RE:Domitius 50

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band V,1 (1903) S. 1426
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50) Cn. Domitius Corbulo, der Feldherr unter Claudius und Nero, s. die Supplemente.*

[Anmerkung WS:] Vgl. die Fussnote auf S. 1346 zu Nr. 29.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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50) Cn. Domitius Corbulo (der volle Name CIL III 6741f. XIV 2795 = Dessau I 232. 272 und Dio exc. LX 30, 4), allem Anschein nach ein Sohn des gleichnamigen Consuls unter Gaius (s. o. Bd. V S. 1425f.). Jedenfalls ist der Domitius Corbulo, der unter Gaius gegen die Unregelmäßigkeiten in der Straßenverwaltung einschritt, nach Dio LIX 15, 3. 4 derselbe wie der, welcher das gleiche Übel unter Tiberius bekämpfte, so daß Mommsen St.-R. II³ 1078, 2 offensichtlich [395] irrt, wenn er in jenem den Vater, in diesem den Sohn erblickt. Es ist wohl nur ein Flüchtigkeitsfehler v. Domaszewskis Philol. LXVII (1908) 6, 1, wenn er auch Dio diese Unterscheidung zwischen Vater und Sohn machen läßt (ebensowenig identifiziert Dio den Corbulo unter Tiberius mit dem Feldherrn Neros, wie Henderson Nero 472 angibt) und behauptet, Mommsen sei hier Dio gefolgt. Übrigens trägt Mommsen eine davon abweichende Meinung Philol. XLIV (1885) 372 vor, daß nämlich der Sohn in die Wegeverwaltung eingegriffen habe, und daß Tac. ann. III 31, wo er von dem Streit des Vaters mit Sulla (im J. 21 n. Chr.) spricht, irrtümlich (infolge Verwechslung der beiden) auch noch die Wegeverwaltung außer der Reihe mit anführe. Doch wird man kaum zu einer so bedenklichen Annahme greifen, wenn dazu nicht die mindeste Notwendigkeit vorliegt. Die Ansicht Wolffgramms aber (ebd. 371–376 und Progr. Prenzlau 1874, 8–15), daß alle Nachrichten, die wir über Corbulo besitzen, auf einen und denselben Mann zu beziehen seien, ist an sich unwahrscheinlich, denn wer im J. 21 die Praetur bekleidet, also jedenfalls das 30. Lebensjahr erreicht hatte, konnte schwerlich noch im J. 66 oder 67 das Kommando im kriegerischen Osten führen; sie kann aber jetzt vollends als beseitigt gelten, seit wir einen Cn. Domitius Corbulo als Quaestor von Asia durch eine ephesische Inschrift kennen, die zu Ende des 1. Jhdts. v. Chr. oder wenig später gesetzt ist, Heberdey im Bormannheft d. Wien. Stud. 1902, 51 = Forschungen in Ephesos II (1912) 173, 59 = Dittenberger Syll. or. II 768. Auffällig ist nur, daß der ältere Corbulo so lange Zeit nach der Praetur zum Consulat gelangte. Vielleicht hat Wolffgramm (a. a. O. 374f.) darin recht, daß seine Unbeliebtheit im Senat den Kaiser Tiberius davon abhielt, ihm den Consulat zu verschaffen. Nur wenige Jahre darnach (s. u.) wurde der jüngere D. Consul. Mit diesem dürfte der Consul Corbulo identisch sein, den Plin. n. h. VII 39 als einen Sohn der Vistilia erwähnt. D. war somit ein Halbbruder der Milonia Caesonia, der letzten Gemahlin des Kaisers Gaius.

Seine Laufbahn kennen wir erst von dem Zeitpunkt an, da er als Legat nach Niedergermanien geschickt wurde, Tac. XI 18 (zum J. 47 n. Chr.; doch könnte sein Feldzug in Germanien schon 46 begonnen haben, wenn man die aus diesem Jahre datierten Münzen mit der Legende de Germanis, Cohen I² Claudius nr. 17f. 28f., darauf beziehen will, s. Groag o. Bd. III S. 2800). Er muß also vorher Consul (suffectus) gewesen sein; daß er vor 46 Consul war, ergibt sich auch daraus, daß sein Nachfolger im Proconsulat von Asia, M. Iunius Silanus, in diesem Jahre Consul ordinarius war. In Germanien holte er sich seine ersten kriegerischen Lorbeeren. Hier waren die Chauken nach dem Tode des bisherigen Legaten (Q.) Sanquinius (Maximus) unter der Führung des Gannascus, eines Cannenefaten, der früher in römischen Diensten gestanden hatte, eingefallen und brandschatzten Küstenstriche in Gallien. Mit Leichtigkeit vertrieb sie D., indem er von allen Seiten Schiffe aus der Rheinflotte herbeiziehen und die feindlichen Fahrzeuge versenken [396] ließ. Was aber vielleicht noch wichtiger war, er machte der früheren Schlaffheit und Zuchtlosigkeit der verweichlichten Legionen durch eiserne Disziplin ein Ende, so daß bald die unglaublichsten Gerüchte über seine Strenge im Umlauf waren. Mit diesen moralisch gestärkten Truppen, die ihre frühere Ordnung und Tapferkeit wiedergewonnen hatten, konnte er es wohl unternehmen, auch die Friesen, die sich seit der Niederlage des L. Apronius (im J. 28 n. Chr.) unabhängig gemacht hatten, zu unterwerfen; sie wurden wieder in völlige Abhängigkeit vom Reiche gebracht. Den Kampf gegen die Chaukes beendigte er, indem er einige von den Häuptern des Volkes für sich zu gewinnen verstand und Gannascus unbedenklich durch Meuchelmord beseitigen ließ. Weiteren Erfolgen tat die Eifersucht des Kaisers dadurch Einhalt, daß er den ihm wegen seiner Tüchtigkeit unbequemen Feldherrn abberief. Schweren Herzens gehorchte Corbulo; ehe er heimkehrte, ließ er, der die Truppen immer beschäftigt wissen wollte, einen Graben zwischen Rhein und Maas zum Schutze gegen Einbrüche des Meeres ziehen, vielleicht auch, um die Operationsfähigkeit der Rheinflotte zu erhöhen. Es war ein schwacher Trost für ihn, daß ihm der Kaiser die Triumphalornamente gewährte, Tac. ann. XI 18–20. Dio LX 30, 4–6; vgl. Mommsen R. G. V 114f. Riese Das rhein. Germanien in der antiken Lit. 112f. Andresen Woch. f. kl. Phil. 1914, 1354–1356. Als Quelle für Tacitus nimmt Münzer Bonn. Jahrb. CIV (1899) 73–78 die Bücher Bellorum Germaniae des älteren Plinius an, der wahrscheinlich als Militärtribun diesen Feldzug Corbulos mitgemacht hat; vgl. Plin. n. h. XVI 2 visae nobis Chaucorum (gentes), XXII 8 durare apud Germanos scio. Plin. ep. III 5, 4 cum in Germania militaret.

Noch unter der Regierung des Claudius wurde D. Proconsul von Asia (Münzen des Claudius aus Dokimeion mit der Legende ἐπὶ Κορβούλωνος ἀνθυ., Cat. of coins in the Brit. Mus., Phrygia, S. 190 pl. XXIV 5. Head HN² 672. Münsterberg Num. Ztschr. 1912, 99, schlecht gelesen bei Mionnet Suppl. VII 555, 318). Die Münzen aus Dioshieron mit dem Namen Corbulo (Cat. Brit. Mus., Lydia 75, 6–8; dazu Head p. L; HN² 650. Pick Ztschr. f. Num. XVII 1890, 181, 2. Münsterberg a. a. O. 71) nennen nicht D., sondern einen γρ(αμματεύς), sind daher auch nicht, wie Waddington Fastes 697f., 82, wollte, zur Datierung von Corbulos Proconsulat zu verwenden; übrigens stammen sie aus der Zeit Neros. Mit Corbulos späterem außerordentlichen Kommando (wie Pick a. a. O. annahm) haben sie auch nichts zu tun. Mit Sicherheit läßt sich sagen, daß D. vor dem Thronwechsel im Oktober 54 Proconsul von Asia war, weil damals schon M. Iunius Silanus die Provinz verwaltete, Tac. ann. XIII 1; vgl. 33. Dio exc. LXI 6, 5. Plin. n. h. VII 58.

