annalen schreiben; seine Bibliothek sollte, um alles zu bieten, was die allgemeine Bildung verlangte, zugleich eine zusammenhängende Darstellung und eine chronologische Tabelle sein. Dazu brauchte er einen chronographischen Gewährsmann, wenigstens für die griechische Geschichte und soweit er die römische nach griechischen, nicht annalistisch ordnenden Autoren wie Polybios oder Poseidonios erzählte; eine Liste der attischen Archonten, der Eponymen der Olympiaden und der römischen Consuln, mit denen er die Jahre zu bezeichnen pflegt, genügte nicht. Das beste und deutlichste Bild eines chronographischen Werkes, wie es D. benützte, giebt der oxyrhynchitische Papyrus XII (Grenfell und Hunt Oxyrhynchos Papyrus part I); dass dieser kein besonders gutes Exemplar der Gattung repräsentiert, verschlägt für die Vergleichung nichts. Man hüte sich vor berühmten Namen; Apollodors Chronik enthielt keine Olympiadenzahlen, reichte nicht weit genug herunter und war überhaupt keine fortlaufende Tabelle: Kastor ist D. unbekannt geblieben, sonst hätte er nicht behaupten können (XL 8), dass er für die vortroische Zeit kein παράτηγμα gefunden hätte.

Der von D. benützte Chronograph gab nur die Liste der Archonten und Olympioniken, ihre Ausgleichung mit der Consulatstafel ist so erbärmlich schlecht, dass sie als D.s eigenstes Werk angesehen und die römische Chronologie besonders behandelt werden muss. Den griechischen Chronographen vollständig zu reconstruieren, ist unmöglich; viele seiner Angaben stecken in der Ansetzung, die D. den Ereignissen gegeben hat, verborgen, und wenn trotz aller Verwirrung und Unordnung die Datierung wichtiger Abschnitte immer wieder die richtigen Jahre trifft, so ist das dem Chronographen auch dann zuzuschreiben, wenn [666] keine ausdrückliche Notiz aus ihm vorliegt. So etwas lässt sich nicht sammeln; ich gebe hier nur ein Verzeichnis der Notate, die nach Form und Inhalt als chronographische Zusätze zu der Haupterzählung kenntlich sind, wobei natürlich manches übersehen, manches aus zu grosser Vorsicht ausgelassen sein kann. Dass ich nicht im geringsten daran denke, die sachliche Ordnung, nach welcher ich die Notate gruppiere, für das Original vorauszusetzen, will ich zur Sicherheit ausdrücklich bemerken. Über die ältere spartanische, die korinthische und makedonische Königsliste vgl. E. Schwartz Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. XL. Jacoby Philolog. Unters. XVI; die merkwürdige Tabelle der Θαλασσοκρατοῦντες (VII 11, aus Euseb.) kann hier nicht behandelt werden.

Spartanische Könige:
A. Eurypontiden:
XI 48, 2 476/5 Leotychides stirbt nach 22jähriger Regierung. Leotychides Absetzung ist mit seinem Tode verwechselt, dadurch sind auch die Daten für Archidamos und Agis falsch geworden, vgl. Busolt Griech. Gesch. III 1 83.
XI 48, 2. XII 35, 4 476 5–434/3 Archidamos, 42 Jahre.
XII 35, 4 434/3 Agis kommt zur Regierung, 27 Jahre. Die Daten für Agis Tod und Agesilaos sind gestrichen, wegen derselben Confusion; XV 93, 2 stammt nicht aus der Tabelle, da die Regierungsjahre nicht angegeben sind.
XVI 63, 2 346/5 Archidamos geht nach Italien, nach 23jähriger Regierung (falsch aus der folgenden Notierung übertragen).
XVI 88, 3 338/7 Archidamos fällt, nach 23jähriger Regierung.
XVI 88, 4. XVII 63, 4 338/7 - 330/29 Agis, 9 Jahre. XVI 63, 2 werden ihm 15 Jahre gegeben, indem die Zeit, als er für Archidamos regierte, mitgerechnet wird. Vermutlich hat D., weil er die chronographische Notiz in seine Erzählung einschob, sie um ein Jahr zu früh, statt in 345/4 schon in 346/5 gesetzt. Mit Agis bricht die Liste ab.
     B. Agiaden:
XIII 75, 1 408/7 Pleistonax stirbt, 50 Regierungsjahre.
XIII 75. 1. XIV 89, 1 408/7–394/3 Pausanias, 14 Jahre.
XIV 89, 1. XV 23, 2 394/3-380/79 Agesipolis, 14 Jahre.
XV 23, 2 380/79 - ⟨371/0⟩ Kleombrotos. 9 Jahre. Sein Tod in der Schlacht bei Leuktra wird XV 55 erzählt, daher fehlt die chronographische Notiz.
XV 60. 3 ⟨371/0–⟩370/69 Agesipolis, 1 Jahr.
XV 60, 3. XX 29, 1 370/69–309/8 Kleomenes, 60 Jahre 10 Monate (so richtig XX 29, l; XV 60, 3 muss 34 Jahre ein Versehen D.s sein).
XX 29, 1 309 8 Areus tritt die Regierung an, 44 Jahre.
     Persische Könige:
XI 69, 6 465/4 Xerxes Tod, mehr als 20 Jahre.
XI 69, 6. XII 64, 1 465/4–425/4 Artaxerxes. 40 Jahre.
XII 64, 1. 71,-1 425/4–424/3 Xerxes. 1 Jahr, nach anderen 2 Monate.
XII 71, 1 424/3 Sogdianos, 7 Monate.

[667]

XII 71, 1. XIII 108, 1 424/3–405/4 Dareios, 19 Jahre
XIII 108, 1. XV 93, 1 405/4–362/1 Artaxerxes, 43 Jahre.
XV 93, 1 362/1 Ochos, 23 Jahre.
     Sicilische Herrscher:
XI 38, 7 478/7 Gelon stirbt, 7 Jahre.
XI 38, 7. 66, 4 478/7–467/6 Hieron, 11 Jahre 8 Monate.
XI 66, 4. 67,1 467/6–466/5 Thrasybulos, 1 Jahr.
XI 53, 1 472/1 Theron stirbt, 16 Jahre.
XI 48, 2 476/5 Anaxilaos stirbt, 18 Jahre.
XIII 96, 4. XV 73. 5 406/5-368/7 Dionysios I., 38 Jahre.
XV 73, 5 368/7 Dionysios II., 12 Jahre.
XVI 31, 6 354/3 Dion ermordet.
XVI 31, 7. 36, 5 354/3–353/2 Kallippos, 13 Monate.
XVI 36, 5 353/2 Hipparinos, 2 Jahre.
XVI 90, 1 337/6 Timoleon stirbt, nach 8jähriger Strategie.
XVIII 1, 6. XIX 1,10 317/6 Agathokles Tyrann.
XXI 16 . . .? Tod des Agathokles.
     Könige von Epeiros:
XVI 72, 1 342/1 Tod des Arybbas, 10 Jahre.
     Bosporanische Herrscher:
XII 31, 1 438/7 42jährige Herrschaft der Archaianaktiden, der Schlusspunkt ist sonderbar bezeichnet.
XII 31, 1. 36, 1 438/7–433/2 Spartakos, 7 Jahre. Das zweimal bezeugte Intervall stimmt nicht zu den Daten.
XII 36. 1. XIV 93, 1 433/2–393/2 Satyros (Seleukos? XII 36, 1), 40 Jahre.
XIV 93, 1. XVI 31, 6 393/2-354/3 Leukon, 40 Jahre.
XVI 31, 6. 52, 10 354/3-349/8 Spartakos, 5 Jahre.
XVI 52. 10. XX 22, 2 349/8–310/9 Pairisades, 38 Jahre.
XX 25, 3. 100, 7 310/9–304/3 Eumelos, 5 Jahre 5 Monate.
XX 100, 7 304/3 Spartakos, 20 Jahre.
     Dynasten von Pherai:
XV 60. 5 370/69 Iason ermordet.
XV 60, 5. 61, 2 370/69–369/8 Polydoros, 1 Jahr.
XV 61, 1 369/8 Alexander, 11 Jahre.
XVI 52. 9 349/8 Peitholaos von Philipp vertrieben. Anders die Haupterzählung XVI 37, 3.
     Dynasten von Herakleia:
XV 81, 5. XVI 36, 3 304/3-353/2 Klearchos, 12 Jahre.
XVI 36,3. 88,5 353/2-338/7 Timotheos. 15 Jahre.
XVI 88, 5. XX 77, 1 338,7–306/5 Dionysios, 32 Jahre.
XX 77,1 306/5 Oxathras und Klearchos, 17 Jahre.
     Karische Dynasten:
XVI 36, 2 353,2 Maussollos stirbt, 24 Jahre.
XVI 36. 2. 45, 7 353/2-351/0 Artemisia. 2 Jahre.
XVI 45, 7. 69, 2 351/0-344/3 Idrieus, 7 Jahre.
XVI 69. 2. 74, 2 344/3–341/0 Ada, 4 Jahre.
XVI -
     Mysisch-paphlagonische Dynasten (vgl. XX 111, 4:
     die Ahnherren der politischen Könige):
XVI 90, 2 337/6 Ariobarzanes, 26 Jahre.
XVI 90, 2. XX 111, 4 337/6–302/1 Mithridates, 35 Jahre.
XX 111, 4 302/1 Mithridates, 36 Jahre.
[668]
     Einzelne Ereignisse:
XI 54, 1 471/0 Synoikismos von Elis.
59, 4 471/0 Gründung von Pyxus.
XII 10, 3 446/5 Gründung von Thurioi.
22, 2 445/4 Attische Colonie Hestiaia.
32, 3 437/6 Attische Colonie Amphipolis.
34, 5 435/4 Attische Colonie Letanon.
36. 4 433/2 Gründung von Herakleia durch die Tarentiner.
XIII 1, 2 416/5 Die Athener beschliessen die sicilische Expedition.
XIII 75, 1 408/7 Synoikismos von Rhodos.
1, 2. 114, 3. XIV 2, 4 405/4 Krieg der Karthager gegen Dionys I. –Ende der attischen Hegemonie.
XIV 11, 1 404/3 Tod des Alkibiades.
XV 76, 2 366/5 Synoikismos von Kos.
XVI 7, 1 358/7 Gründung von Tauromenion.
31, 6 354/3 Methone und Pagasai von Philipp erobert (die Haupterzählung steht 34, 5).
XVI 34, 3 353/2 Orneai von den Spartanern erobert (die Haupterzählung steht 39, 4).
XVI 45, 7 351/0 Dionys II. verliert Rhegion.
52, 9 349/8 Philipps Krieg mit den chalkidischen Städten.
XVI 74, 1 341/0 Sieg des Phokion über Kleitarchos von Eretria.
XVI 88, 3 338/7 Synchronismus: Schlacht bei Chaironeia und Niederlage des Archidamos in Italien.
XIX 1, 10 311/0 Agathokles Niederlage am Himeras.
XX 2, 3 310/9 Agathokles setzt nach Africa über.
XX 29, 1 309/8 Gründung von Lysimacheia.
2, 3 302/1 Allianz der Könige gegen Antigonos.
     Litterarisches:
XI 26, 8 480/79 Akme Pindars.
37, 6 479/8 Herodot schliesst mit der Schlacht bei Mykale und der Belagerung von Sestos.
XII 36, 2 433/2 Metons Enneakaidekaeteris.
37, 2 432/1 Anfang von Thukydides Geschichtswerk.
XII 71, 2 424/3 Schluss von Antiochos Σικελικά.
XIII 6, 7 415/4 Diagoras in Athen verurteilt.
42, 5 411/0 Thukydides Werk schliesst, von Xenophon und Theopomp fortgesetzt.
XIII 103. 3. 4 405/4 Philistos I. σύνταξις; schliesst 1 mit der Eroberung von Akragas. – Tod des Sophokles und Euripides (τινές = Timaios frg. 119).
XIII 108, 1 405/4 Antimachos Akme.
XIV 11. 5 404/3 Demokrit stirbt. 90 Jahre alt,
37, 7 400/399 Tod des Sokrates.
43. 5 399/8 Erster Sieg des Astydamas.
46, 6 398/7 Schluss von Ktesias Geschichtswerk. – Akme der Dithyrambendichter Philoxenos, Timotheos, Telestes. Polyeidos.
XIV 53, 0 397,6 Erste Aufführung des j. Sophokles.
XIV 84, 7 395/4 Theopomps Ἑλληνικά schliessen mit der Seeschlacht bei Knidos.
XIV 117, 8 387/6 Kallisthenes Geschichtswerk beginnt mit dem Königsfrieden.
XV 37, 3 376,5 Schluss von Hermeias Σικελικά.
60, 3 370/69 Duris Ἑλληνικά beginnen.
76, 4 366/5 Isokrates und Aristoteles, Anaximenes und Platon, die letzten Pythagoreer,[669]
Xenophon hochbetagt, Aristippos und Antisthenes, Aischines von Sphettos. – Das massgebende Datum war vielleicht Aristoteles Ankunft in Athen 367/6 (Dionys. ad Amm. I 5), fünf Generationen nach Pythagoras Ankunft in Italien (532/1 + 166).
XV 89, 3 363/2 Xenophon schliesst mit dem Tode des Epameinondas; ebenso Anaximenes I. σύνταξις. Schluss von Philistos Geschichte Dionys II.
XV 94, 4 362/1 Beginn von Athanis Geschichte Dions.
XV 95, 4 361/0 Schluss der Geschichtswerke des Dionysodoros und Anaxis.
XVI 3, 8 360/59 Beginn von Theopomps Geschichte Philipps.
XVI 14, 3–5 357/6 Mit der Plünderung des delphischen Tempels beginnen das Buch des Demophilos und das Werk des Diyllos, schliessen Kallisthenes Ἑλληνικά.
XVI 71, 3 343/2 Theopomps sicilischer Excurs im 41.–43. Buch schliesst mit der definitiven Vertreibung Dionys II.
XVI 76, 5 341/0 Ephoros letztes Buch schliesst mit der Belagerung von Perinthos, Diyllos II. σύνταξις beginnt.
XXI 5 ? Diyllos und Psaon.
XXIII 6 ? Philemon der Komiker.
XXVI 4 ? Menodotos und Sosylos die Historiker.

Die Angaben dieses Chronographen sind im grossen und ganzen sehr zuverlässig; eine Prüfung der Ansätze kann hier nicht angestellt werden. Besonders zu beachten ist das Bemühen, eine kontinuierliche Liste von Geschichtswerken aufzustellen, mit genauer Angabe des Anfangs- und Schlusspunktes.

Die Frage nach den Gewährsmännern ist bei D. noch cardinaler als bei anderen secundären Historikern. Denn seine Bibliothek ist und will thatsächlich nichts anderes sein als eine Serie von Excerpten, die dem Leser die zeitraubende und kostspielige Lectüre der grossen Werke ersparen sollen; nur der Stil ist einigermassen auf das gleiche Niveau gebracht, doch auch das nicht vollständig, sobald man nicht Worte sucht, sondern auf die Gedanken achtet. Das Buch ist eben eine buchhändlerische Speculation, ohne jeden besonderen Anspruch, und sein Wert beruht darin, dass die eigene Arbeit des Verfassers so gering bewertet werden muss: kein Compilator der vorbyzantinischen Zeit giebt ein verhältnismässig so treues Bild von seinen Vorlagen, wie D. Ein glücklicher Umstand ist es ferner, dass D. in der Regel sich berühmte und angesehene Werke zum Plündern ausgesucht hat, nicht obscure Zusammenstellungen. So ist bei ihm die Analyse besonders sicher und erfolgreich; dass Reste bleiben, versteht sich für den Verständigen von selbst. Ich gebe im folgenden die Resultate meiner eigenen Untersuchungen. Vorarbeiten nur da citierend, wo ich ihnen wirkliche Belehrung verdanke; wer sich über die moderne Litteratur genauer orientieren will, findet das Nötige bei Wachsmuth a. a. O. Der Stoff gliedert sich von selbst in die griechische, die sicilische und die altrömische Geschichte.

Die Einleitung über die Entstehung der Welt und der menschlichen Cultur (I 7. 8) ist ein Product der allgemeinen Bildung; philosophische Theorien, [670] meistens den jüngeren Vorsokratikern angehörig, liegen zu Grunde, doch ist alles speciell Speculative, eine bestimmte, zusammenhängende Anschauung vom Kosmos Verratende consequent eliminiert. Über die Darstellung Ägyptens (I 10–98, 9) ist mein Aufsatz Rh. Mus. XL 223ff. zu vergleichen; da ich ihn nicht im ganzen Umfange aufrecht erhalten kann, gebe ich hier ganz kurz eine neue Analyse.

D. selbst gehören an die persönlichen Reiseerinnerungen I 83, 8. 9. 84, 8 Schl. und die Bestimmung der Makedonenherrschaft in Ägypten auf die Zeit von 332/1–56/5 (I 44, 4), sowie die aus dem Chronographen wiederholte Datierung der persischen Eroberung (I 68, 6), ferner die Citate von Matris (I 24, 4) und Ktesias (I 56, 5). Aus Agatharchides von Knidos Περὶ Ἀσίας (I 41, 4) sind die Capitel über den Nil (I 32–41, 9) eingelegt, vgl. Leopoldi De Agatharchide Cnidio 19ff.; der mit der Königsgeschichte nicht übereinstimmende Excurs über die ägyptischen Gesetzgeber (I 94. 95) hat sich bis jetzt auf keinen bestimmten Gewährsmann mit Sicherheit zurückführen lassen. Der weitaus grösste Teil des übrigen ist ein Excerpt aus dem Werk des Hekataios von Teos oder Abdera über Ägypten. D. führt ausdrücklich auf ihn zurück die Beschreibung des Grabes des Königs Osymandyas in Theben (I 47–49; vgl. 46, 8). In Folge der Übereinstimmung von 48, 6 mit der Schilderung des ägyptischen Gerichtswesens 75. 76 muss auch diese für Hekataios in Anspruch genommen werden, und damit die ganze ägyptische Culturgeschichte, die sich durch die durchgeführte Vergleichung ägyptischer und griechischer Institutionen als ein einheitliches Ganze erweist (I 79–82. 91–93; vgl. 76. 73. 5. 74, 7. 92, 5. 93, 3; 81, 7; 77, 5. 79, 4. 5. 92, 3). Die Analyse wird bestätigt durch die Coincidenz von I 70, 9. 11 mit dem Citat des Hekataios bei Plut. de Is. et Osir. 6, und in noch höherem Grade dadurch, dass in dieser Culturgeschichte das ethische Princip des Hekataios, die αὐτάρκεια (Antiochos von Askalon bei Clem. strom. II 130) ein leitender Gesichtspunkt ist; vgl. besonders I 70–72. 81, 4. 5. Derselbe Gesichtspunkt tritt auch in der Königsgeschichte hervor (vgl. I 43. 45); die Geschichte, welche I 45, 2 erzählt wird, entlehnt auch der Philosoph Alexinos von Hekataios (Athen. X 418 e).

