RE:Karthago

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Berühmte Stadt in Nordafrika
Band X,2 (1919) S. 21502242
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Karthago.

1. Quellen. a) Monumentale Quellen: Über Baumaterial, Bauweise, Steinverbindung u. a. m. handelt Audollent (Carthage Romaine 627ff. VI 1 ,Beaux-Arts et Industrie‘ und, besonders für das christliche Karthago, H. Leclercq, in dem unter 2. genannten Artikel, S. 2291ff. XXI: ,Beaux-Arts. Arts Industriels‘ mit Abbildungen); über punische Maße findet sich, außer Einzelnotizen in den Berichten Beulés, Delattres, Gaucklers, Merlins, de Roquefeuils, Cartons, Drappiers u. a., einiges bei de Vogüé (C. R. Ac. Inscr. XVII [1889] 15ff., angeführt bei Delattre Les tombeaux puniques de Carthage [Lyon 1890) 100) und bei Meltzer (Gesch. der Karthager II 530). Inschriften: Die punischen Inschriften im CISem I. die lateinischen im CIL VIII mit den Supplementen (vgl. Ruggiero Dizion. epigr. II 121-123 s. v. Carthago, für die christlichen s. Leclercq a. a. O. S. 2307ff. XXIII: ,Epigraphie‘ und die dort verzeichnete Literatur. Die neugefundenen Inschriften werden gewöhnlich nicht in den Fachzeitschriften zuerst veröffentlicht, sondern vor allem in den ,Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres‘ und in dem ,Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques. Publication du Ministère de l’Instruction publique‘, mitunter auch im ,Bulletin‘ und den ,Mémoires de la Société nationale des Antiquaires de France‘ in den ,Mélanges d’archéologie et d’histoire, publiés par l’Ecole française de Rome‘, in der ,Revue archéologique, Antiquité et Moyen-Age‘ (mit den epigraphischen Jahresberichten von Cagnat L’Année épigraphique, revue des publications relatives à l’antiquité romaine (seit 1899 mit Besnier) und ,Chronique d’épigraphie africaine‘) beide auch als Sonderdrucke (Paris. Leroux), in der ,Revue Tunisienne, fondée en 1894 par l’Institut de Carthage‘ u. a. m. Münzen: L. Müller Numismatique de l’ancienne Afrique (Kopenhagen 3 Bde. 18 0/62; Supplément ebd. 1874). Head HN² (Oxford 1911) 877ff. Th. Mommsen Ztschr. f. Numismat. XV (1887) 239ff. R. Cagnat Klio IX (1909) 194ff. J. Maurice Rev. numismat. VI (1902) 203-233 Taf. VII. J. Friedländer Die Münzen der Vandalen, Leipz 1849. S. Nachtr. b) Die hauptsächlichsten schriftstellerischen Quellen von Polybios an bis Zonaras und von Eginhard bis Sir Grenville T. Temple hat Audollent in zwei ,Appendices‘ zu seinem Werke ,Carthage Romaine‘ vereinigt: der erste ,Appendice‘ enthält auf S. 777-793 die ,Textes [2151] anciens relatifs à la Topographie de Carthage Romaine‘ (und des punischen Karthago), der zweite Appendice‘ bringt auf den S. 795-825 die ,Textes du moyen-âge et des temps modernes jusqu’ en 1833 relatifs aux ruines de Carthage‘. .

2. Von den Bearbeitungen der Topographie von K. nenne ich hier nur die unentbehrlichen, es sind für die Topographie der punischen Stadt: Meltzer Gesch. der Karthager II (Berlin 1896) 2. Buch Anhang S. 152-220. 520-543, fortgesetzt von Kahrstedt III (Berlin 1913) 7-24, vgl. 25-72; für die Topographie der punischen und römischen Stadt: Audollent Carthage Romaine, 146 avant Jesus-Christ - 698 après Jesus-Christ (Paris 1901 bezw. 1904). Die Topographie des christlichen K. haben nach 1904 noch behandelt: ausführlich H. Leclercq in F. Cabrols Dictionnaire d’archéologie chrétienne II. 2 Paris 1910) S. 2190-2330 mit vielen Plänen und Abbildungen, kurz J. Mesnaye L’Afrique chrétienne (Paris 1912) 8-19, durch den (Toulotte) Géographie de l’Afrique chrétienne (Rennes-Paris 1892) antiquiert ist. Von Führern ist erschienen ein ausführlicherer von Babelon Carthage (Paris 1896), der im letzten Abschnitt in der ,Topographie de Carthage‘ (S. 120-179) einen fortlaufenden Kommentar zu den Nummern des dem 3. Heft des ,Atlas archéologique de la Tunisie‘ beigegebenen Fundplans von K. gibt. Den Plan hat Babelon für den Führer reproduziert; viel kürzer faßt sich St. Gsell Algérie et Tunisie (Collection des Guides-Joanne, Paris 1903) 342-353. Im übrigen verweise ich auf die kritische Würdigung der früheren Leistungen seitens Meltzers (a. a. O. II 520-526) und Audollents (a. a. O. XIV-XXX und 1-26; Nachträge dazu in den ,Additions et Corrections‘ 834- 837).

3. Hilfsmittel. Von den Plänen K.s und seiner Umgebung, die Audollent (a. a. O. XXXIf.) aufführt, bildet noch heute die Grundlage der topographischen Forschung der des dänischen Kapitäns zur See C. T. Falbe in 1:16 000, den seine ,Recherches sur l’emplacement de Carthage‘ (Paris 1833) erläutern. Ein würdiges Gegenstück erhielt er 1897 in der ,Carte archéologique et topographique des ruines de Carthage, dressée d’apres les relevés de M. l’adjoint du génie Bordy, avec le concours de Delattre, Dolot, Gauckler. Échelle de 1:5000 (in 3 Blättern). Für die Erlaubnis, zwei Blätter dieses Plans im Maßstabe von 1:16 000 wiedergeben zu dürfen, bin ich R. Cagnat, für die Überlassung des Klischees von Beulés Plan H. Dragendorff zu Dank verpflichtet. Zuverlässige Fund- und Ausgrabungsberichte gab zuerst Beulé in seinen ,Fouilles à Carthage‘ (Paris 1869), dann S. Reinach und Babelon in ihren ,Recherch. arch. en Tunisie 1883/4‘ (Bull. arch. du Comité 1886, 4-78); sie alle übertraf aber an Umfang der Grabungen und an Finderglück der seit 1876 in K. als Geistlicher wirkende Delattre. Leider sind die Berichte über seine das punische und das römische K. umfassenden Funde in mehr als einem Dutzend von Zeitschriften zerstreut (77 Berichte aus den J. 1880 1895 hat Marquis de Puisaye zusammengefaßt in einer ,Étude sur les diveres publications de Delattre‘ (Paris 1895). Auch M. Moore beschränkt sich

[2152] in ihrem Buche ,Carthage of the Phoenicians in the light of modern excavation‘ (London 1905 mit 25 Tafeln) in der Hauptsache darauf, über Delattres Funde zu berichten (vgl. Meltzer Wochenschr. f. klass. Philologie XXIII (1906) 889ff.) Im J. 1895 trat an die Spitze des Service des Antiquités et Arts der Regentschaft Gauckler, dem wir eine Reihe der glänzendsten Entdeckungen auf Grund methodischer Ausgrabungen verdanken. Seit 1906 wirkt an Gaucklers († 5. Dez. 1911) Stelle A. Merlin. Da auch Gaucklers und Merlins Berichte meist in Zeitschriften erschienen sind, ist es gut, daß mehrere Gelehrte es unternommen haben, in Jahresberichten die weitverstreute Fundliteratur zusammenzufassen; es sind dies in Frankreich vor allem Gsell in seiner ,Chronique Archéologique Africaine‘, die zunächst in der Revue Africaine d’Alger von 1892-1894 und von 1895-1904 in den Mélanges d’archéologie et d’histoire erschien, und dann Carton, der eine ,Chronique Archéologique Nord-Africaine‘ in der Revue Tunisienne veröffentlicht. Für Deutschland hat seit 1898 Schulten im Archäologischen Anzeiger unter dem Titel ,Archäologische Neuigkeiten aus Nordafrika‘ eine solche nützliche Übersicht gegeben. S. Nachtr.

A. Stadtgeschichte

4. Stadtlage. Lage und Bodengestaltung. Entwicklungsgeschichte der Halbinsel von K.

K. in vorzüglicher geographischer und kommerzieller (Cic. de leg. agr. II 32, 87) Lage (Position des Leuchtturms von Sidi bu Saïd nach dem Blatte ,La Goulette‘ der französ. Seekarte 1: 25,000 (1882): 36° 52' 16,0" nördl. Breite 8° 0' 39,3" östl. Länge von Paris), erhob sich auf einer dem Miocän angehörenden Hügelgruppe (bei Kamart liegt darüber pliocäner Sand; vgl. Aubert Explication da la carte géologique provisoire de la Tunisie au 1:800.000, Paris 1893 S. 59f.; vgl. S. 79 und 81), die in vorgeschichtlicher Zeit einmal eine Insel gebildet haben muß. In geschichtlicher Zeit wurde aus ihr eine Halhinsel (Polyb. I 73, 4. 75, 4; vgl. Appian. Lib. 95 in.), die aber im Altertum einen weit schärfer ausgeprägten Charakter trug als heute: weniger durch Landverlust als Landgewinn haben sich allmählich ganz bedeutende Geländeveränderungen ergeben und ergeben sich fortwährend unter dem Einflusse derselben heute noch fortwirkenden natürlichen Ursachen; es sind dies die Windverhältnisse, die Meeresströmung und die Ablagerungen der Flüsse. Alle diese Kräfte haben zusammengewirkt bei der Neubildung von Land; die Halbinsel nämlich, und zwar hauptsächlich ihre Nordseite liegt im Bereich eines ausgedehnben Verlandungsprozesses (Anfänge desselben erwähnt Polyb. I 75, 8; vgl. Meltzer Gesch. der Karthager II 158): ,Wind und Meeresströmung lagern hier seit Jahrtausenden die Erosionsprodukte der Brandungswelle und die massenhaften, die Wasser des Golfs von Tunis weithin lehmgelb färbenden Sinkstoffe des Bagradas (Μάκαρα, woraus der heutige Name Medscherda) ab, so daß an den Golf von Utika, der einst zwischen dem Kap Sidi Ali el Mekki, dem Schönen Vorgebirge der Alten (Polyb. III 22-24; vgl. Meltzer in den Commentationes [2153] Fleckeisenianae [Leipzig 1890] 259-270; abweichend z. B. Tissot Géographie I 157ff.), und dem Kap Kamart, der Nordpitze der karthagischen Halbinsel, sich tief ins Land hinein in südwestlicher Richtung zu drei größeren Einbuchtungen auszackte, nur zwei größere Salzwasserbecken die Sebkha er Riana am südlichen und das Haff von Porto Farina am nördlichen Ende einer weiten, vielfach sumpfigen Ebene erinnern; und der Wed Medscherda, der in seinem Unterlaufe einst im Süden dieser Ebene am Nordrand des Dschebel Ahmâr entlang floß und unter seinem nördlichsten Ausläufer, der Höhe Sidi Ali bu Ktiua, mündete, ist durch die genannten Ursachen immer weiter nach Norden gedrängt worden, so daß er jetzt ca. 18 km. nördlich davon in das Haff von Porto Farina münden würde, hätte man ihn nicht, um die Verlandung dieses Haffs zu verlangsamen, nach Süden abgelenkt (vgl. Fischers Karte der Küstenlandschaft von K. in Petermanns Geograph. Mitt. 1887 Taf. 1 [nachgebildet von Meltzer Gesch. II Taf. 2], Bernard Bull. de géogr. histor. 1911, 212ff.); die gleichen Ursachen haben die Mündung des Wed Miliana (südlich von K.) nach Nordwesten verdrückt.

Viel weniger ausgedehnt sind die Veränderungen, welche der Golf von K. im engeren Sinne, d. h. die Einbuchtung zwischen Kap Kamart und Kap Bon (Râs Addâr), dem Hermäischen Vorgebirge der Alten (Meltzer Comment. Fleckeisen. a. a. O. Tissot a. O. I 157), in geschichtlicher Zeit erlitten hat: wohl nicht allzulange vor dieser Zeit haben sich aus den Sinkstoffen, welche hier zum Teil auch noch der Wed Medscherda, hauptsächlich aber der Wed Miliana und eine Anzahl kleinerer Wasserläufe der Halbinsel Dâkhela dem Golfe zuführen, gleichfalls unter der Einwirkung von Wind und Strömung, zwei Nehrungen, die südliche konkav, die nördliche konvex gegen das offene Meer hin gebogen, vor der westlichsten Ausbuchtung des Golfes gebildet, sie immer mehr vom freien Meere abgesondert und zum Haff von Tunis (El Bahira, ,das kleine Meer‘, von den Eingeborenen genannt, λίμνη von Polybios, λίμνη und θάλασσα [Lib. 119] von Appian, mare stagnum von Orosius IV 22, 6, τὸ Στάγνον von Procop. bell. Vand. I 20, 15; vgl. I 15, 15) gemacht. Beide Nehrungen tragen deutliche Kennzeichen, daß sie einst dieselbe Gestalt hatten, wie sie die entsprechenden Landbildungen vor dem sog. Golf (Haff) von Porto Farina jetzt noch bieten: diese bestehen aus je zwei besonderen, an der Spitze zusammenhängenden Nehrungen, die je eine Lache einschließen (vgl. Atlas archéologique de la Tunisie 3. Lief. Blatt 7 ,Porto Farina‘); beide verbreitern sich fortwährend. Meltzer (Jahrb. für Philol. CXLIX [1894] 61; vgl. Gesch. der Karth. II 159. 175) vermutet, daß L. Marcius Censorinus im J. 149 v. Chr. nicht bloß einen Streifen des ,Sees von Tunis‘ an der Westseite der ,Landzunge‘ zuschütten ließ, sondern auch die Lache zwischen ihren beiden Nehrungen, die damals möglicherweise noch vorhanden war. Ein solcher Zustand würde es auch in noch höherem Grade verständlich machen, warum hier die Stadtbefestigung gerade so wie weiterhin an [2154] der Küste entlang in der alten Weise erhalten geblieben war. Die natürliche Verbindung zwischen dem ,See von Tunis‘ und dem freien Meer, heute nicht mehr ganze 100 m breit, muß selbst noch in der letzten punischen Zeit erheblich breiter gewesen sein. Da der ,See von Tunis‘ von jeher durch den hineingewehten Sand, vor allem aber durch die jahrhundertelang ihm von Tunis zugeführten Abfallstoffe an Umfang und Tiefe hat abnehmen müssen - schon zur karthagischen Zeit scheine der ,See‘ nur in seinem östlichen Teile für größere Schiffe zugänglich gewesen zu sein, meint Meltzer (Gesch. II 161f. zu Polyb. I 69, 1 und Appian. Lib. 97; vgl. dagegen Appian. Lib. 126) - so wäre sie wohl längst verschlossen, wenn man nicht, um Tunis die Verbindung mit dem Meere zu erhalten, durch die nördliche ,Landzunge‘ einen Kanal gegraben hätte (Tissot Géogr. I 82. 171f., 567f. will dagegen in diesem Kanal eine natürliche, künstlich nur erweiterte und befestigte Verbindung sehen und ihn, wohl veranlaßt durch den arabischen Namen Halk el Wed, mit den von Ptolemaios IV 3, 7, zwischen K. und Μαξοῦλα (dem heutigen Radès) angesetzten Κατάδα ποταμοῦ ἐκβολαί identifizieren; ihm folgen die Herausgeber des Atlas archéol. de la Tunisie im Fundplane zum Blatt ,La Marsa‘ nr. II; dagegen Carton Rev. arch. XVIII (1911) 252f.); dadurch wurde es Wind und Wellen ermöglicht, die verschließenden Stoffe mit sich fortzureißen. Neuerdings hat man zwischen der natürlichen und der künstlichen Einfahrt in den ,See von Tunis‘ einen 150 m breiten, über 10 km langen und 6,50 m tiefen Schiffahrtskanal durch die nördliche ,Landzunge‘ gegraben und zwischen Dämmen geradlinig bis nach Tunis geführt.

Weniger ist der Charakter der Halbinsel verändert worden durch den Landverlust, den die Küste von K. an ihrer Ostseite von Kap Kamart bis zu der Landecke (nr. 44 des Falbeschen Planes) durch die Erosion der Brandungswelle erlitten hat; während nämlich von dieser Landecke ab die Küste auf eine kurze Strecke ihre Richtung ändert und eine sich nach Süden hin öffnende, flach geschwungene Einbuchtung bildet, die einen natürlichen Schutz gegen die Nord- und Nordostwinde gewährt (de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVI [1898] 33f.), ist der Küstensaum nördlich der Landecke bis zum Kap Kamart den, besonders in den Monaten Mai bis Oktober ganz überwiegend wehenden kräftigen, nicht selten zu Stürmen gesteigerten Winden aus der Richtung zwischen Nord und Ost schutzlos ausgesetzt (Nach Th. Fischer in Petermanns Mitt. XXXI [1885] 409ff. XXIII [1887] 1ff. 33ff. mit Karte [wiederholt in dessen ,Mittelmeerbildern‘ N. F. [Leipzig 1908] 155ff.], Partsch ebd. XXIX [1883] 201ff. und Meltzer Gesch. II 153ff.).

Die ,Landzunge‘. Die Länge der nördlichen Nehrung des Haffs von Tunis, der ,Landzunge‘ (ταινία, γλῶσσα, lingua; dagegen ist in Victor Vitens. hist. Pers. Vand. I 5, 17 unter Maxulitanum littus, quod Ligula vulgi consuetudine vocitatur die südliche Nehrung gemeint; vgl. den Fundplan von K. Im Atlas archéol.), wie sie die Überlieferung nennt, von der natürlichen Einfahrt in das Haff bis zum Anschlusse der [2155] Nehrung an die Halbinsel beträgt ca. 3,5 km. Wie lang sie in punischer und römischer Zeit war, wissen wir nicht; dagegen erfahren wir aus Appian (Lib. 95), daß ihre Breite zu Polybios’ Zeit ungefähr ein halbes Stadium betrug; so breit war sie zu Tissots Zeit nur noch unmittelbar nördlich und südlich von La Goulette (Géogr. I 567), am nächsten liegt jedoch, wie Meltzer meint, die Vermutung, daß Polybios bei dieser Angabe denjenigen Teil der ,Landzunge‘ im Auge hatte, wo Scipio festen Fuß faßte, um mit der Aufschüttung seines Dammes zu beginnen. Hier ist die Breite heute auf mehr als das Vielfache gewachsen, dazu hat außer den bereits erwähnten Ursachen auf der Westseite die Aufschüttung beigetragen, die Censorinus an der Haffseite der ,Landzunge‘ anordnete, um eine breitere Angriffsfront zu gewinnen (Appian. Lib. 98; vgl. Schulten Arch. Anz. XXVIII [1913] 244); auf der Ostseite haben Wasserbauten verschiedener Art und Herkunft die Ansetzung fester Massen noch besonders gefördert und die Wassertiefe in der Bucht (41-42-44 des Falbeschen Planes) stark vermindert (vgl. de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVI [1898] 20ff 653ff. Hantz C. R. Ac. Inscr. XXVIII [1900] 53ff. - alle von R. Oehler deutsch bearbeitet im Arch. Anz. XIII [1898] 171ff. XIV [1899] 7ff 193ff. XVI [1901] 140ff. - Meltzer a. a. O. II 161). Eine andere Differenz zeigt sich in der Orientierung der ,Landzunge‘: Nach Appian (Lib. 95) war sie nach Westen gerichtet, in Wirklichkeit läuft sie aber nach Südwesten (über diese irrige Angabe vgl. besonders Meltzer a. a. O. II 162, Kahrstedt Gesch. d. K. III 627; vgl. 509, 2 und R. Oehler S.-Ber. d. hist. Ges. (Berlin) 3./11. 1916, 4).

Die ,Landenge‘ (αὐχήν Appian. Lib. 95; ἰσθμός Polyb. I 73, 5. Appian. Lib. 119; fauces Oros. IV. 22, 5) war nach Polybios (a. a. O., vgl. Appian. Lib. 95) etwa 25 Stadien (III milia passuum bei Orosius a. a. O.) = ca. 4,6 km breit. Ihre Ansetzung steht im engsten Zusammenhange mit der Lage und dem Umfange der punischen Stadt: bisher hatte man aus Appians Angabe: χερρονήσῳ τι μάλιστα προςεοικυῖα (Lib. 95) entnommen, daß sie diese ganze Halbinsel gefüllt habe und demgemäß an die Landenge zwischen dem Haff von Tunis und der Sebkha er Riana gedacht, auf der Falbe im Süden und Norden Stellen angab, zwischen denen zu seiner Zeit die Entfernung noch 25 Stadien betrug (Recherches 11; 15 nr. 114-115). Dagegen behauptet Kahrstedt (a. a. O. III 8f.), daß K. nur die Südostecke der großen Halbinsel einnahm; daraus folgert Schulten (Arch. Anz. XXVIII [1913], 249), daß sich αὐχήν nur auf den Hals der kleinen Halbinsel von Goletta (Appians [Lib. 95] ταινία στενὴ καὶ ἐπιμήκης) also auf die Strecke zwischen dem Haff und S. Monique beziehen könne. Gegen Kahrstedts Annahme und für die bisherige Ansetzung erklärt sich mit guten Gründen J. Kromayer (Götting. Gel. Anz. 1917. nr: 8, 451ff.).

Das Klima von Tunis ist durch den 1894 vollendeten Seekanal und die damit zusammenhängende Schaffung eines 12 ha großen Hafens bedeutend beeinflußt worden (Jacques Météorologie [2156] et Climatologie de la Tunisie in ,La Tunisie, histoire et description‘ I [1896] 127). Meteorologische Stationen bestanden nach Ginestous (Les Pluies en Tunisie, 1901 und Étude sur le Climat de la Tunisie [Bull. Météorol. du Service Météorol. de la Régence de Tunis 1902]) in Tunis und La Goulette, nicht aber, wie es scheint, in Karthago. Im Altertum war die Gegend am ,See von Tunis‘ dicht unter den hohen Mauern, wo der Wind vom Meere her (Falbe Rech. 23, 1) nicht durchstreichen konnte, voll ungesunden Wassers; infolgedessen brachen im Hochsommer im Lager des Censorinus Krankheiten aus (Appian. Lib. 99). Im 10. Jhdt. rühmt der Araber Ibn Haukal (abgedruckt bei Audollent Carthage romaine 796) das gesunde Klima und besonders die reine Luft. Heute, wo der Wind hier kein Hindernis findet, ist trotz der infolge des Kanalbaus fortschreitenden Versumpfung des ,Sees‘ das Klima im Sommer nicht ungesund und noch gemäßigter als in Tunis. La Goulette und besonders La Marsa sind daher vielbesuchte Sommerfrischen wie im 16. Jhdt. (Marmol bei Audollent a. a. O. 807; vgl. für das 18. Jhdt. Poiron ebd. 814).

5. Entwicklungsgeschichte der Stadt. a) Die älteste punische Ansiedlung. Aus der brauchbaren literarischen Überlieferung läßt sich die Frage, welchen Gang die Entwicklung der Stadt bis zu ihrem Höhepunkte genommen hat, nicht beantworten, wohl aber lassen sich Schlüsse in dieser Hinsicht teils aus der Beobachtung gewisser natürlicher, noch heute wirksamer Faktoren, teils aus Funden von Altertümern, namentlich Gräbern sehr hohen Alters ziehen. Es sind im wesentlichen drei Stellen, die für die älteste Ansiedlung in Betracht kommen und in Anspruch genommen worden sind:

α) Vernaz (Rev. arch. X [1887] 161ff. Babelon Carthage 163ff.) suchte sie in der Küstenebene südwestlich von Bordsch Dschedid. Zur Stütze seiner Ansicht führte er das Vorhandensein alter punischer Gräber an, die er und andere dort in der Nähe der Zisternen von Bordsch Dschedid gefunden hatten. Bei Babelon (Carthage 9f. 160f.) und Gauckler (Rev. arch. XLI [1902] 369ff.) hat er damit Beifall gefunden; aber das Vorhandensein dieser Gräber fordert zu geradezu entgegengesetzten Folgerungen auf, und die in der besten Jahreszeit durchaus vorherrschende Windrichtung (vgl. A 4 ,Landverlust‘) sowie der durch sie veranlaßte Wogenandrang hätten hier einen Seeverkehr mit größeren Fahrzeugen nicht gestattet (Meltzer a. a. O. II 166; vgl. de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVII [1899] 24f. 34. R. Oehler Archäol. Anz. XIV [1899] 193ff.).

β) Viel mehr ist von jeher die Meinung verbreitet gewesen, der sog. Byrsahügel habe die älteste Ansiedlung getragen (Beulé Fouilles à Carthage 3 u. a.): Seine natürliche Festigkeit, seine beherrschende Lage waren Tatsachen, denen gegenüber seine Entfernung von der bestgeschützten natürlichen Bucht und die Steilheit seiner Abhänge nicht ausschlaggebend sein konnte. Der einzige entscheidende Gegengrund ist nur der Umstand, daß auf seinem Abhange [2157] und auch weiterhin auf dem Höhenzüge nach dem Meere zu sehr alte punische Nekropolen aufgedeckt sind (Meltzer a. a. O. II 167). Diesen Umstand wollte v. Duhn (Arch. Anz. 1896, 87f.) gerade zugunsten des Byrsahügels geltend machen; dagegen wendete sich Meltzer (Jahrb. f. Philol. CLV [1897] 301ff.); auch haben sich seitdem besonders durch Gaucklers Ausgrabungen zum Teil die Grundlagen verändert, auf denen v. Duhn seine Schlüsse aufbaute (Gauckler Marche du Service 1900, 7 und besonders Revue arch. XLI [1902] 369ff.).

γ) Meltzer (Gesch. II 167f.) selbst ist dagegen wie vor ihm schon Lavigerie (C. R. Ac. Inscr. IX [1881] 20) und Delattre (Bull. arch. du Comité XI [1893] 105ff.; vgl. Gsell Rev. Afr. XXXVIII [1894] 141) der Ansicht, die älteste Ansiedlung habe in der Ebene an der Südostecke der Halbinsel da gelegen, wo die genannte Bucht den verhältnismäßig bestgeschützten Ankerplatz für einen regelmäßigen Seeverkehr bot; als festen Stützpunkt habe sie etwa den Hügel Kudiat el Hobsia benutzt (nr. 74 Falbe; dagegen Carton Revue arch. XVIII [1911] 241ff. s. u. A 5 b). Von hier aus müsse sie sich nach dem Byrsahügel und dem die Ebene nördlich abgrenzenden Höhenzuge hin ausgedehnt haben, wo in der ältesten Zeit die Toten bestattet wurden. Die erwähnten Beobachtungen Delattres und Gaucklers in den nördlichen Nekropolen sind dieser Ansicht soweit günstig (aber nicht dem, was Meltzer hinzufügt, sie sei schließlich auch auf diesen Höhenzug hinaufgestiegen und habe die alten Begräbnisstätten nunmehr mit ihren Bauten überdeckt; vgl. z. B. Kahrstedt in Meltzer Gesch. III 9ff. 14); ihr voll zuzustimmen wurde Tissot seiner Zeit nur durch einen Umstand gehindert (Géogr. I 593 und A. 1), der durch Reinach, auf Grund einer Nachprüfung Delattres, im Nachtrage zu dieser Stelle (Géogr. II 797) beseitigt worden ist (dagegen die Heraugeber des Atlas archéol. nr. XV des Textes zur Fundkarte; vgl. Babelon Carthage 126 nr. XV).

b) Die punische Stadt auf ihrem Höhepunkte Auch die Frage nach dem Umfange der Stadt (d. h. der geschlossenen städtischen Bebauung) auf ihrem Höhepunkte kann, wenigstens in dem Raume nördlich der Byrsa bis zum Meer, aus der Lage der Nekropolen beantwortet werden (Delattre Carthage in dem Sammelwerk ,La Tunisie‘ I, X 361. Kahrstedt in Meltzers Gesch. III 8ff. mit Karte I), die hier von der Südwestseite des Byrsahügels an zuerst in schmalem, dann in breitem Streifen die eigentliche Stadt im Norden und Nordosten abgrenzten (s. C II 17 a).