Gleich zu Beginn der Regierung Neros wurde er als der tüchtigste General seiner Zeit zur Führung des drohenden Partherkrieges ausersehen, dessen Preis der Besitz oder die Oberhoheit über Armenien sein sollte. Noch in der letzten Zeit der Regierung des Claudius hatte der [397] Partherkönig Volagases I. in die armenischen Thronwirren eingegriffen und den König Radamistos, der durch unerhörte Gewalttaten auf den Thron gelangt war, vertrieben, um seinen eigenen Bruder Tiridates als Herrscher einzusetzen. Wohl war bald darauf Volagases durch eine Seuche in seinem Heere zum Abzug gezwungen worden, und Radamistos hatte sich zum zweitenmal der Herrschaft bemächtigt, war aber wieder, diesmal von den Armeniern selbst, verjagt worden. Daher erneuerten die Parther ihren Einfall nach Armenien, und Tiridates konnte von dem Lande Besitz ergreifen, Tac. XII 44–51; vgl. Joseph. ant. Iud. XX 74. Zur Chronologie dieser Vorgeschichte von Corbulos Partherfeldzügen Henderson Class. Review XV (1901) 159–165.

Die Nachricht von diesen Ereignissen kam nach Rom zu Ende des J. 54, als Claudius schon gestorben war und Nero die Regierung angetreten hatte. Armenische Gesandten verlangten Intervention zugunsten des Radamistos. Rom traf alle Vorbereitungen zu einem Kriege gegen die Parther, und daß nicht irgend ein Günstling, sondern der tüchtige D. die Wiedergewinnung von Armenien durchführen sollte, wurde als ein Beweis dafür angesehen, daß Nero von Burrus und Seneca gut beraten war, Tac. XIII 6–8; vgl. 5 und Dio exc. LXI 3, 3. 4. LXII 19, 3. Der Statthalter von Syrien, C. Ummidius Durmius Quadratus, mußte die eine Hälfte der Streitkräfte des Orients, zwei Legionen (III Gallica und VI Ferrata, auch eine Vexillation der X Fretensis, vgl. Tac. XIII 38. 40) und die entsprechenden Auxilien dem Corbulo übergeben, der als kaiserlicher Legat von Kappadokien und Galatien (vgl. Tac. ann. XIII 35. XV 6) auch den Befehl über die in Kappadokien stehenden Auxilien erhielt. Die Klientelkönige bekamen den Auftrag, sich je nach Bedarf für den einen oder anderen Kommandanten zur Verfügung zu stellen.

Um im Einvernehmen vorzugehen, trafen sich die beiden Feldherren zu Aigeai in Kilikien; den Quadratus leitete auch die Besorgnis, daß sein Ansehen in der eigenen Provinz gegenüber der eindrucksvollen Erscheinung Corbulos erschüttert werden könnte, Tac. XIII 8. Daß beim ersten Heranrücken an den Euphrat Volagases, durch innere Unruhen gezwungen, Armenien verließ (vgl. Dio exc. LXII 19, 1), wurde in Rom vorschnell und in übertriebener Weise als Erfolg des Kaisers gefeiert. Immerhin ging Volagases auf die Vorschläge der Römer ein, ihre Oberhoheit durch Stellung von Geiseln anzuerkennen, wohl nicht ohne unredliche Nebenabsicht für die Zukunft, aber auch um sich dadurch unbequemer Verwandten zu entledigen. Als diese Geiseln übergeben wurden, wollten sie lieber von Corbulo als von Quadratus in Empfang genommen werden. Dadurch entstand ein Streit zwischen den Feldherren, wem das Verdienst an dem Erfolg gegen die Parther gebühre. Nero suchte ihre Eifersucht dadurch zu beschwichtigen, daß er beide als Sieger bezeichnete, Tac. XIII 7–9; hier ist auch ausdrücklich angegeben, daß diese Ereignisse zum Teil in das folgende Jahr gehören, aber um des Zusammenhanges willen schon zum J. 54 erzählt sind. Jedenfalls herrschte im J. 56 wieder Friede, Pac. XIII 25.

[398] Doch konnte dieser Zustand keine der beiden Parteien befriedigen, und es war nur eine Frage der Zeit, wohl auch der Schnelligkeit, mit der die beiderseitigen Rüstungen verstärkt wurden, wann der Kampf von neuem aufgenommen würde. Das geschah endlich im J. 58 (noch in diesem Jahre waren parthische und armenische Gesandte in Rom mit Auszeichnung behandelt worden, Tac. XIII 54 vgl. mit Suet. Claud. 25, 4). Die Armenier ermunterten beide Staaten zum Kriege, neigten aber mehr zu den Parthern, Tac. XIII34.

Bevor Corbulo daran denken konnte, den Feldzug mit Erfolg aufzunehmen, mußte er der heillosen Unordnung im Heere steuern, eine Aufgabe, die ihm schon in Germanien so gut geglückt war. Aber die Legionen des Orients waren seit jeher durch Verweichlichung und Disziplinlosigkeit berüchtigt. Damals nun war es ärger als je geworden, die Soldaten waren in der langen Friedenezeit erschlafft und nicht nur dem Kriege, sondern auch den gewöhnlichsten Friedensarbeiten des Heeres ganz entfremdet. Hier mußte eine eiserne Hand eingreifen, und D. war wie geschaffen dazu. Er war in der kurzen Zeit vor dem Wiederausbruch des Krieges mit den Parthern nicht müßig geblieben. Die kampfunfähigen Krieger wurden entlassen und schleunigst Ersatz für sie gefordert. Dieser ward ihm durch eine Aushebung in Galatien und Kappadokien, ja, man hielt es sogar für geraten, eine heilsame Mischung mit Truppen des Westens vorzunehmen und daher noch eine Legion mit zugehörigen Hilfstruppen aus Germanien (es ist vielleicht die legio IV Scythica; vgl. Mommsen R. g. d. A.² 68f., 2. Henderson Class. Rev. 1901, 206. Filow Klio Beih. VI 8f. 19f., der annimmt, daß Tacitus irrtümlich Germanien statt Moesien sagt) hinzuschicken. Nun lernten die verwöhnten syrischen Legionen den Dienst in seiner vollen Strenge kennen. Jetzt erst wurden sie an feldmäßige Strapazen gewöhnt, namentlich an die Beschwerden eines rauhen Winters, Anstrengungen, denen freilich so mancher zum Opfer fiel. Aber der Feldherr ging seinen Truppen mit gutem Beispiel voran, und als er überdies schon die ersten Fälle von Desertion mit unbarmherziger Grausamkeit bestrafte, da hörte dieses Übel bald ganz auf, Tac. XIII 35. Dio exc. LXII 19, 1. Im Frühling 58 konnte er endlich Anstalten zu einem umfassenden Angriff treffen. Ein voreiliges und gegen sein Verbot erfolgtes Losschlagen einiger Auxilien, die dann infolge ihrer Unvorsichtigkeit vom Feinde zurückgetrieben wurden, bestrafte Corbulo an allen Beteiligten nach altrömischer Sitte damit, daß sie außerhalb des Lagers kampieren mußten, und nahm diese Verfügung erst auf Bitten des ganzen Heeres zurück, Tac. XIII 36; vgl. Ps.-Frontin. strat. IV 1, 21; ein anderes Beispiel von Corbulos Strenge IV 1, 28.