Zweifellos muss auf Hekataios, der unter dem ersten Ptolemaeer Ägypten besuchte, zurückgeführt werden die Angabe der Bevölkerungszahl Ägyptens unter eben diesem Ptolemaeer I 31, 7; zum Überfluss steht das Citat, leicht verdorben, Schol. Il. IX 383 B (emendiert von v. Wilamowitz Herm. XXXIII 520, vgl. XXXV 546). Die Zahl tritt auf in Verbindung mit einer Theorie, dass die zahlreiche Bevölkerung die riesigen Bauten Ägyptens ermöglicht habe und überhaupt ein von dem Gesetzgeber und Politiker zu erstrebendes Ziel sei; und diese Theorie, die Hekataios auch in dem Bruchstück über die Juden entwickelt (Diod. XL 3, 8), kehrt an zahlreichen Stellen wieder (I 51, 6. 73, 8), speciell I 80, 5. 6 ist mit Hekataios bei Diod. XL 3, 8 zu vergleichen. Ferner verrät dies Raisonnement, dass auch der Abschnitt über die Colonien der Ägypter Hekataios angehört (I 28. 29, 1–5, vgl. 29, 5; [671] natürlich ist die skeptische Bemerkung dort D.s Eigentum); die Vergleichung von I 28, 4. 5 mit 73. 74 bestätigt auf anderem Wege das Resultat.

Für die Bevölkerungsstatistik I 31, 7 die eben auf Hekataios zurückgeführt wurde, werden ἱεραὶ ἀναγραφαί der Zeit des ersten Ptolemaeers entgegengesetzt. Noch einmal kehrt eine ähnliche Combination der ,priesterlichen Aufzeichnungen‘ mit der Zeit, die für Hekataios Gegenwart war, wieder, in der Zeitangabe I 26, 1, die wiederum auf einem chronologischen System beruht, das 44 (es ist gleichgültig, dass D. hier das Intervall, ohne es zu ändern, auf seine Zeit stellt) und 69, 6 wiederkehrt, 23, 1 und 63, 5 neben einem anderen. Darnach steht so viel fest, dass Hekataios auf ,priesterliche Aufzeichnungen‘ sich berief –sie erscheinen auch Schol. Il. IX 383 – und umgekehrt ihre Erwähnung in D.s erstem Buch ein Kriterium für Hekataios ist. So fällt zunächst die in sich zusammenhängende Königsgeschichte (I 43-68; vgl 43, 6. 46, 8. 63, 1) an diesen, sodann die Liste der Griechen, die Ägypten besucht und von dorther ihre Weisheit geholt haben (I 96–98, 9; vgl. 96, 2), endlich die Legende vom Grab des Osiris (I 21).

Diese Rückführungen ziehen andere nach sich. Zu dem chronologischen System der Priester, das Hekataios entwickelte, gehören die Theorien über die in alter Zeit viel kürzeren Jahre und die drei Jahreszeiten; dass er sich für die Kalenderwissenschaft interessierte, verraten auch die Bemerkungen 49, 5. 50, 2 und II 47, 6 (aus dem Buch über die Hyperboreer). Dazu gehören nun aber aus den Theologumena 11, 5. 12, 8. 16, 1. 22, 4 (360 Spenden im Jahr); zu letzterem Capitel ist auch die Congruenz 22, 6 = 50, 1 anzumerken, die ausserdem I 10 für Hekataios vindiciert. Der Abschnitt über den Tierdienst (I 83–90) wird durch die Anekdote aus der Zeit des ersten Ptolemaeers 84, 8 und die Coincidenz 88, 4 = 21, 9 für Hekataios gesichert.

Nicht ganz einfach liegen die Dinge in den Theologumena. Sicherlich ist Hekataios fremd und von D. anderswoher eingeführt der weinerfindende, weltbesiegende Osiris-Dionysos, dessen Darstellung I 15, 6 unvermittelt einsetzt und 15, 6-8. 17 - 20, 5 umfasst; hierzu gehört die von D. selbst ausdrücklich als Variante bezeichnete Episode über die Göttergräber in Nysa 27, 3–6; τινὲς τῶν συγγραφέων 27, 3 sind dieselben wie τινὲς τῶν μυθολόγων 13, 4. Am energischsten spricht gegen Hekataios die ganz andere Stellung, die Busiris in dieser Sage einnimmt (17, 3), im Vergleich mit dem, was Hekataios von ihm in der Königsgeschichte erzählte (45, 4), und die Übereinstimmung mit dem, was D. III 63ff. IV 2ff. aus einem mythologischen Handbuch über den welterobernden, Wein und Cultur bringenden Dionysos erzählt; vgl. unten. Dagegen dürfte der Rest zum allergrössten Teil Hekataios zuzuweisen sein; kleine Einlagen, die D. selbst nach der Osirissage gemacht hat (21, 4 τοῦ κατὰ τὴν Ὀσίριδος ἡλικίαν γενομένου, vgl. 17, 3) sind leicht zu erkennen, wie umgekehrt die verschiedenen Namen des Nil (19, 4) von ihm nach 12, 5. 51, 3. 63, 1 Zusammengestellt sind; ausserdem mag im einzelnen manches selbständig contaminiert sein, so dass eine bis aufs Wort sich erstreckende Scheidung [672] der Gewährsmänner nicht angängig ist. Einiges, das für Hekataios spricht, ist schon angeführt; wichtig ist namentlich die wiederholte Berufung auf Homer und Orpheus (11, 3. 12, 2. 4. 5. 10), als hätten diese die ägyptische Theologie gekannt; denn diese Auffassung kehrt in den Hekataios mit Bestimmtheit zugewiesenen Schlusscapiteln wieder. Osiris gründet Theben auch in dem Schol. Il. IX 383 erhaltenen Fragment des Hekataios; wenn nach Diodor. I 15, 2 die priesterliche Tradition schwankte und die Königsgeschichte anders erzählte (45, 4), so muss so wie so angenommen werden, dass Hekataios verschiedene Überlieferungen neben einander stellte, vgl. 48, 1. 43, 5f. 61, 1 = 97, 5. So dürften 11–15, 5. 16. 21. 22, 3–7. 25, 7 (vgl. 44, 1). 26, 1–5 sich mit Bestimmtheit Hekataios zuweisen lassen.

Für die assyrische und medische Geschichte (II 1, 4–34, 6) des zweiten Buches haben die vortrefflichen Aufsätze von P. Krumbholz (Rh. Mus. XLI 321ff. L 205ff. LII 257ff.) alles Wesentliche erledigt und siegreich die These durchgefochten, dass die Hauptmasse von D. direct aus Ktesias excerpiert ist. Doch fehlt es auch hier nicht an Einlagen. Nach D.s eigener Angabe (7, 3. 4) ist die Beschreibung Babylons aus Kleitarchs Alexandergeschichte ergänzt; diesem allein gehört II 10 (über die hängenden Gärten) an, wahrscheinlich auch II 11, das sicher nicht aus Ktesias ist. Aus anderen Teilen des Geschichtswerks sind wiederholt II 1, 5. 6. 5, 6. 7. 16, 3. 4. 17, 3; die Grabschrift Sardanapals (II 23, 3) wird D.s eigenem Wissensschatz entstammen, die Datierung von Kyaxares Regierungsantritt (II 32, 3) dem Chronographen. Das Citat aus Athenaios II 20, 3ff. ist von D. selbst zugefügt; der Umstand, dass ein Historiker dieses Namens sonst unbekannt ist, darf daran nicht irre machen, auch nicht zu Conjecturen verleiten. Der Abschnitt über die Chaldaeer (II 29–31) dürfte wegen der Coincidenz von 31, 9 mit Cic. de divin. I 36 Poseidonios zuzuweisen sein, für den z. B. die Bemerkung 31, 6 vortrefflich passen würde, vgl. auch 29, 2 mit Manilius I 40ff.

Die Beschreibung Indiens (II 35–42) ist längst als ein Excerpt aus Megasthenes erkannt; es genügt auf den mit Strab. XV 703ff. und Arrian. Ind. 11ff. genau übereinstimmenden Bericht über die Kasten zu verweisen, sowie auf die Coincidenzen 35, 2 = Strab. II 76; 36. 4–6 = Strab. XV 693; 37, 7 = Strab. XV 703. Arrian. Ind. 6, 2. 3; 38 = Arrian. Ind. 7. 5. 9: 39. 1. 2 = Arrian. Ind. 8, 6–8. II 37, 3 ist aus XVIII 6, 1. XVII 93, 2 flüchtig wiederholt; vgl. Krumbholz Rh. Mus. XLIV 293f.

Woher der Abschnitt über die Skythen (II 43. 44) und der – übrigens inhaltlose – über die Amazonen (II 45. 46) stammen, lässt sich nicht sagen. II 47 ist nach D.s eigener Angabe Excerpt aus Hekataios von Teos Buch über die Hyperboreer; II 48, 6–9 (über das Tote Meer) ist sicher aus XIX 95. 1f. 97. 1. 98 wiederholt (vgl. Krumbholz Rh. Mus. XLIV 291f); ebenso steht fest, dass II 49–53 (über Arabien) auf Agatharchides Περὶ Ἀσίας zurückgehen, vgl. Leopoldi De Agatharchide Cnidio 38ff. Schwierigkeiten bereiten 48, 1–5 und 54, wo disparates [673] Material von D. confus contaminiert ist; wahrscheinlich sind 54, 3–7 Agatharchides, 48, 1-5 und 54, 1. 2 dem Gewährsmann des 19. Buches zuzuweisen, vgl. Leopoldi a. a. O.; II 55–60 sind nach D.s eigener Angabe aus dem Reiseroman des Iambulos entlehnt.

Die Beschreibung Aethiopiens III 2-10 erklärt D. selbst III 11 aus Agatharchides zweitem Buch Περὶ Ἀσίας und dem achten Buch von Artemidors Erdbeschreibung excerpiert zu haben; was er von seinen eigenen Erkundigungen in Ägypten berichtet, kann man unbeschadet auf sich beruhen lassen. Dagegen kann es fraglich erscheinen, wie die Beschreibung im einzelnen auf die beiden Schriftsteller zu verteilen ist, umsomehr, da Artemidor Agatharchides wörtlich ausschrieb. Sehr wahrscheinlich ist, dass III 5–10 Agatharchides gehören, vgl. Leopoldi 32ff.; 2–4 können Artemidor zugewiesen werden, da der von Leopoldi 36 angeführte Gegengrund nicht durchschlägt, indem die Notiz Strabons XVII 790 über die Gründung Meroes durch Kambyses (vgl. Diod. III 3, 1) nicht aus Artemidor genommen zu sein braucht.

III 12–48 sind, wie die bis ins einzelnste gehende Übereinstimmung mit den Excerpten des Photios (cod. 250) zeigt, aus dem 5. Buch von Agatharchides Περὶ τῆς Ἐρυθρᾶς Θαλάσσης abgeschrieben. Aus Agatharchides können auch die Capitel 49–51 über Libyen stammen, doch lässt sich ein stricter Beweis nicht führen, vgl. Leopoldi 37f.

Mit III 52 beginnt D. mit der Manier, neben einander den mythographischen Roman des Dionysios Skytobrachion und ein mythographisches Handbuch zu compilieren, welcher Manier er in dem Rest des III. und dem grössten Teil des IV. Buches treu bleibt. Aus jenem sind genommen III 52, 4–55 (vgl. 52, 3) über die Amazonen, wovon der Abschnitt 56. 57. 60. 61 über die Theologumena der Atlantier (vgl. 54, 1) nicht getrennt werden kann, 67–73 das ,phrygische Gedicht‘ des Linos über Dionysos (vgl. 66, 5) ausser der Einlage 67, 2. 3 (vgl. Bethe Quaestiones Diodoreae mythographae 25f.), ferner IV 40–55 der Argonautenroman, wie, von D.s Selbstzeugnis III 52, 3 abgesehen, die constante Übereinstimmung mit den Citaten des D. in den Scholien zu Apollonios Argonautika ohne weiteres erweist. Dagegen dürfen die nicht selten eingestreuten Varianten (41, 3. 44, 4. 5. 47, 1 [wo D. sehr ungeschickt contaminiert hat]. 4. 48, 3. 49, 7. 54. 6. 55, 3 [falsch Bethe 18f.]. 5 [οἱ μὲν – βασιλεύσαντα, mit τινὲς δ’ ἱστοροῦσιν setzt Dionysios wieder ein], 56, 1. 3–8 [nicht direct aus Timaios, vgl. u.]) aus der vulgären mythographischen Tradition Dionysios nicht gutgeschrieben werden, sie sind vielmehr von D. aus dem mythographischen Handbuch eingesetzt; vgl. Bethe 1ff. Das mythologische Handbuch verrät sich durch die Paraphrasen von Dichterstellen, wie z. B. die Oidipussage IV 64f. in genauem Anschluss an den Prolog von Euripides Phoinissen erzählt ist (vgl. E. Schwartz De scholiis Homericis ad historiam fabularem pertinentibus, Jahrb. f. Philol. Suppl. XII), und die durchlaufende Übereinstimmung mit der ps.-apollodoreischen Bibliothek, den ilischen Tafeln, den in den Scholien verstreuten ἱστορίαι; [674] vgl. die Zusammenstellungen bei Bethe 45ff. Ihm sind zunächst mit Bestimmtheit zuzuweisen IV 25, 1. 26–28. 31–39 (Herakles). 57. 58; die schon aufgezählten Varianten, welche in das Excerpt aus Dionysios 40–55 eingestreut sind; 59–63 Theseus, 64–67 thebanische Sagen, 68 Nestors Vorfahren, 69. 70 Lapithen und Kentauren, 71 Asklepios, 72 Aiakiden, 73. 74 Pelopiden, 75 troische Herrscher. Der Stoff ist nicht genealogisch geordnet, sondern es dominiert der Gesichtspunkt, eine mythographische Einführung in den troischen Krieg zu liefern (58, 8. 67, 7. 68, 6. 71, 4. 72, 7). An und für sich wäre es D. zuzutrauen, dass erst er selbst diesen Gesichtspunkt eingeführt hätte; doch macht einiges stutzig. Die auffallende und im Texte D.s nicht vermittelte Anfügung der Lapithen und Kentauren an die bis auf Nestor herabgeführte Geschichte von Salmoneus Geschlecht findet ihre Erklärung in Il. I 262ff., wonach Nestor an dem Kampf jener teilgenommen hatte; an den Schluss der Theseusabenteuer, hinter seinen Tod, ist, wiederum ohne Begründung, der Raub der Helena und der Zug der Dioskuren gegen Aphidna, bei welchem Aithra gefangen wird (63), gestellt, offenbar im Hinblick auf Il. III 144. Demgemäss scheint es, als habe das von D. benutzte Handbuch den Sagenstoff mehr geschichtlich aufgefasst als die unter Apollodors und Hygins Namen gehenden Compilationen, welche sich damit begnügen, in die poetische und genealogische Tradition durch die Aufreihung nach Genealogien eine leidliche Ordnung zu bringen. Es steht damit im Einklang, dass bei D. öfters ein rationalistischer Pragmatismus hervorgekehrt wird, der in jenen Compilationen so gut wie ganz ausgemerzt ist; vgl. 26, 2–27. 35, 3. 47, 4. 59, 4. 70, 1. 71, 1. Der eigentliche Sitz dieses Rationalismus ist der mythographische Roman, mochte er mit gelehrtem Beiwerk von Varianten geziert sein oder nicht, der im 2. und 1. vorchristlichen Jhdt. eine sehr gepflegte Gattung war; wenn D. Dionysios und das Handbuch combinierte, im 6. Buch einen Auszug aus Euhemeros Ἱερὰ ἀναγραφή hinzufügte, so setzte er verwandte Elemente zusammen und gehorchte dem Zuge seiner Zeit; in den Scholien zu Apollonios Argonautika werden ja auch die Schwindeleien des Dionysios neben die Varianten aus der echten Sagenüberlieferung gestellt.