Den Umfang der punischen K. auch im Süden und Westen mit einiger Sicherheit zu bestimmen, ist nur für wenige Punkte möglich: Wir kennen punische Gräber der letzten Zeit bei Le Kram, an der Bucht südlich von den beiden Teichen (Gsell) Mélanges d’arch. et d’hist. XIX [1899] 40) und nicht weit davon ist eine punische Nekropole an der Nordostecke des Sees von Tunis nahe bei Falbes nr. 112 entdeckt worden (Carton C. R. Ac. Inscr. 1910, 627; Rev. arch. XVIII [1911] 247; Rev. Tunis. XIX [2158] [1912] 167ff.). Über diese beiden Punkte ist demnach das punische K. wohl im Süden nicht hinausgegangen.

Wo die Westgrenze der punischen Stadt anzusetzen ist, entzieht sich zurzeit noch fast ganz unserer Kenntnis: wenn Kahrstedt a. a. O. III 13) zur Verbindung des Punktes an der Bucht von Le Kram mit der Südecke der Byrsa ,den einzigen markanten Punkt des Quartiers‘, den 19 m hohen Hügel El Heurma benutzen will, so ist das nach Cartons (Revue arch. XVIII [1911] 241ff.) bisher nicht widerlegten Untersuchungen nicht statthaft; denn nach ihm ist dieser, auf den früheren Plänen Kudiat el Hobsia genannte, Hügel künstlich aufgeschüttet und stammt nicht aus punischer Zeit. Somit kann nur die 1892 nahe beim römischen Circus gefundene, dem 3. oder 4. Jhdt. angehörende Grabinschrift des Akbarim (Delattre Notes archéol. 1892-93 XI 18f. Babelon Carthage 127 nr. XXII. Audollent a. a. O. 306, 1) als Grenzpunkt in Betracht kommen, falls sie, wie es scheint, in situ gefunden ist. Falbes (Recherches 46) Beobachtungen einer eigentümlichen Färbung des Erdreichs innerhalb der nr. 42. 41. 75. 78 in der Richtung nach Sidi Daûd und darüber hinaus, die nach ihm von einer Zerstörung durch Feuer herrühren soll, können ebensogut für das römische K. in Anspruch genommen werden (Kahrstedt a. a. O. III 22, 1).

Die Bevölkerungszahl der Stadt wird von Strabon (XVII 15 p. 833) auf 700 000 angegeben. Daux (Recherches sur l’emplacement des emporia phéniciens [Paris 1869] 138ff.) wollte aus dem Vergleiche mit dem Flächenraume des heutigen Paris gegen 300 000 (ähnlich Beloch Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt [Leipzig 1886] 466f.), Kahrstedt (a. a. O. III 23f. und 663) aus einem Vergleich mit dem heutigen Paris und dem Neapel aus dem Anfang der achtziger Jahre gar nur 125 000-130 000 herausrechnen. Gegen ihn wandte sich in ausführlicher Beweisführung J. Kromayer a. a. O. 450ff. Wie bedenklich überhaupt derartige, aus recht anfechtbaren Voraussetzungen gezogene Schlußfolgerungen sind, darauf hatte schon Pöhlmann (Die Übervölkerung der antiken Großstädte [Leipzig 1884] 22) hingewiesen; ebenso hatte sich Meltzer (II 16ff. 461ff.) gegen sie erklärt, aber auch gegen Mommsens (R. G. I⁷ 502) durch den Hinweis auf Gades eher begründete Vermutung, daß diese Zahl, gleich den römischen Zensuzahlen, politisch, nicht städtisch zu verstehen sei.

c) Untergang der punischen Stadt Die in topographischer Hinsicht so wichtige Belagerung von K. im dritten Punischen Kriege durch P. Cornelios Scipio Aemilianus und seine Vorgänger im Consulate hat ausführlich und im Zusammenhange Tissot behandelt in seiner Analyse de l’histoire de siège (Géogr. I 613–632; vgl. Graux Bibl. de l’École des Hautes Études XXXV [1878] 175ff.), die heute natürlich zum großen Teile veraltet ist; die neueste Darstellung gibt Kahrstedt (a. a. O. III 646ff.). Die Belagerung der Häfen behandelt besonders Schulten (Arch. Anz. XX [1905] 73ff.). Die [2159] drei engen, vom Marktplatze nach der Byrsa hinaufführenden Straßen mit ihren sechsstöckigen Häusern hatte Scipio nach Appian (Lib. 128ff.) durch seine Soldaten dem Boden gleich machen lassen, um einen breiten Weg für den Sturm auf die Byrsa zu schaffen; der Rest der Stadt dagegen stand noch aufrecht. Das Vernichtungswerk wurde erst vollendet, als Scipio von den decemviri ex lege Livia (CIL I 200, Z. 77. 81, vgl. p 99f.; sie sind identisch mit der Senatskommission, von der Appian. [Lib. 135] spricht) den Befehl erhielt, jeden Überrest der Stadt vollends zu zerstören (Dureau Recherches 116 aus Lucan. Phars IV 585. Vell. II 19, 4 fälschlich entnehmen, die Zerstörung sei nicht vollständig gewesen; dagegen mit Recht Audollent a. a. O. 150, 1). Ein Fluch wurde auf sie gelegt, besonders auf die Byrsa und die Megara (vgl. C I 13 a. E.); ihre Stätte sollte fortan unbewohnt bleiben (Appian. bell. civ, I 24: ἐπηράσατο ἐς ἀεὶ μηλόβοτον εἶναι ist im Unrecht, wie die Lex agraria vom J. 111 zeigt (CIL I 200, Z. 81; vgl. S. 100; Audollent a. a. O. 38, 1). Die Fluchformel bei Macrobius (III 9, 10f.) bezieht sich nach W. Barthel (Zur Gesch. der römischen Städte in Afrika 9, 4) nicht auf diese Verfluchung. Dagegen war es nicht untersagt, diese Plätze zu betreten (Appian. Lib. 135; vgl. dazu Dureau a. a. O. 105). Alles andere Land wurde ager publicus populi Romani, die Gemeinwesen, welche hier bestanden, wurden aufgehoben, bis auf die wohl exempten Gebiete von sieben Städten (CIL I 200, Z. 75), denen, weil sie die römische Partei ergriffen hatten, die kommunale Selbständigkeit belassen wurde, und das den perfugae angewiesene Land gleichen Rechtes (Barthel Bonn. Jahrb. CXX [1911] 82). Der übrige ager publicus erfuhr, offenbar je nach der Haltung der Bewohner im letzten Stadium des Krieges, eine zwiefache Behandlung, ,nebeneinander finden wir in der Provinz den ager publicus stipendiariis assignatus und den rechtlich weit schlechter gestellten ager publicus a censoribus locari solitus (über Rechte und Pflichten der Besitzer beider Kategorien vgl. Barthel a. a. O. 76). Zu diesen Assignationen war aber eine genaue Vermessung des Landes nötig, die nach Barthel (a. a. O. 80) wahrscheinlich schon in demselben J. 146 stattgefunden hat. Diese Vermessung der Staatsdomäne wird aber nichts anderes sein als die Limitation, deren Spuren in der nächsten Umgebung K.s zuerst Falbe (Recherches 54) bemerkt und richtig gedeutet, Schulten (Bull. arch. du Comité 1902, 140ff. und Taf. VII-VIII) mit Hilfe der Karte 1:50,000 nach Westen und Süden weiter verfolgt hat, ohne indes hier an einen unmittelbaren Zusammenhang mit der gleich orientierten Vermessung der karthagischen Halbinsel zu denken (Barthel a. a. O. 55); das tat erst Barthel, der diese und andere Beobachtungen (Donaus, Toutains) berichtigte und zu einer ausführlichen Darstellung (a. a. O. 39ff. mit 7 Tafeln) zusammenfaßte, in der er nachwies, daß sich diese Vermessung über die ganze damalige, im Westen von dem Graben Scipios (Cagnat Bull. arch. du Comité 1893, 239ff. n. 107; Rev. arch. XXIV [1894] 415 n. 65; C. R. Ac. Inscr. 1894, 43ff. [2160] CIL VIII Suppl. 14882. Barthel a. a. O. 73, 2) begrenzte Provinz erstreckte und daß ihre Centuriation nach der größten Ausdehnung des limitierten Gebietes orientiert war (Barthel a. a. O. 95).
d) Das römische Karthago Aber auch die Stätte K.s wurde schon 24 Jahre später trotz des Fluches, wieder besiedelt: Im J. 122 v. Chr. wurde, wie Appian (bell. civ, I 24), Plutarch. (C. Gracch, 11) und Livius (perioch. LX) richtig angeben, während Velleius (I 15, 4) Eutropius (IV 21) Orosius (V 12, 1) fälschlich das J. 123 nennen (Schulten a. a. O. 151, 2. Audollent a. a. O. 32, 1 sucht zwischen diesen Angaben zu vermitteln), zufolge einer Lex Rubria (CIL I 200 Z. 59. Plutarch a. a. O.; ihr Inhalt auch bei Appian a. a. O.) eine römische Bürgerkolonie (Eutrop. a. a. O. Oros. a. a. O.; zu Solin. 27, 11: colonis Italicis und Appian. a. a. O. ἐξ ὅλης Ἰταλίας vgl. Mommsen CIL I p.96f.) durch C. Sempronius Gracchus als triumvir c. d. persönlich auf der Stätte der zerstörten Stadt eingerichtet, wie neben Livius (per. LX) besonders Appian (bell. civ. I 24, dem Lib. 136 nicht zu widersprechen braucht) berichtet, ,dessen vorzügliche Quelle sicherlich nicht ohne Bedacht die omina auf die städtische Limitation bezogen hat. Nur dort waren sie in dem Fluche begründet‘ (Barthel a. a. O. 78, 3), Das von Gauckler seit 1902 (Bull. arch. du Comité 1903, 412) aufgedeckte regelmäßige Straßennetz (Geogr. Graeci min. II 527 § 61) der römischen Stadt wollte dieser Forscher (C. R. Ac. Inscr. 1904, 16ff.) und Schulten (Arch. Anz. XX [1905] 76f.) auf C. Gracchus zurückführen, wogegen sich Barthel (a. a. O. 112) mit guten Gründen erklärt. Bei der Gründung wurde, um auch dadurch das Volk für sich zu gewinnen (Appian. bell. civ. I 24) mehrfach ungesetzlich verfahren: 6000 Kolonisten sollten nach der Berechnung der Triumvirn angesiedelt werden, während das Gesetz eine kleinere Anzahl bestimmte (Appian. a. a. O. CIL I 200, Z. 60/61; dazu Mommsen p. 96f.). Auch die vorgeschriebenen Losgrößen scheinen nicht innegehalten zu sein: nach Barthel (a. a. O. 77; vgl. Mommsen a. a. O. p. 97) waren sie in dem Gesetz abgestuft bis zum Höchstmaße von 200 Iugera (= 50,377 ha); Bedenken gegen Mommsen äußert Schulten (Abh. der Götting. Gesellsch. der Wissenschaft. N. F. II nr. 7, 38). Ob diese Abstufung auf einer Klassifizierung der Kolonisten (Mommsen a. a. O. p. 97) oder vielmehr auf einer Bonitierung des Landes (Weber Agrargeschichte 20 A.) beruhte, ist nach Barthel (a. a. O. 77) nicht zu entscheiden.

Die Kolonie erhielt den Namen c. Iunonia (Plut. a. a. O. 11. Solin. a. a. O.) nach ihrer Schutzgöttin Iuno, wie die Römer damals die alte karthagische Stadtgöttin Tanit bezeichneten (Audollent a. a. O. 371ff.). Aber schon im folgenden Jahre (121 v. Chr.) wurde die Kolonie durch eine Lex Minucia als solche wieder aufgehoben (Appian. bell. civ. I 24; Lib. 136. Plut. a. a. O. 13; vgl. CIL a. a. O Z. 59/60: ,ex lege Rubria quae fuit und dazu Rudorff und Mommsen a. a. O. p. 97); die Kolonisten verloren damit ihre Eigenschaft als coloni im eigentlichen Sinne, aber die für sie bestimmten Äcker [2161] wurden ihnen doch viritim assigniert (Kornemann o. Bd. IV S. 1532). Aus dieser veränderten Rechtslage der so zu Einzelsiedlern gewordenen Kolonisten erklären sich mehrere sie betreffenden Ausdrücke in der die condicio agrorum u. a. auch in Afrika regelnden Lex agraria von 111 (Mommsen a. a. O. p. 97 zu Z. 60. 66. Schulten a. a. O. 158ff. Audollent a. a. O. 38). Sie wären nach Mommsen (a. a. O.; Barthel a. a. O. 79) domini ex iure Quiritium der ihnen assignierten Äcker gewesen, wogegen Beaudouin (Nouv. rev. hist. du droit XVII [1893] 613ff.) die von Mommsen (a. a. O.) bekämpfte Ansicht vertritt, das seien sie erst durch das unter Septimius Severus der Kolonie verliehene ius italicum (Ulp. Dig. XV 8, 11. Toutain Les cités romaines en Tunisie 333, 1) geworden.

Erst Caesar nahm den Gedanken des C. Gracchus wieder auf (Plut. Caes. 57. Paus. II 1, 2 p. 111) und wollte dabei der Stadt ihren alten punischen Namen wiedergeben (Cass. Dio XLIII 50, 3ff.); die darauf bezügliche Notiz in Caesars ὑπογραφαί soll nach Appian (Lib. 136) Octavianus im J. 44 v. Chr. ausgeführt haben. Schulten (a. a. O. 156, 2) nimmt an dieser Nachricht keinen Anstoß, bedenkt aber nicht, daß Octavianus damals noch Privatmann war (Barthel Zur Geschichte der römischen Städte in Afrika [Diss. Greifswald 1904] 17). Alle sonstigen Angaben Appians u. a. weisen auf M. Antonius, der damals Consul war (vgl. Solin. 27, 11), Caesars ὑπομνήματα τῆς ἀρχῆς (Appian. bell. civ. II 125 a. E.) in Händen hatte und den Senatabeschluß veranlaßte, die bereits getroffenen Anordnungen Caesars für gültig zu erklären und die noch beabsichtigten zu vollenden (a. a. O. II 134f.). Die Ansiedler waren nur zum kleineren Teile Veteranen (Strab. XVII 15 p. 833 a. E., dazu Audollent a. a. O. 44; vgl. Plut. Caes. 57 a. E.), zum größeren arme römische Bürger, unter ihnen wohl viele Freigelassene (Barthel a. a. O. 17 schließt dies aus CIL X 6104; Bonn. Jahrb. a. a. O. 84). Bei Appian (Lib. 136) liegt nach Barthel (Zur Geschichte usw. 17), wie es scheint, eine Verwechslung mit der neuen Deduktion vor, die Octavianus im J. 29 v. Chr. vorgenommen hat. Die Zahl der römischen Kolonisten gibt Appian auf 3000 an, dazu seien dann noch περίοικοι, d. h. Einheimische, gekommen. Unter diesen will Barthel die Nachkommen der Ansiedler des J. 123 v. Chr., vor allem aber Peregrinen verstehen, die in der Umgegend wohnten. Ob sich die überlieferte Zahl auf die Caesarische oder auf die Augusteische Deduktion beziehe, lasse sich bei der Verwirrung des Appianischen Berichtes nicht mit Sicherheit entscheiden. Nach Kornemann (o. Bd. IV S. 534ff.; Philolog. N. F. XIV 413ff. 472ff.) wäre das Caesarische K. keine eigentliche Kolonie gewesen, sondern eine Stadt mit einem große Teile der römischen Provinz umfassenden Territorium. Zahlreiche pagi mit ihren castella u. a. Thugga und Numluli (über diese beiden Doppelgemeinden Barthel Bonn. Jahrb. CXX [1911] 81, 1) wären K. durch Caesar attribuiert worden, auch eine gewisse Zahl der durch Caesar in Afrika geschaffenen coloniae Iuliae sei anfangs K. unterstellt [2162] gewesen. Augustus habe dieses System zum Teil wieder beseitigt und kleineren Kommunen den Vorzug gegeben. In dieser sehr schwierigen Frage nach der Ausdehnung des Gebiets der Caesarisch-Augusteischen Kolonie war Barthel in seiner Dissertation (a. a. O. 29ff. 31f. 40ff. 46) zum Teil ganz anderer Ansicht; an den dort gegebenen Darlegungen sei aber mancherlei zu ändern, ohne daß sich indes eine völlig befriedigende Lösung der Frage ergebe (Bonn. Jahrb. CXX [1911] 81, 1). Nochmals wurde die Kolonie von M. Aemilius Lepidus in ihrem Bestande bedroht (Tertull. de pallio 1. Cass. Dio LII 43, 1; vgl. dazu Dessau Klio VIII [1908] 459ff.; Herm. XLIX [1914] 509), nach Gardthausen (Augustus I 2, 703) dadurch, daß er viele Veteranen in seine Legionen einreihte (bestritten von Barthel Dissertation 18); auch S. Pompeius scheint sie nach Tertullian (a. a. O.) heimgesucht zu haben. Sie hob sich erst wieder durch Octavianus (Appian. Lib. 136. Cass. Dio LII 43, 1); neue römische Kolonisten wurden 29 v. Chr. hingeführt, nach Barthels (a. a. O. 18ff.; Bonn. Jahrb. CXX [1911] 84) Vermutung wären es hauptsächlich Veteranen gewesen (anders Audollent a. a. O. 45, der sich aber nur auf Appians [Lib. 136 a. E.], wie gesagt, verwirrten Bericht stützt). Neben dieser zur tribus Arnensis gehörenden (die Stellen bei Audollent a. a. O. 326, 8; die tribus Quirina ist einmal angegeben CIL VII Suppl. 13228.) Kolonie schuf Octavianus eine punische Freistadt am 15. Juli 28 v. Chr. (Chron. min. ed. Mommsen I 217. 276. Barthel a. a. O. 20; vgl. Bonn. Jahrb. CXX [1911] 111), der er endlich auch noch das römische Bürgerrecht verlieh (Tertull a. a. O.). ,Ob die Freistadt zunächst als municipium c. R. neben der Kolonie fortbestanden hat oder ob sie mit ihr verschmolzen worden ist (? R. Oe.), wissen wir nicht‘ (Barthel a. a. O. 21). Dieser Freistadt gehören nach Barthel (a. a. O. 19ff.) die aus der Zeit nach 44 v. Chr. stammenden Münzen (Müller Numismatique de l’ancienne Afrique II 149 nr. 319f.) mit der Umschrift: ARISTOMVTVMBAL (nach Mommsen R. G. V 645, 2, ein griechisch-phönoikischer Doppelname) RICOCESVF Also hat Caesar nicht, wie Kornemann (o. Bd. IV S. 586) will, der Bürgerkolonie die punischen Sufeten gelassen, sondern diese gehören der von Octavianus gegründeten punischen civitas libera an. Die auf dem Revers um einen tetrastylen Tempel stehende Legende VENERIS ist nach Wilmanns (CIL VIII p. 133 XLII) nicht mit dem darunter stehenden Stadtnamen KAR zu verbinden, sondern dahin zu deuten, daß damals das alte Astarte-Venusheiligtum wiederhergestellt war; vgl. Dessau Herm. XLIX (1914) 511. 60 Die Kolonie dagegen heißt auf den unter Augustus und Tiberius geschlagenen Münzen: C(olonia) I(ulia) C(arthago) (über die Münzen mit der Legende: Felix Karthago vgl. Merlin et Poinssot Mémoires des Antiquaires de France LXXII [1912] 138, 1. Maurice Numismatique constantinienne I 344f. 351. 360ff.), und derselbe Name findet sich auf Inschriften (CIL VIII 805. 1494. 1497; vgl. Cagnat-Gauckler [2163] Les monuments historiques I 107). Auf einer ziemlich großen Zahl von Inschriften, von denen eine anscheinend aus der Zeit des Tiberius, mehrere andere aus der Mitte des 2. Jhdts. stammen, begegnet man den Abbreviaturen: CCIK, die, wie eine griechische Weihinschrift aus Ephesos (Forschungen in Ephesos II [1912] 170 nr. 53) beweist, von Merlin und Poinssot (a. a. O. 138, 1. 158 mit A. 1) richtig so aufgelöst worden sind: C(olonia) C(oncordia) I(ulia) K(arthago). Dessaus (a. a. O. 510) Deutung des Beinamens Concordia ist wahrscheinlicher als die Cagnats (a. a. O. A. 2). Die vollständige Titulatur erscheint auf zwei Inschriften aus der Zeit der Antonine (a. a. O. 138, 1). - Die Kolonie erhielt Mauern, zu denen der Grundstein im J. 35 v. Chr., ohne Zweifel auf Octavians Geheiß (Dessau a. a. O. 509. Cass. Dion. XLIX 14), durch den Proconsul Statilius Taurus gelegt (Tertull. a. a. O. Pallu de Lessert Fastes des provinces africaines I 1, 63. Barthel a. a. O. 21 mit A. 3) wurde und die etwa im J. 14 v. Chr. (Barthel a. a. O. 21, 3 auf Grund von Delattres Berichten [C. R. Ac. Inscr, 1893, 152ff.; Bull. arch. du Comité 1894, 89ff. mit Abb.] und brieflichen Mitteilungen s. u. C II 15 b ,Byrsa‘) durch C. Sentius Saturninus vollendet und eingeweiht wurden (Tertull. a. a. O. Pallu de Lessert a. a. O. 64, 75). Dies sind die Mauern, deren Vorhandensein Herodian VII 9, 8 (R. Oehler Berl. Phil. Woch. XXV [1905] 1013) voraussetzt; denn die argwöhnische Politik Roms (,ne rebellioni esset munimentum‘, Chron. min. ed. Mommsen I 658) versagte der punischen Freistadt diesen Schutz (auf sie, nicht auf die röm. Kolonie K. passen Orosius’ Worte V 1, 5). Erst der drohende Einfall der Vandalen vermochte den Kaiser Theodosius II. dazu, dies Verbot im J. 425 aufzuheben und ihr zu gestatten, sich auf eigene Kosten Mauern zu bauen (Chron. min. a. a. O. Audollent 90, 4). Die Kolonie nahm seit dem J. 14 einen großartigen Aufschwung, nach Strabon (XVII 3, 15 p. 833 a. E.) ist sie eine der größten Städte Libyens, und Mela (I 7, 34) bestätigt dies mit den Worten, sie sei längst wieder reich; Herodianos (VII 6, 1), Solinus (27, 11) und noch Ausonius (ord. urb. nobil. II 9f.) nennen sie sogar die erste Stadt nach Rom neben Alexandreia bezw. Konstantinopel. Ihren Namen wechselte sie in der Folge noch mehrmals: Hadrian soll sie Hadrianopolis genannt haben (Hist. aug. Hadr. 20, 4f.), Commodus ihr den ephemeren Titel Colonia Alexandria Commodiana Togata (Hist. aug. Comm. 17, 8) verliehen haben, von Septimius Severus und Caracalla erhielt sie den Namen: Colonia Iulia Aurelia Antoniniana Karthago (CIL VIII 1220; Suppl. 12 522; über das Fehlen des Namens: Septimia Severiana vgl. Merlin et Poinssot a. a. O. 128, 1). Die letzte Änderung ihres Names in Colonia Iustiniana Karthago erfolgte durch Iustinianus nach Belisars Sieg über Gelimer (Nov. 37; vgl. 131, 4. Procop. de aedif. VI 5, 8. Audollent a. a. O. 132). Auch ernsthafterer Gunstbezeugungen konnte sie sich rühmen: Von vielen Kaisern, wie Hadrianus (Hist. aug. Hadr. a. a. O. Audollent a. a. O. 55ff.), Antoninus Pius (CIL VIII. Suppl. [2164] 12 513. Paus. VIII 43, 4. Hist. aug. Pii 9, 2. Vernaz Revue archéol. X [1887] 164-170. Cagnat ebd. 171-179. Audollent a. a. O. 58ff.), |Marcus Aurelius (Aurel. Victor. de Caesar. 16. Front. [ed. Naber) 260f.; dazu Audollent a. a. O. 60f.), Septimius Severus und Caracalla (Audollent a. a. O. 58 und 63f. 840) bis auf Iustinianus hinunter (Procop. de aedif. VI 5, 8f. Diehl L’Afrique byzantine [Paris 1896] 389. Audollent a. a. O. 132f.) wurde sie mit Bauten geschmückt. Von Septimius Severus, dessen Gnade sie die Einführung griechischer, auch athletische Wettkämpfe umfassender (CIL XIV 474; Dessau Bull. Inst. XVIII (1881) 137. Inscr. Lat. Sel. 5233. Audollent a. a. O. 688, 7), Spiele (Tertull. Scorp. 6: ,Carthaginem … donatam Pythico agone, s. u. C II 15 b) verdankte, und Caracalla erhielt sie auch das ius italicum (Ulp. Dig. XV 8, 11; s. o.). Auf dessen Verleihung wollte Blanchet (Revue numism. II [1898], XXff. Gsell Mélanges XIX [1899] 47) die Reversinschrift mehrerer Münzen dieser Kaiser: Indulgentia Augg. in Carth. beziehen, die man früher, der Reversdarstellung wegen, auf die Restaurierung des Aquädukts durch diese beiden Kaiser gedeutet hatte (die Literatur bei Audollent a. a. O. 58ff.). Nach Babelon (Rivista Ital. di numism. XVI [1903] 157ff.) enthielte zwar eine Anzahl zwischen 203 und 207 geprägter Münzen einen Hinweis auf die Verleihung des ius italicum; diese Münzengruppe aber mit der in Rede stehenden Legende ginge auf den Erlaß der seit Hadrianus zur Bezahlung der Baukosten des Aquäduktes eingeführten Auflage. Diese Lösung hat sehr viel für sich, wie Audollent (a. a. O. 839f.) richtig bemerkt.