Auch die Partiher hatten indessen aufgehört, den Schein der Vertragstreue zu wahren, und offen die Feindseligkeiten eröffnet. Als Tiridates Gewaltmaßregeln gegen die römerfreundlichen Landschaften ergriff, führte Corbulo seine Truppen über den Euphrat, aber Tiridates wußte sich geschickt einem Entscheidungsgefecht zu entziehen. Da jedoch die Römer in Pharasmanes, [399] der, um sich ihre Gunst zu erwerben, sogar seinen eigenen Sohn, den früher erwähnten Störenfried Radamistos, getötet hatte, einen treuen Bundesgenossen und erbitterten Feind der Armenier gewannen und auch das wilde kaukasische Bergvolk der Moscher (doch will M. O. B. Caspari Class. Rev. 1911, 107f. das Tac. XIII 37 überlieferte Insochi = Heniochoi halten; mit Recht abgelehnt von Andresen Jahresber. d. philol. Ver. XXXVII 1911, 262f.) als ihre Verbündeten plündernd in Armenien einfiel, so hielt Tiridates wieder eine Frontschwenkung für geraten. Er berief sich auf den Vertrag und die Stellung der Geiseln und suchte so die Römer ins Unrecht zu setzen; zugleich spielte er den Friedliebenden, der nur, um Krieg zu vermeiden, nicht seinen mächtigen Bruder, den Partherkönig, zu Hilfe rufe. Doch ließ sich D. durch diese Drohung nicht einschüchtern, da er wohl wußte, daß Volagases durch den Abfall Hyrkaniens an den weit entfernten Gebieten seines Reiches zurückgehalten war. Er riet daher dem Tiridates, Nero um Verzeihung für das Geschehene zu bitten. Als die zu diesem Zweck unternommenen Unterhandlungen durch Boten zu keinem Ergebnis führten, wurde eine persönliche Unterredung vereinbart. Das in offenbar böswilliger Absicht gestellte Verlangen, Corbulo möge bei dieser Zusammenkunft von einem unbewaffneten Gefolge begleitet sein, mußte natürlich den Argwohn des erfahrenen Feldherrn erregen, und er forderte daher eine Besprechung in Gegenwart des aufgestellten Heeres. Darauf wagte Tiridates doch nicht einzugehen, und so unterblieb jeder weitere Versuch, den Frieden herzustellen. Rasch drangen die unter Corbulos Befehl stehenden Heeresteile (Legio III Gallica, VI Ferrata und eine Vexillation der X Fretensis, vgl. Tac. XIII 38. 40) vor, um den König in die Defensive zu treiben. Corbulo selbst erobert die stärkste Festung, Volandum, je ein kleineres Kastell läßt er durch seine Unterführer, den Legaten Cornelius Flaccus und den Lagerpraefecten Insteius Capito, nehmen. Dieser mit geringen Verlusten (Tacitus’ Bericht XIII 39, daß vor Volandum auf römischer Seite niemand gefallen und nur wenige verwundet worden seien, während die gesamte Besatzung der Burg den Tod gefunden habe, leidet sichtlich wieder an starker Übertreibung) an einem einzigen Tag errungene Erfolg, der den Siegern reiche Beute verschaffte, stärkte auch gewaltig den Mut und die Zuversicht des Heeres, und so konnte D. unaufhaltsam zum Sturm auf Artaxata vorgehen. Auf Umwegen über Furten des Araxes führte er seine Truppen dorthin, um sie nicht den beim Übergang über den Fluß im Angesicht der Feinde unvermeidlichen schweren Verlusten auszusetzen. Auf dem Vormarsch nach Artaxata wurde das römische Heer zwar wiederholt von Tiridates beunruhigt, aber da D. in gesicherter Marschordnung vorrückte, bereit, jederzeit den Kampf aufzunehmen, wagte Tiridates nicht ernsthaft anzugreifen, sondern zog sich immer weiter zurück, wobei er selbst Artaxata preisgab. Mit leichter Mühe ward D. Herr der Stadt, da sich die Bewohner freiwillig ergaben. Um aber seine Kräfte nicht durch die Verteidigung des eroberten Platzes zu zersplittern, ließ D. die Stadt vollständig [400] zerstören, Tac. XIII 37–41; hist, III 24, wo von den Soldaten der III. Legion gesagt ist sub Corbulone Armenios … pepulissent, ist eher auf diesen Feldzug zu beziehen, als etwa auf die XV 26 geschildierten Ereignisse. Dio exc. LXII 19, 4. Ps.-Frontin. strat. IV 2, 3 rühmt Corbulos Geschick in der Wiederherstellung der Disziplin, wodurch es ihm gelungen sei, mit bloß zwei Legionen (s. o.) und wenigen Auxilien zu siegen; vgl. IV 7, 2.