Neben Herakles, den gottgewordenen Helden, tritt für die pragmatische Auffassung der Mythologie Dionysos, sonderlich in hellenistischer Zeit, nachdem sich dem hellenischen Gott schon zu den Zeiten Alexanders das Ideal des welterobernden und weltbeglückenden Herrschers substituiert hatte. Es ist von vornherein anzunehmen und wird durch die Vergleichung z. B. von III 64, 3–6. 65, 7. IV 2–3, 1 mit Apollod. bibl. III 26–29. 33. 36 bestätigt, dass hinter den μυθογράφοι und μυθολογοῦντες, welchen D. zu folgen behauptet, ebenfalls das mythologische Handbuch steckt, das bei ihm auch hier seinen pragmatischen Charakter sehr viel reiner bewahrt hat als in jenem Compendium der Kaiserzeit, wo das Bestreben, die Traditionen der classischen Poesie nachzuerzählen, die hellenistischen Sagenromane auf verkümmerte Reste beschränkt hat. Der pragmatischen Sagendeutung verwandt ist die physiologische [675] Umsetzung der Theologumena; die Gegenüberstellung der φυσιολογοῦντες und μυθογράφοι III 62, 3. 63, 1 ist lehrreich für die varronische Theologie, die, ebenso wie die stoische, zum Fundament die allgemeine Bildung der hellenistischen Zeit hat. Zur rationalistischen Theologie gehört auch die Manier, verschiedene Götter zu zählen, vgl. Cic. de deor. nat. III 53 dicamus oportet contra illos etiam qui eos deos ex hominum genere in caelum translatos non re, sed opinione, esse dicunt, quos auguste omnes sancteque ueneramur. principio Ioues tres numerant ii qui theologi numerantur, womit sicher keine Philosophen gemeint sind. Sie beherrscht nächst der Zusammenstellung von ,Physiologie‘ und ,Mythologie‘ die Auseinandersetzungen über Dionysos III 63ff. IV 2 durchaus und muss dem mythologischen Compendium zugeschrieben werden, das. wie oben gezeigt wurde, in der Darstellung des dritten Dionysos nicht zu verkennen ist. In engem Zusammenhang mit der Darstellung des welterobernden und weinbringenden Dionysos III 63–66, 3. IV 2ff. steht die, dem Hekataios abgesprochene, des ägyptischen Osiris I 15, 6–9. 17–19, 3 (von Bethe 26 falsch behandelt, ein Widerspruch zwischen 19, 2 und 5 liegt bei genauem Zusehen nicht vor). 5–20, 6, die Tibull. I 7, 23ff. sehr nahe steht. Das Citat des homerischen Hymnus I 14, 7. III 66, 3. IV 2, 4 (vgl. Schol. Apoll. Arg. II 1211), das von D. nicht aus einer Stelle in die andere übertragen sein kann, da es überall mit der Darstellung organisch zusammenhängt, die Benutzung von Agroitas Λιβυκά (I 19. 1–3 = Schol. Apoll. Arg. II 1248), die in einer dem Handbuch mit Bestimmtheit zuzuweisenden Partie des 4. Buches (26, 3 = Schol. Apoll. Arg. IV 1396) wiederkehrt, lassen nicht daran zweifeln, dass neben der Darstellung des Dionysos eine des Osiris in dem Handbuch gestanden hat. Und nicht nur eine ägyptische, sondern auch eine libysche Tradition. Denn wenn auch der Dionysos des Dionysios von D. ein libyscher genannt wird (III 66, 5), so kann er ihn doch nicht allein aus jenem entnommen haben; III 74 ist von Bethe 30ff. mit Recht Dionysios abgesprochen und kann ihm schon deshalb nicht angehören, weil dieser von der Gründung der olympischen Spiele etwas ganz anderes erzählte (vgl. III 74, 4 mit IV 53, 4ff.). Andererseits ist es Willkür, zu behaupten, dass erst D. die Libyer für die Differenzierung der drei Dionysos, die mit der III 63ff. IV 2ff. vertretenen nicht übereinstimmt, verantwortlich gemacht hätte; hier liegt eine Variante des Handbuchs vor, die Bethe verkannt hat, weil er ein Handbuch statt vieler annimmt und übersieht, dass auch diese Litteratur eine Entwicklung gehabt hat. Von III 74 sind aber I 23. 24 nicht zu trennen (vgl. III 74, 4 mit I 24, 1; III 74, 6 mit I 24, 2; die I 24, 2 verfochtene Chronologie ist I 23, 1 von D. mit der des Hekataios [ὡς δ’ ἔνιοι γράφουσι] zusammengestellt, dem auch der Schlusspunkt ἕως τῆς Ἀλεξάνδρου βασιλείας entlehnt ist). Zusammen mit Dionysos sind auch die Gestalten abgehandelt gewesen, die in hellenistischer Zeit zum Kreis des Dionysos gerechnet wurden, Priap (IV 6), die Musen (IV 7), Orpheus (IV 25, dazu vgl. I 23 und die Einlage III 67, 2. 3), Kybele [676] (III 58. 59). So standen an der Spitze der Sagengeschichte Dionysos und Herakles, stark umgedeutet von der synkretistischen, über das Hellenische hinausgreifenden, eine kosmopolitische, aufgeklärte Cultur predigenden Theologie alexandrinischer Litteraten: in den Chronologien der Sagengeschichte lebt das fort (vgl. z. B. Clem. strom. I 105), während die mythographischen Handbücher der Kaiserzeit sich auf die vom Classicismus anerkannte Poesie zurückzuziehen versuchen.

Dem mythographischen Handbuch möchte ich ferner noch zuschreiben, ohne es bestimmt beweisen zu können, die halb mythographischen, halb geologischen Excurse über die Säulen des Herakles (IV 18, 4–7) und über die sicilische Meerenge (IV 85, 3-7).

Wie schon längst erkannt, ist in die grosse, dem Handbuch entlehnte Masse des IV. Buches einzelnes anderer Herkunft von D. eingelegt. Manches aus eigenem Wissen, wie IV 21, 1–4. 24, 1–6. 80. 83, 3–7; anderes durch Übertragung, z. B. IV 20 = Poseidonios bei Strab. III 165, was eigentlich zu V 39 gehört und nur darum hierher gestellt ist, um den Anschein einer selbständigen Erzählung zu erwecken, die aus eigenem Wissen Excurse einlegt. Ebenso dürfte Geffcken (Timaios Geographie des Westens = Philol. Unters. XIII 53) recht haben, wenn er mit Berufung auf V 24 auch IV 19 zu den Poseidoniosexcerpten des 5. Buches stellt; 19, 2 Schl. ist natürlich Zusatz D.s.

Wie den Roman des Dionysios, so hat D. das ἐγκώμιον Ἡρακλέους des Matris von Theben (Athen. X 412 b; vgl. v. Wilamowitz bei Bethe 41f.) mit dem Handbuch combiniert (vgl. Holzer Matris, Gymnasialprogr. Tübingen 1881). IV 8–18, 3 heben sich von der nüchternen, monoton fortschleichenden Erzählungsweise D.s durch zahlreiche Pointen sowie durch die Manier, die Darstellung durch Sentenzen zu unterbrechen, deutlich ab, der Kentauren- und Amazonenkampf (IV 13. 16) verraten durch erfundene Namen einen mit dem Epos wetteifernden Rhetor; dass dieser Rhetor Matris ist, verrät D. selbst durch das gemäss seiner Gewohnheit I 23, 4 (= IV 10, 1) eingelegte Citat. Warum er diesen Gewährsmann 18. 3 verlassen hat. ist unerfindlich.

Neben Matris ist Timaios herangezogen (vgl. O. Sieroka Die mythographischen Quellen für Diodors III. und IV. Buch, Gymnasialprogr. Lyk 1878). Nachweislich ist aus ihm entlehnt IV 22, 5 (vgl. Antigon. 1. 2) und IV 84 (= Parthen. 29); zuzugeben ist ferner, dass die rhetorischen Floskeln IV 81, 5. 82, 3 so stark an ähnliche Geschmacklosigkeiten des Timaios erinnern, dass auch IV 81. 82 (über Aristaios) mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf jenen zurückgeführt werden können. Aber ich fürchte, dass Geffcken (a. a. O. 52ff.) auf Grund dieser Stellen die Benutzung des Timaios im IV. Buch zu weit ausgedehnt hat. IV 21, 5–7 citiert D. selbst am Schluss Timaios: μυθολογοῦσί τινες οἷς καὶ Τιμαῖος ὁ συγγραφεὺς ἠκολούθησεν. Man brauchte an und für sich durch diese Floskel sich nicht abschrecken zu lassen, die ganze Stelle direct auf ihn zurückzuführen, wenn nicht die Namensform Οὐεσουούιος, die gar nicht nach dem 3. Jhdt. aussieht, bedenklich machte. Noch mehr Zweifel [677] erregt das Citat IV 56, 3. Nach ihm muss man annehmen, dass Timaios die Argonautenfahrt so construierte, dass sie bis zu den Quellen des Tanais ging, die Argo dann bis zum nördlichen Ocean getragen wurde, wie in der gewöhnlichen Erzählung vom südlichen Ocean durch Libyen bis zum Mittelmeer, und durch die Meerenge bei Gades wieder ins Mittelmeer gelangte. Das ist aber nach Schol. Apoll. Arg. IV 284 genau die Hypothese des Skymnos, nicht des Timaios. Dagegen wird die Meinung, die im 3. und 2. Jhdt. die gewöhnliche war und die in den mirab. auscult. 105, einem Capitel, das innerhalb einer Reihe sicherer Excerpte aus Timaios steht und mit dem Citat Schol. Apoll. Arg. IV 786 übereinstimmt, sehr gelehrt verfochten wird, die Meinung, dass die Argonauten durch den Istros aus dem Pontos ins adriatische Meer gekommen wären, bei D. durch einen Hinweis auf römische Entdeckungen (IV 56, 7f.) gestützt, den Timaios zuzuschreiben platterdings unmöglich ist. Die complicierte Lösung der Schwierigkeit, welche Geffcken 92ff. vorschlägt, leuchtet wenig ein. Vielmehr wird darauf Gewicht zu legen sein, dass das Citat bei D. Timaios aus einer Anzahl ungenannter Gewährsmänner heraushebt: οὐκ ὀλίγοι γὰρ τῶν τε ἀρχαίων συγγραφέων καὶ τῶν μεταγενεστέρων ὧν ἐστι καὶ Τίμαιος. Lag D. eine Variantensammlung vor, in der auch Timaios vorkam, so wird begreiflich, was bei directer Benutzung unverständlich wäre, dass er den ihm und seinem Publicum wohlbekannten Namen herausgriff, nur als Vertreter der jüngeren Epoche im Gegensatz zu den ,Alten‘, nicht um das Folgende bis aufs Wort ihm zuzuweisen. Das zwingt weiter zu dem Schluss, dass D. zwar Timaios gelesen und in Händen gehabt – vgl. unten über das V. Buch –, daneben aber auch indirect benutzt hat: IV 56, 3f. gehört, wie die Übereinstimmung mit den Apolloniosscholien verrät, zum Handbuch, ebenso auch 4 IV 21, 5-7 und das Citat 22, 6. Damit fällt die Hypothese, dass IV 21, 5–24, 1. 7–25, 1. 29. 30 von D. direct aus Timaios eingelegt wären; es ist vielmehr ein Stück des Handbuchs, in dem allerdings Timaios stark benutzt ist. Es entspricht durchaus den sonst nachgewiesenen Unterschieden dieses hellenistischen Compendiums von denen der Kaiserzeit, wenn eine Modernisierung des Geryonesabenteuers hier Eingang gefunden hat, dort wieder eliminiert ist; auch der Rationalismus, der für das Handbuch D.s charakteristisch ist, findet sich wieder. Dass schon auf Römisches Rücksicht genommen wird, ist sehr beachtenswert.

Etwas anders liegen die Dinge in den sicilischen Capiteln IV 76–79. 81–83, 4, 84. 85. Hier ist freilich die Wahrscheinlichkeit directer Benutzung des Timaios nicht unerheblich grösser: zu den schon hervorgehobenen Indicien timaeischer Schreibweise gesellt sich 76, 6. Andererseits will es mir nicht glaublich erscheinen, dass Timaios den ganzen vulgären Mythus von Daidalos erzählt haben sollte, und die Gegenüberstellung der pragmatischen und poetischen Version der Ikarossage IV 77, 5–9 sieht sehr nach einem Handbuch aus. Sollte es nicht das wahrscheinlichste sein, dass D., wie er in der zweiten Hälfte des Inselbuchs Compilationen localer Sagen vor sich gehabt haben muss, so auch hier eine solche von sicilischen [678] Mythen benutzt hat, die naturgemäss im wesentlichen, wenn auch nicht ausschliesslich, aus timaeischem Gut zusammengestellt war?

Das V. Buch, von D. selbst nach seinem vorwiegenden Inhalt νησιωτική genannt, beginnt mit der Schilderung des Westens. Hier hat Müllenhoff Deutsche Altertumskunde I die Gewährsmänner bestimmt: 2–23, also die Beschreibungen von Sicilien, den liparischen Inseln, Ustica, Malta, Elba, Corsica, Sardinien, den Pityusen und Balearen, der sog. seligen Insel im Westmeer, Britannien und der Bernsteininsel Basileia, sind mit Ausnahme von 10 und einigen kleinen, leicht kenntlichen und nichtssagenden Zusätzen D.s aus Timaios entlehnt, 24–40 über Gallier, Iberer, Ligurer und Tyrrhener aus Poseidonios. 41–46 über die Inseln der Panchaeer sind aus Euhemeros Ἱερὰ ἀναγραφή excerpiert, ein Gegenstück zu der Epitome des Romans des Iambulos. 47–81 enthalten dürftige Archaeologien der griechischen Inseln; für Kreta giebt D. selbst (V 80, 4) an, dass er den ,Theologen‘ Epimenides mit einer Compilation aus Dosiades, Sosikrates, Laosthenidas verschmolzen hätte; eine ähnliche Zusammenstellung scheint ihm für Rhodos vorgelegen zu haben, für dessen Archaeologie er sich auf Zenon beruft (V 56, 7). Im übrigen sind die Gewährsmänner nicht zu bestimmen; Bethes Versuch (Herm. XXIV 402ff.) ist missglückt (vgl. o. Bd. I S. 2866ff.).

Von Buch VI–X sind nur Bruchstücke erhalten. Das VI. Buch bildete den Schluss der vortroischen Geschichte [I 4, 6]; es gab zunächst einen Auszug aus Euhemeros Umbildung der theogonischen Mythen, dann die Theogonien Hesiods, Homers und des Orpheus (Euseb. praep. ev. II 2, 52ff.), d. h. die Fortsetzung des im IV. Buch benutzten Handbuchs; von diesem Teil ist nur wenig und Unbedeutendes erhalten.

Vom VII. Buch an lassen sich die Fragmente auf die einzelnen Bücher nicht mehr verteilen, da die constantinischen Excerpte die Buchzahlen nicht beifügen. Da die Ausgaben verkehrterweise die Fragmente nicht durchzählen, sondern sie ohne jedes äussere Zeugnis auf einzelne Bücher verteilen, muss ich die fictiven Citate beibehalten, will aber vor den Buchzahlen ausdrücklich gewarnt haben. Im VII. Buch lassen sich die Bruchstücke mit den Orakeln über die lykurgische Verfassung durch Vergleichung von 12, 3 mit Strab. X 480 auf Ephoros mit Bestimmtheit zurückführen. Übrigens bemerke ich nebenbei, dass in dem viel erörterten Orakel 12, 6 (vgl. jetzt v. Wilamowitz Abh. d. Gött. Akad. Wiss. N. F. IV 107ff.) die Verse 5. 6 als Interpolation zu entfernen sind; 7 und 8 bekommen erst Sinn, wenn sie auf die Könige bezogen werden (vgl. Xen. de rep. Lac. 15. 7). Dagegen hat D. den ersten messenischen Krieg nicht nach Ephoros, sondern nach Myron von Priene erzählt, auf den VIII 7–9. 12. 13 sich mit Bestimmtheit zurückführen lassen (Herm. XXXIV 455f.).

In IX 1–15 liegen die Reste einer rhetorischen Behandlung der sieben Weisen vor, die dem biographischen Material bei Diogenes I und Hermippos bei Plutarch im Solon nah verwandt ist (vgl. v. Wilamowitz Aristoteles und Athen I 266): eine bestimmte Identification ist nicht [679] möglich. In 26 tritt wieder eine sichere Spur von Ephoros auf, vgl. frg. 101: eine zweite Coincidenz liegt 32 = frg. 100 vor. Da ferner Herodot ganz ähnlich benutzt ist, wie in den sicher auf Ephoros zurückgehenden Teilen des XI. Buchs, darf man wohl 16. 17. 20, 1–4. 22-29 (22–23 liegt durch Ephoros Vermittlung Ktesias vor, der Kyros Jugendgeschichte strich). 31–37 auf jenen zurückführen. Die Doppelerzählungen 2 34. 4 20, 4 erklären sich durch den Wechsel des Gewährsmannes.

X 1–12 gehen eine Darstellung der Pythagoraslegende, die augenscheinlich stark Aristoxenos benutzt (2, 4 = Diog. I 118. 4, 1. 2 = Iambl. vit. Pyth. 289. 4, 3–6 = Porphyr, vit. Pyth. 59ff. Iambl. 234. 7, 4 = Iambl. 197. 11 = Iambl. 248ff.); doch ist directe Abhängigkeit D.s schon durch das Kallimachoscitat 6, 4 ausgeschlossen. Dagegen stimmt die rhetorische Manier bis in einzelne Züge hinein (vgl. 9, 8 mit IX 10, 4; 9, 1 mit IX 10, 3) mit der früher benutzten Schrift über die sieben Weisen; es wird dasselbe Buch desselben Schriftstellers zu Grunde liegen. Der Rest wird, soweit nicht Sicilien in Frage kommt, Ephoros zuzuweisen sein; 32 = Schol. Aristid. p. 515, 22; daneben ist das Verhältnis zu Herodot zu beachten. Zweifelhaft bin ich über 17. 18, die wegen Diog. IX 26 nach Philosophenbiographie aussehen.

Die dritte und vierte Pentade sind wiederum vollständig erhalten. In der dritten, welche die Zeit von der Invasion des Xerxes bis zur Thronbesteigung Philipps umfasst, sind die griechischen Partien ein fortlaufendes Excerpt aus Ephoros. Diese, von Ed. Cauer zuerst aufgestellte, dann von Volquardsen (Unters. über die Quellen der griech. und sicil. Gesch. bei Diodor. XI–XVI, Kiel 1868) und Collmann (De Diodori Siculi fontibus, Diss. Leipz. 1869) durchgeführte Hypothese hat sich gegen alle Angriffe gehalten (Litteratur s. bei Busolt Griech. Gesch. II² (622. III 15). Die Übereinstimmung mit den anderweitig erhaltenen Bruchstücken, und zwar auch mit grösseren und eigentümlichen, läuft durch: Ephor. frg. 111 = XI 1, 4. 5; frg. 112 = XI 27, 2; frg. 114 = XI 54, 4; frg. 116 = XI 60, 5. 6. 61, 3; frg. 117 = XII 28, 3; frg. 127 = XIV 13; frg. 134 = XIV 98, 2; frg. 138 = XV 5, 4; frg. 140 = XV 32, 1. Es giebt nicht den Ausschlag, fällt aber immerhin ins Gewicht, dass Kyme ungewöhnlich häufig erwähnt wird (vgl. Strab. XIII 623); am meisten beweisen Stellen wie XI 8, 5. XIII 73, 3. XV 18; daneben lassen sich noch anführen XI 2, 3. XIII 93, 3, 99, 6. 100, 4. XIV 35, 6. 79, 3. XV 2, 2.