B. Stadteinteilung.

I. Umfang und Befestigung.
6. a) Mauerumfang in der letzten punischen Zeit:

Von dem durch die Lage der Nekropolen begrenzten Umfange der punischen Stadt ist scharf (viel schärfer als Kahrstedt a. a. O. III 9. 627 es tut) zu scheiden der Mauerumfang der letzten Zeit, für den jene nur dann einen Anhalt geben, wenn die Terrainbeschaffenheit dem nicht entgegensteht; denn diese entscheidet in einer solchen rein militärischen Frage: Kahrstedt selbst bestätigt dies, wenn er im Nordwesten und Norden zur Gewinnung einer ,Linie, die überall die natürlich festesten Punkte benutzt‘, die Nekropolen von Duïmes und von Dermesch ganz und die vom sog. Iunohügel und von Ard el Khéraïb größtenteils in ,die Enceinte der letzten Zeit‘ einschließt (Kahrstedt a. a. O. Plan 1; gegen seine Einzeichnung der Enceinte J. Kromayer a. a. O. 454.). Für ihren Zug im Süden und Westen läßt sich, bei dem nicht so ausgesprochenen Gelände, nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die von Falbe (Recherches 10) und Delattre (Carthage Notes archéol 1892/93 S. 19f. Meltzer II 185f.) erwähnten Ruinenzüge bei den nr. 75-78 (Falbe), wie Falbe schon vermutet hatte (Rech. 10), einer späteren, römischen Stadtbefestigung angehören. Anders steht es mit den vom Ingenieur Magne (in Renault Cahiers d’archéol. tunisienne 4. Heft [1911] 54ff.) gelegentlich der Wasserleitungsarbeiten [2165] gemachten Terrainbeobachtungen und Funden: Er stieß westlich des Niveauübergangs der ,Piste de Tunis à Douar ech Chott‘ (s. den Plan von Bordy) 20,60 m von der Achse der Bahn La Marsa-La Goulette auf Fundamente einer nach ihm mindestens 7,50 m starken Mauer und in der Achse der Bahn und weiter nach Osten auf die Fundamente einer zweiten mindestens 8,35 m dicken, der ersten parallellaufenden Mauer. Magne sieht beide als Reste der ,dreifachen Befestigung‘ an und glaubt auch westlich von ihnen Spuren der zugehörigen Gräben gefunden zu haben. Über die Zuweisung der Funde läßt sich ohne Autopsie nur soviel sagen: Der Unterschied zwischen Magnes Angabe der Mauerstärke und griechiches Maß vorausgesetzt; vgl. Meltzer a. a. O. II 177ff. 182ff. - der Appians ist so gering, daß er für Magnes Deutung kein Hindernis bilden würde und ebensowenig wohl Fundort, wenn es auch nach einer Angabe Appians (Lib. 114 a. E. und dazu Kromayer a. a. O.) scheint, als ob die Linie der ,dreifachen Befestigung‘ etwas weiter westlich lief (s. u. B I 7 b). Aber selbst im günstigsten Falle würde der überlieferte Umfang der Gesamtstadt Karthago-Megara über die Wirklichkeit hinausgehen. Nach der gleichmäßig bei Orosius (IV 22, 5) und Servius (Aen. I 367) bezeugten Ziffer soll er 22 mp., nach der bei Livius [per. LI] bezeugten sogar 23 mp. betragen haben (Meltzer a. a. O. II 190f., auf den ich gleichfalls für die vielbesprochene Strabonstelle XVII 3, 14 p. 832 verweise). Schultens (Arch. Anz. XXVIII [1913] 244f. mit Plan) und Kahrstedts (a. a. O. und Plan I) Ansichtim über die Ausdehnung der punischen Gesamtstadt Karthago-Megara, die nach Schulten nur ca. 7000 m im Umfange gehabt haben, nach Kahrstedt noch kleiner gewesen sein soll, hat Kromayer a. a. O. widerlegt.

b) Mauerumfang in der römischen Zeit. Zwar war man immer schon der Ansicht (z. B. Tissot a. a. O. I 638f.), daß, gegenüber den auf Autopsie beruhenden Angaben des Plinius (n. h. V 4, 24) und des Cassius Dio (XLIII 50, 3ff.), die das römische K. auf der Stelle des punischen sich erheben ließen, Appians Nachricht (Lib. 136), das Caesarisch-Augusteische K. sei ziemlich nahe bei dem alten K. mit Umgehung der einst mit dem Fluche belegten Stätten erbaut worden, keinen Glauben verdiene; aber heute ist die Richtigkeit jener Angaben durch die Ergebnisse der Ausgrabungen unwiderleglich erwiesen: Schon 1893 zeigten die von 43-15 v. Chr. reichenden Stempel der Amphoren, aus denen die von Delattre auf der Byrsa aufgefundene sonderbare Mauer bestand (Bordy Plan von K. ,Mur aux Amphores‘), daß, entgegen Appians Nachricht, während Augustus’ Regierung an der Befestigung dieser einen besonders verfluchten Stätte gebaut worden ist (C. R. Ac. Inscr. 1893, 152ff. Bull. arch. du Comité 1894, 89ff. mit Abb.), und das seit 1902 von Gauckler aufgedeckte Straßennetz der römischen Stadt überzieht das ganze Gebiet des punischen K. ohne Ausnahme, sogar einschließlich der Nekropolen. Und wo das Straßennetz noch nicht aufgedeckt oder für immer verschwunden ist, da sind die römischen Gräber, [2166] heidnische wie christliche (Delattre La Tunisie 363), besonders wo sie gruppenweise zusammenliegen, ebensoviele Richtpunkte, welche die Ausdehnung der römischen Stadt sicher abgrenzen: wir gewinnen so eine Grenzlinie, die von Le Kram über Bir Sema nach Bir el Dscherab, Bir el Dschebbana und Bir es Situn nach Norden zieht, dann nach Osten umbiegt und über Bir Hannana, Bab er Riah und Damus el Karita das Meer erreicht (vgl. Audollent Plan II ,Tracé probable de l’encinte‘).

7. Befestigungslinien:

a) der punischen Stadt. Die eben erwähnten Unterschiede in der Geländebeschaffenheit liefern uns auch den Schlüssel dazu, warum die Karthager sich auf der Landseite im Norden wie auf der Meer- und Seeseite mit einer einfachen Mauer begnügen konnten, an der Südwest- und Westseite dagegen eine dreifache Befestigungslinie für notwendig hielten.

α) Die ,einfache Mauer‘: Schweighäuser hat zuerst erkannt, daß in Appian. Lib. 95 zwischen den Worten: μέση λίμνης τε καὶ τῆς θαλάσσης und ἁπλῷ τείχει περίκρημνα ὄντα eine Lücke sich findet, ihre Entstehung erklärt und zu ihrer Ausfüllung die Worte vorgeschlagen: θαλάσσης ⟨καὶ περιτετείχιστο - oder περιείληπτο – τῆς πόλεως τὰ μὲν πρὸς τῆς θαλάσσης ⟩ ἁπλῷ τείχει κτλ. Daß diese Vermutung dem Sinne des ursprünglichen Bestandes am nächsten komme, wird allgemein anerkannt, nur meint Graux (Bibl. de l’École des Hautes-Études XXXV [1878] 180), die Lücke sei vielleicht beträchtlicher gewesen, als Schweighäuser annehme. Von Bordsch-Dschedid - weiter nördlich sind ähnliche Reste wohl vorhanden, aber noch nicht genauer untersucht worden - zog sich die ,einfache Mauer‘, wenn wir Cartons (Rev. arch. XVIII [1911] 232ff. 248f.; vgl. Schulten Arch. Anz. XXVIII [1913] 248) Beobachtungen Glauben schenken, aus Bruchsteinen mit Hausteinverkleidung in einer Gesamtstärke von mindestens 6 m und entsprechender Höhe in südwestlicher Richtung an der Küste hin bis zu der Landecke und der unweit davon gelegenen Hafeneinfahrt (Pistor Bull. arch. du Comité [1911] 157 mit Plan; vgl. Schulten Arch. Anz. XXVII [1912] 386f. XXVIII (1913) 250 mit näheren Angaben). Möglich ist es, daß die 8 bis 10 m breite Plattform (de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVII [1899] 45; Plan: ,Ruines de Bordj Djedid‘ nr. 19 = Falbe nr. 90) einen Turm getragen hat (Carton a. a. O. 233); auch auf dem Trapez ABCD (de Roquefeuil a. a. O.; bei Falbe nr. 99 hat der Grundriß mehr die Gestalt eines Rechtecks) kann ein solcher Turm, allerdings nur von geringer Höhe (de Roquefeuil a. a. O. 331.) gestanden haben; zwischen ihnen verzeichnet Carton (a. a. O. 231 Fig. 1 d) einen weiteren Turm; ob aber diese Turm- und Mauerreste alle der punischen Periode angehören, ist noch nicht aufgeklärt, besonders weil die Maße der zu diesen Bauten verwendeten Werksteine ungenügend bekannt sind (einige Angaben bei de Roquefeuil [a. a. O.] und Carton [a. a. O.]). Nach Kahrstedt (schriftl. Mitteilung) ist punischer Ursprung sehr unwahrscheinlich, da die Anlagen [2167] sich, ohne ihren Charakter zu verändern, weit nach Norden über die Grenzen der punischen Stadt, wie sie K. begrenzt, also über Bordsch-Dschedid hinaus fortsetzen; auch lägen die Reste meist im Wasser und sähen nicht so aus, als ob sie von einem hohen Küstensaum herabgestürzt wären. Es handelt sich nach ihm um römische Kais und anschließende Bauten, die immer im Wasser oder unmittelbar daran lagen. Von da ab, wo heute die Bäder des Lazaretts liegen, bis zur Landecke (nr. 44 Falbe) war der Mauer eine wohl als Kai anzusprechende Anlage (Falbe Recherches 17. Tissot Géographie I 628; anders gedeutet von de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVI [1898] 29) vorgelagert: sie hat eine trapezähnliche Gestalt (nr. 47. 46. 45. 44 bei Falbe a. a. O. und de Roquefeuil a. a. O.). Jenseits der Hafeneinfahrt will Schulten die ,einfache Mauer‘ dicht an der (damaligen) Küste entlang bis zum Fondouk des Juifs, von da zuerst nach Dar el Kram laufen und dann in einem Winkel von etwa 70° nach Norden auf die Byrsa zu umbiegen lassen (Schulten Arch. Anz. XXVIII [1913] 244 gegen Kahrstedt a. a. O. III 12f.). Schulten und Kahrstedt (a. a. O.) beachten aber nicht Appians Angabe Lib. 98, wie es Meltzer (a. a. O. II 533, 29) und Kromayer (a. a. O. 455) richtig tun: Nach deren Vermutung zog die ,einfache Mauer‘ von der Hafeneinfahrt zunächst längs der Küste bis nr. 41 Falbe, durchquerte dann die Landzunge und lief noch ein Stück am See von Tunis entlang in westlicher Richtung (nach Meltzer bis nr. 112 Falbe). Da wo der natürliche Schutz des sumpfigen Seeufers (Appian. Lib. 99. Schulten a. a. O. 244. 248) endete, haben wir jedenfalls den Punkt zu suchen, wo die ,dreifache Befestigung‘ an die ,einfache Mauer‘ ansetzte. Wo diese den Ansatz der ,Landzunge‘ an die Halbinsel durchquerte, wurde sie vielleicht durch die damals vermutlich noch vorhandene Lache zwischen den zwei Nehrungen der ,Landzunge‘ geschützt. Unmittelbar hinter der Mauer lag hier freier Platz unbekannter Bestimmung: mit dem Hauptmarkte der punischen (C I 12 a) oder römischen Stadt ist er jedenfalls nicht zusammenzubringen, wie Meltzer (a. a. O. II 175) gegen Falbe (a. a. O. 19. 28) betont. Wenn Appian (Lib. 95) die ganze genannte Strecke den ,schwachen Winkel‘ nennt, so ist diese Bezeichnung, nach Meltzer (a. a. O.), nicht so aufzufassen, als ob die Mauer auf dieser Strecke anders gebaut gewesen sei, sondern sie ist gewiß nur im Gegensatze zu der hier sich anschließenden ,dreifachen Befestigung‘ so benannt worden, der Ausdruck demnach nur relativ zu verstehen, und dieser Auslegung widerstreitet es auch nicht, daß L. Marcius Censorinus gleich am ersten Tage Bresche in sie legte: denn das erklärt sich ohne weiteres aus der ungewöhnlichen Stärke der von ihm verwendeten Sturmböcke (Appian. Lib. 98). Sicherlich steht es nicht anders mit dem Lib. 113 erwähnten Teil der ,einfachen Mauer‘, wo ebenfalls das Verbum ἀμελεῖν gebraucht ist. Die Mauer war eben überall da von den Karthagern ,vernachlässigt‘ worden, wo sie bei ihrer Erbauung einst natürlichen Schutz durch das Gelände (Appian. Lib. 113) und das Wasser gehabt hatte. [2168]

β) Die ,dreifache Befestigung'. Meltzer (a. a. O. II 176) möchte glauben, die Stadt sei ursprünglich auch nach der ,Landenge‘ hin nicht anders befestigt gewesen als auf den eben betrachteten Seiten. Da die innere Mauer der ,dreifachen Befestigung‘ für die Unterbringung von Elefanten eingerichtet war, so sei das Auftreten des Pyrrhos in Italien und Sizilien als obere Zeitgrenze ihrer Errichtung anzusehen, weil erst durch ihn die neue Waffe im Westen bekannt geworden sei (Jahrb. f. Philol. CXLIX [1894] 61; Gesch. der K. II 176). Nach diesem Zeitpunkte schloß die sog. ,dreifaehe Befestigung‘ die der ,Landenge‘ zugewandte Seite der Stadt. Die Hauptstelle ist Appian. Lib. 95. In den Worten: τὰ δὲ πρὸς μεσημβρίαν ἐς ἤπειρον, ἔνθα καὶ ἡ Βύρσα ἦν, ἐπὶ τοῦ αὐχένος τριπλῷ τείχει (sc. περιείληπτο) ist die Verschiebung der Himmelsrichtung offenbar, zu dem Irrtum in der Orientierung der ,Landzunge‘ (s. A 4) kann sie aber nicht in Beziehung stehen, wie Meltzer (a. a. O. II 533, 29) richtig ausführt, und muß demnach besonders behandelt werden. Seine Erklärung der Entstehung des Irrtums ist auch heute noch annehmbar; durch seinen Vorschlag, hinter den Worten: ἔνθα καὶ ἡ Βύρσα ἦν ein Komma zu setzen, gewinnt die Stelle an Klarheit, und ihr Sinn kommt dem wirklichen Bestande näher. Wenn Appian (Lib. 95 in.) die ,dreifache Befestigung‘ aus drei gleichen Mauern bestehen läßt, so ist das ein Mißverständnis (vgl. Meltzer a. a. O. II 529. Graux a. a. O. 192ff. Tissot a. a. O. I 570ff.), wie nicht bloß Stellen anderer Schriftsteller (Diod. XXXII 14. Oros. IV 22, 5) beweisen, die, wie er, ihre Nachrichten direkt oder indirekt aus Polybios entlehnt haben; auch bei Appian findet sich nämlich eine Stelle, wo er seine Vorlage richtig verstanden hat (Lib. 97): Als M. Manilius von der ,Landenge‘ her einen Angriff auf die ,dreifache Befestigung‘ unternahm, hatte er vor sich zunächst ,den Graben‘, dann die hinter dem Graben liegende ,weniger bedeutende Vorbefestigung‘ (von Appian. Lib. 97 in. ἐπιτείχισμα βραχύ und 97 extr. προτείχισμα βραχύ in verschiedener Beziehung benannt; vgl. Lib. 124. Meltzer a. a. O. II 184. 531) und erst hinter dieser die ,hohe(n) Mauer(n)‘ (Meltzer a. a. O. II 529, 29 meint, in den Worten Lib. 95 extr. γωνία δ’ ἡ παρὰ τὴν γλῶσσαν ἐκ τοῦδε τοῦ τείχουυς ἐπὶ τοὺς λιμένας περιέκαμπτεν habe sich ein Fingerzeig erhalten, daß es sich nur um eine Mauer der beschriebenen Art handelte). Welcher Teil der äußeren Befestigung in dem Polybiosfragment XXXIX 1 gemeint ist, darüber sind die Ansichten geteilt: Tissot (a. a. O. I 574f.) z. B. erklärt, in den Worten: προβεβλημένος τάφρον καὶ χάρακα sei mit χάραξ offenbar das προτείχισμα βραχύ Appians gemeint; die Unterredung zwischen Hasdrubal und Gulussa habe also auf dem Raume zwischen der ,hohen Mauer‘ und der ,Vorbefestigung‘ stattgefunden (τάφρος καὶ χάραξ können aber auch zusammen die äußerste Linie bezeichnen: vgl. Polyb. X 31, 8. Philon ed. Schoene V p. 84ff. Thév. und die Mauern von Konstantinopel). Meltzer war in seiner Geschichte der K. (II 531, 29) noch im Zweifel, ob dieser Vorgang als Beweismittel verwendet werden könne; später scheint er aber im Hinblick auf ähnliche [2169] Befestigungen in der ganzen Frage anderer Ansicht geworden zu sein. Besondere biete die sog. Theodosianische Mauer von Konstantinopel, auf die schon Tissot (a. a. O. I 572) hingewiesen hatte, viele Analogien (Jahrb. f. Philol. CLV [1897] 290. Dethier Der Bosphor und Konstantinopel [1878] 50 und Taf. 2. van Millingen Byzantine Constantinople [1899] 106f. mit Diagramm usw.). Wie weit die einzelnen Linien der ,dreifachen Befestigung‘ voneinander entfernt waren und ob jede Linie einen Graben hatte (Meltzer a. a. O. II 531, 29), wie es nach Magne scheint, wissen wir nicht sicher, solange seine Funde nicht als Reste der ,dreifachen Befestigung nachgewiesen sind (s. o. B I 6 a). Nach Philon a. a. O. freilich sollen drei möglichst tiefe und mindestens 70 Ellen breite Gräben vor der Mauer ausgehoben werden: der innerste 100 Fuß von der Mauer, die beiden andern je 40 Ellen von diesem und untereinander entfernt. Daß diese Entfernungen aber in Wirklichkeit nicht durchweg als Minima betrachtet wurden, lehrt das Beispiel von Konstantinopel. Auch in dem Polybiosfragment XXXIX 1 hat man nicht den Eindruck, als ob es sich um solche Entfernungen handelte, wie sie Daux angibt (Tissot a. a. O. I 580). Nach den nur auf die innere Hauptmauer zu beziehenden Maßen Appians (Lib. 95) soll sie, ohne die Zinnen und Türme zu rechnen, 30 Ellen hoch und 30 Fuß (= 20 Ellen) stark, oben gedeckt und innen mit ,Hohlräumen‘, d. h. Kasematten, versehen gewesen sein, die in zwei Stockwerken übereinander lagen; das untere habe Ställe und Futtermagazine für 300 Elefanten, das obere Ställe für 4000 Pferde, Speicher für Heu und Gerste und außerdem noch Räume zur Unterbringung von 20 000 Mann zu Fuß und 4000 Reitern enthalten. Fraglich ist es, ob sich die Pferdeställe wirklich im oberen Stockwerke befunden haben; unmöglich ist es nicht, aber näher liegt, wie Meltzer (a. a. O. II 187) richtig bemerkt, der Gedanke, der Ausdruck bei Appian (ὑπὲρ αὐτούς) könne auch einem bloßen Mißverständnisse seiner Vorlage entsprungen sein; vielleicht habe Polybios nur gesagt, außer den 800 Elefanten und den Futtervorräten für sie könnten noch obendrein 4000 Pferde untergebracht werden - im unteren Stockwerke nämlich, Raum dazu wäre gewiß reichlich vorhanden gewesen. Die Türme waren vier Stockwerke hoch und in Abständen von je zwei Plethren (= 59,14 m) errichtet. Die Treffsicherheit der karthagischen Geschütze muß demnach besonders groß gewesen sein; denn Philon (V p. 83 Thév.) will nur 100 Ellen (= 44,4 m) als Länge für die Kurtinen zulassen (vgl. Droysen Heerwesen und Kriegführung der Griechen 254). Orosius (IV 22, 5), der hier wohl aus Livius bezw. Polybios schöpft, gibt für die Mauer die gleiche Stärke an, für die Höhe aber 40 Ellen und fügt hinzu, der Bau sei aus Quadern errichtet worden. Dieselbe Höhenangabe findet sich wieder in einem Auszuge aus Diodor (XXXII 14), während die Stärke um 2 Ellen höher angesetzt ist. Diese alleinstehende Angabe will Meltzer (a. a. O. II 177f.) gegen Mommsen (R. G. II⁷ 29) auf einen Fehler der handschriftlichen [2170] Überlieferung zurückführen; auch die Ansicht Tissots (a. a. O. I 570, 1), daß in der einen Angabe die untere, in der anderen die obere Stärke gemeint sei, habe wenig für sich; er erkennt dagegen die doppelt beglaubigten Zahlen an, von denen er die höheren auf die Türme bezieht. Auf Grund dieser Angaben und der Entdeckungen, die Beulé (Fouilles 64f.) auf dem sog. Byrsahügel gemacht hatte, und der Beobachtungen, welche Daux an den Resten der Befestigungen anderer punischer Städte, besonders Thapsus (Tissot a. a. O. II 173ff. mit Fig. 3) gemacht haben wollte (Meltzer a. a. O. II 183), gab dieser eine Rekonstruktion (Tissot a. a. O. I 575 und Taf. 5 Hennebert a. a. O.), die in der Hauptsache wohl das Richtige trifft, obwohl sie an bedenklichen Unwahrscheinlichkeiten leidet (Meltzer a. a. O. II 530f; vgl. Graux a. a. O. 190ff. Viel skeptischer urteilt über Daux Gsell in Mélanges d’arch. et d’hist. XVI [1896] 445). Ob wir über ihre Beschaffenheit durch Funde jemals volle Gewißheit erhalten werden, ist bei den Verhältnissen in K. sehr fraglich (doch s. B I 6 a).

Tore durchbrechen selbstverständlich sowohl die ,einfache Mauer‘ wie die ,dreifache Befestigung‘, aber nur selten werden in der Überlieferung welche ausdrücklich erwähnt: Innerhalb K.s führten Tore die Kaufleute aus dem Handelshafen durch die ihn umgebende Mauer direkt in die Stadt, ohne daß sie die Schiffsschuppen des Kriegshafens betraten (Appian. Lib. 96 a. E.). Nach außen, auf die Felsen am Meere bei Sidi bu Saïd, führte ein Tor Megaras Lib. 113) und ein anderes Tor desselben Stadtteils nach dem nördlichen Teile der Halbinsel (Lib. 117; vgl. Zonar. IX 29 p. 407 a. E.). Alle diese Tore sind spurlos verschwunden; was Tissot (a. a. O. I 580f. 584f.) an Toren verzeichnet, ist, da seine Angaben auf Daux zurückgehen, mehr als fraglich. Als sicher können nur angesehen werden die von Delattre beim römischen Odeum gefundenen Torreste: Hier sah man vor kurzem noch Unterbauten eines solchen, auch heißt die Stelle noch heute ,Bab er Riah‘ = ,Tor des Windes‘ (Delattre La Tunisie I 373. Babelon Carthage 151 nr. LXXX); aber ob dieses Tor ein Stadttor und ob es punischer oder römischer Herkunft war, läßt sich nicht mehr feststellen.

Die Linie der „dreifachen Befestigung“ kann aber im Westen noch etwas genauer gezogen werden: Nach Appian Lib. 114 a. E. schlug Scipio nicht weit von K. ein Lager. Ihm gegenüber bezogen die Karthager, die gegen 5 Stadien vor ihre Mauern herausrückten, ebenfalls ein Lager. Diese Vorfeldstellung der Karthager mußte, um die Verbindung der Stadt mit dem Festlande aufrechtzuerhalten, auf der ,Landenge‘ gelegen haben, wie Kromayer (a. a. O. 456) richtig ausführt; also war hier die ,dreifache Befestigung‘ gegen 5 Stadien von der ,Landenge‘ entfernt. Damit ist aber die vielbesprochene Notiz des Orosius (IV 22, 6): murus communus erat urbis et Byrsae imminens mari, quod mare stagnum vocabant, die neuerdings in Kahrstedt (a. a. O. III 9, 2) einen Verteidiger gefunden hat, nicht vereinbar. Es bleibt auch bei der bisherigen Annahme, daß Scipios Absperrungsschanzen [2171] sich vom See von Tunis nördlich bis zur Sebkha er Riana (ἐκ θαλάσσης ἐπὶ θάλασσαν App. Lib. 119) 25 Stadien weit erstreckten (Meltzer a. a. O. II 162). Wenn Schulten (Arch. Anz. XXVIII [1913] 248 mit Abb. 1) das Scipionische ἐπιτείχισμα (Lib. 120), überall in gleichem Abstande ὅσον ὁρμὴν βέλους K. absperrend, also in Form eines flachen Bogens, von dem damals noch bis Dar el Kram reichenden ,See von Tunis‘ über Duar esch Schott und La Malga laufen und dann zwischen Sidi bu Saïd und Bordsch Dschedid, etwa bei S. Monique das Meer erreichen läßt, so gründet sich diese Vermutung nur auf Kahrstedts fälschliche Ansetzung von Megara (s. unten C I 2 a 13) und fällt mit ihr.

b) Befestigungslinie der römischen Stadt.

Wo innerhalb der durch die römischen Gräber bedingten Grenzen die Mauern des römischen K.s sich erhoben, ist heute nicht mehr mit Sicherheit zu sagen, aber wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir die von Falbe (nr. 72. 74-78; Recherches 10. 26. 38. 40ff.), Beulé und Delattre gemachten Beobachtungen auf sie beziehen, da die von ihnen gesehenen Reste dicht an der durch die Gräberfunde bezeichneten Grenze lagen; zu Beulés Zeit (Fouilles 80f.) hatten arabische Steinsucher die dicht unter dem Boden liegenden Reste einer von La Malga bis Duar esch Schott und darüber hinaus ziehenden Mauer zerstört, und nur ein etwa 4 m breiter Graben war geblieben. Leider hat Beulé kein Kroki von seinem Zuge gegeben (Audollent 155f.). Glücklicher war Delattre, er traf die Araber noch bei ihrer Zerstörungsarbeit an; das von ihm zwischen den nr. 77 und 78 des Falbeschen Planes, sehr nahe bei nr. 77, gesehene Stück bestand aus einer etwa 3 m starken Hausteinmauer, an die sich nach innen eine Reihe gewölbter Räume von je ca. 7 m Länge und 3 m Höhe lehnten, während außen an der Mauer entlang ein Abzugskanal von 1 m Tiefe und 0,40 m Breite lief. Vorher war dort noch ein monumentales Tor abgebrochen worden (Delattre Mélanges d’arch. et d’hist. XII [1892] 258ff.: Notes archéol. 1894, 19f. Babelon Carthage 144 nr. LXV. Meltzer a. a. O. II 188, 523). Auf der Nordseite werden sich die Römer wie die Punier die Vorteile des Geländes zunutze gemacht haben, wenn auch, bei dem Hinausgehen des römischen Straßennetzes über den Umfang der punischen Stadt, die römische Mauer anders als die punische Mauer der letzten Zeit gelaufen sein wird. Die Vandalen hatten, nach Prokopios, die Mauern so zerfallen lassen, daß man an vielen Punkten ohne Mühe in die Stadt eindringen konnte (bell. Vand. I 21, 11). Belisar ließ sie sofort nach seinem Einzuge in K. wiederherstellen und an ihrem Fuß einen mächtigen. durch Palisadierung verstärkten Graben anlegen (a. a. O. I 23, 19f.); da früher ein solcher Graben nicht vorhanden war (Procop. de aedif. VI 5, 8), so erregte nun das Werk Gelimers Staunen (de bell. Vand. I 23, 20f.); aber Belisar beschränkte sich auf diese Arbeiten, die Richtung der Mauern blieb dieselbe, und ebenso hören wir auch später von keiner Änderung.

[2172] Wie groß ihr Umfang war, ist nirgends überliefert, wohl aber ihre größte Längenausdehung (decumanus maximus?): Im Ps.-Kallisthenes I 31 steht zwischen den Angaben über Antiocheia und Babylon folgende über K.: ἡ δ’ ἐν Ἀφρικῇ Καρχηδὼν σταδίων ις’, ποδῶν μ’. C. Müller möchte dieser Angabe, um den Fortschritt von der kleineren zur größeren zu wahren, die der Übersetzung des Iulius Valerius: Carthago .... stadiis decem porrecta videatur stadiique parte quarta vorziehen; diese entspricht aber bei weitem nicht der Wirklichkeit, wie es jene tut; von Le Kram bis zum letzten Rest einer römischen Straße am Nordende K.s beträgt nämlich die größte Längenausdehnung, auf dem Bordyschen Plane gemessen, etwa 3050 m, so daß, das Stadium zu 175,5 m gerechnet, die Differenz noch nicht 200 m ausmachen würde. Und auch diese unbedeutende Differenz würde sich noch verringern, wenn die Beobachtung richtig ist, daß im Norden eine Stadterweiterung stattgefunden hat (s. u. C II 15, ,Odeum‘ a. E.). Willmanns (CIL VIII p. 133) nimmt offenbar mit Mommsen (Abh. der Sächs. Ges. der Wiss. III 274) an, der Angabe liege eine Verwechslung von Stadien und Fuß mit Meilen und Schritt zugrunde, und mit Boysen (Philol. XLII 412) eine weitere Verwechslung von Längenausdehnung und Umfang und schreibt demgemäß: ,circuitum eius decem milium ducentorum quinquaginta passuum fuisse scribitur in itinerario Alexandri apud Ps.-Callisth;‘. Aber wenn schon eine solche doppelte Verwechslung an sich wenig glaublich ist, so berechtigt in unserem Falle nichts zu einer solchen Annahme, auch beträgt der Umfang des römischen K. wenig über 7000 Passus (hierüber und über die Maße der andern vier bei Ps.-Kallisthenes und Iulius Valerius a. a. O. genannten Städte vgl. meine Ausführungen in den Sitzungsberichten der Berliner Archäologischen Gesellschaft vom 2. Mai 1916: Arch. Anz. 1916, 88ff.).