Im nächsten Jahre (59; Tacitus faßt die Ereignisse der J. 59 und 60 zu einer Erzählungsgruppe zusammen, die er erst zum J. 60 ansetzt, XIV 23–26. Bedenken gegen die verschiedenen Versuche, Tacitus’ unzureichende Angaben über diese Vorgänge in ein festes chronologisches System einzuordnen, bringt Henderson Class. Rev. XV 206–213 vor, ohne aber eine befriedigende Lösung bieten zu können. Dasselbe gilt von Schoonover A study of Cn. Domitius Corbulo 7–13; vgl. 38f., dessen Ansicht wieder einen Rückschritt bedeutet. Richtiger H. Stuart Jones Rev. arch. III 1904, 266–269) wandte sich D. der anderen Hauptstadt Armeniens, Tigranokerta (zu der älteren Ansicht über die Lage der Stadt s. Mommsen Ges. Schr. IV 323–332 und die S. 323* vom Herausgeber verzeichnete Literatur, dazu Henderson Journ. of Philol. XXVIII [1903] 99–121; endgültig hat Lehmann-Haupt Armenien einst und jetzt I 383–386. 395–406 die Örtlichkeit genau bestimmt, es ist das heutige Farkîn), zu (Plin. n. h. II 180 berichtet von einer Sonnenfinsternis am 30. April 59, die Corbulo während seines Feldzuges in Armenien beobachtete; erwähnt ist diese Finsternis auch Tac. XIV 12 und Dio LXI 16, 4). Nun suchte er durch mildes Auftreten die Bevölkerung für sich zu gewinnen, ohne aber die bei der schwankenden, unzuverlässigen Haltung der Armenier so sehr gebotene Vorsicht außer acht zu lassen. Alle, die sich unterwarfen, fanden freundliches Entgegenkommen, gegen Widerspenstige und Hinterhältige aber verfuhr er mit Strenge, ja Grausamkeit. Das räuberische Bergvolk der Marden, die einen Überfall auf das römische Heer versucht hatten, ließ er durch die Hiberer züchtigen. Bei den großen Strapazen des Marsches, namentlich bei dem furchtbaren Mangel an Lebensmitteln und Trinkwasser, zeigte sich die unbeugsame Ausdauer des Feldherrn im glänzendsten Licht; sie half über die schwierigste Zeit hinweg, bis das Heer wieder in freundlichere Gegenden gekommen war. Nach der Eroberung zweier Kastelle, in welche sich die Armenier geflüchtet hatten, und nachdem Corbulo in der Regio Tauraunitium (Taron mit der Hauptstadt Musch; anders Henderson Nero 474) einem gegen ihn geplanten Anschlag durch Zufall entronnen war, öffnete auch Tigranokerta seine Tore (doch erzählt Frontin. strat. II 9, 5, im Widerspruch mit Tacitus, daß die Stadt erst belagert werden mußte) und wurde von dem Sieger gnädig behandelt. Noch eine Festung, Legerda (jetzt Lidje oder Ilidje) leistete zähen Widerstand, wurde aber schließlich gleichfalls bezwungen, und nun war Armenia vollständig im Besitz der Römer. Die Hyrkanier, die durch ihren Abfall den Partherkönig so völlig in Anspruch nahmen, [401] heischten Anerkennung und Belohnung für diesen den Römern geleisteten Dienst. Als ihre Gesandten aus Rom zurückkehrten, ließ Corbulo sie auf Umwegen über das Persische Meer in ihre Heimat geleiten, damit sie nicht in die Hände der Parther gerieten. Einen letzten Versuch des Tiridates, von Media aus wieder in sein Reich einzudringen, schlug Corbulo erst durch seine Vorhut unter dem Legionslegaten (L.) Verulanus (Severus), dann selbst mit der Haupttruppe ab. Nun setzte Nero den Tigranes als König von Armenien ein, einen Fürsten aus kappadokischem Adel und Abkömmling des jüdischen Königs Herodes. Da er jahrelang als Geisel am kaiserlichen Hofe gelebt hatte, war er dem Kaiser blind ergeben. In Armenien wurde er mit gemischten Gefühlen aufgenommen, römische Truppen wurden ihm zu seinem Schutz beigegeben (darunter auch ein Detachement der Legio VI Ferrata, die nach der Inschrift aus Mekle [Miletopolis], Journ. hell. stud. 1907, 64, richtiger ergänzt von v. Domaszewski Philol. 1908, 6 = Dessau III 9108, in Armenien unter D. Winterquartiere hatte, vorausgesetzt, daß auch die anderen Ausführungen v. Domaszewskis a. a. O. 7 diese Inschrift mit Recht hierher beziehen, was sich jedoch keinewegs einwandfrei beweisen läßt; jedenfalls ist dann nicht der Winter 61/2, sondern 60/1 gemeint), und die benachbarten Klientelkönige erhielten anstoßende Teile seines Reiches. Corbulo aber war mittlerweile, nach dem Tode des Ummidius Quadratus, auch Statthalter von Syrien geworden und begab sich in diese Provinz, Tac. XIV 23–26; vgl. 29. XV 1. Dio (-Xiphil.) LXII 20, 1. Joseph. ant. Iud. XVIII 140; vgl. bell. Iud. II 222. Lyd. de mag. III 34 erwähnt den Siegeszug Corbulos und die Eroberung von Nisibis. Aus der Zeit seiner Verwaltung Syriens wird ein Reskript an den (Procurator) Barbarus zitiert, das die Einhebung von Zöllen durch die Stadt Palmyra betrifft, IGR III 1056 = Herm. XIX 503, col. IV a, v. 56 (und dazu Dessau a. a. O. 514, 1. 533) = Dittenberger Syll. or. II 629, Z. 168: Κουρβούλων (sic) ὁ κράτιστος.

In ohnmächtiger Wut hatte Volagases dem für sein Haus und sein Reich so schmachvollen Verlauf der Dinge zusehen müssen. Als aber Tigranes zum Angriff gegen die den Parthern ergebenen (vgl. z. B. Joseph. ant. Ιud. XX 81) Adiabener vorging und ihr Gebiet verwüstete, und als ihr König Monobazos sich in beweglichen Worten an ihn um Hilfe wandte, ja, im Verweigerungsfalle den bedrohlichen Übertritt zu den Römern in Aussicht stellte, da ermannte sich Volagases endlich dazu, den ihm aufgezwungenen Kampf zu führen. Nachdem er mit den Hyrkanern Frieden geschlossen hatte, konnte er selbst mit seiner ganzen Heeresmacht gegen Syrien ziehen. Seinen Bruder Tiridates, dem er eigenhändig das Diadem auf das Haupt setzte, schickte er mit auserlesener Reiterei unter Monaeses und den Truppen der Adiabener unter Monobazos (Dio exc. LXII 20, 2) zur Vertreibung des Tigranes voraus. Tacitus XV 1. 2 erzählt von diesem Wiederbeginn des Krieges zum J. 62, wobei auch hier wieder (XV 1–17) die Ereignisse zweier Jahre (61 und 62) zusammengefaßt sind (vgl. [402] XV 6 hibernavisse); eine Analyse der verschiedenen Ansichten über die Verteilung der Ereignisse auf die einzelnen Jahre gibt Henderson Class. Rev. XV 266–274; von seinen Ergebnissen abweichend Schoonover a. a. O. D. schickte auf die Nachricht von der drohenden Gefahr dem Tigranes zwei Legionen, die den Befehl hatten, sich nicht früher als nötig in einen Kampf einzulassen (der eine der beiden Tac. XV 3 genannten Legionskommandanen, Vettius Bolanus, wird auch von Stat. silv. V 2, 32ff. 141 gerühmt als Waffengenosse Corbulos in diesem Kriege). An den Kaiser schrieb er, daß zur Behauptung Armeniens ein eigener Feldherr erforderlich sei (vgl. auch Tac. XV 6), er selbst sei mit der Verteidigung Syriens gegen den eindringenden Partherkönig vollauf in Anspruch genommen. In der Tat setzte er rasch die Provinz in Verteidigungszustand: die Truppen wurden an den Euphrat vorgeschoben, die Provinzialmiliz von Syrien (vgl. Mommsen Ges. Schr. VI 149*. Stappers Musée Belge VII 1903, 304, 1) aufgeboten, die Zahl der Wachttürme vermehrt; um einer Wassernot vorzubeugen, wurden zum Schutz der Oasen Forts erbaut und einige Bäche durch Überwölbung den Augen der Feinde verborgen, Tac. XV 3. Obwohl somit Syrien hinlänglich gesichert schien und auch der gegen Armenien gerichtete Angriff des Monaeses an den festen Mauern Tigranokertas zerschellte, hielt D. doch gerade jetzt die Zeit zur Mäßigung gekommen. Er ließ also dem Parther nur Vorwürfe wegen seines Angriffes auf das befreundete Armenien machen und mahnte ihn bei Androhung des Krieges, von jeder weiteren Belagerung abzustehen. Der Centurio Casperius überbrachte in trotziger Haltung dem König diese Botschaft vor Nisibis. Volagases, innerlich einem Krieg mit den Römern auch jetzt noch abhold, ließ sich bei seiner schwierigen Lage einschüchtern. Er befahl seinen Truppen, von Tigranokerta abzurücken, und schickte eine Gesandtschaft nach Rom, um über weitere Friedensbedingungen zu verhandeln. Bald aber stellte sich heraus, daß dadurch der Krieg nur auf kurze Zeit hinausgeschoben war. Denn in Rom war man bei diesem Stande der Dinge nicht mehr zum Frieden geneigt. Der Umstand aber, daß auch Tigranes sein Land verließ und die römischen Legionen wieder nach Kappadokien zurückgezogen wurden, gab zu manchen Verdächtigungen gegen D. Anlaß. Sein Verlangen war mittlerweile erfüllt: L. Caesennius Paetus war nach Armenien geschickt und ein Teil der Streitkräfte Corbulos ihm überwiesen worden (vgl. Tac. XIV 58 magnis tum exercitibus praesidentem), und zwar die Legionen IV (Scythica) und XII (Fulminata), sowie die früher erwähnten aus Galatien, Kappadokien und dem Pontus ausgehobenen Auxilien; dazu kam noch die Leg. V (Macedonica) aus Moesien; vgl. auch Tac. XV 10. 26. 28 (die Angabe ad expeditionem in Armeniam in der Inschrift des Ti. Plautius Silvanus Aelianus, CIL XIV 3608 = Dessau I 986, bezieht sich, wie Filow a. a. O. 20f. gegenüber den früheren Forschungsergebnissen dargelegt hat, nicht darauf, sondern auf die schon früher erfolgte [s. o. S. 398, 32] Entsendung der Leg. IV Scythica aus Moesien nach [403] Syrien; s. aber die Bedenken dagegen bei Stout The governors of Moesia, 1911, 14–16). Unter Corbulos Befehl in Syrien verblieben die Legionen III (Gallica), VI (Ferrata) und X (Fretensis) und die früheren Auxilien der Provinz, Tac. XV 4–6. Dio exc. LXII 20, 2–4.