Die Möglichkeit liegt hiernach immer noch vor, dass D. zwar im wesentlichen die Tradition des Ephoros wiedergab, ihn aber nicht direct benutzte: dieser Ausweg wird abgeschnitten dadurch, dass D. ihn neben dem Chronographen citiert; er notiert in solchen Fällen Discrepanzen zwischen seinen Gewährsmännern, die er selbst beobachtet hat. Solcher Art sind die Citate XIV 11, 1 – das ist wichtig wegen der Concordanz mit XIV 22, 1; hier kehrt in dem Bericht über Kyros Aufstand die eigentümliche Manier wieder, Tissaphernes, der erst 23, 6 auftritt, auszuschalten und für ihn Pharnabazos einzusetzen, welche die ganze Erzählung [680] des ionischen Krieges bei D. entstellt; offenbar liegt eine Verschiebung des Ephoros vor –; XV 60, 5, wo ἔνιοι den Chronographen bezeichnet (vgl. 61, 2) ebenso wie XIV 92, 4 vgl. 3 = XV 19, 2. Die Contamination des Ephoros mit dem Chronographen hat veranlasst, dass die Regierungsjahre des Amyntas zweimal, XIV 89, 2 zu 394/3 und 92, 3 zu 393/2 notiert werden, obgleich nur die frühere Angabe richtig sein kann, vgl. XV 60, 3. XIII 41, 3 wird die Anführung eines Epigramms, XIV 22,2 [= 23,2] eine Zahlenangabe durch ein ausdrückliches Citat des Ephoros gedeckt; letztere ist von Ephoros aus Ktesias (Plut. Artax. 13) entnommen, und so lässt sich die ebenfalls aus Ktesias (Plut. a. a. O.), nicht aus Xenophon (vgl. anab. II 1, 7) herrührende Notiz über Phalinos Herkunft zum Beweis dafür verwerten, dass der Zug des Kyros und der Rückzug der Zehntausend aus Ephoros entlehnt sind. Schwierigkeiten hat das Citat XII 41, 1 bereitet αἰτίαι μὲν οὖν τοῦ Πελοποννησιακοῦ πολέμου τοιαῦταί τινες ὑπῆρξαν, ὡς Ἔφορος ἀνέγραψε (falsch behandelt von Vogel Rh. Mus. XLIV 532ff.). Das bezieht sich zurück auf 38, 1; es ist unzulässig, es mit der conventionellen Übergangsformel 38, 4 zu verbinden und 38 auszuschalten. Freilich schliessen die 38 und 39 berichteten Geschichten einander aus und sind durch den Schluss von 38, 4 ungeschickt verbunden; man erwartet, dass auf die Formel 38, 4 die Geschichte des megarischen Psephisma sofort folgt, die erst 39, 1 in ungenauer und flüchtig skizzierter Form einsetzt. Mit dieser ist aber der Process des Pheidias durch die 40, 6 zweifellos von Ephoros citierten Verse Aristoph. Ran. 603ff. unzertrennlich verbunden, so dass 39, 4 nicht eingeschnitten werden kann. Hätte aber D. 38 selbständig mit dem Excerpt aus Ephoros vereinigt, so würde er den Wechsel des Gewährsmannes bezeichnet haben, wie er es bei der Contamination des Ephoros mit dem Chronographen zu thun pflegt; der schlechte Übergang 38, 4 erklärt sich einfacher durch die Annahme, dass D. die ausführliche, mehrfache Traditionen neben einander stellende Darstellung des Ephoros kürzte und dessen vergleichende Raisonnements durch eine nichtssagende Formel ersetzte. Die doppelte Angabe über den Bundesschatz 38, 2 und 40, 2 (= Thuk. II 13, 3) kehrt in gleicher Doppelgestalt bei Isokrates wieder (Keil Anonymus Argentinensis 33ff.); das spricht nicht gegen, sondern für Ephoros. Περικλεῖ 38, 2 und Περικλῆς ὁ Ξανθίππου 39,1 ist keine Incongruenz, die etwas bewiese; dann könnte man z. B. auch annehmen, dass XII 83, 4 Νικίας ὁ Νικηράτου für die Frage nach dem Gewährsmann etwas ausmache, oder XIII 15, 1 der überflüssige Zusatz ὁ τῶν Ἀθηναίων στρατηγός zu Νικίας; die feierliche Namensform ist XII 39, 1 gewählt, weil folgt ἐπιμελητὴς ἦν καθεσταμένος. Dass D. für den ganzen Abschnitt sich auf Ephoros beruft, obgleich er ihn ebenso vorher wie nachher ausschreibt, ist ebenso wie die schon angeführten Citate XIII 41. 3 und XIV 22, 2 zu erklären aus der stehenden Gewohnheit der antiken Historiographie, dann zu citieren, wenn die eigene Verantwortung abgelehnt werden soll; und dies lag für D. besonders nahe, wenn Ephoros selbst den Klatsch der Komoedie mit anderem Klatsch [681] zusammengestellt hatte. Keils Bemerkungen a. a. O. 34 sind auf Praemissen gegründet, die nicht tragen; weder braucht Iustin. II 15, 2 wörtliche Übersetzung der Phrase bei Diod. XI 40, 4 zu sein noch Ephoros das Wort ἀποδοχή so gemieden zu haben wie die Redner, deren Purismus für die isokrateischen Historiker des 4. Jhdts. kein ohne weiteres zu acceptierender Massstab ist.

In den Büchern XI–XV finden sich öfters ἐγκώμια und ψόγοι von Persönlichkeiten und Thaten, wie sie sonst in dieser Form bei D. (was er XI 46, 1 behauptet, wird durch ihn selbst widerlegt) nicht vorkommen (XI 12 die Thermopylenkämpfer, 46. 47 Pausanias und Aristeides, 58, 4–59, 3 Themistokles, 82 Myronides Sieg bei Oinophyta, XV 81 Pelopidas, 88 Epameinondas; auch die vorgreifenden Betrachtungen XIII 37. XV 39. 79 gehören hierher); da Polybios in solchen Betrachtungen eine Stärke des Ephoros sieht (XII 27, 10 ὁ γὰρ Ἔφορος . . . δεινότατός ἐστιν ἐν ταῖς παρεκβάσεσι καὶ ταῖς ἀφ’ αὑτοῦ γνωμολογίαις καὶ συλλήβδην ὅταν που τὸν ἐπιμετροῦντα λόγον διατιθήται), wird es wahrscheinlich, dass D. auch diese Einlagen aus Ephoros übernommen hat.

Während die grosse Masse der sicilischen Geschichten nicht aus Ephoros genommen sein können, wie die Widersprüche mit den Fragmenten zeigen (vgl. z. B. frg. 111 mit XI 21, 1; Strab. VI 260 mit XII 20), weist die Erzählung der grossen attischen Expedition die gleiche, im kleinen verschiebende und verflachende Abhängigkeit von Thukydides auf, die sich durchgehend in den griechischen, aus Ephoros excerpierten Partien findet; die gelegentlich eingesprengten Zusätze zu Thukydides erklären sich daraus, dass Ephoros diesen aus Philistos ergänzte (vgl. Ephoros). So werden auch XII 82, 3-84, 3. XIII 2–6, 6. 7, 1–8, 8. 9. 2–19, 5. 33, 1 Ephoros zuzuweisen sein; ob die beiden Reden des Nikolaos und Gylippos XIII 20-32 eigenes Fabricat D.s oder aus Ephoros übernommen sind, lässt sich nicht ausmachen und ist ziemlich gleichgültig; doch sprechen die starken Berührungen mit Isokrates (vgl. Diod. XIII 21, 3 mit Isokr. VIII 86; 26, 3–27, 2 mit IV 38ff. 54ff. 49f.) für Ephoros; stilistische Umbildung durch D. muss natürlich zugegeben werden.

Je ausführlicher, mit unleugbarer Anlehnung an den in Plutarchs Dion vorliegenden Bericht des Timonides von Leukas der Anfang der dionischen Revolution XVI 6. 1–5. 9–13. 16-20 erzählt ist, um so mehr muss auffallen, dass die Erzählung nicht mindestens bis zum Tode Dions fortgeführt wird; dieser wird vielmehr nur in einer chronographischen Einlage XVI 31, 7 (vgl. 36. 5) kurz erwähnt und die ausführliche Darstellung setzt erst XVI 65 mit der Geschichte Timoleons wieder ein. Das findet eine einfache Erklärung darin, dass Ephoros letztes Buch, das 29. – den Nachtrag des Demophilos kennt D. nicht – mit 356/5, dem Jahr der dionischen Expedition, schloss; bestätigend greift ein die Concordanz von XVI 16, 3 mit dem, was Plut. Dion 35 über Ephoros Darstellung von Philistos Ende bemerkt. Fraglich ist nur, wie weit die Benutzung des Ephoros nach oben hin auszudehnen ist. XIV 13. 4 stimmt zu dem Citat aus Ephoros vorletztem Buch bei Steph. s. Φάρος (= Skymn. 426f.). XV 7 steht in auffallendem Widerspruch zu XIV 109, passt aber [682] gut zu XV 74. Die Erzählung der sicilischen Dinge ist im XV. Buch viel kürzer und summarischer als in den vorhergehenden; die Jahre 383/2 -368/7 werden ausgefüllt mit den Unternehmungen des Dionys in der Adria und Etrurien (13. 14), der flüchtigen Skizze des letzten Karthagerkriegs (15–17), der Pest in Karthago und dem libyschen Aufstand (24), endlich dem Ende des Dionys (73. 74), das unmittelbar an den libyschen Aufstand anschliesst, obgleich nach D.s Verteilung zehn Jahre dazwischen liegen. Das begreift sich alles am leichtesten, wenn D. im XV. Buch seinen ausführlichen Gewährsmann für die sicilische Geschichte verliess und zu der kürzeren Darstellung des Ephoros überging.

Eine ähnliche Beobachtung lässt sich an der Erzählung des phokischen Krieges machen. Es ist längst aufgefallen (vgl. Schaefer Demosthenes I² 495), dass über den Anfang dieses Krieges bei D. ein doppelter Bericht vorliegt, auch schon vermutet, dass ein Wechsel des Gewährsmannes dies Übereinanderschieben veranlasst hat. Nun liegt aber die Fuge nicht an einem historisch bedeutsamen Punkt, sondern mitten in der Erzählung, XVI 25, 3 (vor den Worten μετὰ δὲ ταῦτα); vgl. 23, 2 29, 2. 3; 24, 1. 2 29, 4; 24, 2 28, 1; 24. 4 28, 3; 24. 5 27, 3. 4; 25, 1. 2 30. 1–3; 25, 2. 3 31, 1. 2. Der erste Bericht bricht also kurz nach der Besetzung Delphis durch die Phoker ab, der zweite setzt mit dieser ein und zwar so, dass deutlich zu sehen ist, wie D. ausser stande war, die beiden Berichte so auszugleichen, dass sie glatt an einander schlossen. Offenbar musste er auf den ersten verzichten, weil dieser nicht weiter reichte, und da drängt sich allerdings die Vermutung wiederum auf, dass es der des Ephoros war, dessen Fortsetzer Demophilos mit der Besetzung und Plünderung des Heiligtums durch Philomelos begann (Diod. XVI 14, 3 aus dem Chronographen). Ist diese Combination richtig, so zwingt sie den weiteren Schluss auf, dass D. den von Demophilos verfassten Anhang des ephorischen Geschichtswerkes nicht kannte; denn der Sohn wird schon dafür gesorgt haben, dass seine Fortsetzung an das Werk des Vaters richtig anschloss. Dazu stimmt, dass XVI 64 mit einem Bruchstück des Demophilos (Athen. VI 233 a) nicht zusammenzubringen ist.

Woher nun aber D. den grösseren Teil des XVI. Buches genommen hat, wird sich schwerlich bestimmen lassen. Nur eine sichere Thatsache muss scharf betont werden: die Darstellung der Geschichte Philipps hängt mit der Rhetorenschule direct zusammen. Wiederholt wird Demosthenes geradezu paraphrasiert; am auffallendsten 84, 2–5, wo die berühmte Stelle der Kranzrede (169ff.) zu Grunde liegt: ferner vgl. 54, 2 = Demosth. XVIII 6; 55 = Demosth. XIX 192ff. 85, 4 wird Demosth. XVIII 136 citiert und in einen falschen Zusammenhang gerückt (vgl. Plut. Dem. 18. Schaefer Demosthenes II² 377); der Irrtum war bei den Rhetoren tralaticisch, wie Aristeides Declamationen (38. 39) beweisen, die niemand direct mit D. zusammenbringen wird. 88, 2 wird ein ganzer Satz aus Lykurgs Rede gegen Lysikles ausgeschrieben. So etwas ist einem Geschichtschreiber aus guter hellenistischer Zeit nicht zuzutrauen, welche wohl Aussprüche der Redner, wie z. B. Kleitarch bei [683] Diod. XVII 4, 8, aber nicht die herausgegebenen Reden citieren. D. muss das Machwerk irgend eines rhetorischen Schulmeisters vor sich gehabt haben, aus einer Zeit, in der die dem 3. Jhdt. noch fremde, politisch und ästhetische Anbetung des Demosthenes sich ausbildete (vgl. Cic. de orat. I 88). Einem derartigen σοφιστής steht auch die Ignoranz gut, welche in die Paraphrase der Kranzrede 169ff. das Theater als Ort der attischen Ekklesie einsetzt und die Entfernung von Elateia an die attische Grenze auf nur zwei Tage schätzt (84, 3. 5). Dass 64 ein Anklang an Phylarch (frg. 60) sich findet, führt ebensowenig weiter wie der deisidaemonische Apparat, der in der Darstellung des Phokerkriegs in Bewegung gesetzt wird; der ist nichts individuell Charakteristisches.

Im XVII. Buch ändert sich der Stil merklich, nicht der sprachliche, sondern der der Erzählung; wenn auch starke Kürzungen und die nüchterne Mittelmässigkeit des diodorischen Satzbaus viel weggewischt haben, so schimmert doch noch so viel durch, dass ein mit sehr grellen Farben ausgestattetes Original vorausgesetzt werden muss; ausmalende Einzelschilderung und sentenziöse Aufgeregtheit sind für dieses charakteristisch gewesen (vgl. z. B. 12, 2. 13. 25, 4. 30, 6. 34, 8. 35, 5–36, 5. 44, 1–3. 58, 5. 70, 4–6. 72, 6 u. s. w.). Die von D. wiedergegebene Tradition hängt zweifellos mit der von Curtius und Iustin vertretenen zusammen, und es bleiben auch dann, wenn man, wie es unbedingt nötig ist, die Veränderungen abzieht, die jene gegenüber D. aufweisen, eine grosse Menge naher, ja wörtlicher Übereinstimmungen übrig, die zu dem Schluss zwingen, dass derselbe Gewährsmann, dem D. folgte, auch den Grundstock der von Curtius und Iustin wiedergegebenen Darstellungen geliefert hat (vgl. Bd. IV S. 1873f.). Zwei bestimmte Citate sprechen dafür, diese Congruenzen – nicht mehr – auf die Alexandergeschichte des Kleitarchos von Alexandreia zurückzuführen; Curt. IX 9, 15 = Diod. XVII 102, 6; Diod. II 7, 3. 4 = Curt. V 1. 26. Dies Indicium verstärkt sich zum Beweis dadurch, dass die Übereinstimmungen zwischen D. und Citaten Kleitarchs sich häufen, frg. 1 a = XVII 14, 4; frg. 5 = XVII 72; frg. 8 = XVII 75, 7 (das von Demetrios de eloc. 304 getadelte κατανέμεται kehrt bei D. als ἐπινεμόμενον wieder); frg. 9 = XVII 77; frg. 14 = XVII 90, 5. 6; frg. 10 = XVII 90, 1-3; frg. 21 = XVII 108, 5. 6. Umgekehrt scheinen allerdings zwei Fragmente zu widersprechen. Nach dem indirecten Citat Curt. IX 5. 21 (auctor est Clitarchus et Timagenes) war bei Kleitarch Ptolemaios bei dem Sturm auf die Mallerfeste, bei dem Alexander verwundet wurde, dabei; D. (XVII 98. 99) erwähnt ihn nicht. Das kann einfach auf Kürzung beruhen: nichts hindert zu vermuten, dass in den ἕτεροι πλείους ἐπιφανέντες (99, 4) Ptolemaios steckt, so wenig wie etwas zwingt, Kleitarch für den Schriftsteller zu halten, gegen den Arrian. VI 11, 8 mit Rückbeziehung auf seine eigene Darstellung VI 10, 1 polemisiert. Gravierender ist, dass dem Zeugnis des Plinius III 57 Theophrastus, ante quem, nemo mentionem habuit (Roms), urbem dumtaxat a Gallis captam dixcit, Clitarchus ab eo proximus legationem tantum ad Alexandrum missam bei D. nichts entspricht; [684] unter den Völkern, die an Alexander Gesandte schickten, werden XVII 113, 2 die Römer nicht aufgezählt, während bei der keltischen Gesandtschaft hinzugefügt wird ὧν τότε πρῶτον τὸ γένος ἐγνώσθη παρὰ τοῖς Ἕλλησιν. Darnach könnte man geneigt sein, die Frage in der Schwebe zu lassen und nur im allgemeinen einzuräumen, dass die bei D. vorliegende Überlieferung in noch höherem Grade als die bei Curtius und Iustin von Kleitarch heeinflusst sei, wenn nicht das ausdrückliche Citat entgegenstände, das D. II 7, 3 (ὥς φησι Κτησίας ὁ Κνίδιος, ὡς δὲ Κλείταρχος καὶ τῶν ὕστερον μετ’ Ἀλεξάνδρου διαβάντων εἰς τὴν Ἀσίαν τινὲς ἀνέγραψαν) bei einer Einlage in sein Excerpt aus Ktesias angebracht hat; es ist seine Art, die von ihm direct benutzten Gewährsmänner in dieser Weise an anderer Stelle vorzuführen. Auch XI 58, 1 stellt er die kleitarchische (frg. 24) Version vom Tod des Themistokles der des Ephoros gegenüber, nur nennt er hier den Namen nicht. Darnach trage ich kein Bedenken, D.s XVII. Buch auf Kleitarch direct zurückzuführen. Die gelegentlich auftretenden Varianten (23, 1. 65, 5. 73, 4. 117, 5) machen mich um so weniger irre, als sie bei Curtius wiederkehren (V 2, 8. X 10, 14; zu 23, 1 und 73. 1 fehlen die entsprechenden Partien). Die Stelle des Plinius dürfte durch die Annahme zu beseitigen sein, dass fälschlich eine römische Gesandtschaft an Stelle der gallischen gesetzt ist; Kleitarch hatte nach Ausweis von frg. 20, das C. Müller falsch mit Curt. IX 9 zusammenbringt, von den Kelten gesprochen, und zu beachten ist jedenfalls, dass Arrian (VII 15, 5) für die römische Gesandtschaft nur jüngere Zeugen beibringt.