Tore. Von neun - nach dem Zusammenhange zu urteilen - die Landmauer durchbrechenden Toren spricht Corippus (Johann. I 426f.); bei Prokopios (bell. Vand. I 18, 10) sind wohl besonders die im Westen gemeint (Audollent a. a. O. 158); ein ,Tor der Frau‘ nennt (nach Caudel bei Audollent a. a. O. 841) der arabische Chronist En Nadschi aus dem J. 698; dagegen gehört die von Victor Vitensis (hist. pers. Vand. I 10) erwähnte porta Fornilana, wie Schmidt (CIL VIII p. 1239. 1435. Audollent a. a. O. 158, 5) sehr wahrscheinlich macht, nicht K. an. Reste oder Spuren von Toren sind nur wenige gefunden: von Falbe bei nr. 72 (Recherches 38ff. [?], ganz anders gedeutet von Renault Cahiers N. S. I 110ff.; vgl. Anhang b) eins mit drei Öffnungen, ein ähnliches ,Meertor‘ von v. Maltzan (Reise in die Regentschaften von Tunis und Tripolis [1870] I 314) an derselben Küstenstrecke (Audollent a. a. O. 159). Ihr Ursprung ist wohl römisch, möglicherweise auch römisch die Herkunft der bei ,Bab er Riah‘ von Delattre beobachteten Torreste (La Tunisie I 373. Babelon Carthage 151 nr. LXXX): römisch war wohl auch das von Delattre (Mélanges d’arch. et d’hist. XII (1892] 258ff.) beschriebene monumentale Tor, und endlich wird die von den [2173] römischen Friedhöfen bei Bir es Situn und Bir el Dschebbana flankierte alte Straße durch ein römisches Tor beim Amphitheater die Stadt verlassen haben (Audollent a. a. O. 159).

II. Stadtteile, Straßen, Wasserbauten.

8. Stadtteile. Von Teilen der punischen Stadt kennen wir nur das Hafenviertel, die Byrsa (über diese Bezeichnung im engeren und weiteren Sinne vgl. Meltzer II 192ff. 534f., 31; dagegen Kahrstedt 15f., nach dem Byrsa immer Burg und nie ein Stadtteil gewesen ist) und die Megara, den unbebauten Nordteil der Stadt am Meere (über die sog. Neapolis vgl. Meltzer II 191). Von diesen Bezeichnungen begegnen die ersten beiden auch in römischer Zeit, der Name ,Megara‘ scheint dagegen verschwunden zu sein. Ob das punische und römische K. zu Verwaltungszwecken wie Rom in regiones geteilt war, wissen wir bisher nicht, wir kennen nur eine kirchliche Einteilung des römischen K., von der bis jetzt 6 regiones, die erste bis zur sechsten, nachgewiesen sind (die Stellen bei Audollent 603, 4 ergänzt durch Leclercq a. a. O. S. 2270ff. XVIII); dagegen kann die Frage, von wem und wann die Einteilung vorgenommen wurde, zurzeit noch nicht beantwortet werden.

9. Straßen und Plätze der punischen Stadt werden in der Überlieferung nur wenig genannt. Wir kennen aus Appian (Lib. 128) die drei den Marktplatz mit der Byrsa verbindenden Straßen, die in dem letzten Verzweiflungskampfe der eroberten Stadt eine so fürchterliche Rolle spielen und die fünf vom Markt nach der ,Neapolis‘ führenden Straßen aus Diodors (XX 44, 5) Erzählung vom Aufstande Bomilkars. Diese können wir auch nicht annähernd lokalisieren, weil wir nicht wissen, ob wir die ,Neapolis‘ mit Megara identifizieren dürfen, bei jenen drei ist das eher möglich, weil wir nach Appian (Lib. 127) den Markt zwischen Byrsa und Kothon zu suchen haben. Auch die Lage des von Appian (Lib. 98) erwähnten ,freien Platzes‘ läßt sich einigermaßen bestimmen (s. C I 12 a); aber aufgefunden ist bisher keine Straße und kein Platz der punischen Stadt. Es scheint als ob das Straßennetz der römischen Stadt ihre Spuren vollständig verwischt habe. Daß die Straßen und Plätze der Kolonie als einer neugeschaffenen römischen Stadt, sich im rechten Winkel schnitten, war ja von vornherein anzunehmen, auch wenn es die descriptio orbis terrae (Müller Geogr. Gr. min. II 527 § 61; vgl. Sinko Archiv. für lat. Lex. XIII [1904] 531) nicht ausdrücklieh sagte; aber erst 1902 ist es Gauckler (C. R. de la marche du service en 1902, 7ff.; en 1903, 11ff.) gelungen, bedeutendere Reste des Straßennetzes zu finden und es allmählich in langer, geduldiger Arbeit aufzudecken (über frühere Funde vgl. Reinach-Babelon Bull. arch. du Comité IV [1886] 35ff. Delattre ebd. XI [1893] 56ff.; beide mit Plänen). Auf dem Bordyschen Plane, der die Ergebnisse seiner Forschungen zusammenfaßt, reicht es einerseits von dem die Station Duar esch Schott mit dem Lazarett verbindenden Wege bis über Bordsch Dschedid und seine großen Zisternen hinaus und erstreckt sich andererseits vom Meer aus etwa [2174] 1800 m landeinwärts bis jenseits des römischen Amphitheaters. Fast alle Gebäude dieser Gegend mit verschwindenden Ausnahmen passen sich dieser Limitation an, deren decumani mit den decumani der römischen Flurteilung einen Winkel von 25° bilden (über die Erklärung dieser Divergenz vgl. Schulten Arch. Anz. XX [1905] 77). Nach dem genannten Plane und einem unveröffentlichten Plane Gaucklers (benutzt von R. Kiepert zu seinem Plane von K. in den FOA) sind bisher etwa vierzig der Küste parallel laufende Straßen in Abständen von 45 m und fünf senkrecht dazu laufende in Abständen von ca. 150 m entweder in Resten ihres Oberbaus und der sie einfassenden Bauten oder den Resten ihrer Kanäle zutage getreten. Auf Grund der genannten Abstände vermutet Schulten (a. a. O. 77), daß es sich um insulae von etwa 150 ✕ 500 pedes Größe handle. Barthel (Bonn. Jahrb. CXX [1911] 112ff.) hält das indes für noch ganz ungewiß, und ebenso ungewiß sei es, ob die Küstenlinie für die Richtung der Stadt bestimmend gewesen oder ob umgekehrt jene erst durch die römische Stadt bestimmt worden sei, durch die gewaltigen Kai- und Hafenbauten, welche in der römischen Zeit dort die Küste säumten: Auch einen Zusammenhang der Stadtanlage mit dem Sonnenlaufe möchte er nicht ganz außer Rechnung stellen: Eine amtliche Benennung der Straßen scheint nach Augustinus (de consensu Evangelistarum I 23, 36) in dem römischen K. stattgefunden zu haben; aber ob alle uns überlieferte Namen amtlich sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Die uns in den Schriftstellern erhaltenen sind in der Mehrzahl nach benachbarten Heiligtümern, nur zwei nach dem in ihnen hauptsächlich betriebenen Gewerbe benannt worden. Ihre Lage läßt sich bestenfalls nur annähernd bestimmen aus der Lage der Bauwerke oder der Plätze, zu denen sehr selten die Quellen, meistens ihre Namen sie in Beziehung setzen; es sind die via Caelestis (Victor Vitens. hist. pers. Vandal. I 3, 8 via, quam Caelestis vocitabant, die via Venerea (Cypriani acta procons. 2, die Audollent a. a. O. 310, wie es scheint, mit der Via Caelestis identifizieren will; vgl. C I 2 14), die via Salutaria (Cypriani acta proc. 2) und zwischen der via Venerea und der via Salutaria der vicus Saturni (a. a. O.), eine Benennung, welche die Karthager in abergläubischer Angst vermieden und durch vicus Senis ersetzten (Augustin a. a. O.). Was aber zur genaueren Lokalisierung dieser Straßen bisher vorgebracht worden ist (Audollent a. a. O. 310, 6), geht über unsichere Vermutungen nicht hinaus. Auch der vicus Isidis (Tertull. de idol 20) ist nur annähernd zu bestimmen; wenn dieser wirklich, wie Babelon (Carthage 159 nr. XCV-XCII) und Audollent (a. a. O. 404) als wahrscheinlich betrachten, in enger Beziehung zu dem Tempel des Serapis (Bordys Plan s. v.) stand, dann ist er in dessen nächster Umgebung zu suchen. Noch unsicherer steht es mit der Ansetzung des von Augustus (de moribus Manichaeor. II 19, 72) erwähnten vicus ficariorum durch Audollent (a. a. O. 311). Etwas genauer sind wir unterrichtet über den von der descriptio orbis terrae (Geogr. min II 527 § 61) als besondere Sehenswürdigkeit hervorgehobenen vicus argentariorum [2175] (vicus argentarius bei Augustin. conf. VI 9; de civit. dei VII 4). Hier können wir uns sogar, dank der lebhaften Schilderung des hl. Augustinus, auf Grund der Ausgrabungsergebnisse von Timgad ein Bild vom vicus und seiner Nachbarschaft machen: Er säumte das durch ein Bleigitter abgegrenzte Forum so, daß, wie in Thamugadi (Boeswillwald-Cagnat Timgad 6. Babelon a. a. O. 129 nr. XXIII. Audollent a. a. O. 229) die Dächer seiner Buden unmittelbar an den Platz stießen (Augustin. conf. VI 9, 14f.). Außer diesen bei den Schriftstellern erhaltenen Straßennamen sind uns noch vier überliefert in der sog. appendix Probi, wie Paus (Bibl. de l’École des Hautes Études LXXIII [1887] 301ff.) nachgewiesen hat: der vicus capitis Africae, der vicus stabuli proconsulis, der vicus strobili und der vicus castrorum, der vielleicht mit Gauckler (C. R. Ac. Inscr. 1904, 695ff.) auf Bordsch Dschedid in der Nähe des Lagers der cohors 1 urbana (vgl. C I 2 14) zu suchen ist, die anderen sind bis jetzt nicht zu lokalisieren (s. Audollent a. O. 316ff.).

Auch Straßen außerhalb der Stadt werden genannt (vgl. ,Tore der römischen Stadt‘ B 1 7 b), so vor allem die unter Hadrianus durch die legio III Augusta gepflasterte (CIL VIII 10048. 10065. 10114), durch Maximinus reparierte (ebd. 10093), aber nach Barthel (Bonn. Jahrb. CXX [1911] 75) sicherlich vor 14 n. Chr. angelegte Straße von K. nach Theveste (= Tébessa CIL VIII p. 865ff. X; Suppl. I p. 2092f.; in CIL VIII 10047 u. a. als v. ,a Karthagine usque ad fines Numidiae provinciae bezeichnet. Über die bis etwa zum 104. Meilenstein dieselbe Straße benutzende via Karthagine– Siccam Veneriam [= Le Kef], vgl. CIL VIII Suppl. I p. 2115ff. XVII), die Straße von K. nach Hadrumetum (= Sousse) über Tunis–Maxula (CIL VIII p. 865 VIII nr. 10042ff.; Suppl. I p. 2091 XIII, nr. 21985f.; an ihr lag ad Decimum [Procop. Vand. I 18, 5f.; nach Tissot a. a. O. II 120ff. = 8idi Fathallah; vgl. Atlas archéol. de la Tunisie II Tunis 73]) oder direkten Weges K.–Maxula (Itin. Antonin. p. 57) Prates (nach Mannert aus παρὰ τῆς sc. λίμνης), die Straße von K. nach Hippo Regius (= Bône) durch das Bagradastal (CIL VIII p. 875, XII, nr. 10116f.; Suppl. I p. 2118, XIX nr. 22190ff.); die Küstenstraße von K. nach Hippo Regius über Hippo Diarrhytus (= Bizerte CIL VIII p. 874 XI nr. 10115; vgl. Suppl. I p. 2118, XVIII Bernard Bull. de géogr. hist. 1911, 232 mit Karte 6). Außer diesen großen durch die Itinerare und die Inschriften der Meilensteine bezeugten Verkehrsstraßen müssen aber, wenn die von Corippus (Johann. I 426f.; s. o. B I 7 b) überlieferte Torzahl richtig ist, noch fast ebensoviele von mehr lokaler Bedeutung K. zum Ausgangspunkte gehabt haben. Zu ihnen gehörte z. B. die via Mappaliensis (Cypriani act. procons. 5; vgl. Victor Vitensis a. a. O. I 15f.: qui locus Mappaia vocitatur), die nach Audollent (a. a. O. 180. 182, 4. 310) vielleicht im Innern begann und sich außerhalb der Mauern durch die ganze Ebene in der Richtung auf den Dschebel Khawi fortsetzte (?).

Plätze. Von dem eigentlichen forum (s. Die [2176] Unterstadt C I 12) ist, wie Tissot Géogr. I 658) und Audollent (a. a. O. 227) richtig gegen Dureau (Rech. 202f.) und Babelon (Carthage 129 nr. XXIII) ausführen, zu trennen der Platz des von Tissot (a. a. O. I 658) so genannten forum maritimum, τῆς μαριτίμου ἀγορᾶς καλουμένης, das Iustinianus nach Prokopios (de aedif. VI 5, 10) auf beiden Seiten mit Säulenhallen umgab. Dieser ,Platz am Meer‘ ist wohl identisch mit Augustinus’ (retract. II 58) platea maritima, die nach ihm (de civit. dei XVI 8; vgl. Audollent 227, 1) mit einem merkwürdigen Mosaik geschmückt war. Carton (a. a. O. 234, 1) möchte sie nach dem einst säulengezierten (Delattre bei Carton a. a. O.). Platze CIX des Planes von K. im Atlas archéol, (nicht CX. wie dort und bei Babelon a. a. O. 171 nr. CX fälschlich steht; vgl. Carton a. a. O.) verlegen, zu dem ein erst im J. 1884 (Babelon a. a. O.) zerstörtes ca. 48 m breites Escalier monumental (Grundriß auf dem Plane von Bordy s. v.) von 120 – 130 Marmorstufen hinaufführte (Beulé Fouill. 28, Abb. bei Davis Carthage and her remains 372), eine Vermutung, gegen die kaum etwas einzuwenden sein dürfte. Beulé (a. a. O.) freilich wollte in diesem Platze die platea nova sehen, vor deren Stufen nach Victor Vitensis (a. a. O. II 5, 13) der arianische Bischof Iucundus auf Befehl Hunirichs den Feuertod erlitt (Babelon a. a. O. 171 nr. CX. Tissot a. a. O. I 658; zusammenfassend Audollent a. a. O. 247ff.). Aber gegen Beulés Ansetzung hat Gsell (Mélanges XVI [1896] 447. XIX [1899] 63, 1), meines Erachtens, mit Recht geltend gemacht, daß man von diesem Platze schwerlich sagen könne, er habe, was Victor Vitensis a. a. O. von der platea nova berichtet, in media civitate gelegen; seinerseits möchte Gsell die ganze Anlage mit dem Tempel der Ceres bezw. der Caelestis in Verbindung bringen auf Grund von Z. 3 der Weihinschrift vom Tempel der Astarte und Tanit (s. den Anhang ,Unbekannte Lokalitäten‘ a). Dieses weite Auseinandergehen der Ansichten war es wohl, das Audollent (a. a. O. 249) zu den resignierten Worten über Beulés Ansetzung veranlaßte: ,Je préfère l’incertitude à une affirmation aussi risquée.‘

10. Wasserversorgung. Quellen finden sich nach Falbe in der Stadt gar nicht, auf der Halbinsel nur zwei (Rech. 9 nr. 39 und nördlich von nr. 98), gegrabene Brunnen, arabisch ,bir‘, sind häufiger, sollen aber, wie erklärlich, ein brackiges Wasser liefern (doch vgl. Dureau Rech. 79, 2 und die von ihm und Audollent a. a. O. 57, 4 angeführte Stelle aus Marmol L’Afrique, traduite de Perrot [Paris 1667] II 471. Renault a. a. O. II I, 11, 3. 27).

Zisternen waren daher in K. eine Notwendigkeit. Und wirklich sind bei den Ausgrabungen so viele einzelne Zisternen und kleine Gruppen von solchen festgestellt worden, daß Reinach und Babelon (Bull. arch. du Comité IV [1886] 34) sagen konnten: ,Chaque habitation paraît avoir eu sa citerne‘. Sie zeigen die verschiedensten Gestalten (Gauckler C. R. Marche du Service en 1901, 10f.). Von anderen unterirdischen Behältern aus punischer Zeit sind sechs große Getreide-Silos zu nennen, die auf der Byrsa (nach [2177] Kahrstedt sind auch die Gewölbe auf der Byrsa alle rein römisch) gefunden wurden. (Delattre Bull. épigr. V (1885] 303. Babelon a. a. O. 139 nr. LI). In römischer Zeit wurden, wie die Funde zeigen, die punischen Zisternen weiter benutzt; aber auch aus römischer Zeit sind viele Zisternen gefunden worden. Einzelzisternen, z. B. auf der Byrsa nr. LIII, kleinere Gruppen wie LII. LVI. LVIII auf der Byrsa, größere Gruppen wie XLI auf der Byrsa (Atlas archéol. de la Tunisie Blatt ,Carthage‘; vgl. Babelon a. a. O. ,Plan de Byrsa‘ und S. 134. 140ff.) und besonders beim Magne) alten Fort von Bordsch Dschedid (Delattre Notes arch. VI 15. Babelon a. a. O. 161 nr. CJ,. Magne a. a. O. 6ff.) Aber sie alle können sich hinsichtlich ihrer Ausdehnung und der Zweckmäßigkeit ihrer Anlagen nicht messen mit den beiden großen Zisternengruppen im Westen und Osten der Stadt bei La Malga und Bordsch Dschedid; die viel erörterte Streitfrage, ob sie punischen oder römischen Ursprungs sind (Meltzer a. a. O. II 216ff. und 541, 35; etwas modifiziert nach Delattre Jahrb. f. klass. Philol, CLV [1891] 290f. Magne a. a. O. 46ff. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XVI [1896]446 ist Delattres Ansicht), ist heute für die Zisternen von Bordsch Dschedid zu gunsten der zweiten Ansicht entschieden; sie passen genau in eine insula des römischen Straßennetzes (auf dem Bordyschen Plan ist das nur für drei Straßen der insula deutlich wahrnehmbar) und sind demnach als römischer Herkunft zu betrachten; dadurch erweist sich als richtig, was Delattre schon 1888 auf Grund eines bei den Restaurierungsarbeiten gemachten Fundes vermutet hatte (Carthage, Notes archéol. 15 VI. Babelon a. a. O. 160 CI mit Ansicht. Audollent a. a. O. 25lf.). Die Zisternen von La Malga folgen allerdings in ihrem Grundrisse nicht der städtischen Limitation, sondern der Flurteilung; aber sie lagen jedenfalls zur Vandalenzeit, wie Audollent (a. a. O. 179) gegen Beulé (Fouilles 48) nachgewiesen hat, innerhalb der Mauern - hier muß also einmal eine Stadterweiterung wie beim Odeum, s. C II 15, stattgefunden haben - und sind römischen Ursprungs; ihre hohe Lage erklärt sich nur aus ihrer engen Beziehuug zu dem römischen Aquädukte (Audollent a. a. O. über den Hügel nr. 59 [Falbe]; vgl. Beulé Fouilles 102, 2). Diese Zisternenanlage hat seit der arabischen Eroberung schwer gelitten; schon zu Barths (a. a. O. I 100) Zeit war sie sehr zerstört und verschüttet. Edrisi, der eine Beschreibung von ihnen gegeben hat (Géograph. traduite par Jaubert [Paris 1836] 263, abgedruckt bei Audollent a. a. O. 799), sah von den Quergewölben noch 24 nebeneinander liegen; im 18. Jhdt. waren noch etwa 20, heute sind nur noch 14-15 zu sehen (vgl. Audollent a. a. O. 298, 6). Über die Maße sind wir leider immer noch nicht genau unterrichtet (vgl. die einander widersprechenden Angaben bei Audollent a. a. O. 298), weil auf den Gewölben und zum Teil selbst in ihnen das kleine, elende Dorf La Malga steht (über den Namen vgl. Barth a. a. O. I 99f.). Auf Bordys Plan messen die 15 dort gezeichneten Behälter einschließlieh der Außenwände je 95 m in die Länge und zusammen 125 m in die Breite. Die ganze Anlage wird in ihrer Längsachse von [2178] einem Transversalgewölbe durchschnitten. Nach Plan und Bauart scheinen sie mit der besser erhaltenen, 1887/8 zur Wasserversorgung von La Goulette wiederhergestellten Anlage bei Bordsch Dschedid in allen wesentlichen Stücken übereinzustimmen (Magne a. a. O.4f.). Nach den von Magne (a. a. O. 11ff.), dem mit der Leitung der Wiederherstellungsarbeiten an diesen Zisternen betrauten Ingenieur, mitgeteilten Maßen bilden sie in ihrer Gesamtheit ein Rechteck von 143,68 m Länge und 43,285 m Breite, in das parallel mit den Schmalseiten und untereinander 15 überwölbte Behälter und 3 Behältergruppen eingelegt sind. Jene sind (im Mittel) je 29,23 m lang, ihre Tonnengewölbe haben 5,86 m (im Mittel) lichte Weite und 11,46 (im Mittel) lichte Höhe. Alle diese Gewölbe durchschneidet auf der Längenachse des Bauwerks ein Transversalgewölbe von gleichen Abmessungen (Magne a. a. O. 14), unter dem die Scheidewände zwischen den Tonnengewölben durchbrochen sind, so daß in der Mitte der die Behälter auf drei Seiten umziehenden, 2,01 m breiten gewölbten Galerie die Anlage ihrer ganzen Länge nach durchblickt werden kann; auf die Galerie münden die 15 Behälter und von den Behältergruppen nr. 1 und 10; diese und die Gruppe nr. 18 sind zur Aufnahme von Filtern abweichend eingerichtet (Magne a. a. O. 20ff.) oder dienen, wie der runde Behälter in der Südostecke, der Wasserverteilung (Magne a. a. O. 23f.); in ihrer Umgebung hat nämlich Vernaz (a. a. O. 23ff.) ein verwickeltes Netz von Leitungen gefunden, die das Zisternenwasser der Stadt zuführten. Der 270 m lange Kanal einer dieser Leitungen, welche die Thermen des Antoninus Pius speiste, hat nach Vernaz einen im Verhältnis zum Gesamtfassungsvermögen der Zisternen (25 200 cbm nach Magne a. a. O. 44) so bedeutenden Querschnitt (1,70 m Breite und ca. 3,35 m Höhe in der Achse), daß er allein sie alle in ganz kurzer Zeit entleeren mußte (nach Tissot a. a. O. I 598, vgl. Magne a. a. O. 25f., lagen in diesem gemauerten Kanale Bleiröhren). Dann konnten sie aber auf das Regenwasser allein, mochte auch noch so gut dafür gesorgt sein, es aus der Umgebung der Zisternen ihnen in möglichst reichem Maße zuzuführen (Vernaz Revue archéol. X [1887) 151ff. mit Taf. XIII. Audollent a. a. O. 253), nicht angewiesen sein, wenn es galt, sie unverzüglich wieder zu füllen; das war nur möglich durch eine Verbindung mit der Wasserleitung (Vernaz a. a. O. Audollent a. a. O. 244ff. 249ff.). Zwar haben (Vernaz Grabungen diese theoretisch geforderte Verbindung nicht lückenlos nachgewiesen, sie haben aber auch nichts ergeben, was dagegen spräche (Falbe Rech. 36. Vernaz a. a. O 14ff. Audollent a. a. O. 261ff., Maße, Plan und Schnitt bei Magne a. a. O. 39 mit Fig. 4 und 2).

Der römische Aquädukt (Audollent a. a. O. 56ff. 183ff.) führte Quellwasser vom Dschebel Saghuan und vom Dschebel Dschuggar nach K. Am Fuße des Saghuan sieht man das in seinen Trümmern noch reizende Nymphaeum mit dem Sammelbecken für die höchste in 300m Höhe entspringende, sog. Nymphaeumquelle (Gauckler Enquête sur les installations hydrauliques rom. en Tunisie II 2, 49ff.; vgl. den Plan Fig. 8 auf [2179] S. 50; Grundriß und Wiederherstellung z. B. de Sainte-Marie Mission à Carthage 197 199, Abb. nach Photogr. bei Gauckler L’archéologie de la Tunisie 22; weitere Literatur bei Audollent 183, 2). Der Kanal der Leitung hatte innen eine Breite von ca. 0,82 m und eine Höhe von 1,82 m bis zum Scheitel des ihn überdeckenden Gewölbes, das von 40 zu 40 m mit Reinigungsöffnungen versehen war. Die ganze Länge des Aquäduktes einschließlich der Zubringerleitungen betrug nach Caillat 132 km (Audollent a. a. O. 184), also etwa das Doppelte der Luftlinie, weil er sich dem Gelände anpassen mußte. Teils unterirdisch, teils auf riesigen Bogenreihen, von denen noch etwa 340 bis zu 40 m Höhe erhalten sind, überschritt er den Wed Miliana und die Ebene von La Manouba an ihrem Rande bis zum Dschebel Ahmâr. Von Ariana aus durchquerte er dann in östlicher Richtung die Landenge bis Sidi Daûd, um endlich in südöstlicher Richtung die Zisternen von La Malga zu erreichen. Der Aquädukt lieferte nach Caillats Berechnungen 370 l in der Sekunde, fast 32 000 000 l in 24 Stunden, also viel mehr als zu Anfang dieses Jahrhunderts (Revue arch. XXVI [1878] 298; vgl. Gsell in Guide-Joanne, Algérie et Tunisie [1903] 333). Wann und von wem er erbaut wurde, ist noch nicht sicher ermittelt. An punische Herkunft (Babelon a. a. O. 148 nr. LXXIIf.) ist auf keinen Fall zu denken (Meltzer Jahrb. f. klass. Philol. CLV [1897] 291, 3. Audollent a. a. O. 56. 185); gewöhnlich nimmt man an, daß es Hadrianus war, der ihn um 136 n. Chr. erbaute (nach Audollent a. a. O. 58ff. Hadrianus und Antoninus Pius), und daß er von Septimius Severus zum erstenmal repariert wurde (Audollent a. a. O. 58f. 839ff.; s. o. A 5 d). Zum zweitenmal mußte ihn Belisar herstellen, als ihn Gelimer abgeschnitten hatte (Procop. bell. Vand. II 1, 2. Audollent a. a. O. 179. 185). Ob er nach der Zerstörung durch die Araber (El Kaïruani 16. 58, angeführt von Audollent a. a. O. 139; vgl. 185) vollständig wiederhergestellt wurde, ist unsicher; denn Spuren dieser Reparaturen sind fast nur zwischen Saghuan und Tunis zu sehen (Audollent a. a. O. 185). Nach Marmol (a. a. O. II 447ff., angeführt bei Audollent a. a. O. 807) lag er 1535 in Trümmern. Erst 1859 begann der französische Ingenieur P. Colin eine teilweise Wiederherstellung, die durch den Ingenieur Caillat 1873 fortgesetzt und beendet wurde. Im J. 1887 erhielt Vernaz den Auftrag, die von La Malga nach verschiedenen Richtungen ausgehenden Zweigleitungen (vgl. Falbe Rech. 36 und 40 zu nr. 62) zu untersuchen, um sie in stand zu setzen. Im Laufe seiner Nachforschungen entdeckte er etwa 20 m von dem stumpfen Winkel, den der Aquädukt dicht nordöstlich der Zisternen von La Malga macht, die Mündung eines unterirdischen, in östlicher Richtung laufenden Zweigkanals und dabei ein System von Türen und Absperrschiebern, das je nach dem Bedürfnis die Zuführung des Wassers in die Hauptleitung und den unterirdischen Kanal ermöglichte. Dieser durchbrach die im Norden der Byrsa gelegene Höhenkette und trat am Fuße des sog. ,Iunohügels‘ zu tage (Vernaz a. a. O. 14; auf dem Bordyschen Plane bezeichnet mit ,Conduit souterrain‘). Auf seinem 788 m langen unterirdischen [2180] Laufe zweigten von ihm in gewissen Abständen kleinere Leitungen ab. Vom Ostabhange des ,Iunohügels‘ an ist er anscheinend den Steinsuchern zum Opfer gefallen (Audollent a. a. O. 262), so daß man über die Richtung, in der er sich fortsetzte, vorläufig auf Vermutungen angewiesen ist (Audollent a. a. O. Babelon a. a. O. 149f. nr. LXXIV. Gauckler C. R. de la marche du service en 1903, 13). Die Hauptleitung entsendete dann noch einen ,Aqueduc souterrain‘ (s. Bordys Plan), der zunächst an der Südostseite der Zisternen von La Malga entlang zog und sich darauf in südlicher Richtung fortsetzte. Vielleicht speiste er u. a. die Thermen, deren Ruinen der Bordysche Plan (,Ruines de Thermes‘) dort in der Nähe verzeichnet.