Rasch überschritt Paetus mit zwei Legionen, der IV Scythica unter Funisulanus Vettonianus und der XII Fulminata unter Calavius Sabinus den Euphrat, wobei böse Vorzeichen die Truppen, aber nicht den Feldherrn ängstigten. Dieser drang vielmehr immer tiefer nach Armenien ein, ohne die geringste Vorsorge für Verpflegung und Winterquartiere zu treffen. Es scheint, daß er bis nach Tigranokerta kam und die Stadt wieder besetzte (vgl. Tac. XV 8 reciperandis … Tigranocertis; ungenau berichtet Dio exc. LXII 21, 1, daß Volagases den zum Entsatz der Stadt herbeieilenden Paetus zurückschlug. Dio hat eben nichts davon gesagt, daß der Partherkönig die Belagerung aufgehoben hatte, vgl. Asdourian 178f.; anders Hendersen Class. Rev. XV 272). Erst als der Winter schon vor der Türe stand (Ende 62), die erbeuteten Vorräte aufgebraucht waren und er sein Heer in nutzlosen Gewaltmärschen erschöpft hatte, trat er den Rückweg an. In seinem Bericht an den Kaiser stellte er den Krieg als ruhmreich beendet hin, Tac. XV 7. 8.

Um so jäher wurde er aus seiner selbstgefälligen Ruhe geschreckt durch die Botschaft, daß Volagases selbst herannahe. Denn den Partnern war durch D., der die Wacht am Euphrat trefflich besorgte, eine starke Schiffbrücke über den Strom schlagen ließ und eine stattliche Truppenmacht auch am linken Ufer entfaltete, die Lust zu weiterem Vorrücken verleidet worden (vgl. die Corbulos Verdienst schmälernden Worte Suet. Nero 39, 1 aegre … Syria retenta), und sie beschlossen nun statt des mißglückten Einfalles nach Syrien, einen konzentrischen Angriff auf Armenien, Tac XV 9. Zwar rief Paetus eilig die XII. Legion herbei, aber durch verschiedene zum Teil überflüssige Abkommandierungen hatte er die Truppenzahl stark herabgemindert; auch traf ihn die Nachricht so unerwartet, daß er zwischen widerstreitenden Absichten hin und her schwankte und doch auch den Rat seiner erfahrenen Unterführer verschmähte. Selbst D. um Hilfe anzugehen entschloß er sich nur schwer, und dieser schickte ihm den Entsatz sträflich langsam (das Motiv, das ihm dabei Tac. XV 10 unterschiebt, fällt um so schwerer ins Gewicht, als Tacitus ihn sonst verherrlicht). Als aber die Gefahr anwuchs und einzelne vorgeschobene Abteilungen besiegt wurden, ja, durch ihre Flucht noch den Schrecken im Lager erhöhten, wiederholte Paetus seine Bitte dringender. Da erst zog D. bedächtig nach Armenien, nicht ohne einen ansehnlichen Armeeteil zum Schutze der Euphratgrenze zurückgelassen und für den Nachschub der Verpflegung umfassende Maßnahmen getroffen zu haben. Bald begegneten ihm die ersten versprengten Flüchtlinge von den geschlagenen Truppen. Er ermahnte sie zurückzukehren und munterte seine Soldaten zur Rettung der eingeschlossenen zwei Legionen auf, Tac. XV 10–12.

Denn Volagases hatte sich in seinem Angriff [404] nicht irre machen lassen, sondern belagerte Paetus in Rhandeia (Dio exc. LXII 21, 1. 23, 2 = Suid. s. ἀπολαβόντες; die topographischen Fragen behandelt Henderson Journ. of Philol. XXVIII 1903, 271–286; wertlos Schoonover 14–16). Immer verzweifelter wurde die Lage der Römer, die keinen Ausfall wagten, sondern sich nur den schützenden Befestigungen anvertrauten. Als endlich der schwachmütige Paetus an seiner Rettung verzagte, richtete er an den Partherkönig einen mehr vorwurfsvoll und drohend als bittend gehaltenen Brief, mit der naiven Zumutung abzuziehen. Volagases wollte aber noch die Ankunft seiner Brüder abwarten und behielt sich die Entscheidung über das Schicksal Armeniens und die eingeschlossenen Legionen vor. Da entschloß sich Paetus vorschnell (er hatte noch reichlich Vorräte [der Widerspruch bei Tac. XV 8 und 16, von dem Mommsen R. G. V 390, 1 spricht, ist nicht unlösbar], die der Parther hingegen drohten schon auszugehen, auch war D. nur mehr drei Tagemärsche entfernt) zu kapitulieren und erhielt unter demütigenden Bedingungen (Suet. Nero 39, 1 [= Eutrop. VII 14, 4. Oros. VII 7, 12] sagt, die Legionen seien unter das Joch geschickt worden, was nach Tac. XV 15 ein bloßes Gerücht war) freien Abzug. Armenien mußte von den Römern geräumt, alle Vorräte den Parthern ausgeliefert werden. Weitere Abmachungen sollten die parthischen Gesandten in Rom treffen, doch soll Paetus schon eidlich versprochen haben, sich für die Einsetzung des Tiridates in Armenien beim Kaiser zu bemühen, Tac. XV 13–15. Dio exc. LXII 21, 2–4. Tacitus beruft sich in dieser Erzählung (XV 16) auf Corbulos Memoiren, äußert aber seine Zweifel an der Richtigkeit einzelner Tatsachen, die zu Ungunsten des Paetus entstellt worden seien. Beim fluchtartigen Rückzug traf Paetus endlich auf D. (vgl. Henderson Journ. of Philol. XXVIII 274f.), dessen Hilfe also zu spät gekommen war, trotz seiner angeblich unerhört schnellen Märsche (ἀμηχάνῳ τάχει), wie Dio (LXII 22, 1), wohl nach Corbulos eigenem Berichte sagt; vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 131, 1. Während die Soldaten des Hilfskorps mit ihren besiegten Kameraden aufrichtiges Mitleid hatten, überhäuften die Feldherren einander mit Vorwürfen, und D. lehnte Paetus’ Aufforderung, noch jetzt mit den vereinigten Streitkräften wieder nach Armenien einzufallen, mit dem Hinweis auf seine Pflicht ab, Syrien zu schützen. So mußte Paetus in Kappadokien bleiben. Die Parther zogen auf Corbulos Verlangen alle ihre Posten in Armenien ein, wogegen dieser dem durch Monaesus überbrachten Ansinnen des Volagases entsprach und die jenseits des Euphrat errichtete Befestigungslinie wieder aufgab, Tac. XV 16. 17, Dio exc. LXII 22, 1–3.