Über den Gewährsmann der in den Büchern XVIII–XX vorgetragenen Diadochengeschichte ist nicht ins Reine zu kommen. Die Erzählung sticht, durch ihre Sachlichkeit – flüchtiges Excerpieren D.s darf nicht irre machen – sehr erheblich vom XVII. Buche ab. Es ist bei D. unerhört, dass die Kriegsereignisse so präcis durch die Angabe der Winterquartiere geschieden werden, wie es in diesen Büchern fast regelmässig geschieht (XVIII 25, 322/1; 40. 1, 321/0; XIX 12. 1. 15. 6, 318/7; 34, 8. 37, 1. 39, 1. 44, 4. 46, 1, 317/6; 56, 5, 316/5; 69. 2, 314/3; 77, 7. 80, 5. 313/2; XX 28, 4 [?]. 109. 111, 3. 112, 4. 113, 5. 302/1). Urkunden werden direct mitgeteilt (XVIII 56) oder schimmern durch die Darstellung deutlich hindurch (XVIII 10. 57. 58. XX 84, 3). Beachtenswert sind die scharfen Charakteristiken der Phila (XIX 59) und des Demetrios (XIX 81. 92), ferner die politische, nicht rhetorische Färbung der Sentenzen (XVIII 67, 5. XIX 48, 4. 81, 3. 95, 7. XX 51, 5). Die Darstellung ist wesentlich nach Eumenes, Antigonos und Demetrios orientiert; von Ptolemaios, Seleukos und gar von Lysimachos wird kaum etwas berichtet, wenn sie nicht mit jenen zusammenstossen; vor allem stehen sich die diodorischen und plutarchischen Berichte über Eumenes – nicht über Demetrios – so nahe (XVIII 31 = Plut. Eum. 7. XVIII 37, 1. 2 = Plut. 8. XVIII 42 = Plut. 11. XVIII 50, 4. 53, 5 = Plut. 12. XVIII 58, 1. 60. 61, 1. 2. XIX 24. 2. 3 = Plut. 13. XIX 18, 6. 7 = Plut. 14. XIX 34, 7. 8. 37. 38 = Plut. 15. XIX 41–43 = Plut. 16. 17. XIX 44, 2. 48, 3. 4 = Plut. 19), dass [685] mindestens indirect der gleiche Gewährsmann dahinter stehen muss. Das würde alles sehr für Hieronymos von Kardia sprechen, und es ist kaum zu bezweifeln, dass sehr viel auf ihn zurückgeht; aber es ist so gut wie unmöglich, D.s Erzählung für ein directes Excerpt aus ihm zu halten. Eine Concordanz mit Duris (XIX 44, 4. 5 = frg. 25) würde nicht so sehr ins Gewicht fallen; bedenklicher stimmt die Erwähnung des Historikers Marsyas (XX 50, 4), und entscheidend ist für mich; die geographische Übersicht von Asien XVIII 5. 6, in welcher nicht nur Megasthenes (6, 2 = Strab. XV 702) benützt ist, sondern die das eratosthenische Weltbild voraussetzt; daneben stehen freilich deutliche Spuren der Epoche Alexanders, die Namen Tanais = Iaxartes und Kaukasos = Hindukusch-Himalaya und die erst durch Eratosthenes verdrängte Auffassung, dass das Kaspische Meer ein Binnensee sei. Auch dies verrät, dass bei D. ein Gewährsmann vorliegt, der einen Autor aus der Diadochenzeit leicht überarbeitet hat.

Von den sicilischen Geschichten, deren getreue Nacherzählung zu rechtfertigen Holm (Gesch. Sicil. II 340ff.) nicht gelungen ist, muss zunächst die Einlage XII 9–21 über die Gesetzgeber Charondas und Zaleukos abgesondert werden. Das Citat Philemons (XII 14, 2) und eine sichere Anspielung auf die hellenistische Rhetorik (XII 16, 4) weisen allein schon auf späten Ursprung; merkwürdig ist der Panegyricus auf die Grammatik XII 13. Die Variante XII 19, 2 ist von D. als selbständige Erzählung XIII 33 wiederholt; er hat es nicht einmal fertig gebracht, sie mit der Gesamterzählung XIII 35 zu contaminieren, sondern fügt hier nur eine Verweisung ein (35, 5). Busolts Versuch, Poseidonios als Gewährsmann zu erweisen (Jahrb. f. Philol. CXXXIX 308f.) ist nicht geglückt. Dass die grosse attische Expedition nach Ephoros erzählt ist, dass derselbe Gewährsmann in den sicilischen Partien des XV. und XVI. Buches vorliegt, ist schon auseinandergesetzt. Im XI.–XIV. Buch fallen zunächst die wiederholten Doppelcitate von Ephoros und Timaios auf (XIII 54, 5. 60, 5. 80, 5. XIV 54, 5. 6. XIII 109, 2 wird man unter den τινές, die Timaios entgegengesetzt werden, Ephoros verstehen dürfen; nicht sicher zu deuten sind XIV 8, 5. 16, 4). Daneben treten Citate von Timaios auf XIII 82, 6. 83, 2. 85, 3. 108, 4. Da es fest steht, dass D. Ephoros und Timaios in anderen Partien seines Werkes direct benutzt, ferner, dass er seine Gewährsmänner bei ihm passend erscheinender Gelegenheit nennt, so liegt methodisch die Hypothese am nächsten, dass er die sicilischen Geschichten dieser Bücher aus Ephoros und Timaios genommen hat, und es ist zunächst zu untersuchen, ob die beiden Gewährsmänner sich nicht sondern lassen. Dabei stellt sich heraus, dass fast durchweg die Berichte auf die Zahlen des Timaios, nicht auf die des Ephoros gestellt sind, XIII 60, 3 sind die 80 000 Barbaren = 100 000 (Timaios XIII 54, 5 [200 000 + 4 000 Ephoros]) – 40 000 + 20 000 (59, 6); XIV 56, 1. 59. 7 sind mit den Zahlen des Ephoros XIV 54, 5 unvereinbar; umgekehrt stimmt XIV 76, 2 besser zu diesen als zu denen des Timaios. Wenn irgendwo, so ist bei der Schilderung von Akragas zusammenhängende Benutzung von Timaios anzunehmen [686] (XIII 81, 4 – 85, 6), der zweimal citiert wird und 82, 8 nach Ausweis von Aelian. v. h. XII 29 sicher vorliegt; über 82, 7 vgl. Herm. XXXIV 488. Davon ist aber zunächst XI 25 nicht zu trennen; im Zusammenhang damit stehen ferner die Concordanzen XI 26, 2. 3 = Tim. frg. 89. 86. Andererseits kehrt der XIII 83 nach Timaios geschilderte Tellias 90, 2 wieder, ferner wird 90, 3 dieselbe Bewohnerzahl von Akragas angegeben wie 84, 3. Nach XIII 85, 3 liegt es zum mindesten nahe, die häufigen Erwähnungen des Dexippos (87, 4. 5. 88, 7. 93, 1. 4. 96, 1) auf Timaios zurückzuführen. Das berühmte Dictum des Philistos XIV 8, 5 (anders XX 78, 3) kann nur nach Timaios, nicht etwa nach Philistos selbst berichtet sein, wie Plut. Dion 35 beweist. Ferner sind die chronologischen Angaben XIII 59, 4. 62, 4 ganz in der Art des Timaios, besonders schwer fallen aber ins Gewicht die zahlreichen Stilblüten, die bei D. stehen geblieben sind und welche die berüchtigte ψυχρότης des Sikelioten aufweisen; vgl. XIII 55, 4. 5. 57, 5. 58, 2. 90, 2. 111, 6. XIV 42, 3. 51, 5. 73, 5. 74, 2. 76, 3. So wenig zwingende Kraft die meisten Argumente haben, die Volquardsen zuerst für Timaios angeführt hat, das muss ihm zugegeben werden, dass die abergläubische Romantik, die sich beispielsweise XIII 86. XIV 63, 1. 70, 4. 73, 5. 74, 3. 76, 4. 77, 4. 5 breit macht, ein starkes Indicium für Timaios ist. In der Schilderung der älteren Tyrannis fällt das ausserordentlich ungünstige Urteil über Hieron auf XI 67, 4; Timaios stellt frg. 90, welches das flüchtige Excerpt D.s XI 48 erst verständlich macht und sich mit D. ergänzt, den Streit zwischen Hieron und Polyzelos so dar, dass das Unrecht klar auf Hierons Seite liegt. Der Grund war persönlicher Hass; Hieron hatte die Naxier und Katanaeer bei der Gründung von Aetna vertrieben (XI 49, vgl. XI 76) und Tauromenion, Timaios Heimat, war mit Naxiern neu besiedelt (XVI 7, 1 aus dem Chronographen). So vereinigt sich alles, um Timaios als den Hauptgewährsmann für die sicilische Geschichte der Bücher XI–XIV zu erweisen; nur gelegentlich hat D. eine Zahlenangabe – auch XIV 76, 2 wird so zu beurteilen sein, da die Erzählung gerade hier deutliche Spuren des Timaios an sich trägt – aus Ephoros eingefügt. D.s Chronologie ist hier gerade so schlecht wie in den aus Ephoros abgeschriebenen Partien, wie übrigens auch in der Geschichte Alexanders und der Diadochen; Timaios erzählte so wenig annalistisch wie Ephoros, Kleitarch und der von D. benutzte Historiker der Diadochenzeit. XIV 90, 5–7 ist Einlage aus Polybios (XII 25). Die Rede des Theodoros gegen Dionys (XIV 65–69) kann wenigstens nicht ganz D.s eigenes Fabricat sein, da sie Anspielungen auf Dinge enthält, die von ihm nicht oder wenigstens nicht genau erzählt sind (vgl. 65, 2. 66, 5. 68, 5–7); der Hauptsache nach wird auch sie auf Timaios zurückgehen. Mit der Eroberung von Rhegion hört das Excerpt aus Timaios auf; im XV. Buch tritt Ephoros auch für die sicilischen Partien an seine Stelle; s. o.

Nachdem D. XVI 20 die Geschichte Dions abgebrochen hat, weil Ephoros an dieser Stelle aufhörte, setzt er erst mit der Geschichte Timoleons [687] wieder ein (XVI 65). Sie ist keinenfalls direct aus Timaios entlehnt (vgl. XVI 70, 3 mit Polyb. XII 4 a), weicht daher häufig und erheblich von der plutarchischen Biographie ab und lässt sich auf keinen bestimmten Namen zurückführen; die Concordanz von XVI 70, 3 = Theopomp. frg. 247 hilft nichts, da Theopomp im sicilischen Excurs die Erzählung nur bis zur definitiven Vertreibung Dionys II. (XVI 71, 3 aus dem Chronographen) hinabführte, andererseits D.s. Erzählung nicht unter verschiedene Gewährsmänner verteilt werden kann, schon darum nicht, weil das Verhältnis zu Plutarch durchweg das gleiche bleibt. Neben erheblichen Abweichungen steht nämlich eine grosse Zahl von Concordanzen und zwar sehr auffallenden Concordanzen (vgl. XVI 66, 3–5 mit Plut. Tim. 8; 68, 5. 6 mit Plut. 10: 68, 10 mit Plut. 12; 69, 4 mit Plut. 13; 69, 5 mit Plut. 20; 72. 5. 73, 1 mit Plut. 24; 77, 4 mit Plut. 25; 79, 3. 4 mit Plut. 26 [= symp. 5, 3, 2 wo Timaios citiert wird]; 79, 5 mit Plut. 27; 80, 1 mit Plut. 28; 80, 5. 6 mit Plut. 29; 82, 3 mit Plut. 34; 90, 1 mit Plut. 39). Da nun D., wenn auch nicht direct, von Timaios abhängig sein muss (vgl. 79, 2 mit Polyb. XII 26 a, eine Concordanz, die durchschlägt), Plutarch aber die Spuren des Timaios überall zur Schau trägt, können diese Concordanzen nur so erklärt werden, dass D. einen Schriftsteller benutzt hat, der Timaios überarbeitete.

Die Geschichte des Agathokles ist diejenige Partie des diodorischen Werkes, die sich am besten liest – womit über die historische Richtigkeit nichts gesagt sein soll. Wenn auch das Excerpieren die feineren Zusammenhänge mehr noch als sich jetzt ahnen lässt, zerstört oder unklar gemacht hat. so ist doch eine Serie von lebendigen, brillant geschilderten und erzählten Scenen übrig geblieben (vgl. z. B. XX 16. 29. 63–67), ferner ein feines, motivierendes oder stimmungsvolles Raisonnement (XX 7-10. 12, 5. 43, 1. 4-6. 59. 68, 1. 2. 78. 79), das auf eine Vorlage von hoch entwickelter historiographischer Kunst hinweist. Dass es dieser Kunst auf ,Nachahmung des Lebens‘ und Erregung des πάθος ankommt, wird geradezu ausgesprochen (XX 43, 7); es ist das Princip der peripatetischen Historiographie grossen Stils. Die Schilderungen (vgl. z. B. XIX 7. XX 71. 72. 54. 63) arbeiten nicht wie die des Timaios mit rhetorischen Pointen, sondern mit kunstvoll ausgeführtem Detail: sie wollen die aristotelische Forderung des πρὸ ὀμμάτων ποιεῖν erfüllen und dadurch das πάθος erregen. Das sollen auch die Hinweise auf die τύχη (vgl. z. B. XX 13. 30. 70). die in jener Historiographie das tragische Princip vertritt. Reizmittel sind ferner νόμινα βαρβαρικά (XIX 106. 4. 109, 2. XX 9. 1. 14. 58, 4ff.). παροιμίαι (XX 58, 5. 30, 1. 67, 4. XXI 2. 3), Mythendeutungen und αἴτια (XIX 108 XX 14, 41). Da nun zwei Citate des Duris sich mit D. decken (XX 41 = Schol. Aristoph. Wesp. 1030. XX 104, 3 = Athen. XIII 605 d; das Citat XXI 6 entbehrt leider des Zusammenhangs), so hat Roesiger (De Duride Samio Diodori Siculi et Plutarchi auctore. Gött. 1874) das Richtige getroffen, wenn er D.s Darstellung des Agathokles auf Duris Geschichte des Agathokles zurückgeführt hat. Aber er irrt, wenn er die gelegentlichen [688] Citate des Timaios (XX 79, 5. 89, 5. XXI 16, 5; wohl auch XX 13, 1; zweifelhaft ist XX 54, 1) auf Duris zurückführt; sie sind selbständige Einlagen D.s, wie die Ephoroscitate in den sicilischen Geschichten des XI.–XIV. Buches. Nichts, keine Incongruenz und kein Widerspruch, führt darauf, dass D. Timaios und Duris fortlaufend contaminiert hat, wie Schubert (Gesch. d. Agathokles) mit arger Vergewaltigung und gelegentlichem Missverstehen des Textes behauptet. D.s ablehnende Kritik des Timaios XXI 17 ist aus Polybios (vgl. XII 15. 26 b, 4), wahrscheinlich auch die des Kallias; nach Duris sieht sie nicht aus. Die einleitenden Sätze 17, 1 sind ein Compromiss, den D. zwischen dem ihm bekannten XII. Buch des Polybios und seiner Praxis, Timaios auf weite Strecken hin abzuschreiben, geschlossen hat. XXI 16, 5 hat D. das Timaioscitat mit einem Excerpt aus dem Chronographen combiniert. Die Verteilung des Stoffes in den Büchern XXI–XL lässt sich nur annähernd bestimmen; doch ist nicht alles so unsicher wie in Buch VI–X, da hier die Hoeschelschen Excerpte und Photios einige Anhaltspunkte geben; im Gebrauch der Dindorfschen Ausgabe ist Vorsicht nötig. Buch XXI umfasste noch die unmittelbar auf den Tod des Agathokles (289) folgenden Ereignisse, XXII reichte bis unmittelbar vor den Anfang des ersten punischen Kriegs (265), XXIII bis mindestens zum Sieg des Metellus bei Panormos (251), XXIV bis zum Ende des ersten punischen Krieges (241), XXV bis zum Anfang des zweiten punischen Kriegs (219), XXVI bis mindestens 215, wahrscheinlich aber erheblich weiter; die Hoeschelschen Excerpte scheinen innerhalb des Buches abzubrechen. Nach Photios waren im XXXI. Buch die Ereignisse unmittelbar nach der Schlacht bei Pydna (168) erzählt, am Ende des XXXII. der Tod von Alexander Balas (146/5), im XXXIV. die Eroberung von Jerusalem durch Antiochos Sidetes (134/3) und der erste Sclavenkrieg, der 132 zu Ende war, im XXXVI. der zweite Sclavenkrieg, das letzte sichere Datum ist Marius 5. Consulat 101, im XXXVIII. der Tod des Q. Lutatius Catulus (87), in der Mitte des XL. Pompeius jüdischer Peldzug (64/3).

Für die Zeit zwischen Agathokles Tod und dem ersten punischen Krieg (XXI. XXII, die Fragmente beziehen sich fast alle auf Sicilien) einen Gewährsmann zu erraten, ist unmöglich. Was von der Darstellung des ersten punischen Kriegs erhalten ist (XXIII. XXIV), zeigt ausgesprochene antirömische Tendenz, im Vergleich zu Polybios grössere Ausführlichkeit und völlige Unabhängigkeit von diesem: das würde dafür sprechen, dass der mehrfach genannte Philinos (XXIII 8. 17, wo für φίλιστος natürlich Φιλῖνος zu lesen ist, XXIV 11) zu Grunde liegt. Schwierigkeiten macht nur die doppelte Zahlenangabe XXIV 11, wo ‚andere‘ Philinos gegenübergestellt werden. Dagegen ist in der Erzählung der karthagischen Eroberung Spaniens und des zweiten punischen Kriegs (XXV–XXVII) römische Annalistik schlechtester Sorte nicht zu verkennen (charakteristisches Beispiel ist XXV 17; in οὐικτόμελα steckt Victumulae Liv. XXI 57); die Tradition steht der von Appian vertretenen besonders nahe, ohne mit ihr identisch zu sein (XXV 8 vgl. Appian. I b. 4; [689] XXVI 12, 4 vgl. Appian. Hann. 36; XXVI 14,2 vgl. Appian. Hann. 28; XXVII 6 vgl. Appian. Lib. 28. 27; XXVII 9 vgl. Appian. Hann. 59; XXVII 10 vgl. Appian. Lib. 33, XXVII 11. 12 vgl. Appian. Lib. 34; da Polybios [XV 1–4] hier erhalten ist, lassen sich die nachpolybianischen Wucherungen der Annalistik hier recht deutlich sehen): findet sich doch sogar der Redekampf im römischen Senat über das Schicksal Karthagos bei D. wieder (XXVII 13–17 vgl. Appian. Lib. 57–61; 18 vgl. 62–65), übrigens ein schlagender Beweis, dass weder D. noch Appian die alleinige Verantwortung für die von ihnen eingelegten Reden zu tragen haben.