C. Stadtbeschreibung.

Auf dem von den Mauern umschlossenen Raume sind punische Reste nur spärlich zutage getreten; wir sind also in der Hauptsache auch heute noch auf die dürftige griechisch-römische Überlieferung angewiesen (Über die Glaubwürdigkeit Appians in der Topographie von K. hat neuerdings Kahrstedt (a. a. O. III 7ff; 627f.] gehandelt; dagegen R. Oehler in den Sitzungsberichten der Histor. Gesellsch. zu Berlin vom 8./11. 1916, 3f.).

:I. Die Unterstadt.
1) Südlicher Teil

Südlicher Teil

, heute ,Cartagenna‘ oder ,die Salinen' genannt.
11. Die Häfen. a) Natürliche Häfen.
Die Häfen

     α) Die Bucht mit dem ,Kai‘ und Scipios Damm. Literarisch bezeugt ist uns, wenn wir von einer Notiz des Diodor (XV 73, 3) über den Brand der Schiffshäuser im J. 368 v. Chr. absehen, erst der Zustand zur Zeit des dritten Punischen Kriegs, hauptsächlich durch den auf Polybios zurückgehenden Bericht des Appian; aber die Küstenbildung und die noch heute fortwirkenden natürlichen Ursachen ermöglichen uns eine ziemlich sichere Vorstellung von dem früheren Zustande und den Verhältnissen, die schließlich zur Anlage der Häfen führten. Danach haben wir als Ankerplatz der ältesten Ansiedlung anzusehen die Bucht nr. 41. 42. 44 (Falbe), die gegen die West- und Nordwinde gesichert ist. Mit dem Wachsen des Handels der aufblühenden Stadt wird sich das Bedürfnis eingestellt haben, den immerhin beschränkten Schutz, den die natürliche Bucht der Schiffahrt gewährte, zu verstärken. Als erste Maßregel in diesem Sinne möchte Meltzer (a. a. O. II 168) die Errichtung der ca. 30 m breiten und 120 m langen Mole betrachten, die sich von der Landecke am Ostende der Bucht in südöstlicher Richtung ins Meer hinaus erstreckte (Falbe nr. 44-45. de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XXVI [1898] 26). Als die Bucht für den steigenden Verkehr nicht mehr genügte, schachteten die Karthager südöstlich der Byrsa zwei Becken aus - ob gleichzeitig oder nacheinander, ist nicht zu erkennen - welche mit dem gemeinsamen Namen Kothon bezeichnet wurden (Fest. s. Cothones. Verg. Aen. I 427 und dazu die Erklärungen des Servius. Meltzer Jahrb. CXLIX 131). Den richtigen Weg zur Erschließung des inschriftlich noch nicht belegten phönikischen Wortes haben Bochart (Chanaan (Frankfurt 1674] Kap. 24, 512), Gesenius (Scripturae linguaeque Phoen. mon. [Leipzig 1837] 422) und [2181] Blau (ZDMG XVIII [1864] 643), in der Benutzung dieser Erklärungen gesehen; ihnen hat sich zuletzt Euting angeschlossen, hat aber zugleich die Möglichkeit der ableitung von der Wurzel קט‎ ,abhauen, hauen‘ dargelegt Meltzer Histor. Untersuch., E. Förstemann gewidmet [Leipz. 1894] 29f.; über eine andere Deutung vgl. Jahrb. CXLIX [1894] 130f.; Gesch. der Karth. II 168f. 527f., 28). Das eine, von der Bucht aus am meisten landeinwärts gelegene Becken war für den Kriegshafen, das andere für den Handelshafen bestimmt. Seine Einfahrt werden wir bei nr. 42 (nach Falbe Rech. 22; ebenso Beulé Fouilles 115. Meltzer II 200 u. a.) zu suchen haben (über die Reste einer von Beulé Fouilles 114ff. Plan IV gefundenen eigentümlich gestalteten Hafeneinfahrt aus spätrömischer Zeit vgl. C I 11 b β). Zum Handelshafen gehörte augenscheinlich die Anlage nr. 44–47 (Falbe Rech. 24ff.; nach de Roquefeuil a. a. O. messen die ihre Außenseiten bildenden Molen 44-45 ca. 120 m, 45-46 ca. 425 m, 46-47 nur ca. 75 m: aber nach seinem Plan erscheint diese Angabe zu klein, die Schultens (150 m) zu groß); während darüber alles einig ist, gingen über ihre Bestimmung die Meinungen auseinander: der Seeoffizier de Roquefeuil wollte aus technischen Gründen in ihr ein ,Bassin annexe‘ zum Handelshafen sehen, das mit dem Meere nur durch den nördlichen Teil des Molo 44-45 in Verbindung stehen konnte. Die große Ähnlichkeit zwischen diesem Molo und dem Kai 45-46 in Material und Bauart scheine auf eine Erbauung in derselben Zeit hinzuweisen (C. R. Ac Inscr. XXVI [1898] 22ff.); dagegen sahen die anderen Forscher in ihr aus historischen Gründen den geräumigen Kai, den die Karthager draußen vor der Mauer seit langer Zeit für die ,Kaufleute zum Aufstapeln ihrer Waren erbaut hatten‘ (Appian. Lib. 162ff.; dazu Meltzer a. a. O. II 201f. Falbe Rech. 24ff. Tissot a. a. O. I 628f. Kahrstedt a. a. O. 20), und nach der Verwerfung der Hantzschen Untersuchungsergebnisse durch Carton Revue archéol. XVIII [1911] 245f., s. 11 a. E.) ist es wohl sicher, daß diese Annahme das Richtige trifft. Über seine Rolle während der letzten Belagerung K.s vgl. außer Meltzer a. a. O. besonders Schultens Behandlung der Frage im Arch. Anz. XX (1905) 75f. Ob der Bau dieses Kais mit Meltzer a. a. O. als Beweis dafür zu betrachten ist daß der Raum innerhalb des Handelshafens schließlich nicht mehr ausreichte, oder ob ihn die Karthager aus Gründen der Zollpolitik angelegt haben, ist nicht sicher zu entscheiden. Erwähnt wird der Kai noch in dem aus dem 3. Jhdt. n. Chr. stammenden, aber aus älteren Quellen schöpfenden Segelhandhuch des Stadiasmus (Müller Geogr. Graec. min. I 471 § 124; vgl. Cuntz Texte und Untersuch. z. Gesch. d. altchristl. Lit. N. F. XIV [1905] 1, 243ff.).

Die Reste des Scipionischen Dammes haben wir wohl in den beiden, in der Bucht von El-Kram parallel der Küste auf die Spitze des genannten Kais zulaufenden Mauern zu sehen. Sie sind von der heutigen Küste mindestens 70 m, aber meist mehr untereinander ca. 29 m entfernt, was, wiederum griechisches Maß vorausgesetzt, der von Appian (a. a. O. 121) angegebenen Breite von 96 Fuß entsprechen würde; wenn nach [2182] ihm die obere Fläche des Dammes nur 24 Fuß breit war, so muß er, nach der starken Verjüngung zu urteilen, eine bedeutende Höhe gehabt, also auf tiefem Grunde geruht haben. Das ist aber kein Hindernis für die Identifizierung; denn die Bucht ist stark versandet (de Roquefeuil a. a. O. 39). Die Länge des Dammes von seinem Ansatz an der ,Landzunge‘ bis zu seinem Ende an der Kaispitze schätzt Schulten (a. a. O. 74f.) auf etwa 1100 m. Eine dritte, hauptsächlich von Torr vertretene Ansicht über die Gestalt der Häfen und namentlich des Kothon ist durch de Roquefeuils Untersuchungen widerlegt (Torr in Class. Review V [1891] 280ff. VII [1893] 374ff. VIII [1894] 271ff.; Revue arch. XXIV [1894] 34ff. 294ff. de Roquefeuil C. R. Ac. Inscr. XVII [1899] 22ff.).

ß) Natürlicher Hafen und Reede. K. besaß außer der Bucht auch einen natürlichen Hafen und eine Reede, beide von bedeutender Ausdehnung: Der ,See von Tunis‘ vermochte die größten Flotten zu fassen (Procop bell. Vand. I 15, 15: ὃνδὴ Στάγνον καλοῦσι; die Entfernungsangabe I 20, 15 ist nach Audollent a. a. O. 150, 2 fehlerhaft). Eine Geländesenkung im Nordende der ,Landzunge‘ zwischen den nr. 112 und 41 des Falbeschen Planes (Carton a. a. O. Fig. 3) scheint darauf zu deuten, daß einst ein Kanal den ,See‘ mit der Bucht von El-Kram verband. Eine solche Verbindung hat jedenfalls 1535 (vgl. die Darstellung des Zuges Karls V. nach Tunis in der Alhambra, Mittl. Kahrstedts) und 1574 existiert (vgl. Drugulin Histor. Bilderatlas I 50 s. ,Fossa Transitus‘); ob sie schon. im Altertum bestand, ist unsicher. Man wäre einerseits geneigt, einen solchen durchgehenden Schutz durch Wasser für die Mauer des ,schwachen Winkels‘ anzunehmen, andererseits scheint dem Appians Nachricht (Lib. 99) zu widersprechen, daß die Gegend am ,See von Tunis‘ dicht unter den ,hohen Mauern‘, wo der Wind vom Meere her nicht durchstreichen konnte, voll ungesunden Wassers war, infolgedessen im Hochsommer im Lager des Censorinus Krankheiten ausbrachen. - Ob für die römische Zeit ein derartiger Verbindungskanal anzunehmen ist, hängt zum Teil von Alter und Deutung der von Carton (a. a. O. 246ff; Revue Tunis. XIX [1912] 50ff.; 165ff.) beschriebenen Reste bei Dar Ouled Agla ab, die er als Molo anspricht. Kahrstedt (III 22, 1) scheint sie für römisch zu halten.

Eine große Reede besaß K. in der an der Stelle der heutigen Sebkha er Riana gelegenen südlichen Einbuchtung des Golfes von Utika (s. Entwicklungsgeschichte der Halbinsel o. A 4; Meltzer a. a. O. II 157); sie war gegen die so häufigen Nordostwinde vollständig durch den Dschebel Khawi und den Dschebel er Remel geschützt (Tissot a. a. O. I 611f.). Hier ankerten während des dritten Punischen Krieges die römischen Transportschiffe, zu deren Schutze Manilius am Ufer ein Fort erbaute (Appian; Lib. 100. Meltzer a. a. O. II 203). Wenn Tissot (a. a. O; vgl. Meltzer a. a. O.) meint, daß auch die Küste zwischen Sidi bu Saïd und Kamart als Reede gedient habe, so hat ihn wohl hauptsächlich der Name dieser Küstenstrecke ,El Marsa‘ (= der Hafen) zu dieser unhaltbaren Ansicht veranlaßt; der französische Seeoffizier Hantz (C. R. Ac. Inscr. [2183] XXVIII [1900] 78) wenigstens hält es für eine Unvorsichtigkeit, wenn ein Fahrzeug geringen Tonnengehaltes in der Bucht von El Marsa ankern wollte.

Einen Anlegeplatz bei Galabras (gewöhnlich mit Goletta (Babelon a. a. O. 121 nr. III), von Carton [a. a O. 252] mit der ,Saline de la Princesse‘ identifiziert), an der ,Landzunge‘ verzeichnet der Stadiasmus maris magni (Geogr. graec. min, I 471 § 123; vgl. Cuntz a. a. O. 262).

b) Künstliche Häfen (Kothon):

α) Der Kothon in punischer Zeit.

Der punische Handelshafen. Nach Appian (Lib. 96) lagen die Häfen so, daß man aus dem einen in den anderen fahren konnte Die Einfahrt in sie vom Meere her war 70 Fuß breit und wurde mit eisernen Ketten geschlossen; sie ist wohl bei nr. 42 des Falbeschen Planes zu suchen (Rech. 22). Der erste Hafen war den [2184] Kaufleuten überlassen; er war mit zahlreichen Anlegestellen mannigfacher Art ausgestattet, und Tore führten die Kaufleute von ihm in die Stadt, ohne daß sie die Schiffsschuppen des Kriegshafens betraten. Dieser Umstand läßt darauf schließen, daß auch der Handelshafen eine eigene Mauer hatte, die ihn aus Gründen der Handels- und Zollpolitik von der Stadt abschloß. Was wir sonst über diesen Hafen wissen, verdanken wir Beulés Forschungen, dessen Zuverlässigkeit auch neuerdings wieder angezweifelt wurde (Kahrstedt III 17), aber von Merlin bis jetzt bestätigt worden ist (Bull. arch. du Comité 1909, 51ff. mit Plan II, C. R. Ac. Inscr. 1912. 277ff.). Freilich gehören die von ihm gefundenen Reste der Kais nur der römischen Zeit an (Beulé Fouilles 114), aber die Möglichkeit, daß das Hafenbecken in der punischen Zeit die gleiche Gestalt gehabt habe (Feuilles 101), kann nicht unbedingt in Abrede gestellt werden, solange nicht neuere Ausgrabungen etwas anderes ergeben; jedenfalls bildet Appians (Lib. 127) Angabe, der punische Handelshafen sei τετράγωνος gewesen, kein Hindernis, wenn auch das von Beulé gefundene Becken an der Nordseite nicht geradlinig abschloß, sondern einen flachen, nach Süden geöffneten Bogen zeigte (Meltzer a. a. O. II 201). Dieses Becken umgaben auf allen vier Seiten Kais, die nur durch die beiden Einfahrten unterbrochen wurden. Der westliche Kai (Beulé a. a. O. Plan IV M-M’-M"; vgl. Carton Rev. Tunisienne XIX [1912] 398ff.) war 4,53 m breit; er ruhte auf zwei, 2,50 m voneinander entfernten, Mauern von 1,21 m und 0,82 m [2185] Stärke; geringere Ausdehnung hatte wohl der östliche: Beulé fand dort nur eine einfache, aber 2,64 m starke Mauer (Fouilles 114, Plan IV N). Die Kais waren sicher von Speichern umgeben, diese wird Appian gemeint haben, wenn er (Lib. 127) berichtet, Hasdrubal habe den viereckigen Teil des Kothon in Brand gesteckt (Meltzer a. a. O. II 202). Für das von den Kais eingeschlossene Becken gibt Beulés Plan eine (nach Kahrstedt a. a. O. III 18. 1 zu große) Breite von 325 m in der Richtung von Osten nach Westen und als größte Ausdehnung von Süden nach Norden eine Länge von 456 m an (Fouilles 114). Letztere Zahl wird von Caillat und de Sainte-Marie als irrtümlich bezeichnet. Der Plan des Ingenieurs Caillat bei de Sainte-Marie (Mission à Carthage 161f.) gibt dafür 600 m. Auf Merlins neuestem Plane (Bull. arch. du Comité 1909 Plan II) messe ich bis zum heutigen Strand ca. 580 m). Die Entscheidung hierüber können nur Ausgrabungen bringen.

Der punische Kriegshafen mit dem Arsenal. Nach Appian a. a. O. lag in der Mitte des inneren Hafens eine Insel (vgl. Strab. XVII p. 832 a. E.), sie war, wie der Hafen selbst, von mächtigen Kais eingefaßt; diese waren vollständig bedeckt von Schiffsschuppen für 220 Schiffe, über denen Zeugkammern zur Aufbewahrung des hängenden Gerätes der Kriegsschiffe lagen; vorn an jedem Schiffsschuppen standen zwei ionische Säulen, so daß man beim Anblicke von Hafen und Insel einen rundumlaufenden Säulengang zu sehen meinte. Auf der Insel erhob sich ein Gebäude) (σκηωή für den Admiral. Von hier aus hatte der Trompeter die Signale zu geben und der Admiral die Aufsicht zu führen; die Insel lag nämlich der Einfahrt gegenüber und (das Gebäude) war gewaltig hoch aufgeführt, damit der Admiral alles beobachten konnte, was von der hohen See sich näherte, während die von außen Heransegelnden nicht deutlich wahrnehmen konnten, was im Innern vorging (vgl. hierzu Meltzer Historische Untersuchungen usw. 31). Und selbst wenn sie einliefen, waren den Kaufleuten Schiffschuppen nicht direkt sichtbar, denn eine doppelte (? dazu Meltzer Geschichte II 214) Mauer umgab sie… Auch hier werden Appians Worte durch Beulés Ausgrabungen bestätigt, erläutert und ergänzt: An der seit Falbe (Rech. 18) bekannten Stelle konstatierte er einen den Handels- und Kriegshafen verbindenden Kanal. Seine Breite glaubte Beulé da, wo sie nicht, wie an den beiden Enden, durch je eine Auskragung der Kaimauern beider Häfen etwas verringert wurde, auf ca. 23 m, seine Länge auf ca. 20 m bestimmen zu können (Beulé Plan IV K. Bedenken gegen die Längenangabe äußert Meltzer a. a. O. II 203). Die Hauptachsen der beiden Häfen ergeben zusammen in Beulés Darstellung eine gerade von Norden nach Süden laufende Linie; das ist von Daux bestritten worden (Tissot I 607 mit Daux’ Plan), scheint aber nach der neuesten Untersuchung durch Pascaud richtig zu sein (Saladin Bull. du Comité 1901 CLIVf.). Das nördliche Hafenbecken bildete nach Beulé einen vollkommenen Kreis von 325 m Durchmesser (Fouilles 111; nach Pascauds Untersuchungen will es Saladin [a. a. [2186] O.) scheinen, als ob es polygonal gewesen sei); in seiner Mitte lag eine kreisrunde Insel (über ihre geologische Beschaffenheit Fouilles 101ff.) von 106 m Durchmesser (Fouilles 99; nach Merlin C. R. Ac. Inscr. 1912, 278 beträgt der Radius etwa 56 m); eingefaßt wurde sie von einem 9,35 m breiten Kai aus römischer Zeit (Fouilles 99. Plan IV a-b; ,un peu moins de 10 mètres nach Merlin C. R. Ac. Inscr. 1912. 279). Im Süden der Insel, genau gegenüber der Einfahrt aus dem Handelshafen, fanden sich die Spuren einer 2,30 m breiten Landungstreppe, deren Stufen einst vom Kai ins Wasser führten (Fouilles 100 Plan IV B; doch vgl. Merlin C. R. Ac. Inscr. 1912. 279, 1); an der gerade entgegengesetzten Seite kamen die Reste eines die Insel mit dem Festlande verbindenden Dammes von 9,60 m Breite zum Vorschein; genau in seiner Mitte ist dieser Damm von einem 4,55 m breiten Kanal durchbrochen gewesen, über den im Altertum jedenfalls eine Brücke führte (Beulé Fouilles 100 Plan IV A). Rechts und links von der Stelle, wo dieser Damm das Festland berührte, zog sich gleichfalls ein durchgehender Kai aus römischer Zeit um das Becken. Als Beulé hier zu beiden Seiten des Dammes (Plan IV G H) noch unter die Baureste aus römischer Zeit hinuntergrub, ergab sich trots der sehr erschwerenden Umstände doch mit genügender Sicherheit, daß man den römischen Kai gerade über den punischen gelegt hatte; an den Resten des punischen waren auch noch die Ansätze zu den Einfahrten in die ehemaligen Schiffsschuppen zu erkennen; jeder dieser Schuppen war einschließlich der, wie es nach Beulés Ausdruck (Fouilles 108: ,en donnant au mur 30 cm d’épaisseur) scheint, nicht genau meßbar gewesenen Zwischenmauern 5,90 m breit; ihre Länge ließ sich nicht mehr feststellen. Zwei gut erhaltene Trommeln von Halbsäulen ionischer Art (die, nach der Gestalt ihrer Rückseite zu schließen, augenscheinlich dazu bestimmt waren, in eine Mauer eingelassen zu werden) sind, eine auf der Insel, eine unter dem großen das Hafenbecken einfassenden Kai gefunden worden (Fouilles 100. 108. 110 und Taf. V 8 und 9; den Säulenfund bestätigt Merlin a. a. O. 283). Wenn nun Beulé diese Funde mit dem von Appian erwähnten Säulenschmuck der Schiffsschuppen in Verbindung bringt und daraus schließt, daß es ionische Halbsäulen waren, die einst die Stirnenden der die Schiffsschuppen trennenden Zwischenmauern schmückten, so wird durch eine solche Deutung der Ausdruck Appians ἐς εἰκόνα στοᾶς erst verständlich (Fouilles 110). Berücksichtigt man die Maße dieser Reste, so wäre die (nicht genau meßbar gewesene) Stärke der Zwischenmauern vorn an den Einfahrten der Schiffsschuppen auf 0,47 m und somit die lichte Weite der Schuppen auf 5,43 m anzusetzen (R. Oehler Jahrb. für Phil. CXLVII [1893] 330, 18. Meltzer Geschichte II 206ff.). Bei einer Gesamtbreite von 5,9 m würden sich also an der, abzüglich der Breite der Durchfahrt und des Dammes, 988,40 m messenden Peripherie des großen Kais bis zu 167 Schiffsschuppen haben unterbringen lassen. Dagegen können auf der Insel, wo von der ca. 333 m großen Peripherie etwa 321 m zu diesem Zwecke verfügbar waren, nicht, wie Beulé annahm, Schiffsschuppen derselben Größe gestanden haben, wohl aber kleinere, [2187] wie sie trotz der von Torr (Revue arch. XXIV [1894] 37) dagegen geltend gemachten Vitruvstelle (V 12, 7) z. B. in Syrakus in einer Breite von 3,10 m einschließlich der 0,60 m starken Zwischenmauern nachgewiesen (Lupus Die Stadt Syrakus im Altertum 26) und für K. nach Appian (Lib. 121ff.; vgl. R. Oehler Jahrb. a. a. O. 321, 1. Meltzer a. a. O. II 210) ebensogut möglich sind. Auf der Insel hat Beulé, getrennt von den aus römischer Zeit stammenden Resten, zum Teil tief unter dem Boden solche gefunden, die, seiner Ansicht nach, weder griechisch noch römisch sind (Fouilles 104 und Taf. V 1-5) und, zum Teil wenigstens, von dem Admiralsgebäude herrühren könnten (Meltzer a. a. O. II 206. 211; dagegen z. B. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist, XVI [1896] 446); zu Bauten der punischen Zeit, besonders zum Admiralsgebäude, gehören sicher neun ziemlich parallel von Ost nach West laufende Reihen von rechtwinkligen Pfeilern, die, wie eine Anzahl Steinmetzzeichen beweisen, karthagischen Ursprungs sind (Merlin a. a. O. 280ff; Bull. archéol. du Comité 1909 Plan VI). Die neue Mündung, welche die Karthager gruben, als ihnen die alte durch Scipio verbaut wurde (Appian Lib. 121ff.), suchen Falbe und Beulé übereinstimmend bei nr. 50 des Falbeschen Planes, wo sich zu Falbes Zeiten das Gelände auf einer Strecke von 200 Pariser Fuß (= 65 m) plötzlich senkte. In dieser Senkung fand sich nichts von Trümmern, wie sie sonst die Küste damals bedeckten, sondern ausschließlich Sand (Falbe Rech. 21f.).

Rechnen wir zu diesen großen noch die kleineren bei Bordsch Dschedid von de Roquefeuil (C. R. Ac. Inscr. XXVII [1899] 25ff. mit Karte), Gauckler (Bull. arch. du Comité 1899 CLXXII) und Carton (Revue arch. a. a. O. 231ff. mit Fig. 1) festgestellten künstlichen Häfen dazu, so verstehen wir, wie Cicero das punische K. ,succincta portibus nennen konnte (de lege agr. II 87 und dazu Audollent a. a. O. 223 und 225; Kahrstedt (a. a. O. III 21, 4) will dagegen von einem punischen Hafen an diesem Orte nichts wissen. Die dort von Gauckler [a. a. O] gefundenen Zollmarken sind allerdings nur römisch, nach Kahrstedt zeigen sie, daß das K. der Kaiserzeit mit den bisherigen Anlagen nicht auskam und hier im Norden dem Verkehr neue Tore öffnete, wohl zugleich mit der Anlage der noch teilweise erhaltenen Kais).

Arsenal. 150 m nördlich der runden Lagune fand man in unmittelbarer Nähe der Küste und 60 m davon in zwei gewaltigen Haufen fast 2500, auf der einen Seite etwas abgeflachte Geschützkugeln verschiedenen Kalibers (0,10 bis 0,30 m Durchmesser) aus festem, grauem Kalkstein teils allein, teils mit mehr als 20 000 tönernen Schleudergeschossen zusammen. In 222 dieser Steinkugeln sind 12 verschiedene punische Buchstaben des 2. Jhdts. v. Chr. eingemeißelt, ohne daß zwischen ihnen und dem Kaliber irgendwelche Beziehungen bestanden. Aus diesen Funden ergibt sich, daß hier in punischer Zeit eins der Magazine des Arsenals lag, Baureste von ihm haben sich nicht gefunden (Gauckler C. R. Marche du Service en 1903, 10f.; Nouv. Arch. des Missions scient. XV (1907) 569 Taf. XXXV 1. Genauere Angaben nach eigenen Messungen und Wägungen macht [2188] B. Rathgen Ztschr. für hist. Waffenkunde V [1909-1911], 8, 236-241).