Die parthischen Gesandten, die nach der Kapitulation des Paetus nach Rom geschickt worden waren, kamen dort zu Anfang des Frühlings 63 an. Die Botschaft des Volagases lautete dahin, daß im Hinblick auf seine Waffenerfolge Nero in die neuerliche Besitzergreifung Armeniens dureh Tiridates einwilligen möge. Dieser sei bereit, die Krone vor dem Kaiserbild in Gegenwart der Legionen zu empfangen. Von der Niederlage des Paetus erfuhr man in Rom erst durch einen [405] Centurio, der mit der Gesandtschaft gekommen war. Unter diesen Verhältnissen entschloß sich Nero, die Gesandten abschlägig zu bescheiden; Tiridates möge persönlich in Rom erscheinen, dann könne weiter mit ihm verhandelt werden. Gleichzeitig wurde für eine kräftige Fortsetzung des Krieges gerüstet. Paetus wurde abgesetzt und D. mit ungewöhnlichen Machtbefugnissen ausgestattet und mit der alleinigen Führung des Krieges betraut (Nero soll die Absicht gehabt haben, selbst den Krieg zu führen, sei aber durch ein böses Omen beim Opfern davon abgehalten worden, Dio exc. LXII 22, 4). Um sich dieser Aufgabe ausschließlich widmen zu können, sollte er die Verwaltung Syriens wieder an einen Statthalter, C. Cestius Gallus, abgeben, doch wurden die Streitkräfte der Provinz ihm unterstellt und um eine Legion, die XV (Apollinaris), vermehrt, die aus Pannonien in den Orient geschickt wurde. Zugleich erhielten alle römischen Klientelfürsten im Orient und alle Befehlshaber der Nachbarprovinzen die Weisung, sich allen Anordnungen Corbulos zu fügen, Tac. XV 24. 25. Dio exc. LXII 22, 3. 4. Moses v. Chor. erwähnt in der Arm. Gesch. II 54 legendenhafte Darstellungen von Taten eines gewissen Domet, den er für Kaiser Domitian hält, der aber wahrscheinlich Corbulo ist (vgl. die ital. Übers, der Mechitaristen und des Tommaseo², Venedig 1850, 199, 1; die französ. Übers. von Langlois II 108 b, 1). Den bei Ps.-Moses genannten Morpʿiulik bezieht J. Marquardt ZDMG IL (1895) 657 zweifelnd auf Paetus oder D.

D. schickte zunächst die beiden unter Paetus geschlagenen Legionen (IV Scyth. und XII Fulm.) nach Syrien, die übrigen, noch ungeschwächten Streitkräfte (die Leg. V wird auch XV 28 erwähnt) konzentrierte er um Melitene, wo er den Übergang über den Euphrat plante. Hier hielt er nach den üblichen feierlichen Zeremonien vor dem Heere eine Ansprache, die eine nachhaltige Wirkung erzielte. Aber zum Kampfe sollte es nicht mehr kommen. Die gewaltige militärische Machtentfaltung des Reiches und die imponierende, selbst dem Feinde nicht unsympathische Persönlichkeit Corbulos genügten, um den Frieden herbeizuführen. Auch die Römer wollten nicht um jeden Preis die Offensive ergreifen, und so kam D. den Friedensanerbietungen der Könige Volagases und Tiridates gern entgegen. Seinen Vorstellungen (nach Dio exc. LXII 23, 1 wären diese anfangs im geheimen erfolgt), daß Tiridates zufrieden sein könne, das Land nach vielen Wechselfällen als Geschenk zu erhalten, und daß auch Volagases bei den Schwierigkeiten im Innern seines Reiches Grund zur Nachgiebigkeit habe, wußte er Nachdruck zu verleihen, indem er die Armenier für ihre oftmals, zuletzt beim Abzug des Paetus bewiesene Untreue (Tac. XV 15) hart züchtigte. In dem nämlichen Rhandeia, das Zeuge einer so schmählichen Niederlage der Römer geworden war, fand nun eine Zusammenkunft zwischen D. und Tiridates statt. Dieser erwies dem römischen Oberfeldherrn die Ehre, ihn zuerst zu begrüßen. Einvernehmlich wurde dann beschlossen, daß Tiridates nach Rom gehen und aus der Hand des Kaisers die königlichen Abzeichen für Armenien in Empfang nehmen [406] sollte. Unter großen Feierlichkeiten und Entfaltung militärischen Prunkes legte Tiridates sein königliches Diadem ab und befestigte es auf dem Kaiserbild, ein glanzvolles Schauspiel, das die Wiederherstellung der römischen Waffenehre zum Ausdruck bringen sollte. Die allgemeine Freude wurde auch beim Festmahl empfunden, das D. seinem königlichen Gast gab, um den Ruhm des römischen Namens und das Ansehen des Feldherrn in den Augen der Barbaren zu erhöhen. Vor seiner Abreise erbat sich Tiridates eine Unterredung mit seinen Brüdern und seiner Mutter und entbot dem Kaiser zunächst schriftlich seine Ergebenheit, Tac. XV 26–31. Dio exc. LXII 23, 1–3; vgl. 20, 1. Suet. Nero 40, 2. Themist. or. 16, 210 a p. 255 Dind. So wie Tiridates seine Tochter, so stellten auch Monobazos und Volagases Geiseln, Dio a. a. O. 23, 4. Aber erst im J. 66 kam Tiridates mit seiner ganzen Familie nach einer neunmonatlichen Reise nach Italien, wo er von Nero freundlich empfangen wurde und das königliche Diadem aus der Hand des Kaisers entgegennahm, Tac. XVI 23. Dio-Xiphil. LXIII 1–6 (Petr. Patr., Exc. Const. de sent. IV p. 251 n. 65–67 Boissevain). LXVIII 20, 2. Suet. Nero 13; vgl. 30, 2. Ampel, lib. mem. 39, 4. Plin. n. h. XXX 16, vgl. XXXIII 54; VI 23. 40 sind die Taten Corbulos im Orient summarisch erwähnt, V 83 D. als Augenzeuge für die Lage der Euphratquellen angeführt. Eine Anspielung auf die wechselnden Erfolge in den Partherkriegen Ps.-Sen. Octavia 639ff. Dem Tiridates wurde der Wiederaufbau der Stadt Artaxata bewilligt; als aber der Arsakide eine große Menge römischer Handwerker mitnahm, da ließ D. nur diejenigen zu, die Nero ihm nebst Geldgeschenken geschickt hatte, Dio-Xiphil. LXIII 6, 5. 6; 7, 2.

So war durch das Verdienst Corbulos der fast unaufhörliche Kampf mit den Parthern für längere Zeit zum Stillstand gelangt; vgl. auch Tac. XV 46 (zum J. 64) haud alias tam immota pax und XVI 28 pacem . . . per orbem terrae. Suet. Nero 13, 2 Ianum geminum clausit (daher unrichtig Oros. VII 3, 7, angeblich aus Tacitus; vgl. E. Cornelius Quomodo Tacitus in hominum memoria versatus sit, Diss. Marburg 1888, 29–31, der mit Unrecht dieses Zitat für echt hält). Die letzterwähnte Tatsache ist auch auf Münzen aus den J. 64–66 verewigt mit der Reverslegende pace p(opulo) R(omano) terra mariq(ue) parta Ianum clusit u. ä., Eckhel VI 273. Cohen I² Nero n. 114f. 132–177. Kenner Numism. Ztschr. 1878, 283–286. Gabrici Riv. di numism. 1897, 278–280. 327–331; vgl. Henderson Nero 475. Auf diese Zeit und Friedensstimmung bezieht Drexel Röm.-germ. Korr.-BL VIII (1915) 65–69 die Weihung der Mainzer Iuppitersäule. Die unbestrittene Herrschaft der Römer in Armenien zeigt sich auch darin, daß noch im J. 64 die leg. III Gal(lica), die zu denen gehörte, welche D. für den beabsichtigten Übergang über den Euphrat mitgenommen hatte (Tac. XV 26), auf armenischem Boden weilte und hier vielleicht das Kastell Ziata erbaute, CIL III 6741 (= Dessau I 232). 6742. 6742 a. Suppl. p. 232880 (Lichtbild bei Lehmann-Haupt Armenien I 478); vgl. Mommsen z. St. Der Fundort der drei gleichlautenden Bauinschriften [407] ist Käzrik, südöstlich von Charput (Lehmann-Haupt a. a. O. u. 512). Hier wird D. als leg(atus) Aug(usti) pro pr(aetore) bezeichnet, und zwar gilt dies wieder für Kappadokien und Galatien (in Syrien war, wie erwähnt, C. Cestius Gallus Statthalter); die außergewöhnliche Machtfülle, die er nach Tac. XV 25 (s. o.) besaß, ist in dieser Titulatur nicht zum Ausdruck gebracht.