Zwei Abschnitte in dieser Partie sind direct aus Polybios geschöpft, der karthagische Söldnerkrieg und die Niederwerfung der Gallier in Italien durch die Römer vor dem zweiten punischen Krieg (XXV 2 = Polyb. I 67, 7; 3 = I 81; 4 = I 84, 1. 5; 5 = I 84, 10. 86, 7. 88, 2. 3; 6 = I 68, 8. 88, 7; XXV 13 = Polyb. II 23, 1. 28, 10. 24, 16. 31, 1. 2. 4). Ebenso werden die wenigen von der griechischen Geschichte handelnden Stücke dieser Partie auf Polybios zurückzuführen sein (XXVI 7 = Polyb. IV 67, 3; 8 = V 88, 5. 7; XXVII 1. 3). Vom makedonischen Kriege an bis zur Zerstörung von Karthago und Korinth (XXVIII–XXXII) hat D. nichts als ein Excerpt aus Polybios gegeben, so dass er direct zu dessen Reconstruction herangezogen werden muss (Nissen Krit. Unters, über die Quellen der IV. und V. Dekade des Livius), von allen Repliken des Polybios ist er die unselbständigste und treueste (wichtig wird das z. B. für Polyb. XXXIX 6, wo das Polybiosfragment nach Diod. XXXII 24, nicht nach der Verschiebung bei Appian. Lib. 132 gegeben werden muss). Da die Leute nicht alle werden, welche für D.s Selbständigkeit kämpfen (Diod. XXXI 26, 2 Polyb. XXXII 8, 8-11 ist ein gutes Beispiel dafür, wann und in welchem Umfang D. seinen Gewährsmann verlässt), und die stilistische Vergleichung interessant und wichtig ist, gebe ich eine Liste der Concordanzen:

Diod. XXVIII 050=0Polyb. XVI 1 (§ 6 ist zu lesen πολλὰς καὶ
πολυτελεῖς (γλυφὰς ἔχοντας)
Diod.0XXVIII 06 = XVI 34
12 = XVIII 50. 51
Diod. XXIX 02 (der Anfang von den Excerptoren verstümmelt,
vgl. Liv. XXXVI 11) = Polyb XX 8
04 = Polyb. XXI 2. 5
07 = Polyb.XXI 13
08 = Polyb.XXI 15
10 = Polyb.XXI 16. 17, vgl. 45, 12. 13
11 = Polyb.XXI 16. 17, vgl. 45, 12. 13
17 = Polyb.XXII 10ff.
18 = Polyb.XXIII 12
21 = Polyb.XXIII 14
22 = Polyb.XXIV 5
32 = Polyb.XXVI 1
Diod. XXX 01 = Polyb.XXVII 6
02 = Polyb.XXVIII 1
03 = Polyb.XXVII 12
05 = Polyb.XXVII 15
09 = Polyb.XXVIII 8. 9
13 = Polyb.XXVIII 14 [690]
17 = Polyb.XXVIII 21
18 = Polyb.XXVIII 18
Diod. XXXI 01 = Polyb.XXIX 27
05 = Polyb.XXX 4
07 = Polyb.XXXI 9
10 = Polyb.XXIX 21
12 = Polyb.XXIX 22
15 = Polyb.XXX 19
Diod. XXV16. 17 = Polyb.XXXI 4. 5
23 = Polyb.XXXII 1
24 = Polyb.XXXI 24
Diod. XXV26. 27 = Polyb.XXXII 8. 9, 11. 11–15
28 = Polyb.XXXII 5
29 = Polyb.XXXII 6
30 = Polyb.XXXII 7, 13
31 = Polyb.XXXII 20. 21, 1. 2
32 vgl. Polyb.XXXIII 6
35 = Polyb.XXXII 27
37 = Polyb.XXXIII 7
40 = Polyb.XXXV 1
Diod. XXXII 05 = Polyb.XXXVI 2
Diod. 06 = Polyb.XXXVI 3–7
Diod. 9a = Polyb.XXXVI 8, 6
Diod. 16 = Polyb.XXXVII 10
Diod. 19 = Polyb.XXXVII 7
Diod. 20 = Polyb.XXXVII 6
Diod. 22 = Polyb.XXXVIII 2
Diod. 23 = Polyb.XXXIX 4
Diod. 24 = Polyb.XXXIX 6
Diod. 26 vgl. Polyb.XXXVIII 3. 10. 11, 6

Die Erzählung der Folgezeit geht jedenfalls zu einem grossen Teil auf Poseidonios zurück. Dies steht fest für die Darstellung des ersten Sclavenkriegs (XXXIV/V 2, 34 = Posid. b. Athen. XII 542 b; vgl. Wilms Festschr. d. Hamb. Wilhelmsgymnasiums 1885); für die orientalische und stadtrömische Geschichte lässt es sich nur mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuten (vgl. Busolt Jahrb. CXLI 321ff.). Als Indicien sind namentlich zu verwerten die durchgehende, den Standpunkt des Provincialen vertretende Feindschaft gegen die römischen Ritter und der, nicht selten noch kenntliche, blühende Stil (XXXIV/V 2, 39. 15. 17). Schwierig ist die Abgrenzung nach oben und nach unten. XXXIII 4 a differiert von XXXII 9 d: das lässt sich so erklären, dass man die frühere Stelle Polybios, die spätere Poseidonios vindiciert. Aber mit XXXII 9 d stimmt die Erzählung in der grossen Episode über Hermaphroditismus überein, vgl. XXXII 10, 2. 8; diese Episode aber ist eine Einlage, die weder aus Polybios (vgl. 12, 2), noch aus Poseidonios (vgl. 12, 1; Poseidonios würde so nicht gegen die δεισιδαιμονία polemisiert haben) stammen kann. Ich weiss die Aporie nicht zu lösen. In der Geschichte des marsischen und des anfangenden mithridatischen Kriegs weist manches freilich auf Poseidonios: Mithridats Truppen werden XXXVΙI 28 Καππάδοκες genannt, wie er selbst bei Poseidonios Athen. V 212 a; der römischen Üppigkeit wird die tüchtige Verwaltung der stoisch gebildeten Magistrate Q. Scaevola und Rutilius Rufus gegenübergestellt (XXXVII 3. 5); Poseidonios erwähnte im 49. Buch (Athen. IV 168 d) die Schwelgerei des Apicius, der an Rutilius Verbannung die Hauptschuld trug. Dagegen kann die allgemeine Charakteristik des Marius XXXVII 29, 2ff., von welcher der Einzelzug 29, 1 sich [691] nicht trennen lässt (vgl. Plut. Mar. 34), nicht auf Poseidonios zurückgeführt werden, da sie von der Überlieferung über den Tod des Marius abhängt, welche Plutarch (Mar. 45) als die von dem rätselhaften C. Piso bezeugte der des Poseidonios gegenüberstellt. Das Material ist zu dürftig, um die Stelle genau zu bestimmen, an der D. Poseidonios verlässt.

Über den Rest lässt sich nichts Genaueres sagen (vgl. Herm. XXXII 607f.); der berühmte und vortreffliche Abschnitt über die Juden (XL 3) ist direct aus dem citierten Hekataios entlehnt – natürlich dem Teier; ὁ Μιλήσιος ist unzeitige Gelehrsamkeit des Photios.

Altrömische Geschichte. Zunächst sondert sich leicht aus der Bericht über die albanischen Könige, den der Hauptsache nach Eusebios in der Chronik erhalten hat (VII 5–7; VI 5 ist sehr verdächtig bezeugt). Es ist derselbe, wie der, welcher bei Dionys vorliegt;, er kann nicht vor der caesarischen Monarchie entstanden sein, wie der Pontifex Iulius verrät: ein Grund, ihn auf Kastors Chronik zurückzuführen, liegt nicht vor. Vgl. Mommsen Röm. Chronologie 151ff. Schwartz Die Königslisten des Eratosthenes und Kastor, Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. XL 1ff.

Das Bruchstück über Aeneas Flucht aus Ilion VII 4 stimmt genau zu Lykophr. 1263ff., muss also auf Timaios zurückgehen, den auch Varro (Schol. Veron. Aen. II 717. Serv. Aen. II 636); ausgeschrieben hat (vgl. Wissowa Herm. XXII 41).

Die folgenden Bruchstücke VIII 3-6. 14. 15 (aus einer Rede des Numa Pompilius). 25. 26. 31. X 1. 2. 20–22 gehen auf die Königszeit; es liegt kein Grund vor. sie von den in den Büchern XI–XX vorliegenden Berichten über die ältere republicanische Periode zu trennen. Zur bequemeren Übersicht stelle ich diese zusammen, mit den nach der gewöhnlichen, für D.s Gewährsmann nicht ohne weiteres gültigen Rechnung reducierten Jahreszahlen der römischen eponymen Magistrate; die Fastentafel selbst wird besonders untersucht werden:

XI
0 37, 7 : 485 (269 varr.)
0 40. 5 : 484 (270 varr.)
0 53. 6 : 477 (277 varr.)
0 68, 8 : 471 (283 varr.)
XII
0 23, 1. 24–26, 1 : 451-449 (303-305 v.)
0 34, 5 : 442 (312 varr.)
0 37, 1 : 439 (315 varr.)
0 64 : 432 (322 varr.)
0 80, 6-8 : 426 (328 varr.)
XIII
00 6, 8 : 418 (336 varr.)
0 42. 6 : 414 (340 varr..)
XIV
0 11. 6 : 407 (347 varr.)
0 16. 5 : 406 (348 varr.)
0 34. 7 : 404 (350 varr.)
0 43. 5 : 402 (352 varr.)
0 93, 2-5 : 396 (358 varr.)
0 96, 5 : 395 (359 varr.)
0 98, 5 : 394 (360 varr.)
102, 4 : 393 (361 varr.)
106, 4 : 392 (362 varr.)
109, 7 : 391 (363 varr.)
113-117 : 390 (364 varr.)
XV
0 27, 4 : 386 (368 varr.)
0 35, 3 : 385 (369 varr.)[692]
XVI
0 31, 7 : 357 (397 varr.)
0 45, 8 : 354 (400 varr.)
0 90, 2 : 340 (414 varr.)
XIX
0 10, 1. 2 : 318 (436 varr.)
0 65, 7 : 316 (438 varr.)
0 72, 3–9 : 315 (439 varr.)
0 76 : 314 (440 varr.)
101 : 313 (441 varr.)
XX
0 26, 3. 4 : 311 (443 varr.)
0 35. 36 : 310 (444 varr.)
0 44, 8. 9 : 308 (446 varr.)
0 80 : 306 (448 varr.)
0 90, 3 : 305 (449 varr.)
101, 5 : 304 (450 varr.)

Die Liste zeigt zunächst, dass es D.s Schuld ist, wenn im XVII. und XVIII. Buch die römischen Notizen gänzlich fehlen – XIX 10, 1 wird das 9. Jahr des Samniterkriegs (318) erwähnt, und zum 1. (326) fehlt die entsprechende Notiz –, im XV. und XVI. Buch sehr spärlich sind: im XVI. sind sie ausserdem regelmässig mit den aus dem griechischen Chronographen entlehnten Notizen vermengt. Durch Schuld der Abschreiber scheint der Bericht über die Rechtsgründe des letzten Kriegs mit Veii XIV 16, 5 ausgefallen zu sein. Zweifellos hat auch sonst D. manches weggelassen, doch ist die Auswahl der zuerst noch ganz vereinzelten Notizen viel zu sachgemäss, als dass D.s Nachlässigkeit hier eine grosse Rolle gespielt haben könnte, und noch viel weniger kann es dieser zugeschrieben werden, wenn erst mit der Eroberung Veiis die Notizen regelmässiger und nahezu jährig werden: darin spiegelt sich die Art der älteren Annalen, die für die älteste Zeit oft nur die Fastentafel gaben (Liv. IV 20, 9), ebenso treu wieder, wie in dem gänzlichen Fehlen der Ausmalungen des Ständekampfs. Die Einführung der Vierzahl für den Tribunat 471 (XI 68, 8), der Bericht über den Decemvirat und die (XII Tafeln (XII 23ff.), die Darstellung der Censur des Ap. Claudius Caecus 310 (XX 35. 36), sowie die ganz kurzen Notizen über die Verurteilung des Sp. Cassius 485 (XI 37, 1), Sp. Maelius 439 (XII 37, 1) und M. Manlius 385 (XV 35, 3), das ist alles, was über die innere Geschichte Roms bei D. überliefert wird. Die Berichte selbst aber sind gerade in ihrer Kürze ausgezeichnet. Über die Censur des Ap. Claudius vgl. Mommsen Röm. Forsch. I 307ff.; über die Processe des Sp. Cassius, Sp. Maelius und M. Manlius ebd. II 153ff.; dass die diodorische Liste der vier Tribunen von 471 die älteste, von den jüngeren Fälschungen der Decemviratsgeschichte vorausgesetzte ist, hat Niese bewiesen (De annalibus Romanis, Ind. Marburg. 1886). Die Katastrophe des Decemvirats wird noch ausschliesslich auf den Freiheitsprocess der Verginia zurückgeführt und von den bei Livius und Dionys übereinstimmend erhaltenen ps.-pragmatischen Erweiterungen (vgl. Dionys. XI 1 ποιήσομαι δὲ τὸν περὶ αὐτῶν λόγον οὐκ ἀπὸ τῶν τελευταίων ἀρξάμενος, ἃ δοκεῖ τοῖς πολλοῖς αἴτια γενέσθαι μόνα τῆς ἐλευθερίας, λέγω δὲ τῶν περὶ τὴν παρθένον ἁμαρτηθέντων Ἀππίωι διὰ τὸν ἔρωτα) findet sich keine Spur; Ap. Claudius wird nicht genannt, was nicht auf D. zurückzuführen ist; bei der Aussöhnung spielen weder der Senat, noch die ,volksfreundlichen‘ Consuln von 449 eine Rolle, sondern [693] die angesehensten Männer verhindern den offenen Kampf zwischen dem Heer auf dem Aventin und den iuniores, die von den Decemvirn aufgeboten sind. Nebenbei bemerke ich, dass der Satz οἱ γὰρ ἄνδρες οὗτοι – ὑπῆρχον auf die Patricier bezogen werden muss, Ed. Meyer (Rh. Mus. XXXVII 619) hat die Stelle missverstanden. Leider hat D. den Pact selbst durch unverständiges Excerpieren sinnlos verdorben; unmöglich kann ein alter Annalist behauptet haben, dass schon damals, 430, den Plebeiern der Anspruch auf eine, das Recht auf beide Stellen des Consulats eingeräumt sei; denkbar wäre, dass D. aus einer abgewiesenen Forderung eine bewilligte gemacht hat. In den verdorbenen Schlusssatz lässt sich mit leichter Änderung das Cooptationsrecht der Tribunen (Liv. III 64) hineinbringen: ἐὰν δὲ οἱ δημόται (δήμαρχοι codd.) μὴ συμφωνῶσι πρὸς ἀλλήλους, κυροῦν (κύριοι εἶναι codd.) τὸν ἀνὰ μέσον κείμενον μὴ κωλύεσθαι. Jedenfalls entsprachen Verhandlungen über Consulat und Tribunal der historischen Situation sehr viel mehr, als die sog. leges Valeriae Horatiae, der jüngeren Annalistik, die unauflösliche Widersprüche in die Verfassungsgeschichte bringen.

Wie es für die Annalen des Fabius und Cato (Nep. Cat. 3. Plin. n. h. VIII 11. Liv. X 37, 14) bezeugt ist, tritt bei dem von D. benützten Annalisten die einzelne Persönlichkeit noch völlig zurück. Mit dem Namen erscheinen nach der Königszeit nur Sp. Cassius, Sp. Maelius und M. Manlius, die nach der Tyrannis strebten, dieser auch als Retter des Capitols (XIV 116. 6), sodann der kühne Pontius Cominius (XIV 116, 3) und der Censor Ap. Claudius Caecus, sowie Cn. Flavius, der als Freigelassener Aedil wurde (XX 36). Die Dictatoren, welche die Fastentafel lieferte, werden genannt (XII 64, 1) vom J. 432 (322 varr.), XII 80, 7 vom J. 426 (328 varr.), XIV 93, 2 vom J. 396 (358 varr.), XIV 117, 2 vom J. 389 (365 varr.), XIX 72, 6 vom J. 315 (439 varr.), XIX 76, 3 vom J. 314 (440 varr.), XIX 101, 3 vom J. 313 (441 varr.): regelmässig, mit alleiniger Ausnahme der Dictatur des Q. Fabius von 313, die nicht aus der Fastentafel stammt (Mommsen Röm. Forsch. II 242ff.). – XIV 117, 2 ist der Name durch Corruptel ausgefallen –, wird auch der Magister equitum mit aufgeführt, zum deutlichen Beweis, dass die Namen nicht oder nicht lediglich aus der erzählenden Tradition, sondern aus der Fastentafel stammen. Der erste Consul, der mit Namen in der Erzählung erscheint, ist T. Manlius vom J. 343 (XVI 90, 2): er triumphierte, ebenso wie P. Sempronius 304 (XX 101, 5); ausser ihnen treten mit bestimmten Thaten nur auf die Consuln von 310, Q. Fabius und C. Marcius (XX 35), bezeichnenderweise der Fabier, der zuerst in das centrale Etrurien vordrang, was besonders hervorgehoben wird; dies ist zugleich der einzige Fall, in dem die Thätigkeit der beiden Consuln geschieden wird. Beide Consuln zusammen, so dass die Nennung der Namen, die aus dem Praescript des Jahres ohne weiteres entnommen werden konnten, überflüssig wird, werden erwähnt zuerst zum J. 392 (362 varr.) bei Gelegenheit von ludi uotiui (XIV 106, 4), dann erst wieder bei der Erzählung des Samniterkriegs, zu den J. 311 (443 varr.), 308 (446 varr.), 306 (448 [694] varr.), 305 (449 varr.) (XX 26, 4. 44, 8. 80. 90, 3). Das entspricht alles, auch wenn man bedenkt, dass zwischen 385 und 340 das meiste, zwischen 340–318 alles, was D. in seinem Gewährsmann fand, weggelassen ist, so genau dem Bild, das man sich von der ältesten annalistischen Überlieferung machen muss, dass es eine falsche Skepsis ist, D.s Nachlässigkeit für dies allmähliche Ansteigen von dürftigen Notizen zu deutlicherer Berichterstattung verantwortlich zu machen. Es geht dies um so weniger an, als die Berichte selbst durchweg den Vorzug vor der jüngeren, im wesentlichen durch Livius und Dionys vertretenen, Annalistik verdienen; am klarsten tritt es bei der gallischen Katastrophe hervor (Mommsen Röm. Forsch. II 297ff.). Aber auch die Erzählung des Samniterkriegs ist, ganz abgesehen davon, dass sie sich durch bescheidenere Zahlen empfiehlt, trotz ihrer Kürze erheblich anschaulicher als das überladene und verwirrende, bei allem Durcheinander doch monotone Gemälde der livianischen Siegesberichte; die Etappen des Kriegs werden mit sicheren Strichen herausgehoben (XIX 10, 2. 72, 8. XX 80, 3); besonders tritt die Bedeutung des Sieges von 311 (443 varr.) scharf hervor (XX 26, 3. 4).

Beachtenswert sind endlich die in den diodorischen Excerpten angemerkten Varianten (Mommsen Röm. Forsch. II 270ff.), nur müssen solche Bemerkungen wie die XII 14, die eine Abweichung der Überlieferung gar nicht anmerken wollen, von vornherein bei seite gelassen werden. Im folgenden zähle ich sie vollständig auf.

VIII 14 λέγουσί τινες, dass Numa Pompilius ein Schüler des Pythagoras gewesen sei. Nach Ciceros Zeugnis de re publ. II 23f. war das ein alter und festeingewurzelter Irrtum, wenn es auch leicht war, ihn aus der Pontificaltafel zu widerlegen. Die Rechnung, welche Cicero vorlegt, ist die des Polybios: aber nichts hindert, anzunehmen, dass die römische Annalistik diese Polemik geführt und zu einer tralaticischen gemacht hat, sobald sie mit griechischen Synchronismen rechnete und die Königstafel feststand; beides trifft für Fabius und Cato zu.