ß) Der Kothon in römischer Zeit. Der Kothon wird aus naheliegenden Gründen von der durch den Senat angeordneten allgemeinen Zerstörung nicht ausgenommen worden sein, wie Audollent a. a. O. 219 wohl richtig gegen Dureau (Rech. 105) ausführt, möglicherweise hat diese sich aber auf die ihn umgebenden Gebäude beschränkt; wenigstens hören wir nichts von einer Zuschüttung der Hafenbecken, und die Versandung konnte in 24 Jahren bis zu C. Gracchus’ Ankunft beim Handelshafen nur geringe Fortschritte gemacht haben, zumal Scipios vollendeter Damm (Appian. Lib, 134. Zonar. IX 30) sie hier hinderte; eher könnte sie den Kriegshafen durch die von den Karthagern neugegrabene Mündung (Appian. Lib. 121) betroffen haben. Ob die Häfen schon von C. Gracchus wiederhergestellt worden sind, wissen wir bisher nicht, Audollent (a. a. O. 220) zweifelt daran; wenn aber der colonia Iunonia wirklich, wie Barthel (Bonn. Jahrb. CXX [1911] 77) glaublich macht, von C. Gracchus ,offenbar der gesamte einst karthagische Acker, soweit er als ager censorius zur Verfügung stand, zugedacht war,‘ dann mußte von ihm auch im Interesse der Ansiedler sowohl wie des hauptstädtischen Proletariats für den Export dieses reichen Gebietes durch Instandsetzung der Häfen gesorgt werden. Audollent (a. a. O.) möchte sie erst Augustus und seinen Nachfolgern zuschreiben, die Krönung dieser Bestrebungen, K. seine alte Stellung wiederzugeben, sei die Schaffung der Getreideflotte, der classis Commodiana Herculea durch Commodus (Hist. aug. Comm. 17, 8). Nur diese eine Tatsache können wir den Schriftstellern entnehmen, die Inschriften haben bisher nichts ergeben; auch die durch Beulé u. a. seither unternommenen Bodenuntersuchungen haben bis jetzt noch keinen Fund ergeben, der eine sichere Datierung der Wiederherstellungsarbeiten ermöglichte, nur ihre Art hat Beulé aus Beobachtungen erschlossen, wo er punische Reste unter den römischen feststellen konnte: Nach Beulé wurde nichts geändert, wenigstens nicht in den großen Linien. Nur hat man den Kriegshafen für den Handel mitverwendet und demgemäß auf den Trümmern seiner Schiffshäuser Kais und Speicher erbaut (Fouilles 107f.). Diesen Grabungsergebnissen entspricht es, wenn in den bisher bekannt gewordenen Quellen bis Prokopios - abgesehen von dem Στάγνον, dem See von Tunis - nur ein Hafen genannt wird ohne Sonderbezeichnung, der t. t. Cothon findet sich für K. nur noch bei Grammatikern (für Hadrumetum bei [Caesar] de bell. Afr. 62f.). Weniger glaubhaft klingt Beulés (Fouilles 114ff. mit Plan IV, R-R‘) Bericht über eine eigentümlich gestaltete enge Einfahrt, die er bei nr. 44 Falbe in der Richtung auf nr. 42 gefunden haben wollte (Audollent a. a. O. 220f.; vgl. Tissot Géographie I 608ff. Meltzer Geschichte II 200 und 538. 33). Die von Audollent (a. a. O. 221) aufgeworfene, aber unentschieden gelassene Frage, ob die Römer die alte Einfahrt (nr. 42 Falbe) wiederherstellten oder ob sie die von den Karthagern neugegrabene Mündung benutzten, kann heute mit ziemlicher Sicherheit beantwortet werden: de Roquefeuils [2189] (C. R. Ac. Inscr. 1898. 32.; vgl. R. Oehler Arch. Anz. XIII [1898] 173, beide mit Plänen) Lotungen haben zwischen dem Nordostende der Reste des Scipionischen Dammes und dem Kopfe der Mole 44-45 (Falbe) die Existenz einer Einfahrt von ca. 25 m Breite ergeben; also müssen, da unseres Wissens der Damm vollendet war, zu irgend einer Zeit auf dieser Strecke die Steine weggeräumt worden sein. Eine so mühselige und kostspielige Arbeit kann man nur zu dem Zweck unternommen haben, die alte Hafeneinfahrt wieder nutzbar zumachen; denn eine Benutzung der von den Karthagern neugegrabenen Mündung war wohl für den Augenblick möglich, nicht aber für die Dauer, weil sie nach Osten offen war, auch sind bei den unterseeischen Untersuchungen de Roquefeuil keinerlei Reste von schützenden Molen gefunden worden, die hier ebenso nötig waren, wie bei der Einfahrt des Hafens von La Goulette, und die, wenn sie vorhanden waren, ebenso deutliche Spuren zurückgelassen hätten, wie die bei Bordsch Dschedid von Carton (a. a. O. 232 Fig. 1) festgestellten. Noch weiter geht der Seeoffizier de Roquefeuil (a. a. O): Er weist vom seemännischen Standpunkt aus Tissots [a. a. O.) Angriffe auf Beulé zurück und billigt es ausdrücklich, wenn dieser behauptet: ,Die Gewalt der Nord- und Nordostwinde würden niemals gestattet haben, einen so orientierten Hafen zu öffnen‘ (Fouilles 112). Demgegenüber will es wenig besagen, daß die neue karthagische Mündung sich noch zu Falbes Zeiten in einer deutlichen Senkung (nr. 50) bemerkbar machte; diese Erscheinung läßt sich auch anders erklären. Erst durch die Wiederherstellung der alten Einfahrt hatte der ausgezeichnete Hafen seine volle Sicherheit wiedergewonnen, die den Anonymus der descriptio orbis (Sinko a. a. O. 668) zu seiner poetisch gefärbten Schilderung begeisterte. Auch das χῶμα scheint im 3. Jhdt. n. Chr. noch vorhanden gewesen zu sein (Geogr. Gr. min. und Cuntz a. a. O.). In byzantinischer Zeit hat der Hafen den Namen Mandrakion (Procop. b. Vand. I 20, 3. 14ff.; de aedif. VI 5, 11), über dessen Deutung bisher noch keine Einigung erzielt ist: Von den vier Erklärungen, die Audollent (a. a. O. 221, 4) anführt, scheinen mir die von Lumbroso (Bull. d. Instit. 1882, 61ff.) und de Sainte-Marie (Mission à Carthage [1884) 160) noch am wahrscheinlichsten; denn zu den von de Sainte-Marie (a. a. O. mit Kroki) aus Dalmatien für das Wort in der Form ,mandracio beigebrachten Beispielen kommt noch ein solches aus Konstantinopel. Dort findet es sich in der italienischen Form ,mandracchio (= Binnenhafen) für eine Bucht des Goldenen Horns in Pera (Dethier Der Bosphor und Konstantinopel [1873] Taf. 1). Was wir über das Mandrakion aus den Quellen erfahren, ist zwar wenig und nicht charakteristisch, widerspricht aber nicht den früheren Nachrichten: Seine Einfahrt war, wie die des punischen Hafens (Appian. Lib. 96), mit eisernen Ketten verschließbar und in seiner Nähe wohnten einheimische und fremde Kaufleute. Zu widersprechen scheint nur Procop. de bell. Vand. I 20, 15; aber es ist fraglich, ob wir aus dieser Stelle den Schluß ziehen dürfen, daß das Mandrakion wirklich die 600 Schiffe der Flotte Belisars nicht zu fassen vermochte (Audollent a. a. O. 222f.). Zu [2190] seinem Schutze ließ Iustinianus durch Solomon ein befestigtes Kloster erbauen (Procop. b. Vand. II 26, 17; de aedif. VI 5, 11. Diehl L’Afrique byzantine [1896] 430 führt als bestes Bespiel dieser häufig von Iustinianus angelegten befestigten Klöster das nördlich vor den Toren von Theveste [Tébessa] liegende an). Nach El Bekri, der es Bordsch Abi Soleiman. (Description de l’Afrique septentrionale traduite par de Slane, Journal asiatique XII [1858] 522, abgedruckt bei Audollent a. a. O. 798) nennt, lag es auf einer Höhe in der Nähe des Hafens. Die einzige in Betracht kommende Höhe wäre der Kudiat el Hobsia, (auf der Bordyschen Karte: ,Koudiat el Heurma‘), ein in nachpunischer Zeit künstlich aufgeschütteter Hügel (Carton Revue Archéol. IV série t. XVIII [1911] 242) mit Resten christlicher Zeit, auf den Carton (a. a. O. und Rev. Tunis. XIX [1912] 41) es denn auch verlegen will. Warum Audollent (a. a. O. 223, 2) das nicht für möglich hält, ist mir nicht klar, da er keine Beweise gibt und Babelon (a. a. O. 126) und Meltzer (Jahrb. f. klass. Philol. CLV 302), auf die er verweist, auch nicht. Beulé a. a. O. 112 sucht es bei I-J seines Planes IV (vgl. Audollent a. a. O. 222f.). Die Existenz eines Hafens bei Khéreddine, dessen Reste der französische Seeoffizier Hantz (C. R. Ac. Inscr. XXVII [1900] 53ff.) zum Teil durch Lotungen gefunden haben wollte, leugnet Carton (Revue arch. XVIII [1911] 245f.); seine Nachprüfung an Ort und Stelle ergab, daß die Algenbänke, unter denen Hantz Steinblöcke vermutete, nichts Derartiges bergen. Damit ist vorläufig der Existenz des Hafens und allen an sie geknüpften Folgerungen das Fundament entzogen (s. o. C I 1 11a α). Nicht viel besser steht es mit einer Hypothese Cartons, der hauptsächlich auf Grund von Beobachtungen an punischen Stelen den Handelshafen der punischen Stadt mitten ins Binnenland südlich von Bordsch Dschedid (C. R. Ac. Inscr 1910, 625ff.; Revue arch. a. a. O. 236ff. 254f. mit Fig. 1f. ,Port marchand‘) verlegen wollte, wogegen sich Kahrstedt (a. a. O. III 21, 4) mit Recht abweisend verhält.

12. Der Marktplatz und seine Umgebung.

a) Der Marktplatz In punischer Zeit

lag nach Appian (Lib. 127) zwischen Byrsa und Kothon, in der Nähe des letzteren (über die Brandschichten dieser Gegend s. b) ,Marktplatz in römischer Zeit‘), aber nicht dicht hinter der Stadtmauer an der Nordostseite des Kriegshafens, wohin ihn Dureau (Recherches 18f. 75f. 133f. 198f. und Pl. III) verlegte; ebensowenig ist er mit dem von Appian (Lib. 98; vgl. ,Die einfache Mauer‘. [B I 7 a α] a. E.) erwähnten freien Platz in Verbindung zu bringen, wie es Falbe (Recherches 19, vgl. 28. Audollent a. a. O. 226f., 8) tut. Zur Byrsa führten vom Markte drei enge (Appian. Lib. 128 a. E.) Straßen hinauf, die zu beiden Seiten mit sechsstöckigen, dicht aneinander stehenden Häusern aus Steinen und Holzbalken (Appian. 129; vgl. Audollent a. a. O. 149 mit A. 2) besetzt waren (Appian. Lib. 128). Die Häuser um den Markt herum waren gleichfalls sehr hoch (Diodor. XX 44, 4), und die vom Markt nach der ,Neapolis‘ führenden fünf Straßen werden auch eng [2191]

genannt (ebd. 44, 5), was dem Klima entspricht (dazu Meltzer a. a. O. II 540, A. 34). Am Markte selbst oder ganz in der Nähe stand ein Tempel des Apollo, wie die Griechen den punischen Gott (,Resef‘ hieß er nach Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXI [1901] 197, 2; anderer Meinung scheint Merlin [Notes et Documents I 24, 1] zu sein) bezeichneten, in dem eine kolossale vergoldete Bildsäule des Gottes unter einer aus Gold getriebenen Kapelle von 1000 Talenten Gewicht stand (Appian. Lib. 127. 133. Val. Max. I 1, 18: ,veste aurea); diese Bildsäule kam im J. 146 nach Rom, wo sie gegenüber dem Circus maximus neben der Bronzestatue des T. Quinctius Flamininus aufgestellt wurde; sie existierte noch zur Zeit Plutarchs, der sie τὸν μέγαν Ἀπόλλωνα τὸν ἐκ Καρχηδόνος nennt (Plut. Flaminin. 1. Cagnat-Gauckler Les monuments historiques de la Tunisie I 1, 19). Am Markte scheint auch das Rathaus, der gewöhnliche Versammlungsraum des Rates (Pol. XV 1. Liv. XXX 24, 10. Appian. Lib. 91; vgl. Dureau Recherches 76f.) gelegen zu haben. Die öffentlichen Säulenhallen (publicae porticus), welche Iustinus (XXI 4) gelegentlich der Verschwörung Hannos erwähnt, will Dureau (Recherches 88f.) in den Kothon verlegen, weil Hanno zu der Zeit Admiral gewesen sei, übersieht aber dabei, daß der Kothon nur scheinbar von einem Säulengange umgeben, vor allem aber, daß er streng abgeschlossen war, um das Geheimnis zu wahren. Viel eher würden diese publicae porticus auf den Markt passen (in römischer Zeit schmückten solche Porticus das forum maritimum, s. ,Straßen und Plätze der römischen Stadt‘ B II 9). Ob, wie in römischer Zeit, ein Tribunal auf dem Markte stand, wissen wir nicht; Iustinus’ Worte XXII 7: ,veluti de tribunali auf ein solches zu deuten (Dureau Recherches 77), geht denn doch zu weit.

b) Der Marktplatz in römischer Zeit. Für die Lage und Gestalt des Forums der römischen Stadt vor dem großen Brande, der es unter Antoninus Pius verzehrte (Capitolin. vit. Pii 9, 4), läßt sich irgend etwas Sicheres aus den Schriftquellen nicht entnehmen (Dureau [Recherches 135] geht in der Auslegung von Tacit. hist. IV 49 zu weit; vgl. Audollent a. a. O. 226). Erst aus einer Ende des 4. Jhdts. spielenden, vom h. Augustinus (Confess. VI 9, 14) berichteten Begebenheit erfahren wir etwas über die Gestalt des, wie Audollent (a. a. O. 59f.) aus Pausanias (VIII 43, 4) und Aurelius Victor (de Caesar. 16) schließen will, durch Antoninus Pius und Marcus Aurelius wiederaufgebauten Forums: Danach war das Forum, wie das in Thamugadi (Boeswillwald et Cagnat Timgad 6. Audollent a. a. O. 229), erhöht, zum mindesten der nach dem vicus argentarius zu gelegenen Seite, wo es durch ein Bleigitter abgegrenzt war (s. o. B II 9 ,Straßen und Plätze‘). In derselben Stelle nennt Augustinus noch ein tribunal auf dem Forum, aber über die Lage des Platzes schweigt diese Quelle wie die späteren (Procop. bell. Vand. I 21, 10. II 14, 27). Indessen ist es aus Gründen des Verkehrs wahrscheinlich, daß das Forum der römischen Stadt ebenda gelegen habe, wo der Marktplatz der punischen Stadt nach Appianos [2192] (Lib. 127) anzusetzen ist, zwischen der Byrsa und dem Kothon, in der Nähe des letzteren. Dieser vorzugsweise ,El Khéraïb‘ (vgl. den Bordyschen Plan), d. h. ,die Ruinen‘, genannte Platz ist von jeher für die Steinsucher am ergiebigsten gewesen (Delattre Bull. épigr. IV [1884] 207), auch hat sich in dieser Gegend eine große Menge Altertümer gefunden: Das wichtigste Stück darunter ist ein von Delattre (a. a. O. 208) westlich vom Garten des Dar Mustapha ben Ismaïl entdeckter Inschriftrest, der in 19 cm hohen Buchstaben des Wort FORV\\\ zeigt (CIL VIII Suppl. 12 556). Scheint dieser Fund schon die obige Ansetzung zu stützen (Meltzer Geschichte II 215), so tut das noch mehr die Beobachtung, daß zwischen Dar Mustapha ben Ismaïl und den Häfen zwei deutlich geschiedene Brandschichten übereinander liegen (Reinach-Babelon Bull. arch. du Comité, 1886, 34ff.). Das Forum war selbstverständlich mit Statuen, Inschriften u. a. geschmückt, ob aber alle von Audollent (a. a. O. 231f.) mit mehr oder weniger Bestimmtheit dafür in Anspruch genommenen Statuen usw. dort gestanden haben, ist nicht zu entscheiden.

In der nächsten Umgebung des Forums lag, wie man aus der Erzählung Procops (bell. Vand. II 14, 22ff.) schließen kann, die Kirche, in der die Aufrührer Solomon ermorden wollten; de Sainte Marie (Mission à Carthage 168ff.) neigte dazu, sie in einem antiken Gebäude (Falbe nr. 68) unter Dar Mustapha ben Ismaïl (auf Bordys Plan: ,Palais de Si Mohed Bey‘) zu suchen, dessen von Caillat aufgenommenen Plan (a. a. O. 167, wiederholt von Babelon Carthage 130, XXVI) er veröffentlichte. Indes entsprechen Beschreibungen und Abbildung der aus drei mächtigen Sälen bestehenden, 62,25 m ✕ 33,30 m im Umfang messenden Ruine nicht der Vorstellung, die man sich von einer Basilika macht (Babelon Carthage 130. Audollent a. a. O. 234 mit A. 4); eher würde man an Thermen denken (Babelon a. a. O.), wenn nur nicht alle unentbehrlichen Thermeneinrichtungen, Bassins, Heizungsanlage u. a. fehlten. Die Entscheidung über die einstige Bestimmung dieser Räume hängt also von weiteren Funden ab (Audollent a. a. O. 234. Leclercq a. a. O. S. 2272f. XIX 1 c). Vor dem Gebäude lag nach de Sainte Marie (a. a. O. 168) ein Kai, der auf 12 m langen, in Abständen von je 4 m errichteten Mauern ruhte; nach seinem Plan (a. a. O. 167. Babelon a. a. O.) scheint er meerwärts mit einer größeren, 28 m breiten, merkwürdigen Anlage in Verbindung zu stehen, die Carton (a. a. O. 240 mit Fig. 2; vgl. C. R. Ac. Inscr. 1910, 626) beschreibt; etwas südlich von Dar Mustapha hatte Gauckler (Bull. arch. du Comité 1900, CXLIX) eine ganz nahe der Küste und ihr parallel laufende Kaimauer aus außerordentlich großen Hausteinen von 2 und 3 m Länge entdeckt. Nur die genannten Reste will Carton als Kais gelten lassen, nicht z. B. die früher als solche angesprochenen Reste im Meer gegenüber den Thermen des Antoninus Pius (Carton a. a. O. 288 mit Fig. 1). Dadurch ist die ganze Frage nach der Deutung der die Kiste von Bordsch Dschedid [2193] bis zum Lazarett säumenden Reste, insbesondere auch der Bresche in Höhe des punischen Krieghafens usw., die nach den Untersuchungen de Roquefeuils (C. R. Ac. Inscr. XXVII [1899] 35) und der Aufnahme Bordys schon gelöst schien, wieder zu einer offenen geworden, die ihre Lösung nur durch das Zusammenwirken von einem Archäologen und einem Marinefachmann finden kann.

2) Nördlicher Teil heute ,Dermesch‘ genannt.

a) In punischer Zeit.

13. Der Tempel der Stadtgöttin Tanit (nicht ,Tint‘, wie Halévy Revue sémitique IX [1901] 265ff. nach einer punischen und einer lateinischen Inschrift den Namen der Göttin transkribieren wollte, vgl. z. H. Audollent a. a. O. 397, 2) ist keinesfalls auf dem nordwestlich vom Byrsahügel gelegenen sog. Iunohügel (Falbe nr. 53) zu suchen; denn für diese Ansetzung Dureaus (Recherches 173ff.) fehlt jeder Beweis (Meltzer a. a. O. II 537, 32). Entsprechend den Hauptfundstätten (über diese s. CISem. I 1, 274ff. E auf dem Plan S. 275. Musée Lavigerie I 11, nr. 3, wo die weitere Literatur), der überaus zahlreichen punischen Votivsteine mit dem Namen der Göttin Tanit und dem des Gottes Baal-Hammon an der Spitze (herausgegeben von Berger im CISem. a. a. O.) möchte Babelon den Tempel der Göttin zwischen der Byrsa und dem sog. Iunohügel einerseits und Dar Mustapha ben Ismaïl und Dar Ahmed Saruk andererseits suchen (Babelon a. a. O. 155 nr. LXXXIV und LXXXV. Audollent a. a. O. 264). Ahnlich setzen ihn Cagnat-Gauckler (Les monuments hist. I 25) ,au pied de Byrsa vers le forum (fügen aber hinzu: ,Ne pourrait-on pas supposer aussi que ces stèles proviennent du temple de Baal-Saturne assez rapproché du point ou elles ont été trouvées entassées?). Auch Meltzer (a. a. O. II 196 und 537, A. 22) meint, dieser Umstand sei für die Bestimmung der Lage des Tempels nicht ganz ohne Bedeutung. Wenn Plinius n. h. VI 31 (36), 4) den Hanno die Häute der vermeintlichen wilden Frauen als Wahrzeichen seiner Fahrt im Tempel der Iuno aufhängen läßt, so ist damit wohl der der Tanit gemeint (Meltzer a. a. O. I 237). Ihren πέπλος beschreibt Athenaios (XII 58; vgl. Audollent a. a. O. 385; über ihre Evokation durch Scipio vgl. Wissowa Religion und Cultus der Römer 312. Audollent 370, 6).

Tempel des Baal-Hammon (= Saturnus; vgl. besonders Gsell Rev. afr. XXXVII [1893) 89f. § 94 und Mélanges d’arch. et d’hist. XVIII [1898], 112ff.). Die Annahme, daß die Heiligtümer der Tanit und des Baal-Hammon ganz nahe beieinander gelegen haben wie in Thala, wo der Caelestistempel unmittelbar neben dem Saturn- und dem Plutotemel stand (Cagnat-Gauckler a. a. O. I 32), erscheint berechtig, weil auf den genannten Votivsteinen regelmäßig beide Namen verbunden sind (in dem auf einigen dieser Stelen in Verbindung mit dem Namen des Weihenden erscheinenden Worte besar oder besarim will Berger nach Gsell [Mélanges d’arch. et d’hist. XXI 1901, 201] [2194] eine topographische Angabe sehen). Sein Heiligtum war von einem Hain umgeben (Tertull. apol. 9: vgl. u. ,Tempel des Saturn‘ in C I 14); in dem Temenos des Tempels stellte Hanno den Bericht über seinen Periplus auf, wie dessen Überschrift besagt (Geogr. Graec. min. I 1). Seine von Diodor (XX 14) beschriebene Bildsäule aus Erz, der (nach Silius IV 770 jährlich) Menschenopfer dargebracht wurden, kam nach der Zerstörung der Stadt gleichfalls nach Rom. Dort wurde sie nach Plinius (n. h. XXXVI 4 (5), 26) nicht verehrt und in keinen Tempel aufgenommen, sondern vor dem Eingang der Porticus ad Nationes aufgestellt. Der Gott heißt bei Plinius a. a. O. ,Hercules‘ wie bei Iustinus (XVIII 7), während Diodor (a. a. O.) und die Überschrift des Hannonischen Periplus ihn Κρόνος nennt. Der Iuppiter O. M., bei dem der jugendliche Hannibal schwören muß (Cornel. Nepos Hannib. II 3; vgl. Pol. III 11, 7), ist wohl ebenfalls der Baal-Hammon. Fraglich ist dagegen, ob mit ihm der in Phönikien und Sardinien (Cagliari) verehrte Baal-Samaïm (s. Cumont o. Bd. II S. 2839), das ist Baal Caelestis zu identifizieren ist. Nach einer von Delattre gefundenen Inschrift hatte er in K. einen Tempel und Priester, deren Würde erblich war, wie bei denen des Tempels der Astarte und Tanit (s. Anhang a). Ein Wort der Inschrift deutet ihr erster Herausgeber Berger in Bezug auf Tertull. de pallio 4 und de testim. anim. 2 (C. R. Ac. Inscr. XXIX [1901] 847-849; vgl. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXII [1902] 309).

Die Megara מערה‎ (CISem. I 1 nr. 247-249; vgl. Meltzer a. a. O. II 534, 31), Magara (Plaut. Poen. 86. Kahrstedt III 8, 1), τὰ Μέγαρα (Appian. Lib. 117), τὰ Μεγαλία (Zonar. IX 29 p. 467 B C Dind.). Über die Deutung des Namens äußert sich Meltzer (a. a. O. I 71f. II 191f.), anders Kahrstedt (III 15, 1). Wenn wir von der, in topographischer Hinsicht übrigens wenig wichtigen, Erzählung Diodors (XX 44; vgl. Iustin. XXII 7) vom Aufstand Bomilkars absehen, weil Diodors Ausdruck: ἐν τῇ Νέᾳ πόλει, μικρὸν ἔξω τῆς ἀρχαίας Καρχηδόνος οὔσῃ mindestens ungenau, wahrscheinlich aber aus einem Mißverständnis seiner Quelle entstanden ist (Meltzer a. a. O. II 191, anders Kahrstedt III 15, 2), so bleiben zwei Stellen des Appianos und eine des Zonaras, in denen Megara (bezw. Megalia) ausdrücklich genannt und sein Aussehen zur Zeit des dritten Punischen Krieges beschrieben wird. Diesen Stellen entnehmen wir folgende topographischen Einzelheiten: Nach Zonaraa (a. a. O.) lag Megara zwar innerhalb der Stadtmauer, war aber von der anderen, d. h. der eigentlichen Stadt weit abgelegen und reichte auf schroffem Felsen bis ans Meer; gegen das Land hin trennte eine Mauer: τὸ πρὸ τῶν οἰκιῶν διατείχισμα - so bezeichnet von dem Standpunkte des Mancinus in Megara aus (Meltzer a. O. II 534, 29 a. E.) - Megara von dem stadtmäßig bebauten Teile Karthagos. Diese Mauer, die wir auf dem Höhenzuge nördlich der Byrsa über den sog. Iunohügel und Bordsch-Dschedid bis zur Seemauer hinziehend zu denken haben, erwähnt Appian. Lib. 117 zwar nicht ausdrücklich, [2195] setzt sie aber unzweifelhaft voraus, wenn anders Scipios Verhalten nach seinem Eindringen in Megara vom militärischen Standpunkt aus gerechtfertigt sein soll (J. Kromayer a. a. O. 456). Aus Appianos (Lib. 113) erfahren wir dazu, daß Megara gegen das Meer hin durch eine (einfache) Mauer befestigt war, die da, wo eine ununterbrochene Reihe schwerzugänglicher Felsen vorsprang, gerade im Vertrauen auf diese vernachlässigt worden war; aus ihr führte ein Tor auf diese Felsen hinaus. Die Beschreibung, die uns Appianos (Lib. 117) vom Aussehen Megaras gibt: ,mit Gemüsegärten war es besetzt und mit Sommerfrüchten bestanden, rings umzogen von Einfriedigungen und Hecken von Brombeersträuchern und anderem stacheligen Buschwerk und durchschnitten von einer Menge tiefer und gewundener Wassergräben‘, würde an und für sich am besten auf La Marsa passen, ebenso die Bezeichnung εὐμέγεθες; die schroffen Felsen wären die von Sidi bu Saïd. (Falbe Rech. 50f. Tissot a. a. O. I 581f. 617f. Meltzer a. a. O. II 192). Kahrstedt (a. a. O. III 14) widerspricht dem und will Megara in dem ,Dreieck zwischen dem Fort Bordsch Dschedid, dem Südende der großen ..... Kais der Carte archéologique und der Institution Lavigerie‘ ansetzen. Gegen Kahrstedts Ansicht und für die frühere Annahme hat sich mit guten Gründen J. Kromayer (a. a. O. 453) ausgesprochen; denn nur diese Annahme ermöglicht es uns, zwei Vorgänge der letzten Belagerung der Stadt, Mancinus‘ Handstreich und besonders Scipios nächtlichen Angriff auf Megara (Appian. Lib. 113f. 117), zu verstehen. Und sie macht es auch verständlich, warum eine Besiedelung Megaras wie der Byrsa nach Appian. Lib. 135 besonders mit dem Fluche belegt war; es waren eben die beiden festesten Punkte der punischen Stadt.

b) In römischer Zeit.