Bei dem großen Mißtrauen und der Feindseligkeit, die Nero den großen Männern seiner Zeit entgegenbrachte, ist es erklärlich, daß schließlich auch D. fallen mußte. Vergeblich hatte er sich bemüht, dieses Schicksal von sich abzuwenden. Die naheliegende Gelegenheit des Feldherrn, sich an der Spitze des Heeres gegen den so allgemein und tief verachteten Herrscher zu erheben, hatte er weit von sich gewiesen, ja, er hatte, um einen etwaigen Argwohn des Kaisers zu besiegen, seinen Schwiegersohn Annius Vinicianus gleichsam als Geisel in der Begleitung des Tiridates nach Rom geschickt (Dio exc. LXII 23, 5. 6; vgl. Tac. XV 28). Es nützte alles nichts. Bei der so berechtigten Angst Neros, dem von allen Seiten Verrat und Verschwörung drohte, mußte ihm ein so verdienstvoller und angesehener General gefährlich scheinen. Der erste Verdacht gegen Corbulo scheint schon mit dem Fall des Rubellius Plautus zusammenzuhängen (Tac. XIV 58). Sein Tod war bald eine beschlossene Sache. Die Handhabe dazu bot Arrius Varus, der in Corbulos Heer in Armenien gedient hatte (Tac. XIII 9) und sich durch schmähliche Verleumdung die Gunst des Kaisers erkaufte (Tac. hist. III 6; vgl. Mommsen R. G. V 392, 1. Klebs Prosop. imp. Rom. I 142, 915). Möglich ist, daß die bei Suet. Nero 36, 1 erwähnte coniuratio Viniciana in Benevent, die nach der (im J. 65 erfolgten) pisonianischen angezettelt und entdeckt wurde (Henzen Acta arval. p. LXXX und 115 ergänzt in den Arvalprotokollen zum J. 66, CIL VI 2044, [ob det]ecta [nefariorum con]silia und bezieht diese Worte auf die vinicianische Verschwörung), auf den erwähnten Annius Vinicianus zurückging (vgl. Klebs a. a. O. I 74, 540), so daß dann D. in den Fall seines Schwiegersohnes verstrickt worden wäre oder umgekehrt diesem als angeblichem Mitschuldigen der Sturz Corbulos zum Verderben gereicht hätte (H. Peter Die geschichtl. Lit. über die röm. Kaiserzeit I 203f. und Misch Gesch. d. Autobiographie I 150 bringen Corbulos Tötung mit seiner Verherrlichung der eigenen Ruhmestaten zusammen). Wie dem auch sei, D. wurde von Nero, der eben auf einer ,Kunstreise‘ in Griechenland begriffen war (J. 66 und 67), dorthin scheinbar ehrenvoll berufen, wie ihn der Kaiser auch sonst Vater und Wohltäter nannte. Als D. aber nach Kenchreai gekommen war und erfuhr, daß Nero befohlen habe, ihn zu töten, noch ehe er ihn gesehen habe, weil er sich vor seinem Feldherrn wegen seines Kitharödenaufzuges schämte (vgl. auch Dio etc. LXIII 6, 4 = Petr. Patr., Exc. Const. de sent. IV 251, 67 Boissevain, wonach Tiridates an Corbulo nur den Umstand tadelte, daß er einem so würdelosen Herrscher diene; ähnlich sagt Dio exc. LXII 19, 3. 4, die meisten bedauerten nur, daß Corbulo mit solcher Treue an Nero hing), da stieß sich D. selbst kraftvoll das [408] Schwert in den Leib, indem er sagte, es geschehe ihm recht, weil er einem solchen Kitharöden gedient habe und unbewaffnet zu ihm gekommen sei, Dio exc. LXIII 17, 5. 6. Tac. hist II 76. Ammian. Marc. XV 2, 5.

So zeigt sich D. bis zu seinem letzten Atemzug als mannhafter, fester Charakter. Zum Feldherrn war er wie kein zweiter in seiner Zeit geboren. Ein ungewöhnlich kräftiger Körperbau befähigte ihn, auch die schwersten Anstrengungen des Krieges zu ertragen, vgl. Tac. XIII 35. XIV 24. Seine große, imponierende Gestalt trug dazu bei, sein Ansehen als Befehlshaber zu erhöhen, und er verstand es meisterhaft, dort, wo es geboten schien, seine Persönlichkeit gebührend zur Geltung zu bringen; vgl. Tac. XIII 8. XV 26. Dio LXII 19, 2. Sein mächtiges Äußere und seine gewaltige Körperkraft wurden nachgerade sprichwörtlich (Iuven. III 251; der Scholiast z. St. mißdeutet den Namen Corbulo in anderem Sinne). Bernoulli Röm. Ikonogr. I 272ff. ist geneigt, antike Porträts dem D. zuzuweisen. In Gabii in der Nähe des Tempels, der dem Hause der Kaiserin Domitia Longina, der Tochter Corbulos, geweiht war (CIL XIV 2795 = Dessau I 272), hat sich ein Statuenkopf gefunden, von dem auch antike Kopien vorhanden sind; sie stellen nach Bernoulli Corbulo dar.

Bei der Beurteilung seines Charakters ist es von Belang, sich ein Urteil über die Tendenz der Quellen zu bilden, auf denen die uns erhaltenen Berichte über D. fußen, vor allem der des Tacitus. Richtig ist, daß Tacitus eine besondere Vorliebe für seinen Helden zeigt, und daß er in seiner Erzählung unter anderem von den Memoiren Corbulos selbst abhängig ist, aber um so mehr muß ihm zugestanden werden, daß diese Vorliebe keine blinde Voreingenommenheit ist, daß sich Tacitus auch den Schwächen in Corbulos Charakter nicht verschließt, ja sie bisweilen sogar unterstreicht (XIII 8), wiederholt auch ein minder günstiges Urteil über D. durchblicken läßt; vgl. z. B. XV 3, wo ihm Ruhmsucht vorgeworfen wird, die auch aus den XV 6 mitgeteilten Äußerungen der Menge hervorgehen soll, und XV 10. 28 wird gegen sein Verhalten aus diesem Motiv direkt ein schwerer Vorwurf gegen ihn erhoben. Die Ruhmredigkeit Corbulos wird außer XIII 8 insbesondere XV 26 getadelt. Das waren Fehler, die seinem ehrgeizigen Wesen entsprangen und die ihn auch eifersüchtig auf andere Führer und unverträglich machten (XV 6 neque … aemuli patiens). Der Meuchelmord an Gannascus mag wohl einen besonders dunklen Fleck in dem sonst reinen Charakterbild des Mannes bedeuten, doch erschien er den Zeitgenossen eher erlaubt, zumal da Gannascus ein Verräter war, der aus dem römischen Militärdienst desertiert war.