XI 53, 6 τῶν δὲ Ῥωμαίων ἡττηθέντων συνέβη πολλούς (τε ἄλλους ergänzt von v. Wilamowitz bei Mommsen Röm. Forsch. II 246) αὐτῶν πεσεῖν, ὥς φασί τινες τῶν συγγραφέων, καὶ τοὺς Φαβίους τοὺς τριακοσίους, συγγενεῖς ἀλλήλων ὄντας καὶ διὰ τοῦτο μιᾶι περιειλημμένους προσηγορίαι. Offenbar soll die hier berichtete, sonst nirgends auftretende Tradition der vulgären entgegengesetzt werden. Von allen Variantenangaben ist dies die rätselhafteste, ich komme unten auf sie zurück.

XIV 102. 4 wird mit ὡς δέ τινες eine abweichende Tradition über die Zahl der Iugera, die bei der Aufteilung der veientischen Feldmark auf jeden Colonisten kamen, eingeführt; sie stimmt ebensowenig wie der Hauptbericht mit der von Livius V 30 gegebenen Zahl überein. Also liegt keinenfalls eine Correctur aus der späteren Annalistik vor.

XIV 116, 4 λέγουσι δέ τινες καὶ διότι τὸν χρυσοῦν κόσμον αἱ γυναῖκες εἰς τὴν κοινὴν σωτηρίαν εἰσενέγκασαι τ⟨οσ⟩αύτης ἔτυχον παρὰ τοῦ δήμου τιμῆς ὥστ’ ἐξουσίαν ἔχειν ἐφ’ ἁρμάτων [695] ὀχεῖσθαι κατὰ τὴν Πόλιν. Das ist keine Variante, sondern eine beiläufige Notiz, für welche der Schriftsteller die Verantwortung ablehnt; auch sie widerspricht der jüngeren Tradition (Liv. V 25, 9. 50, 7).

XIV 117, 6: nach dem Hauptbericht wurde Camillus nach seinem Sieg über die abgezogenen Gallier von den Tribunen verhindert, zu triumphieren. Dazu wird als Variante bemerkt: ἔνιοι δέ φασιν αὐτὸν ἀπὸ Τούσκων θρίαμβον ἀγαγςῖν ἐπὶ λευκοῦ τεθρίππου καὶ διὰ τοῦτο δυσὶν ὕστερον ἔτεσιν ὑπὸ τοῦ δήμου πολλοῖς χρήμασι καταδικασθῆναι· περὶ οὗ κατὰ τοὺς οἰκείους χρόνους ἐπιμνησθησόμεθα . Dieses Versprechen hat D. nicht eingelöst, und konnte es nicht, da er die Kriegstribunate von 394–390 (360-364 varr.) doppelt aufführt, das Ereignis also, welches er nach dem Annalisten unter dem J. 387 (367 varr.) hätte erzählen müssen, dann nicht zwei, sondern acht Jahre später fiel. Die Notiz selbst steht ebenso wie der Hauptbericht in einem fundamentalen Gegensatz zu der jüngeren, durchfälschten Erzählung, welche den Schimmeltriumph nach der Eroberung von Veii 396 (358 varr.) ansetzt (Liv. V 23. Plut. Cam. 7; Auct. de vir. ill. 23) und die Verurteilung mit der daran anschliessenden Verbannung, die bei D. gänzlich fehlt, auf das Jahr vor der Alliaschlacht schiebt (Liv. V 32. Dionys. XIII. Appian. Kelt. 5. Plut. Cam. 11 ff.; Auct. de vir. ill. 23). Es lässt sich aber noch weiter kommen. Der Hauptbericht eliminiert den Triumph über die Gallier; damit wird die ganze Erzählung über den Galliersieg discreditiert. Andererseits ist dieser Bericht jünger als der andere, der den etrurischen Triumph und die nach der gallischen Invasion eingetretene Verurteilung des Camillus festhält: denn es ist leicht zu sehen, dass dieser erst beseitigt werden musste, wenn Camillus zum Galliersieger werden sollte, was in dem Hauptbericht D.s angebahnt, in der jüngeren Annalistik 4vollständig durchgeführt ist. Giebt man die abstracte Möglichkeit zu, dass der Hauptbericht von einem nachfolgenden Annalisten corrigiert ist, so ist doch so viel sicher, dass auch dieser nachfolgende Annalist in alte Zeit zu setzen ist. In die Entwicklung der römischen Annalistik fügt sich aber die ebenfalls mögliche Annahme sehr viel besser, dass der von D. benützte Annalist selbst auf Grund einer schlechten Überlieferung die Triumphaltafel zu corrigieren versuchte, aber ehrlich genug war, diese Correctur offen einzugestehen und bei dem überlieferten Jahr auch die Verurteilung nicht zu verschweigen. Dieser Annahme, die im wesentlichen schon von Mommsen a. a. O. aufgestellt ist, stehen auch die übrigen Stellen nicht entgegen, mit Ausnahme von XI 53, 6, wo es auch Mommsen nicht gelungen ist, die Schwierigkeit zu beseitigen (Röm. Forsch. II 256ff.). Für die Interpretation dieser Stelle ist meines Erachtens davon auszugehen, dass die vulgäre Tradition, welche die 300 Fabier mit den Spartiaten von Thermopylai parallelisierte, nur vorausgesetzt, nicht berichtet wird; hätte D. sie in seinem Gewährsmann gefunden, so entspräche es seiner Art, die auf sensationelle Neuheiten nicht ausgeht, viel mehr, wenn er die Variante und nicht den Hauptbericht weggelassen hätte. So halte ich es für wahrscheinlich. dass [696] D. selbst den Gegensatz zu der vulgären Tradition, die jeder Gebildete in augusteischer Zeit kannte, hineingebracht hat und mit τινες τῶν συγγραφέων seinen Gewährsmann meint: er will mit diesem Zusatz sich entschuldigen, dass er etwas so von der altbekannten Überlieferung Abweichendes erzählt. Wer diese Erklärung nicht billigt, muss auch hier zu dem Geständnis sich bequemen, dass keine junge Überlieferung vorliegt. Da es also ausgeschlossen ist, dass D. seinen Gewährsmann mit Hülfe der Annalistik seiner Zeit corrigiert hat, da es ferner sehr unwahrscheinlich ist, dass er selbst zwei oder gar mehrere alte Annalisten zusammengearbeitet haben sollte, so bleibt für denjenigen, der nicht mit mir die Varianten auf denselben alten Annalisten wie den Hauptbericht zurückführen will, nichts übrig, als die Hypothese, dass D. ein alter Annalist mit Zusätzen aus einem oder mehreren ebenfalls alten Annalisten vorgelegen hat.

Es ergiebt sich schliesslich die Frage, ob jener alte Annalist, den D. ausschliesslich oder in erster Linie, direct oder indirect benützt hat, sich näher bestimmen lässt. Die Zeit steht fest: die Stelle über die militärische Bedeutung der 315 ausgeschickten Colonie Luceria (XIX 72, 9): διὰ γὰρ ταύτην τὴν πόλιν οὐ μόνον ἐν τούτωι τῶι πολέμωι ἐπροτέρησαν, ἀλλὰ καὶ κατὰ τοὺς μετὰ ταῦτα γενομένους ἕως τῶν καθ’ ἡμᾶς χρόνων διετέλεσαν ὁρμητηρίωι χρώμενοι κατὰ τῶν πλησίον ἐθνῶν kann spätestens von einem Zeitgenossen des hannibalischen Krieges concipiert sein; vor dieser Zeit aber gab es keine Annalen in Buchform. Damit fällt z. B. von vornherein die Möglichkeit, an Piso zu denken, weg, auch ganz abgesehen von dem Widerspruch, zwischen XI 68, 8 und dem Citat Pisos bei Liv. II 58.

Somit stehen von den überlieferten Namen nur Fabius Pictor und Cincius zur Verfügung, die beide griechisch geschrieben haben. Es ist zwar der Versuch gemacht worden, aus der Schreibung der römischen Namen zu beweisen, dass D. lateinische Annalen vor sich hatte (Ed. Meyer Rh. Mus. XXXVII 610ff.): doch muss dieser Versuch, ganz abgesehen davon, dass ein griechisch schreibender Römer um 200 dieselben Fehler machen konnte, wie D. in augusteischer Zeit, als gescheitert angesehen werden, da die Fehler entweder keine sind oder aus den durchgängigen schweren Verderbnissen der römischen Namen in der hsl. Überlieferung sich erklären lassen (vgl. Bader De Diodori rerum Romanarum auctoribus, Diss. Leipzig 1890). Wenn ferner auch D.s Behauptung, dass er lateinisch verstehe, durchaus glaubwürdig ist (I 4, 4), so ist damit noch lange nicht gesagt, dass er im stande war, einen römischen Annalisten auch nur der Gracchenzeit mühelos zu lesen, und die Wahrscheinlichkeit, dass er einen griechisch schreibenden Römer alter Zeit allen anderen Gewährsmännern vorzog, wird durch jene Behauptung nicht geringer: wenn er lateinische Bücher überhaupt benützt hat, sind es solche jüngsten Datums gewesen, und das trifft auf den von ihm excerpierten Annalisten auf keinen Fall zu.

Gelegentlich wird die von D. vertretene Tradition von Livius als Variante erwähnt IX 23, 5 inuenio apud quosdam – Diod. XIX 72; IX 37, 11 quidam auctores sunt = Diod. XX 35, zufällig [697] stets ohne Namen des Gewährsmannes. Dagegen liegen einige Indicien vor, welche sehr vernehmlich für Fabius sprechen. Am wichtigsten ist die in der Fastentafel und der übrigen Tradition nicht erscheinende Dictatur des Q. Fahius vom J. 313 (XIX 101, 3), die aus der Überlieferung des fabischen Geschlechts stammt; ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, dass dies der einzige Fall ist, in dem neben dem Dictator der Reiterführer nicht genannt wird. Ausserdem kommt noch in Betracht, dass nur bei einem Consulat, dem des Q. Fabius (XX 35, vom J. 310) die Kriegsthaten der beiden Consuln gesondert erzählt werden, und zwar so, dass der Zug des Fabius nach Perusia als eine ganz singuläre Leistung erscheint. Anderes von geringerer Beweiskraft ist von Mommsen (Röm. Forsch. II 278ff.) und Bader (De Diod. auct. 48ff.) zusammengestellt. Bader (70f.) hat ferner darauf aufmerksam gemacht, dass Diod. VIII 4 dem Auszug aus Fabius bei Plutarch (Rom. 6) besonders nahe steht; ebenso erklärt sich die nahe Berührung von VIII 31 mit Polyb. VI 2. 10 am leichtesten so, dass beide Fabius benützten.

Eine wirkliche Schwierigkeit steht nicht entgegen: über den nur scheinbaren Widerspruch zwischen XIV 117, 5 und Polyb. II 18, 3. 22, 5 vgl. Mommsen Räm. Forsch. II 338ff.; anderes, wie namentlich die merkwürdige Stelle XI 53, 6 ist oben schon behandelt.

Es bleibt noch die Fastentafel zu untersuchen. Zunächst erhebt sich die Frage, ob sie aus dem Annalisten, den D. ausschrieb, stammt oder von ihm aus einem Chronographen zugesetzt ist. Abzuweisen ist jedenfalls die gelegentlich aufgestellte Behauptung, dass es römische Annalen ohne durchlaufendes Eponymenverzeichnis gegeben hätte: davon kann keine Rede sein, und für den diodorischen Annalisten beweist schon die regelmässige Nennung der Reiterführer, dass er die Fastentafel sorgfältig benützte. Auch eine Stelle wie XV 61, 1 kann nur aus der Magistratstafel eines Annalisten stammen. Erwägt man endlich, dass es für D. weitaus das einfachste war, das Eponymenverzeichnis seines Gewährsmannes mit zu übernehmen, so scheint die ältere Anschauung, welche D.s Fastentafel und Erzählung als eine untrennbare Grösse behandelte, so gut wie unwiderleglich zu sein. Trotzdem hat Cichorius [698] (De fastis consularibus antiquissimis, Leipz. Stud. IX 171ff.) geglaubt, sie verwerfen zu müssen, auf ein Indicium hin, das allerdings eingehende Prüfung fordert. Es ist ausgemacht, dass in älterer Zeit in der officiellen römischen Nomenclatur das Cognomen nicht geführt wird. Da muss es nun allerdings auffallen, dass die Fastentafel D.s in der Behandlung des Cognomens sich nicht gleich bleibt. Bei den älteren Consulaten fehlt es nur selten ganz, häufig dagegen bei dem einen, während es bei dem anderen steht. Die erste längere Reihe von Consuln ohne Cognomen sind die fünf aus den J. 413–409 (341–345 varr.); von 366 (388 varr.) an bleiben sie so gut wie ganz weg; nur 366. 359 (395 varr.), 344 (410 varr.), 340 (414 varr.) und 339 (413 varr.) kommen sie noch vor. Bei den längeren Namenreihen der Kriegstribune fehlen die Cognomina regelmässig mit Ausnahme der J. 438 (316 varr.) und 434 (320 varr.); dazu stimmt, dass bei den Decemvirn von 451 (303 varr.) nur zwei, bei denen von 450 (304 varr.), soweit die Namen in der Überlieferung erhalten sind, keiner das Cognomen führt. Cichorius hat über diese Differenz hinweggesehen; trotzdem muss zugegeben werden, dass sein Schluss, D. habe den ersten Teil seiner Eponymentafel aus einem mit Cognomina ausgestatteten, also jüngeren Verzeichnis, den zweiten aus dem alten Annalisten entlehnt, auf den ersten Blick etwas Blendendes hat. Ist seine Hypothese aber richtig, so muss sie sich bei der Annalyse der Fasten bewähren.

Diese ist allerdings durch D.s eigene Confusionen erheblich erschwert: daher die zahlreichen Hypothesen der Modernen. Ich begnüge mich, Matzat Röm. Chrono]. I. Seeck Kalendertafel der Pontifices. Soltau Röm. Chronol. Wachsmuth Leipz. Stud. IX 173ff. zu citieren. Mommsens Röm. Chronologie orientiert immer noch am besten und hält die Grenze zwischen dem, was sich wissenschaftlich begründen lässt und der reinen Combination scharf inne, was die Späteren ausnahmslos unterlassen. Um des bequemen Überblicks willen stelle ich die Abweichungen der Rechnung D.s von der gewöhnlichen tabellarisch zusammen, in der ersten Columne D.s Olympiadenjahr, in der zweiten das den von ihm genannten Eponymen entsprechende Jahr gewöhnlicher Zählung, in der dritten die Differenz:

Ol. 75, 1 (480/79: XI 1. 2) 486 (268 varr.); 7 Jahre voraus
      482 (272 varr.); fehlt
Ol. 76, 1 (476/5: XI 48. 1) 481 (273 varr.); 6 Jahre voraus
Ol. 81, 4 (453/2; XI 88. 1) 458 (296 varr.); 6 Jahre voraus
Ol. 82, 1 (452, 1;) fehlt
Ol. 82, 2 (451/0; XI 91, 1) 457 (297 varr); 7 Jahre voraus
Ol. 82, 3 (450/49; XII 3, 1)      das Consulat L. Quinctius Cincinnatus M. Fabius
  Vibulanus zugesetzt
Ol. 82, 4 (449/8; XII 4, 1) 456 (298 varr.); 8 Jahre voraus
Ol. 84, 1 und 2 (444/3 und 443/2:
Ol. 82, 4 (449/8; XII 23, 24) 451. 150 (303. 304 varr.); 8 Jahre voraus, ein drittes
 Decemviratsjahr wird nicht gezählt
Ol. 89, 4 (421/0; XII 75, 1) 428. (326 varr.); 8 Jahre voraus
Ol. 90, 1 (420/19: XII 77, 1) das Consulat L. Quinctius A. Sempronius zugesetzt
Ol. 90, 2 (419/8; XII 78, 1) 427. (327 varr.); 9 Jahre voraus
Ol. 91, 1 (416/5; XII 82. 1) 424. (330 varr.); 9 Jahre voraus
      423-419 (331–335 varr.) fehlen
Ol. 91, 2 (415/4; XIII 2, 1) 418. (336 varr.); 4 Jahre voraus
[699]
Ol. 98, 2 (387/6; XIV 110, 1) 390 (364 varr.); 4 Jahre voraus
Ol. 98, 3–99, 3 (386/5-382/1;
     XV 2, 1. 8, 1. 14, 1. 20, 1)
die Eponymen von 394–390 wiederholt
Ol. 99, 4 (381/0; XV 22, 1) 389 (365 varr.); 9 Jahre voraus *
Ol. 103, 2 (367/6; XV 75, 1) 375 (379 varr.); Anarchiejahr; 9 Jahre voraus
     die vier Anarchiejahre 374–371 (380–383 varr.) fehlen
Ol. 103, 3 (366/5; XV 76, 1) 370 (384 varr.); 5 Jahre voraus
Ol. 104, 1 (364/3; XV 78, 1) 368 (386 varr.); 5 Jahre voraus
     367 (387 varr.) fehlt
Ol. 104, 2 (363/2; XV 82, 1) 366 (388 varr.); 4 Jahre voraus
Ol. 112, 2 (331/0; XVII 49, 1) 334 (420 varr.);
     333 (421 varr.); Dictatorenjahr, fehlt
Ol. 112, 3 (330/29; XVII 62, 1) 332 (422 varr.); 3 Jahre voraus
Ol. 114, 2 (323/2; XVIII 2, 1) 325 (429 varr.); 3 Jahre voraus
     324 (430 varr.); Dictatorenjahr, fehlt
Ol. 114, 3 (322/1; XVIII 26, 1) 323 (431 varr.); 2 Jahre voraus
Ol. 117, 4 (309/8; XX 27, 1) 310 (444 varr.); 2 Jahre voraus
      309 (445 varr.) Dictatorenjahr, fehlt
Ol. 118, i (308/7; XX 37, 1) 308 (446 varr.); 1 Jahr voraus
Ol. 119, 3 (302/1; XX 106, 1) 302 (452 varr.); 1 Jahr voraus

Die Consulate von 329 (425 varr.), 322 (432 varr.). 321 (423 varr.), sind durch hsl. Lücken ausgefallen; ein die Rechnung nicht alterierendes Versehen D.s ist es, wenn XVI 66, 1 das Consulat von 345 (409 varr.) vor das von 348 (406 varr.; XVI 69, 1) gestellt ist.

Nimmt man an, und dies ist das weitaus wahrscheinlichste, dass auch das Dictatorenjahr 301 (453 varr.) in den diodorischen Fasten fehlte, so ist von 300 (454 varr.) = Ol. 119, 4 an seine Liste in Ordnung gewesen; die Rechnung, welche das Olympiadenjahr dem in ihm beginnenden römischen Amtsjahr gleicht und die Reductionsformeln Ol. 1, 1 = 775 v. Chr., Ol. 6. 3 = 1 varr. fordert, ist die des Polybios und bei den Griechen die allgemein übliche. Nach dieser Rechnung fällt Caesars Consulat in Ol. 180, 1 = 60/59, so dass, wie schon gezeigt wurde, an der Datierung I 4, 7 nichts auszusetzen ist.