14. Tempel der Dea Caelestis. Wo der berühmte Tempel der weit über die Grenzen Afrikas verehrten (die Stellen bei Audollent a. a. O. 381f.) Dea Caelestis (über ihren Namen Audollent a. a. O. 371ff.) gestanden hat, ist uns nicht überliefert; wir wissen nur, daß er innerhalb der Mauern der römischen Stadt lag [Salvian. de gubern. Dei VIII 2. 9); ob er genau den Platz des Tempels der Tanit einnahm, wie Babelon (a. a. O.), Cagnat-Gauckler (a. a. O. I 1, 24) und andere Gelehrte anzunehmen scheinen, ist zwar nicht ganz sicher, aber bei dieser berühmten Gottheit, deren Zeichen noch heute bei den Eingeborenen fortleben soll (Berger C. R. Ac. Inscr. XXI [1893) 70f. Meltzer a. a. O. I 476f., 47), sehr wahrscheinlich. Allerdings hat Gsell (Mélanges d’arch. et d’hist. XIX [1899] 63, 1), trotz der Salvianstelle, gegen diese Ansetzung sowohl wie gegen die Versuche französischer Gelehrten, Stellen des Apuleius (met. VI 4) und des Ulpianus (Reg. XXII 6) weitere topographische Daten zu entnehmen, Einspruch erhoben: celsa in der Apuleiusstelle sei eine ehrende Bezeichnung wie alma (vgl. acta des Konzils von 411 [CIL VIII p. 153, pr. XLII], wo beide stehen) und das nichtssagende (?) Epitheton ,Salinensis‘ in der Ulpianstelle [2196] könne nicht von der Ortsbezeichnung (vgl. jedoch die Isis in Rom, die ,de templi situ sumpto nomine‘ [Apul. met. XI 26) als ,Isis Campensis‘ bezeichnet wurde) ,die Salinen‘ (aber ,salinae‘ kann auch ,Salzlager‘ bedeuten) herrühren (das trifft nicht Audollent a. a. O. 204, der umgekehrt meint, die Ortsbezeichnung bewahre die Erinnerung an die Göttin), sondern sei nur ein Versehen eines Abschreibers und durch Samimensis (= Caelestis) zu ersetzen (vgl. den Baal Samaïm = Baal Caelestis); sicher sei nur, daß das Heiligtum außerhalb der Stadt gelegen habe, weil der Platz, wo es stand, nach dem Jahre 421 in einen Friedhof verwandelt wurde. Dieser letzte Grund schien damals durchschlagend zu sein, er ist es aber nicht mehr, seitdem in Dermesch um die byzantinische Basilika herum, also innerhalb der römischen Stadt, nicht nur ein christlicher Friedhof, sondern sogar heidnische Gräber zum Vorschein gekommen sind (Gauckler C. R. de la marche du service en 1901, 11; Bull. arch. du Comité 1901, 127ff.; vgl. Gsell Mélanges XXII [1902] 326 und unten C II 15 b ,Odeum‘). Als wahrscheinlich kann noch angenommen werden, daß die von Viktor Vitensis hist. pers. Vand. I 3, 8) erwähnte via, quam Caelestis vocitabant, zum Tempel führte. Versuche sie zu lokalisieren, sind von Barth (a. a. O. I 96), Audollent (a. a. O. 265) u. a. gemacht worden, entbehren aber der Sicherheit, solange der Platz des Tempels nicht unzweifelhaft feststeht. Ganz zu Unrecht trägt seinen Namen der sog. Hügel der Iuno Caelestis, auf dem Dureau (Recherches 171), Beulé (Fouilles 26) und Guérin (Voyage archéol. dans la Régence de Tunis [1862] I 59) den Tempel ansetzen wollten.

Besser sind wir unterrichtet über das Aussehen des Tempels durch den Bericht eines Ungenannten, der zu Ostern 399 der Weihung des Tempels zur christlichen Kirche beiwohnte (Anonymi liber de promissionibus et praedictionibus Dei III 38, 44, abgedruckt bei Audollent a. a. O. 787): Danach war der überaus geräumige Tempel von den Heiligtümern aller Landesgottheiten umschlossen, d. h. auf den fast 2000 passus im Umfange (so Barth a. a. O. I 97 richtig gegen Dureau Recherches 175) messenden, plattenbelegten und mit Mosaiken geschmückten Tempelhof, den nach außen Mauern abschlossen, im Innern Säulengänge aus kostbarem Material einfaßten, öffneten sich nach Art der phönikischen Tempelanlagen außer dem Tempel noch eine große Zahl von Kapellen. Ob der Tempelhof einen Halbkreis bildete wie beim größten der bisher bekannt gewordenen Tempel der Caelestis, dem in Dugga (Thugga; vgl. den Plan in Cagnat-Gauckler Les monuments historiques da la Tunisie [1898] I 25ff. mit Taf. XIff.; andere in Siane bei Sarsis und in Siagu: Merlin Bull. archéol. du Comité 1905, CCIXf. Notes et Documents IV 14 a E.; die übrigen bei Cagnat-Gauckler a. a. O. 30ff.), ist nicht sicher, obwohl Gauckler zuzugeben ist, daß die halbmondförmige Gestalt des Grundrisses an das Sinnbild der Göttin erinnert. Gsell Mélanges XIX (1899) 63, 1 möchte annehmen, daß der [2197] Tempel der Ceres (s. C I 2 b 14 a. E.) einen Teil des Caelestistempels gebildet habe (?).

Über den Dienst der als pluviarum pollicitatrix (Tertull. apol. 23) gerade in Afrika hochverehrten Göttin (Tertull. a. a. O. 12. 24), besonders über die Prozession zu Ehren der Göttin, bei der das Kultbild gebadet wurde, berichtet [2198] Augustinus (de civ. Dei II 26, 4; vgl. Audollent a. a. O. 385ff.). Das Bild war, wie einst das der Tanit (Athen. XII 58), mit einem kostbar gestickten Peplos bekleidet (Hist. aug. XXX tyran. 29, 1). Antonius Elagabalus ließ ihr Bild mit dem sehr reichen Tempelschatz nach Rom bringen (Herodian. V 6, 4. Cass. Dio LXXIX. 12. 1), nach [2199] seinem Tode wurde es, auf Befehl des Alexander Severus, wieder zurückgegeben (Herodian. VI 1, 3); das alte Orakel des Tempels, das seit der Regierung des Antoninus Pius sogar der Proconsul bei seinem Amtsantritt befragte (Hist. aug. Macrin. 3), scheint seit der Versetzung des Kultbildes für immer verstummt zu sein, wohl auf höheren Befehl, wie Audollent (a. a. O. 391) meint. Ob ein zu Duar esch Schott gefundenes Bruchstück eines Tempelinventars (CIL VIII Suppl. 12501; vgl. 993) sich auf den karthagischen Caelestis-Tempel bezieht, ist fraglich (Cagnat-Gauckler a. a. O.25. Audollent a. a. O. 384). Über eine Weihinschrift an Caelestis Augusta berichten Delattre und Héron de Villefosse in C. R. Ac. Inscr. 1913, 4.

Im J. 391 verödete der Tempel nicht aus Indifferentismus, wie der Anonymus (Lib. de promiss. et praedict. Dei III 38, 44) will, sondern er wurde wie die anderen heidnischen Tempel, auf Theodosius’ Befehl (Cod. Theod. XVI 10, 10 und 11) geschlossen und am Ostertage 399 feierlich dem christlichen Gottesdienste geweiht. Der Bischof Aurelius ließ seinen Stuhl an dem Platze des Tempelbildes aufstellen und auf dem Tempelgiebel in großen Bronzebuchstaben (,aeneis grandioribusque litteris Lib. de promiss. et praedict. Dei a. a. O.) folgende Weihinschrift anbringen: ,Aurelius pontifex dedicavit (ebd. a. a. O.). Delattre glaubte in einer Zisterne auf der Byrsa (nr. LII des Plans bei Babelon Carthage I 40) Reste dieser Weihinschrift gefunden zu haben (Bull. arch. du Comité 1893, 103f.; Mélanges d’arch. et d’hist. XII [1892] 237ff. mit Abb.; dagegen Gsell Rev. afr. XXXVII [1893] 75 § 42. Audollent a. a. O. 289, 2). In ihrer Erbitterung über die Christen erregten die in K. noch immer zahlreichen Gläubigen der Göttin schwere Unruhen, die schließlich im J. 421 dazu führten, daß der Tempel samt den Kapellen dem Boden gleichgemacht und der Platz als Friedhof verwendet wurde (Lib. de promiss. et praedict. Dei a. a. O.; gegen Delattres [a. a. O.] Auslegung dieser Stelle wendet sich mit Recht Gsell a. a. O.). Um jede Spur des Caelestisdienstes zu verwischen, zerstörten die Vandalen dann noch die zum Tempel führende Straße (Lib. de promiss. et praedict. Dei a. a. O.; Victor Vitens. hist. pers. Vand. I 3, 8 und s. Stadteinteilung, Straßen und Plätze o. B II 9).

Tempel des Saturnus. Daß wir in dem in K. verehrten Saturnus den phönikischen Baal-Hammon zu sehen haben, auf den man den römischen Namen übertragen hat (Wissowa in Iw. Müllers Handb. V 4, 171), zeigt für K. unwiderleglich die von Augustinus (de consensu Evang. I 23, 36) erwähnte abergläubische Furcht der Karthager, seinen Namen zu nennen; auf ihn beziehen sich vielleicht einige östlich von Duar esch Schott und am Fuße des Byrsahügels entdeckte Weihinschriften, in deren einer (CIL VIII Suppl. 12499) ein T. Minucius Felix, sacerdos Saturni, qui et Rogatus erwähnt wird (den Übergang bildet wohl die Inschrift CIL VIII 1008; vgl. Audollent a. a. O. 397, 2). Nach Tertullianus (apol. 9) war der Tempel von einem Hain umgeben, in dem ein Proconsul Tiberius (der Name ist nach Schulten Das röm. Afrika 102, 51 verderbt, vielleicht aus C. Serius, Proconsul 169-170) die [2200] Saturnuspriester kreuzigen ließ, um den Menschenopfern Einhalt zu tun, die aber trotzdem im geheimen fortdauerten. Aus dieser Notiz läßt sich wohl schließen, daß er, wie üblich, aus einer offenen area mit angebauter cella bestand (vgl. z. B. den Saturntempel von Dugga in Cagnat-Gauckler a. a. O. 82ff. mit den Taf. XXVIf. Merlin C. R. Ac. Inscr. 1912, 347). Wo der Tempel lag, wissen wir nicht sicher (Cagnat-Gauckler a. a. O. I 82). Beulé (Fouilles 44) suchte ihn unter Zustimmung von Guérin (Voy. archéol. I 60f.). Babelon (a. a. O. 157f. nr. XCIV). Audollent (a. a. O. 260) in der Ruine nr. 58 Falbe. Diese Ansetzung würde nach Audollent (a. a. O.) gut passen zu der Angabe, daß der vicus, qui dicitur Saturni inter Veneream et Salutariam (S. Cypriani acta procons. 2), d. h. zwischen den zum Caelestis- und Aesculapiustempel führenden Straßen gelegen habe. Diese, von ihm und anderen gebilligte Gleichung Dureaus (Recherches 173) ist aber nicht sicher: zwar ist es möglich, daß die letztere Straße Salutaria geheißen hat (vgl. z. B. CIL XI 3710), aber eine (platea) Venerea kann doch nur zu einem Venustempel, der für K. bezeugt ist (vgl. die unter ,Stadtgeschichte‘ A 5 d erwähnte römische Münze) gehören, zum Tempel der Caelestis doch wohl nur dann, wenn auch für die via, quam Caelestis vocitabant (Victor Vitens. a. a. O.) ebenso, wie für den vicus Saturni, der Doppelname via Venerea bezeugt wäre; denn daß Venus, wie andere Göttinnen, das Beiwort Caelestis (vgl. die Stellen bei Wissowa a. a. O. 313, 7) erhält, beweist, meines Erachtens, hierfür nichts. Auf dem Plan von Bordy ist zwischen dem ,Sérapéum‘ und der ,Basilique de Dermech‘ ein ,Sanctuaire de Jupiter Hamon verzeichnet: Hier fand Gauckler (C. R. Ac. Inscr. 1899, 159ff.) in einem Versteck u. a. eine Marmorplatte mit der Weihinschrift ,Iovi Hammoni Barbaro Silvano (vgl. Wissowa a. a. O. 177) durch die zwölf Priester des Gottes, an deren Spitze eine mater sacrorum (Berger C. R. Ac. Inscr. 1907, 182f.) erscheint, und den Marmorkopf eines Votivstiers mit der Weihinschrift: ,S(aturno) A(ugusto) eines sacerdos Martis tem(enorus?) aedis Memoriae (vgl. Héron de Villefosse Bull. Antiquaires de France 1899, 205ff. Audollent a. a. O. 296. 412. 848). Nach Gauckler (C. R. Marche du Service 1899. 7) war der unterirdische Saal ursprünglich wahrscheinlich einem Geheimkult geweiht und wurde erst am Ende der heidnischen Zeit zum Teil als Versteck vermauert. Sollte Gauckler recht haben, dann konnte vielleicht das von Tertullianus a. a. O. berichtete Strafgericht Veranlassung zu dem Geheimkult gegeben haben.

Tempel des Sarapis. Der Tempel des in Afrika hochverehrten (Tertull. ad nat. II 8) Sarapis, der wahrscheinlich in enger Beziehung zu den von Tertullianus de idololatr. 20 erwähnten vicus Isidis gestanden hat (vgl. CIL VIII 1005. Babelon a. a. O. 159 nr. XCV-XCVII), ist zweifellos nordwestlich vom ,Sanctuaire de Jupiter Hamon‘ auf der In Bordys Plan mit ,Sérapéum‘ bezeichneten Stelle, ,im östlichen Winkel zwischen dem von Saint-Louis nach Sidi bu Saïd und dem von La Malga nach den Thermen [2201] führenden Wege längs der Kaktushecke‘ (Delattre Notes archéol. V 14; vgl. Audollent a. a. O. 239f.) anzusetzen, wo de Sainte-Marie (Mission à C. 16ff.; die Fundergebnisse berichtigte Delattre Bull. épigr. IV [1884] 107ff.) griechische und lateinische Weihinschriften an Sarapis (CIL VIII 1002-1007; Suppl. 12492; vgl. Héron de Villefosse in Bull. Antiq. de France V 1 [1880], 284ff. V 2 [1881], 264ff. V 8 [1887], 234) und Baureste gefunden hat, die von einem mit Vorhof versehenen Tempel herrühren können. Leider ist seine Beschreibung der Reste (abgedruckt bei Audollent a. a. O. 406) zu wenig bestimmt (Cagnat-Gauckler a. a. O. I 92; Hypothese über das Aussehen des Tempels von Audollent a. a. O. 406). Auf dem Platze von de Sainte Maries Ausgrabungen wurde Ende 1880 ein guter Kolossalkopf des Gottes mit dem Modius (Tertull. ad nat. II 8. Audollent a. a. O. 404. 648) nebst Bruchstücken von Statuen und Inschriften gefunden (Delattre bei Héron de Villefosse a. a. O. V 2 [1881], 264ff.; über einen andern vielleicht hierher gehörenden Fund vgl. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXIII [1903] 317).

Die Thermen des Antoninus Pius. Von den vielen Thermen Karthagos lassen sich bisher mit voller Sicherheit nur die Thermen des Antoninus Pius in nr. 67 und 69 (Falbe) lokalisieren. Eine Beschreibung des Gebäudes haben wir erst aus dem Mittelalter von El Bekri (traduite par M. de Slane Journal asiatique XII [1858] 521; abgedruckt z. B. bei Audollent a. a. O. 797), aber seiner richtigen Benennung stand Quatremères falsche Lesung des entscheidenden Wortes (vgl. Audollent a. a. O. 242, 2) im Wege. Sonderbarerweise hat Barth (Wanderungen I 105f.), als er feststellte, daß ,Mhammed el Kiruani dies Gebäude eben nach El Bekri als thermae bezeichnet‘ (Explor. scientif. de l’Algérie VII 32), nicht gemerkt, daß er hier die richtige Lesart vor sich hatte, trotzdem noch heute der Name Dermesch am Orte haftet. Erst Delattre hat in Dermesch eine Verderbnis des Wortes thermis erkannt (Bull. épigr. IV [1884] 106, 2). Seine Vermutung wurde durch eine von Vernaz 1885 in der Ruine nr. 67 (Falbe) gefundene fragmentierte Inschrift (CIL VIII Suppl. 12513. Musée Alaoui 95 nr. 446. Cagnat Revue arch. X [1887] 171ff.) bestätigt, die außer dem Worte THERMIS den Namen des Kaisers Antoninus Pius enthält; daß dieser Kaiser die Thermen wahrscheinlich nur wiederhergestellt und verschönert, insbesondere die ursprünglich grob bemalten Wände mit Marmor verkleidet hat, glaubte Vernaz (Revue arch. X [1887] 173; vgl. Audollent a. a. O. 243) nachweisen zu können; ferner stellte Vernaz fest, daß die Ruinen nr. 67 und 69 (,Dermesch el Kebir‘, ,das große Dermesch‘ und ,Dermesch el Srir‘, ,das kleine Dermesch‘ von den Arabern genannt, vgl. Bordys Plan) zu einem und demselben Bau gehören. Die Thermen wurden durch eine von den Zisternen von Bordsch Dschedid ausgehende Wasserleitung gespeist (s. Stadteinteilung B 10 Wasserbauten). Im 11. Jhdt. zu El Bekris Zeiten muß das mächtige Gebäude noch großenteils aufrecht gestanden [2202] haben; nach seiner Beschreibung kann man sich ein Bild von seinem Aussehen machen: ,Das Dermesch genannte Schloß‘, heißt es dort, ,erhebt sich in mehreren Stockwerken, die auf Marmorpfeilern von ungeheurer Dicke und Höhe ruhen; auf dem Kapitäle aber eines derselben sieht man‘, sagt er, ,zwölf Männer um einen mit Speise und Trank gedeckten Tisch umhersitzen‘. ,Das war doch‘, fährt Barth (Wanderungen I 106), dessen eigene Übersetzung ich hier wiedergebe (anders überträgt diese Stelle de Slane a. a. O. 521, abgedruckt bei Audollent a. a. O. 797. Babelon a. a. O. 159 nr. XCIX) fort, ,unzweifelhaft eine Darstellung des Abendmahls‘. Von dem einstigen Prachtgebäude standen zu Falbes Zeiten von der Ruine nr. 67 noch mächtige Pfeiler in Bruchsteinmauerwerk, vom Meere halb zerfressen (Abbildg. in Falbe Recherches, Taf. III 2; vgl. 37f.). Die Umgegend dieser Thermen ist nach Delattre (Bull. épigr. IV [1884] 106. VI [1886] 84ff.) vielleicht der an Altertümern aller Epochen reichste Platz K.s. Die wichtigsten der dort gemachten Funde zählt auf Babelon (a. a. O. 158f. nr. XCV-CII).

Villenviertel von Dermesch. Über die monumentale Treppenanlage an der Meerseite des Hügels von Bordsch Dschedid und die westlich davon in den Südabhang des Hügels eingebetteten Zisternen s. Stadteinteilung B II 9 und 10. Die Gegend westlich und südwestlich von ihnen bis zum Theater und Odeum, in punischer Zeit eine, wie es scheint, bis zuletzt ausschließlich den Toten vorbehaltene Stätte, wurde seit dem Beginn der Kaiserzeit durch ihre herrliche Lage zu einem bevorzugten Viertel, das bis zur Eroberung durch die Araber fortwährend bewohnt blieb; daher das wirre Durcheinander von Privatbauten aus römischer und byzantinischer Zeit, die sich 4-5 m hoch übereinander türmen, so daß nur die oft mit Mosaiken geschmückten Fußböden eine sichere Scheidung der historischen Schichten ermöglichen (Gauckler C. R. de la Marche du Service en 1902, 7; Bull. arch. du Comité 1903, 412). Die großen Parallelstraßen, die in Abständen von je 45 m die Stadt von Nordosten nach Südwesten durchziehen, und die sie in Abständen von je ca. 150 m schneidenden Querstraßen sind hier besonders deutlich erkennbar. Von den Häusern dieser Gegend, die sich mit verschwindenden Ausnahmen in das von ihnen gebildete Netz rechteckiger insulae einfügen, sind im allgemeinen die ältesten auch die reichsten, viel weniger luxuriös sind die christlichen eingerichtet; die Steinsucher haben natürlich die byzantinischen am ärgsten mitgenommen, da diese dicht unter dem heutigen Boden lagen. Von den Häusern sind drei hervorzuheben, da sie Gauckler einer ausführlichen Beschreibung würdigt: zunächst ein etwa 30 m südwestlich der Zisternen gelegenes Haus des 2. nachchristl. Jhdts. (Bull. arch. du Comité 1903, 413f.), die beiden anderen liegen dicht nebeneinander am Odeum (auf Bordys Plan, der übrigens nur die Außenmauern angibt, zusammen als ,Villas‘ bezeichnet): das östliche von ihnen ist das reichste und vollständigste, das Gauckler gefunden [2203] hat (C. R. Marche du Service en 1903, 13ff.; vgl. Nouvelles Archives des Missions scientifiques XV [1907] 429, nr. 259. 268; Abbildungen: Schulten Arch. Anz. XIX [1904] 121ff., Fig. 4-7. XX [1905] Fig. 2 und 3), das westliche ist weniger gut erhalten, aber literarisch interessant als das ‚Bassilicahaus‘, wie es Gauckler nennt, weil eine in ihm gefundene Mosaikinschrift einen von der sog. Appendix Probi (vgl. Stadteinteilung B, II 9) als speziell afrikanisch gekennzeichneten Schreibfehler enthält (C. R. de la Marche du Service en 1903, 16; Nouvelles Archives des Missions scientifiques XV [1907] 431, nr. 272. mit Plan auf Taf. XXV und Abb. der Inschrift auf Taf. XVI Fig. 1).

Von öffentlichen Gebäuden sind hier zum Vorschein gekommen eine Basilika und ein Kloster: Die von Gauckler in der obersten Schicht gefundene große, reich ausgestattete Basilika, deren Name bisher noch nicht ermittelt ist (auf Bordys Plan: ,Basilique de Dermech‘; Abb. bei Schulten Arch. Anz. XVII [1902] 54, Abb. 2 bei C; Leclercq a. a. O. Abb. 2136), stammt aus byzantinischer Zeit (vgl. Audollent a. a. O. 844): sie hatte fünf, durch Säulengänge geschiedene Schiffe, die Apsis (im Osten) war von einem Umgange eingefaßt; zur linken sind an sie verschiedene Räume angebaut: ein sechseckiges Baptisterium, ein Atrium, eine Märtyrerkapelle mit Apsis, Kleiderkammern und Sakristeien; alle diese Räume waren mit im ganzen gut erhaltenen dekorativen Mosaiken belegt, die sehr verschieden in der Zeichnung sind (Gauckler C. R. Marche du Service en 1899, 6f.; en 1901, 11; Bull. arch. du Comité 1901, 127ff.; C. R. Ac. Inscr. XXIX [1909] 603f.; Nouvelles Archives des Miss. scientif. a. a. O. 439, nr. 303; vgl. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XX [1900] 118. Schulten Arch. Anz. XV [1900] 63 Leclercq a. a. O. S. 2274. XIX 3 c. Mesnaye a. a. O. 9. Über die Gräber in ihrer Umgebung s. o. C I 2 b 14).

Nach Stil und Technik seiner Mosaiken stammt gleichfalls aus letzter byzantinischer Zeit das Kloster (auf Bordys Plan: ,Monastère‘), von dem Gauckler 1902 nicht viel mehr deutlich erkennen konnte als den rechteckigen, offenen Hof mit dem ihn umziehenden, einst säulengetragenen Kreuzgang und eine an ihn stoßende Kapelle (die Apsis nach Ost), die, wie Mosaikinschriften - eine in goldenen Buchstaben auf blauem Email lautet: ,BAEAT[I]SSIMI (sic!) MARTYRES - verkünden, die Reliquien von sieben Märtyrern barg. Da von den Medaillons mit ihren Namen das mit der Inschrift ,SANSCS/ISTEFA/NVS besonders reich ausgestattet ist und den Ehrenplatz in der Mitte der Reihe einnimmt, glaubte Gauckler (C. R. Marche du Service en 1902, 8; Bull arch. du Comité 1903, 411ff. mit Taf. XXV) das Kloster mit einem aus dem J. 434 erwähnten (Liber de promiss. et praedict. Dei IV 6, 9f.) hochgelegenen (,ascendente nobiscumm sacerdote, ut matutinum illic sacrificium solito offerretur) Nonnenkloster (,monasterio puellarum, in quo reliquiae Sancti Stephani sitae sunt) identifizieren zu können. Gsell (Mélanges XXIII [1903] 300) [2204] hält das für sehr möglich, aber nicht absolut sicher, weil es gerade in Afrika an vielen Orten Reliquien des heiligen Stephanus gegeben habe; ähnlich urteilt Audollent (a. a. O. 844f.; vgl. noch Mesnaye a. a. O. 9. 16). Dicht östlich von der sog. ,Kouba bent el Ré‘ (s. Bordys Plan), einem Komplex von Räumen unbekannter Bestimmung (die Literatur bei Audollent a. a. O. 246f.), hat Gauckler einen Bau des 6.-7. nachchristl. Jhdts. aufgedeckt mit sehr merkwürdigen Mosaiken heidnisch-christlichen Charakters, der nach ihm ein Kloster oder die Wohnung eines hohen kirchlichen Würdenträgers mit Privatkapelle sein könnte (C. R. Ac. Inscr. XXXII [1904] 696ff.; Nouvelles Archives des Missions scientifiques XV [1907] 440ff., nr. 305 mit Taf. XXVIf.). Er bietet zweifaches Interesse: einmal ein literarisches durch die vielbesprochene Mosaikinschrift einer Schwelle: .. BIDEUIUEEBIDEPOSSAS-PLURIMABID[ere] (Abb. a. a. O. Taf. XXVII Fig. 2; die Literatur ebd. 440ff.) und dann ein topographisches; denn in diesem Gebäude und seiner nächsten Umgebung hat Gauckler (C. R. Ac. Inscr. XXXII [1904] 698ff.) Bruchstücke von Soldatenlisten gefunden, darunter eins mit der Erwähnung der cohors I urbana (eine weitere Liste derselben Kohorte wurde 1909 in Duīmes entdeckt [Bull. arch. du Comité 1909, VIII]); hierdurch scheint dieser militärisch vortrefflich gelegene Platz bestimmt als der, von dem aus (zuerst die cohors XIII urbana unter Vespasianus, Titus und Domitianus und dann) im 2. und 3. Jhdt. die cohors I urbana (Mommsen Eph. epigr. V 118ff.; vgl. Audollent a. a. O. 354), zunächst zur Verfügung des procurator Augusti provinciae Africae tractus Karthaginiensis (vgl. Audollent 347 353ff.) gemeinschaftlich mit der die Garde des Proconsuls bildenden, vielleicht auf der Byrsa lagernden Legionskohorte, die unruhige afrikanische Hauptstadt überwachte (Audollent a. a. O. 352f.; vgl. 354, 5). Ein in diesem vicus castrorum (s. u. C II 16 ,Amphitheater‘) von Delattre (Carthage. La fête de Ste Perpétue et de Ste Félicité. Découverte de la pierre tombale des martyres. Lyon 1907) entdecktes Gefängnis (Leclercq a. a. O. S. 2280. XX 2 und Abb. 2241) könnte, nach ihm, mit dem carcer castrensis der passio S. Perpetuae 7 (abgedruckt bei Audollent a. a. O. 779) identisch sein.