Schon in jungen Jahren von unbezähmbarem Tatendurst erfüllt, errang D., herangereift, vor allem durch Klugheit und Bedächtigkeit seine großen Erfolge (experientiam sapientiamque hebt Tac. XIII 8 hervor, veteri et provido duci XIII 38). Bemerkenswert ist sein Verhalten gegen Feinde; er erweist sich mitleidig gegen die, welche sich ergeben und um Gnade flehen, ist aber erbarmungslos gegen Hinterlistige (XIV 23), Gerechtigkeit läßt er allen zuteil werden (vgl. [409] Dio LXII 19, 2); seine Beliebtheit selbst bei den Gegnern rühmt Tac. XIII 9. XV 28, bei den Klientelkönigen XIII 8. Wie er selbst auch den gewöhnlichsten Pflichten auf das strengste nachkam, so verlangte er von seinen Soldaten rücksichtslos die höchste Anspannung aller Kräfte und blind ergebenen Gehorsam; Übertretung seiner Befehle oder Feigheit bestrafte er mit aller Härte. So erzielte er Höchstleistungen an Manneszucht auch in einer vorher verlotterten Truppe, Tac. XI 18. XIII 35. Dio LXII 19, 1. 20, 1. Ps.-Frontin. strat. IV 1, 21. 28; 2, 3. Aber nicht nur der eiserne Drill war seine Stärke, er war auch den höheren Aufgaben des Feldherrn gewachsen. Sein Wesen mit der glücklichen Vereinigung von hervorragenden körperlichen und Charaktervorzügen erinnerte die schwächlichen Epigonen seiner Zeit an die rühmlichsten altrömischen Vorbilder. Ihm gelang es, selbst bei einem Nero Vertrauen zu gewinnen, das bei diesem launenhaften Tyrannen kaum einem andern gegenüber so lange anhielt (vgl. Dio exc. LXII 19); und dieses Vertrauen hat D. nie getäuscht, ja, der unbedingte Gehorsam gegen seinen Kaiser (Tac. XI 20. Dio LX 30, 4–6) ist schließlich sein Verhängnis geworden. In dem Gedächtnis der Nachwelt lebte sein Verdienst als das eines provinciarum fidus defensor et cautus (Ammian. Marc. XV 2, 5, vgl. XXIX 5, 4 pluribus inclaruit fortibus factis; hier ist freilich der Einfluß des Taciteischen Geschichtswerkes maßgebend gewesen). Alles in allem bedeutet er, selbst wenn man annimmt, daß sein Porträt in der Darstellung des Tacitus eine mehr als gebührende Verklärung erhalten hat, doch eine in den trüben Zeiten der Regierung Neros durchaus erfreuliche Erscheinung. Sicher urteilt v. Gutschmid Gesch. Irans 131, 1 ungerecht, wenn er zu dem Resultat kommt, daß ,das Maß der pomphaft gefeierten Heldentaten des Corbulo zu einem Minimum zusammenschmilzt‘. Auch der Versuch Schoonovers, den Taciteischen Bericht über D. auf eine enkomiastische Biographie von unbekannter Herkunft zurückzuführen, kann schon nach den in der Mehrzahl zutreffenden Ausstellungen Andresens, Wochenschr. f. klass. Philol. 1909, 515–521, als mißlungen gelten.

D. war auch als Geschichtschreiber tätig, indem er ein Memoirenwerk verfaßte, das seine Feldzüge schilderte und sich wahrscheinlich auf seinen amtlichen Relationen aufbaute (vgl. v. Premerstein o. Bd. IV S. 757f.). Dieses Werk ist schon oben (S. 404,34. 407, 51) gelegentlich erwähnt worden, da es Tacitus, und zwar mit unbestechlicher Kritik (vgl. XV 16), außerdem wahrscheinlich auch Dio, wengleich vertrauensseliger (vgl. o. S. 403, 17 und v. Gutschmid a. a. O. Asdourian 178f.), benützte. Außer von Tacitus werden diese Memoiren auch an mehreren Stellen von Plin. n. h. zitiert: Index l. V und VI unter den römischen Autoren Domitio Corbulone. II 180 Corbulo … prodidit (über eine Sonnenfinsternis in Armenien). V 83 prodidere ex iis qui proxime viderant (über die Euphratquelle). VI 23, vgl. 40. Schanz Gesch d. röm. Lit. II 2³, 344f. Egli 333–340.

Wie seine Gemahlin hieß, wissen wir nicht; aber von seinen Kindern kennen wir zwei Töchter. [410] Die eine, deren Name ebenfalls nicht bekannt ist, war mit dem schon erwähnten (S. 407, 19) Annius Vinicianus vermählt (Tac. XV 28. Dio exc. LXII 23, 6); die andere, Domitia Longina, wurde später als Gemahlin Domitian Kaiserin (s. o. Domitius Nr. 103). Als Tochter Corbulos nennt sie Dio exc. LXVI 3, 4, ebenso erscheint sie als solche CIL XIV 2795 (s. o. S. 408, 24); hier und CIL X 1738 führen daher ihre Freigelassenen den Vornamen Cn., sie selbst ist CIL X 1422 = Dessau I 271 als Cn. f. bezeichnet, in dem stadtrömischen Fragment CIL VI 16 983 = 34 106 ist vielleicht ihr und ihres Vaters Name zu lesen. Huelsen z. St. und Diss. pontif. acc. Rom. arch. II 8 (1903) 381f. schließt dies freilich auch aus der Fundstätte dieses Fragmentes (hinter Castel S. Angelo, also im Gebiet der horti Domitiae, vgl. auch Jordan-Hülsen Topogr. d. Stadt Rom I 3, 662f.) und bezieht daher die Gärten der Domitia auf Longina; doch ist eher anzunehmen, daß es die Gärten von Neros Tante Domitia (nicht ihrer Schwester Domitia Lepida) sind, da in derselben Gegend eine Bleiröhre mit dem Namen ihres Gatten Crispus Passienus (Gatti Bull. com. XVII 212f. = CIL XV 7508) gefunden wurde, s. o. Bd. V S. 1510, wo aber infolge Druckfehlers reg. XIII anstatt XIV steht. Ein collegium heroi Corbulonis et Longinae ist bezeugt in der Grabschrift eines Sklaven der Domitia (Longina), aus der Gegend, wo diese begütert war, Dessau III 9518 (Caporciano in der Regio IV von Italien). Aus derselben Gegend stammt CIL IX 3418, eine Weihung des Cn. Domitius Corbulo (vielleicht identisch mit D.) an Silvanus, und 3419, gleichfalls eine Weihung an Silvanus von einem Sklaven der Kaiserin Domitia. Vgl. auch 3432. 3469.

Literatur: Rawlinson Parthia (1873) 266–288. Wolffgramm Cn. Domitius Corbulo, Progr. Prenzlau 1874. Egli in Büdingers Untersuchungen zur röm. Kaisergeschichte I 265 –363. H. Schiller Gesch. der röm. Kaiser –393. v. Gutschmid Gesch. Irans 129–133. Dessau Prosop. imp. Rom. II 20f., 123. Henderson Class. Rev. XV (1901) 159–165. 204–213. 266–274; The Life and Principate of Nero (1903) 153–195. 387–389. 471–476. Schoonover A study of Cn. Domitius Corbulo, Diss. Chicago 1909. Lehmann-Haupt Armenien einst und jetzt I (1910) 383–406. 501–523. Asdourian Die polit. Beziehungen zwischen Armenien und Rom, Diss. Freiburg i. d. Schw. (1911) 85–98. 178–180. Ludw. Schmidt Geschichte der deutschen Stämme II 34f. 77.

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 101
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50) Cn. D. Corbulo, Feldherr unter Claudius und Nero. S III.