Jedes antike chronologische System rechnet von festen Punkten nach rückwärts; so muss auch die Analyse der diodorischen Fasten festhalten, dass ihre Stellenzahlen von dem J. 300 = 454 varr. = Ol. 119, 4 nach oben gezählt werden müssen, nicht umgekehrt von einem erst zu findenden Punkt nach unten. Das nächste Ziel der Rechnung ist das Jahr der gallischen Katastrophe, der Angelpunkt der römischen Chronologie, an dessen Schwanken sich klar herausstellt, dass die römische Magistratstafel und die römische Ordnurg des Jahres zu unvollkommen gewesen sind, um eine so sichere Aufrechnung der älteren Daten zu ermöglichen, dass sie die Probe der griechischen Synchronismen bestanden. D. gleicht die gallische Katastrophe mit der Belagerung Rhegions durch Dionys I. (XIV 113, 1), die er in Ol. 98, 2 (= 387/6 = 368 varr.) setzt. Weder der Synchronismus selbst noch seine Datierung sind Erfindung D.s, sondern Überlieferung (Polyb. I 6, 2. Iustin. VI 6, 5. Matzat Röm. Chron. I 107); unentschieden muss zunächst bleiben, ob D. den Synchronismus bei dem griechischen Chronographen oder dem römischen Annalisten fand; nur das ist sehr unwahrscheinlich, dass er ihn direct aus Polybios entlehnte, den er für die ältere römische Geschichte nicht benutzt.

Mit dem Ansatz der gallischen Katastrophe [700] auf 386 (nicht 387, wie ich ausdrücklich hervorhebe) stimmt die römische Magistratstafel nicht überein, in welcher zwischen 300 und den Eponymen der gallischen Katastrophe, diese mitgezählt, nicht 86, sondern nur 81 Stellen vorhanden sind. In einer auf die römische Geschichte sich beschränkenden Darstellung braucht diese Discrepanz nicht hervorzutreten, dagegen musste sie sich aufs empfindlichste fühlbar machen, sobald wie bei D. attische und römische Eponymen geglichen wurden. D. weiss sich denn auch nur durch ein so rohes Mittel aus der Verlegenheit zu ziehen, dass hier seine Selbständigkeit ausser Frage steht. Da er mit der Abzählung der römischen Eponymen bis zu denen der Alliaschlacht nur auf 381 kam (vgl. XV 20, 1), während er 386 erreichen wollte, doublierte er fünf Eponymencollegien (XV 20 = XIV 110. XV 15 = XIV 107. XV 14 = XIV 103. XV 8 = XIV 90. XV 2 = XIV 97); bei seiner gänzlichen Ignoranz über die Grundlagen der römischen Chronologie hielt er es aber für nötig, diesen Gewaltstreich wieder auszuschalten, und liess die fünf Eponymencollegien der J. 423–419 (331–335 varr.) weg; dass dieser Schnitt gerade in die Fuge zwischen zwei Büchern, dem XII. und XIII. fällt, ist kein Zufall, sondern ein neuer Beweis, dass diese chronologischen Operationen D. selbst angehören. Übrigens ist das richtige Princip der Lösung längst gefunden (Mommsen Röm. Chronol. 126); Hypothesen, welche diesen einfachen und einleuchtenden Thatbestand ignorieren, haben von vornherein den Anspruch verwirkt, ernst genommen zu werden.

Es fragt sich nun, nach welchem System der von D. benutzte Annalist gerechnet hat. Bekanntlich zählt die officielle römische Fastenredaction ausser den 81 Eponymen zwischen 300 und der Alliaschlacht die vier sog. Dictatorenjahre 333 (421 varr.), 324 (430 varr.), 309 (445 varr.), 301 (453 varr.) und die fünfjährige Anarchie von 375–371 (379–383 varr.), im ganzen also 90 Stellen, wodurch wiederum der Synchronismus Alliaschlacht = Belagerung von Rhegion = Königsfriede = 386 = Ol. 98, 2 unmöglich gemacht wird. Die vier Dictatorenjahre werden in der Eponymenliste von der jüngeren Annalistik genau so ignoriert [701] wie von dem Annalisten D.s; D. kann überhaupt keine Fastentafel mit den Dictatorenjahren gesehen haben, da er sonst gar nicht in die Verlegenheit gekommen wäre, welche ihm das Minus der römischen Eponymenliste bereitete. Andererseits – es ist ein Verdienst Soltaus (Röm. Chron. 324), dies nachdrücklich betont zu haben – zählt der von D. benutzte Annalist in der Erzählung die Dictatorenjahre mit. Denn nach XIX 10, 1 und XX 101, 5 sind

das 9. Jahr des Samniterkriegs0 = 318 (436 varr.),
das 23. Jahr des Samniterkriegs = 304 (400 varr.);

die Gleichung kommt aber nur aus, wenn das Dictatorenjahr 309 (445 varr.) eingeschaltet wird, und was für ein Dictatorenjahr gilt, muss für die drei anderen auch gelten.

Mit der Einschaltung der vier Dictatorenjahre in die römische Eponymenliste kam man aber nur auf 385 als Datum des Galliereinfalls, nicht auf 386. Dies Jahr wird nur dann erreicht, wenn ausser den vier Dictatorenjahren noch ein Anarchiejahr, 375 (379 varr.), eingelegt wird, wie der diodorische Annalist es thut, im Gegensatz zu der fünf Anarchiejahre zählenden officiellen Fastenredaction und jüngeren Annalistik. Dadurch wird es allerdings wahrscheinlich, dass der Synchronismus Alliaschlacht = Belagerung von Rhegion durch Dionys I. dem Annalisten angehört, D. aber, als er ihn übernahm, gezwungen wurde, seine römische, die Dictatorenjahre zählende, aber nicht aufführende Liste zu corrigieren, um das ihm aus dem griechischen Chronographen bekannte Jahr auch wirklich zu erreichen.

Dabei bleibt nun freilich eine Schwierigkeit, die sich nicht ganz beseitigen lässt. D. rechnet allerdings die Anarchie einjährig, aber er lässt das letzte Kriegstribunencollegium vom J. 367, in welches die jüngere Überlieferung die leges Liciniae Sextiae setzt, weg; das kommt factisch auf eine völlige Eliminierung der Anarchiejahre hinaus. Nachweislich ist in der Annalistik so gerechnet. Nach dem diodorischen Annalisten (XIV 93) erhalten bei der Einnahme Liparas im ersten punischen Krieg die Nachkommen des Dynasten Timasitheos Immunität, weil 137 Jahre früher ihr Vorfahr die römischen Legaten, welche nach der Eroberung von Veii ein Weihgeschenk des römischen Volks nach Delphi brachten, aus den Händen der Piraten befreit hatte. Lipara wurde nach Dio bei Zonar. VIII p. 213 Dind. 252 erobert, womit Polyb. I 39, 13 nicht im Widerspruch steht; die Eroberung Veiis fällt sechs Jahre vor die Alliaschlacht. Nach der Eponymenliste kann das Intervall nicht berechnet sein; sie ergiebt auch dann, wenn beide Endpunkte mitgezählt werden, nur 136 Stellen. Nun setzt aber Livius (V 28) die Rettung der Legaten durch Timasitheos vier Jahre vor die Alliaschlacht: das J. 389 (252 + 137) kann aber nur dann diesem Wert haben, wenn nur die vier Dictatorenjahre, nicht die fünf Anarchiejahre mitgezählt sind. Jedenfalls hat der Erfinder dieses Datums die überlieferte Zahl von 137 Jahren seinem Ansatz zu Grunde gelegt. Wie der diodorische Annalist gezählt und ob er überhaupt die überlieferte Intervallzahl mit seinem System ausgeglichen hat, lässt sich nicht ausmachen, da er das Intervall [702] zwischen Veiis Eroberung und der Rettung der Legaten nicht angiebt. Dass er die ganze Geschichte zum Jahr der Eroberung selbst erzählt, beweist nichts; auch die Aedilität des Cn. Flavius (304) wird bei der Censur des Ap. Claudius (310, XX 36) vorweg genommen.

Ferner darf nicht verschwiegen werden, dass wie bei D. das J. 367, das letzte des continuierten Tribunats von Licinius und Sextius, fehlt, so bei Livius in der Liste das erste, 376, obgleich es in der Erzählung mitgerechnet wird (VI 36, 7. 39, 6. 40, 7. 8. 42, 2). Das sieht nicht nach einem Zufall aus, sondern nach chronologischen Versuchen, und so trage ich Bedenken, den einfachsten Ausweg, in der Streichung von 367 eine Flüchtigkeit zu sehen, für den allein möglichen oder auch nur wahrscheinlichen zu halten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass schon D.s Gewährsmann geschwankt und combiniert hat; man stellt sich den allmählichen Process der Fastenredaction gewöhnlich zu einfach vor.

Wie sich die Eponymenliste D.s in ihrem späteren Teil von der officiell recipierten Fastentafel durch die nicht fünf-, sondern einjährige Anarchie fundamental unterscheidet, so in dem früheren dadurch, dass sie von der Alliaschlacht nicht 119 oder 120, sondern 121 Stellen zählt, so weit die erst 486 einsetzende Liste eine sichere Rechnung gestattet. Die Liste hat nämlich einerseits drei Consulate mehr:

1. ein unbekanntes zwischen 458 und 457 (296/7 varr.), das mitsamt dem Jahr Ol. 82, 1 vor XI 91, 1 ausgefallen ist;
2. L. Quinctius Cincinnatus M. Fabius Vibulanus zwischen 457 und 456 (297/8 varr.), XII 3, 1;
3. L. Quinctius A. Sempronius zwischen 428 und 427 (326/7 varr.), XII 77, 1;

lässt aber dafür ein Consulat aus:

Q. Fabius C. Iulius 482 (272 varr.). Dass hier keine Confusionen D.s vorliegen, geht zunächst daraus hervor, dass eine Spur von dem zwischen 428 und 427 eingeschobenen Consulat auch in der livianischen Tradition (IV 30, 15. 31, 1) nachgewiesen ist (Soltau Röm. Chron. 380). Die Unordnung hängt wahrscheinlich mit der Frage, in welchem Jahr A. Sempronius die Spolia opima gewann, zusammen (Mommsen Röm. Forsch. II 236ff.). Das Fabierconsulat von 457/6 ist, wie Mommsen (Röm. Forsch. II 257ff.) nachgewiesen hat, wegen der jüngeren Tradition über die Katastrophe an der Cremera gestrichen. Über die Streichung eines anderen Fabierconsulats von 482 und die Einfügung eines Jahres zwischen 458 und 457 lässt sich nichts Bestimmtes sagen: für die Rechnung kommen beide Abweichungen nicht in Frage, da sie sich gegenseitig aufheben. Für die Fasten D.s sprechen ferner zwei Thatsachen, auf welche Mommsen (Röm. Forsch. II 222ff.) aufmerksam gemacht hat und gegen die sich nichts einwenden lässt. Nach Liv. IV 23 führten Licinius Macer und Valerius Antias für das J. 434 (320 varr.) verschiedene Consulpaare an und erwähnten dabei, dass scriptores antiqui Kriegstribunen an Stelle der Consuln genannt hätten: Diod. XII 53, 1 hat ein Collegium von Kriegstribunen. Sodann sind bei Livius und in der capitolinischen Tafel die Listen der Kriegstribunen

[703] für die J. 425. 394. 391. 386. 383. 382. 378. 370. 368 (gewöhnlicher Zählung) in der Weise interpoliert, dass durchweg sechsstellige Collegien herauskommen, während bei D. sechsstellige mit drei- und vierstelligen wechseln; nur das Collegium von 425 ist aus einem dreistelligen in ein vierstelliges umgewandelt.

Freilich ist die Rechnung mit 121 Eponymenstellen vor der Alliaschlacht darum zunächst noch unsicher, weil die diodorischen Fasten erst mit 486 einsetzen; aber die Zahl lässt sich durch andere Erwägungen stützen.

Es gab einen Synchronismus, der die Alliaschlacht auf Ol. 98, 1 = 387 setzte: ihn vertritt bekanntlich Dionys (I 74) und, was- allerdings weniger bekannt ist und nicht allgemein zugegeben wird, der lateinische Fabius (Gell. V 4, 3): wenn, wie das Fragment lautet, im 22. Jahr nach der Einnahme Roms durch die Gallier zum erstenmal ein Plebejer zum Consul gewählt wurde, so führt dies, bei ungekünstelter Interpretation, auf das J. 387. Wie das Datum mit der Liste der nachfolgenden Eponymen ausgeglichen wurde, ist nicht überliefert und nicht zu erraten. Dagegen setzt Dionys mit grosser Bestimmtheit, unter Berufung auf eine censorische Urkunde aus dem Consulat des L. Valerius Potitus und T. Manlius Capitolinus (392 = 362 varr. nach gewöhnlicher Zählung) 120 Eponymen vor dem Galliereinfall an, die er so herausbringt, dass er zu den 119 Stellen der officiellen Fastenredaction ein drittes Decemviratsjahr hinzufügt (Mommsen Röm. Chron, 121ff.). Somit ergiebt sich für ihn Ol. 68, 1 = 507 (= 247 varr.) als erstes Jahr der republicanischcn eponymen Magistratur. Dasselbe Jahr bezeugt Polybios (III 22, 2), 28 Jahre vor dem Einfall des Xerxes Ol. 75,1 = 479 (= 275 varr.). Da er den Galliereinfall auf 386 setzt, muss er 121 Stellen vor ihm gezählt haben, wie die Fasten D.s, während bei Dionys das Heraufschieben des Galliereinfalls um ein Jahr und das Herabmindern der voraufgehenden Eponymen um eine Stelle augenscheinlich mit einander zusammenhängen. Die Gleichung 1. Jahr der Republik = Ol. 68, 1 = 507 ist aber, erheblich älter als Polybios, denn schon Cn. Flavius setzte in seiner von Plinius (XXXIII 20) dem Inhalt nach erhaltenen Weihinschrift das Jahr der Consuln P. Sempronius L. Sulpicius (304 = 450 varr.) gleich dem 204. nach der Dedication des capitolinischen Tempels. Wie nicht anders zu erwarten, hat auch Fabius so gerechnet: sein Gründungsdatum (Dionys. I 74), Ol. 8, 1 = 747 ergiebt sich durch Addition der von der älteren Tradition angesetzten 240 Königsjahre zu 507. Wenn nun die Fasten D.s, soweit sich nach dem erhaltenen Rest urteilen lässt, 121 Eponymen bis zum Galliereinfall zählen. wenn D. und Polybios unabhängig von einander, den Galliereinfall auf 386 setzen und Dionys diesen Ansatz indirect durch seine Doppelcorrectur bestätigt, so wird die Wahrscheinlichkeit, dass auch der griechische Fabius diesen Ausatz hatte, recht gross: dann aber sind die Fasten D.s im wesentlichen auch die des Fabius; sie gehören also, wie es von vornherein wahrscheinlich ist, zur Erzählung und sind nicht von D. aus einer anderen Fastentafel zugesetzt.

Das Indicium der Cognomina hat sich also [704] als irreführend herausgestellt. Es schafft auch nach anderer Seite hin nur Rätsel, ohne aufklärend zu wirken. Wenn irgend ein Eponymencollegium der diodorischen Fasten, so ist dasjenige von 434 (XII 53, 1; s. o.) aus der älteren Annalistik entlehnt; von den drei Kriegstribunen haben zwei Cognomina. Das zwischen 457 und 456 zugesetzte Consulpaar führt Cognomina, das spätere, zwischen 428 und 427 eingeschaltete nicht; die Analyse bestätigt, dass beide keine jungen Erfindungen sind, da sie sich mühelos in die älteren, dagegen auf keine Weise in die jüngeren chronologischen Systeme einfügen lassen. Somit müssen auch diejenigen, welche meinen, dass D. neben einem alten Annalisten eine Fastentafel benützt hat, zu der Hülfsconstruction ihre Zuflucht nehmen, dass auch diese Fastentafel von ehrwürdigem Alter war, jedenfalls älter als die sullanische Annalistik. Da greife ich lieber zu der Annahme, dass schon zur Zeit des Fabius die Cognomina anfingen, in den älteren Teil der Magistratstafel, nicht in die Erzählung, einzudringen; hier treten sie ja auch in der capitolinischen Tafel besonders reichlich und massenhaft auf; die von Cichorius gesammelten Stellen beweisen nichts, weil sie insgesamt nicht die Fastentafel wiedergeben, die nun einmal ein besonderes Element der Überlieferung ist.

Wenn man die diodorischen Fasten auf die gewöhnliche Zählung reduciert und mit den Olympiaden und Archontenjahren vergleicht, so tritt allerdings, wie die oben eingerückte Tabelle zeigt, eine starke Discrepanz zu Tage. Sie erklärt sich restlos aus den Schwierigkeiten der römischen Chronologie, denen das Wissen und die Arbeitskraft D.s nicht gewachsen war. Die gewöhnliche Zählung bringt die vier Dictatorenjahre und die fünf Jahre der Anarchie in Rechnung; da D. jene gar nicht, von diesen nur 1 zählt und die Eponymen von 307 streicht, muss er für das Jahr der Alliaschlacht um 9 Jahre hinter der gewöhnlichen Zählung zurückbleiben. Durch die Doublierung von 5 Eponymen vermindert sich die Differenz auf 4 Jahre; um die gleiche Differenz stehen die ältere Datierung der Alliaschlacht auf 386 und die jüngere auf 390 von einander ab. Weil er dann so thöricht ist, fünf Stellen auszuschalten , erhöht sich die Differenz wieder auf 9 Jahre; die Rechnung von 121 Eponymen vor der Alliaschlacht statt der 119 der gewöhnlichen Zählung mindert sie auf 7 herab, so dass das Consulat von 486 Ol. 75, 1 = 479 entspricht. Erraten zu wollen, wie er diese Discrepanz am Anfang der Liste ausgeglichen hat, ist eine müssige Speculation: unzulässig ist es, hier den vermeintlichen Ansatz Kastors für die Zerstörung Troias hineinzubringen, der nichts als ein moderner Rechenfehler ist; vgl. E. Schwartz Abhandl. d. Gött. Ges. d. Wiss. XL 1ff. Das Gründungsdatum Ol. 7, 2 (750) ist das gewöhnliche: es gehört nicht dem alten Annalisten, sondern dem jungen Gewährsmann der albanischen Königsliste an, wie der Zusammenhang erweist.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 98
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40a) S III, s. [38]).

[38]) (K) D. von Agyrion, Historiker im 1. Jh. v. Chr. S III.