Tempel der Ceres (oder der Cereres; über diesen nur in Afrika vorkommenden Pluralis, der wahrscheinlich die punische und die griechisch-römische Göttin bezeichnet, vgl. Audollent Mélanges Cagnat 359ff.). Die Reste eines der Ceres (Delattre) oder den Cereres (Gsell) geweihten Tempels aus römischer Zeit glaubt Delattre am oberen Ende des punischen, zwischen Bordsch Dschedid und dem Hügel der hl. Monika liegenden Gräberfeldes (s. C II 17 a) entdeckt zu haben (,Fanum de Cérés‘ auf Bordys Plan. C. R. Ac. Inscr. 1898, 557. 629; vgl. Bull. crit. 1898, 417); es kamen dort nämlich außer Architekturresten folgende, nach Gsell (Mélanges d’arch. et d’hist. XX [1900] 16) anscheinend aus dem Ende des 2. Jhdts. n. Chr. stammende Skulpturen zum Vorschein: Kopf einer Ceres (Musée [2205] Lavigerie II 18 Taf. IV 3), Fragmente der zum Wagen der Ceres gehörenden geflügelten Schlangen (ebd. Taf. IV 4), Statue einer Hora u. a. m. (Delattre Mém. des Antiq. de France LVIII fl897] 1ff. Taf. V). Eine ebendort gefundene Inschrift (Musée Lavigerie II 73 und Taf. XVIII 5), die von den sacerdotes Cereal(es) universi einem Urenkel des Memmius Senecio gesetzt war, behandelt Héron de Villefosse (Bull. des Antiq. de France 1897, 21ff). Über die nordöstlich davon durch Delattre entdeckte zweite ,Amphorenmauer‘ B. unter ,Die Byrsa in römischer Zeit‘ C II 15 b, über die kleinen Häfen bei Bordsch Dschedid und die dort gefundenen Zollmarken s. unter C I 11 b α a. E.

II. Die Hochstadt.
15. Die Byrsa.

a) In punischer Zeit. Die Byrsa, wie die Griechen das punische, dem arabischen ,Bosra‘ und ,Bordsch‘ entsprechende Wort für ,fester Platz, Festung‘ aussprachen, hat so gut wie sicher (Audollent 269f.) den Hügel eingenommen, auf dem sich heute die Kapelle des hl. Ludwig und die Kathedrale des Erzbistums K. erhebt; denn auf ihn passen die Angaben der Alten, so wenn Appian (Lib. 128) sie den festesten Punkt der Stadt nennt, wenn Strabon (XVII 3, 14 p. 832) sie kurz mit den Worten beschreibt: κατὰ μέσην δὲ τὴν πόλιν ἡ ἀκρόπολις, ἢν ἐκάλουν Βύρσαν, ὀφρὺς ἱκανῶς ὀρθία, κύκλῳ περιοικουμένη (die zwei letzten Worte beanstandet Kahrstedt III 16; für die punische Zeit passen sie freilich nicht). Die Hochfläche des Hügels liegt 60,50 m hoch (Audollent 267, 5); von ihr fällt er auf drei Seiten ziemlich steil ab, nur nach Nordnordost ist er durch eine flache Einsattelung mit dem sog. Iunohügel verbunden. Die vier Ecken der 1400 m im Umfange messenden (Audollent 267) Hochfläche sind beinahe genau nach den vier Himmelsgegenden gerichtet. Die Süd- und namentlich die Südwestseite war während der punischen Zeit eine Nekropole (s. u. C. II 17 a). Erst als die Karthager aus dem Hügel eine Festung machten und ihn zu diesem Zwecke mit Mauern umgaben, ebneten sie wohl die Spitze des Hügels ein (Beulé Fouilles 6; ebenso machten es später die Byzantiner nach Delattre Bull. épigr. V [1885] 302ff; Mélanges d’archéol. et d’histoire XII (1892) 239) und warfen die Erde auf die Abhänge. Infolge davon wurden viele alte Gräber tief unter dem Schutte begraben. Die Bauten, die sich einst auf der Hochfläche erhoben, sind ebenso wie die Umfassungsmauern durch die Römer im J. 146 v. Chr. zerstört worden (Appian. Lib. 135. Oros. IV 23, 6). Reste von diesen glaubte Beulé im J. 1859 gefunden zu haben. Das von ihm entdeckte, in sich zusammenhängende eigentümliche System von Mauern (Abb. Beulé Fouilles à Carthage 1861 Taf. II 2) aus mächtigen Tuffquadern (Plin. n. h. XXXVI 22, 166, dazu Tissot I 263f.) möchte Meltzer (II 532) wenigstens in ihren untersten Schichten für punisch ansehen. Delattre will dagegen bei den Ausschachtungsarbeiten zum Bau der Kathedrale die aus großen Quadern bestehenden unteren Schichten der punischen Mauern gefunden haben (Bull. épigr. V [1885]<!Vorlage geändert--> 302ff.; Mélanges d’archéol. et d’histoire XII [1892] 239. Babelon a. a. O. 140 nr. LI) und [2206] weist die von Beulé entdeckten der römischen Zeit zu (C. R. de l’Ac. 1893, 152ff.; Bull. arch. 1893, 95ff. Taf. XI), wogegen Meltzer einwendet, die von Delattre zum Beweise römischer Herkunft beigebrachten Tatsachen ließen auch eine andere Deutung zu (Meltzer II 178f. 185. 532, 29; Jahrb. f. Philol. CLV [1897] 295; nach Kahrstedt (schriftl. Mitteilung) ist außer den Gräbern auf der Byrsa nichts sicher Punisches gefunden worden). Denkt man sich die Beulésche Mauer in der gleichen Höhe wie an der Südseite rings um den Abhang des Hügels gezogen, so würde der Umfang der von ihr umschlossenen Fläche zu weit hinter der Angabe des Orosius (IV 22, 6 arx … paulo amplius quam duo m. p. tenebat) zurückbleiben; aber es könnte sich weiter unten eine Vorbefestigung hingezogen haben, wie sich aus einer im Ausdrucke freilich etwas unklaren Stelle Appians (Lib. 130: ἀνοιχθέντος αὐτοῖς στενοῦ διατειχίσματος) entnehmen läßt (Dureau Recherches 69. Meltzer II 197). Den hier erwähnten Ausgang glaubte Beulé auf der Nordwestseite des Hügels wiederzuerkennen (Fouilles 36f. und Taf. 1), wogegen sich Meltzer (II 538, 32) wendet. Auf der Hochfläche des Hügels erhob sich in punischer Zeit (,als die Byrsa noch Nekropole war‘ nach Delattre Les tombeaux 98), ,der berühmteste und reichste Tempel der Stadt‘, der des Asklepios, wie ihn die Griechen bezeichneten (Appian. Lib. 130. Strab. XVII 3, 14 p. 832), d. h. des Ešmun (Babelon Le Dieu Eschmoun in C. R. Ac. Inscr. 1904, 231-239). Dürften wir, wie Beulé (Fouilles 39), Tissot (I 648), Babelon (135f. nr. XLIII), Delattre (ebd.), Cagnat-Gauckler (Les monuments historiques de la Tunisie I 1, 41), Meltzer (II 196, vgl. 216), annehmen, er habe dieselbe Stelle eingenommen, wo sich, nach Funden Delattres zu schließen, in römischer Zeit der Tempel des Aesculapius erhob, so würden wir ihn dort zu suchen haben, wo heute die Kapelle des hl. Ludwigo und ein Teil des Klosters der Missionare steht. Das Heiligtum war von einem Temenos umgeben (Appian. a. a. O.), zu welchem man in Friedenszeiten nach der gewöhnlichen Annahme an der Südostseite (Tissot I 594, dagegen Meltzer II 538, 32, der sie an die Südwestseite, Beulé Fouilles 38, der sie an die Ostseite verlegt) auf einer Treppe von 60 Stufen emporstieg; der Ausdruck zeigt, daß man im Kriege bei einem feindlichen Angriffe auf die Burg diese Treppe ungangbar machen konnte (Appian. a. a. O.), wie es sicher die römischen Überläufer im J. 146 getan haben. Der Tempel selbst diente mitunter zu geheimen nächtlichen Sitzungen des Rates (Liv. XLII 24, 3; vgl. XLI 22,2). Einen servus templi E[šmu]ni erwähnt die Inschrift CISem. I nr. 252.

b) Die Byrsa und die angrenzenden Höhen in römischer Zeit. Das Odeum. Das zur Zeit Tertullians nach 203 (vgl. z. B. Schanz in Iw. Müllers Handb. VIII 3, 290ff.) inmitten einer, wie es scheint, vom 3. Jhdt. v. Chr. (Tertullian. de carnis resurrectione 42) bis kurz nach 146 v. Chr. benutzten punischen Nekropole (Gauckler Rev. arch. XLI [1902] 383ff., s. u. C II 17 a) für musikalische Aufführungen, speziell wohl für den ungefähr gleichzeitig eingerichteten (Schanz a. a. O.) pythischen Agon (Tertull. Scorpiace 6; [2207] vgl. Audollent 258,1, 8. o. A 5 d) erbaute Odeum wurde 439 von den Vandalen ebenso wie das Theater (Vict. Vit. hist. pers. Vandal. I 3, 8: sicut ibi Carthagine odium, theatrum, aedem Memoriae et viam, quam Caelestis vocitabant, funditus deleverunt), hauptsächlich wohl aus militärischen Gründen dem Erdboden gleichgemacht. So ist wenig mehr als die Fundamente stehen geblieben (Grundriß bei Gauckler a. a. O. 392 Fig. 2, wo die Angabe der Himmelsrichtungen nach dem Bordyschen Plan [,Odeon‘] zu berichtigen ist); aber ihre dem Oberbau, wie wir ihn aus den besser erhaltenen Odeen kennen, entsprechende Gestalt und einige glückliche Funde haben es Gauckler ermöglicht, in den meisten Fällen mit Sicherheit, in anderen mit großer Wahrscheinlichkeit den Bau zu rekonstruieren; zu den ersteren rechne ich alles, was die cavea, die mit einer Schranke umgebene Orchestra, die hohe scaena und den sie und einen Teil der cavea einschließenden Hof betrifft, zu letzteren den die Orchestra mit dem großen Mitteltore (im Scheitel der halbkreisförmigen Umfassungsmauer) verbindenden Mittelgang und die direkt zur summa cavea führende große Außentreppe (diese und anderes findet sich im Theater von Timgad wieder; vgl. Bodensteiner Arch. Anz. XVIII [1903] 91). In einer gewölbten Doppelzisterne unter der scaena fanden sich so viele Architectur- und Skulpturreste, daß sie uns einen Begriff von der unerhört luxuriösen Ausstattung des Innern geben (Gauckler a. a. O. 390 Taf. XV-XIX und Fig. 3 auf S. 396: Nouvelles Archives. des Missions scientifiques XV [1907] 443ff. X;. die Inschriften ebd. 445ff. und Taf. XXVIII Fig. 1). Unter der Umfassungsmauer des großen Hofes gemachte Funde scheinen darauf hinzudeuten, daß hier ein aus der ersten Zeit der römischen Eroberung stammender Friedhof lag, der später seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen wurde; ist diese Beobachtung Gaucklers richtig, so müßte ihr zufolge damals die Odeumsnekropole außerhalb des pomerium gelegen haben (Gauckler Revue archéol. a. a. O. 398; vgl. o. B II 10 ,Zisternen von La Malga‘) und C I 2 b 14 ,Gräber der byzantinischen Basilika von Dermesch‘).

Das Theater. Apuleius (Flor. 18, 83. 85) ist der einzige Schriftsteller, dem etwas Näheres über das Theater zu entnehmen ist, sonst (über die anderen vgl. Audollent 343f.) meldet uns nur noch Victor Vitensis (hist. pers. Vandal. I 3, 8, die Stelle ist unter ,Odeum‘ angeführt) seine Zerstörung durch die Vandalen. Delattre (Les tombeau puniques de Carthage [Lyon 1890] 81 III) war der erste, der aus der eigentümlichen (noch auf Bordys Plan deutlich erkennbaren) Terraingestaltung südwestlich des Odeums auf das Vorhandensein eines Theaters - er dachte freilich an das Odeum - schloß; aber die von ihm 1885/6 ausgeführten Sondierungen gingen nicht tief genug. Erst Gauckler (Bull. arch. du comité 1905 LXVIf.; Nouvelles Archives des Missions scient. XV [1907] 452ff. XI) gelang es 1904/5, von dem über 104 m im Durchmesser großen Bau die ,scaena, die orchestra und den größten Teil der sich einst in vier maeniana erhebenden cavea mit ihren massiven Stufen aus weißem Marmor (Abbildungen a. a. O. Taf. XXIXf. [2208] Schulten Arch. Anz. XXI [1906] 145f. Abb.2. Planskizze Drappiers in Revue Tunisienne XVIII [1911] 254) bloßzulegen. Die sehr reichen Architektur- und Skulpturfunde haben es Gauckler (a. a. O. 456f. Taf. XXXIf. Schulten a. a. O. 147ff. Abb. 3f.) nicht nur ermöglicht, einen Begriff von der verschwenderischen Pracht des Innern (vgl. Apuleius a. a. O.) zu geben sondern auch, beim Versagen der Schriftsteller und der Inschriften, auf Grund ihres Stils die Gründung auf den Anfang des 2. Jhdts. unter Hadrianus anzusetzen. Wiederherstellungen müssen nach Gaucklers (a. a. O. 456) Beobachtungen mehrfach stattgefunden haben, eine solche ließ gegen das Ende des 4. Jhdts, der uns schon aus mehreren Inschriften bekannte Proconsul Virius Audentius Aemilianus den Statuen des Theaters, laut der einzigen unbeschädigten Inschrift (a. a. O. 457 nr. 313f. Taf. XXXIII Fig. 1), zuteil werden. Auch dieses Theater ist auf einer punischen Nekropole (des 4. Jhdts. v. Chr. nach Drappier a. a. O.) errichtet worden, wie Gauckler (a. a. O. 456) und Drappier (a. a. O. mit Planskizze) feststellten.

,Temple circulaire‘ (so auf Bordys Plan). In geringer Entfernung von der Südwestecke des Theaters war durch Davis (Carthage and her remains [London 1861] 171ff.) ein Rundbau (= Falbe nr. 70? Beschreibung [Recherches 38] und Zeichnung stimmen nicht mit Davis’ Befund) bloßgelegt worden, dessen eigentümlicher Grundriß an den von S. Stefano rotondo in Rom erinnert: eine Zentralrotunde, umgeben von drei konzentrischen Ringen, alle vier aus je zwölf durch regelmäßige Zwischenräume getrennten Pfeilern gebildet. Abweichend von früheren (von Audollent a. a. O.) aufgezählten Deutungen (Tempel, Odeum) möchte ich deswegen (wie Gsell bei Audollent 261) darin den tholus eines macellum sehen. Die von Davis (a. a. O. 175 und danach wiederholt von de Sainte-Marie Mission 176 und Babelon a. a. O. 166 nr. CIV) und Tissot (Géographie I 655 Fig. 62) gegebenen Grundrisse stimmen nicht genau überein. Die Ausgrabungen in der Mitte des Baus haben Trümmer des Gewölbes und eine Schicht verbrannter mit Asche und Knochen durchsetzter Erde ergeben. Einen anderen ,Temple circulaire‘ verzeichnet Bordys Plan östlich der großen Zisternen von Bordsch Dschedid.

Thermen auf dem sog. ,Iunohügel‘. Auf dem sog. ,Iunohügel‘ standen noch zu Falbes Zeiten (Plan nr. 53; Recherches 37f.; westlich von der ,Institution Lavigerie‘ auf Bordys Plan) Ruinen, die er mit nr. 67 als die bedeutendsten alleinstehenden Bauten bezeichnet. Daß hier Hypokausten (,Hypocauste‘ auf Bordys Plan) in einer Ausdehnung von 16 qm bloßgelegt wurden und daß eine Zweigleitung (so Audollent 262 gegen Vernaz a. a. O. 21) des von Vernaz entdeckten unterirdischen Kanals (,Conduit souterrain‘ auf Bordys Plan; s. Stadteinteilung o. B. II 10) das Gebäude speiste, beweist, daß es Thermen waren. Damit stimmt es gut, daß eine monumentale Treppenanlage von einer hier durch Vernaz festgestellten Straße die nördliche Abdachung des Plateaus hinaufführte (Vernaz a. a. O. 19). Delattre vermutete in ihnen (auf Grund von Augustin. contra part. Donati post gesta XXV [2209] 43; XXXV 58) die Thermae Gargilianae, in denen u. a. (vgl. Teuffel Röm. Lit.-Gesch.⁶ 475, 1. Audollent a. a. O. 759) die große Disputation des J. 411 zwischen den katholischen und donatistischen Bischöfen stattfand, wogegen sich Audollent (a. a. O. 266, 2) und Leclercq (a. a. O. S. 2273f. XIX 3 b) wenden. Dureau (Recherches 208) und Barth (a. a. O. I 98) verlegten diese Thermae Gargilianae auf die Südwestseite des Byrsahügels, wo Falbe (nr. 54) die Reste eines Gebäudes mit einer geräumigen Exedra verzeichnet, das er freilich (Recherches 29) für den Apollotempel hielt. In ihm wurde 1844 ein Mosaikfußboden entdeckt, dessen Ausdehnling (8 ✕ 5 m) und Darstellungen Gauckler (,La Personnification de Carthage‘ in Mémoires des Antiquaires LXIII [1904] 165ff. und Taf. III; vgl. Blanchet ebd. LXIV [1905] 97ff.) zu der Vermutung veranlaßten, er sei dazu bestimmt gewesen, einen Thermenfestsaal zu schmücken.

Auf der Byrsa (Spezialplan in Babelon Carthage zwischen S. 132 und 133; etwas vervollständigt von Audollent a. a. O. 268) sind, hauptsächlich von Beulé und Delattre, viele Reste aus römischer und byzantinischer Zeit gefunden worden. Die Frage, warum unter ihnen römische Mosaiken fehlen und warum von den römischen Zisternen nur noch der untere Teil vorhanden ist (Beulé Fouilles 36), glaubte Delattre (Bull. épigr. V [1885] 302ff.; Mélanges d’archéol. et d’hist. XII [1892] 239) aus seinen bei der Fundamentierung der Kathedrale gemachten Beobachtungen beantworten zu können (vgl. Babelon a. a. O. 140 nr. LII). Nahe der Nordwestecke grub man im J. 1882 eine aus hoher Mauer im Rechteck vorspringende Bastion aus, auf deren Platttorm Delattre die ganz unzweifelhaften Spuren einer ,Katapultenbatterie‘ und unter ihr den völlig erhaltenen ,Munitionskeller‘ feststellte (R. Fuchs Arch. Anz. 1917, 1-10 mit 2 Abb.; Nachträge von R. Oehler in ,die Saalburg‘ II 1 S. 14ff. mit 1 Abb.): Der Mauerkern bestand aus steinhartem Beton, der mit Hausteinen verkleidet war. Nach der Innenseite öffnete sich die Mauer in schlanken Arkaden (Abb. in ,die Saalburg‘ a. a. O.), nach außen war die Vorderfläche von Mauer und Bastion etwas geböscht; ihre Steine waren sorgsam pseudisodom geschichtet. Im ganzen waren es nach Fuchs, auf dieser nördlichen Langseite des Rechtecks, das die römische Befestigung der Byrsa bildete, drei Bastionen und an jedem Ende eine Eckbastion, unter jeder Bastion ein ,Munitionskeller‘ (R. Oehler a. a. O. S. 14). Auf der Südwest- und Südseite sind bei der durch Delattre erfolgten Fortsetzung der Beuléschen Grabungen spätrömische, allem Anscheine nach in Eile errichtete 4,25-4,50 m starke, nicht massive (wie Beulé glaubte) Festungsmauern mit einer Geschützbettung (Delattre Bull. épigr. V [1885] 85f.) zum Vorscheine gekommen (Delattre Bull. arch. du Comité 1893, 100ff.) und 3 m von ihnen nach rückwärts 6,20 m starke, die Böschungen des Hügels gegen Abspülungen schützende Erddruckmauern in Gestalt von aneinandergereihten, hufeisenförmigen Apsiden (vgl. C I 2 14; Abbildungen und Maße in Beulé Fouilles Taf. II Fig 1. 2); demselben Zwecke diente auch eine eigentümliche, [2210] aus horizontal gelagerten Amphoren gebildete, etwa 6 m hohe und 4,40 m im Mittel (Audollent a. a. O. 275f.) starke Mauer (ihre Stempel reichen von 43-15 v. Chr.: Delattre Bull. arch du Comité 1894, 89ff. Cagnat Rev. arch. XXVI [1895] 271ff.; vgl. A 5 d), an die sich die Apsiden auf der Südseite lehnten (Delattre a. a. O, 103f.; bes. aber a. a. O. 1894, 89ff. mit Taf. IIIf.); eine zweite, etwas anders gestaltete, aber ähnlichen Zwecken dienende ,Amphorenmauer‘ entdeckte Delattre am äußersten Ende der römischen Stadt, nordöstlich von Bordsch Dschedid (Bull. de la Société arch. de Sousse 1907, 33ff. mit 1 Tafel und Abbildungen im Text).

Tempel des Aesculapius. Für die Ansetzung des Aesculapiustempels sind wir bei dem Fehlen örtlicher Angaben in den antiken Schriftquellen - denn die Apuleiusstelle Florid. 18, 91 läßt sich nicht wohl als Beweismittel verwenden - auf die Funde angewiesen; solche sind unter dem Kloster der Pères blancs (Fundamente, Architekturreste), östlich (Peribolosmauer) und westlich von ihm (Architektur- und Skulpturreste) gemacht worden (s. Liter. bei Babelon Carthage 135f. nr. XLIII und Audollent a. a. O. 280ff.). In ihrer Gesamtheit weisen sie hin auf die Stelle, wo heute die Kapelle des hl. Ludwig und ein Teil des Klosters steht. Unter Delattres Funden ist besonders wichtig ein Stück eines weißen Marmorkraters mit den Resten einer Votivinschrift an Aesculapius (Audollent a. a. O. 282) und eine später an der Ostseite der Byrsa gefundene verstümmelte Inschrift mit den Namen des Gottes und des Proconsularlegaten Cocceius Honorinus, Sohn des Severianus (vgl. Apul. Flor. 9, 40; die Literatur bei Gsell Mélanges d’archéol. et d’hist. XXI [1901] 220). Von dem Aussehen des Tempels wissen wir nichts Sicheres: die Cella mit dem Hofe umgaben wahrscheinlich Portiken, von denen Delattre Reste vor der Kapelle entdeckt hat (Bull. des Antiqu. de France 1901, 131; Revue Tunisienne VIII [1901] 280; vgl. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXII [1902] 325). Außer den Kulträumen hatte der Tempel noch eine Bibliothek (Apul. Flor. 18. CIL VIII 997; vgl. Audollent a. a. O. 711) und, wie es nach einer fragmentierten Inschrift (Delattre Bull. épigr. V [1885] 87. CIL VIII Suppl. I 13388) scheint, auch ein Archiv (Cagnat-Gauckler a. a. O. trennen dies von der Bibliothek, während Reinach im Nachtrage zu Tissot Géogr. II 800 und Babelon Carthage 135 beide identifizieren wollen).

Tempel C (wie ihn Cagnat-Gauckler a. a. O. I 109 bezeichnen). Rechts von der Kathedrale, an einem Punkte nahe der Westecke des Plateaus sind über den Ruinen eines großen, nach Delattre punischen, Baus sehr schön aus Kalksteinquadern gefügte Reste vom Unterbau eines noch nicht identifizierten Gebäudes gefunden worden (die Literatur bei Audollent a. a. O. 280), die in der weiter westlich liegenden Zisterne (vgl. den Byrsa-Plan bei Audollent a. a. O. 268; damit scheint aber die Verweisung auf Babelon Carthage 140 nr. LIV nicht zu stimmen) wieder festgestellt sind. Nach Cagnat-Gauckler (a. a. O.) stammen die Reste von einem Tempel.

[2211] Tempel der Concordia. Bei den Arbeiten zur Fundamentierung der Kathedrale kamen zahlreiche Architekturreste aus weißem und farbigem Marmor und Bruchstücke von Inschriften zu Tage; eins von diesen, auf einer sehr verstümmelten, am Platze des Hochaltars gefundenen Marmorplatte (Musée Lavigerie II 5, 1. CIL VIII Suppl. 12569) erwähnt eine AEDEM CONCORDIA[e]; auf Grund dieser Funde hat Delattre die recht wahrscheinliche Vermutung ausgesprochen, daß in der Nähe des Platzes der Kathedrale einst ein Tempel der Concordia stand (die weitere Literatur bei Babelon a. a. O. 140 nr. LI. Cagnat-Gauckler a. a. O. I 39. Audollent a. a. O. 279f.), vielleicht bei nr. LVII des Babelonschen Byrsa-Plans, wo Architekturfunde, teilweise von kolossalen Abmessungen, nach Delattres Überzeugung auf ein ansehnliches Gebäude schließen lassen (Audollent a. a. O. 291, 1), nach Cagnat-Gauckler (a. a. O. 109 ,Temple A‘ mit der Literatur) auf einen Tempel, von dem nur noch der Unterbau an ort und Stelle kaum erkennbar ist.

Das Capitolium und der Tempel des Iuppiter O. M. Das Capitolium kennen wir aus einer unbedeutenden Tempelinventarinschrift (CIL VIII 1013 = Suppl. 12464) und aus mehreren Stellen des Tertullianus (apol. 13; de spectac. 8. 12) und des hl. Cyprianus (epist. LIX 13; de lapsis 8. 24); aber jene ergeben in topographischer Hinsicht nichts, und den beiden letzten Stellen läßt sich nur entnehmen, daß es auf einer Höhe lag; nicht sicher ist es, ob diese Höhe die Byrsa war (Cagnat Revue archéol. XXIV [1894] 190. Cagnat-Gauckler a. a. O. 1. Babelon a. a. O. 156 nr. LXXXIV et LXXXV. Leclercq a. a O. 2275 XIX 3 e). Lag es wirklich auf dieser, so bliebe freilich dafür nur der Platz der Kathedrale übrig, wo Delattre das Capitolium mit dem Iuppitertempel ansetzen wollte (die Liter. bei Audollent 287, 4); denn das bisher vorliegende Material zwingt uns nicht, einen besonderen Iuppitertempel für K. anzunehmen, wie es Beulé (Fouilles 10. 76f. Taf. I D) und Cagnat-Gauckler (a. a. O. 54) tun; sind doch die beiden Priester des Gottes, die, der eine in einer Inschrift (CIL VIII 1141), der andere in einer Textstelle (acta purgationis Felicis 198 in C. Script. Eccl. Lat. XXVI) erwähnt werden, als sacerdos Iovis O. M. bezeichnet; sie können demnach beide Priester des Iuppitertempels des Capitoliums gewesen sein (Audollent a. a. O. 282). Auf keinen Fall hat aber das Capitolium den Tempel der Caelestis umfaßt, wie Castan (C. R. Ac. Inscr. 1885. 112ff.; Les Capitoles provinciaux du monde Romain [Besançon 1886] 127ff.) glauben machen wollte. Delattre war anfangs, auf Grund eines Inschriftfundes (s. o. ,T. der Caelestis‘ C I 14 und Audollent 289, 2) geneigt, ihm beizupflichten, andere Forscher haben sich, zum Teil in ausführlicher Darlegung, dagegen erklärt (Reinach in Tissots Géographie II 801f. Cagnat Revue archéol. XXIV [1894] 188ff. Cagnat-Gauckler a. a. O. Babelon a. a. O. Audollent a. a. O. 288ff.).

Der Palast des Proconsuls. Die bisherige Annahme, daß der Palast des Proconsuls (domus proconsulis Tac. hist. IV 50; praetorium [2212] [doch vgl. Audollent a. a. O. 286, 9]; palatium [über Ruinart Acta sinc. martyr. 311 s. Anhang b]) später die Residenz der Vandalenkönige und der byzantinischen Statthalter wurde (palatium z. B. Victor Vitens. III 7, 32; παλάτιον z. B. Procop. de bell. Vand. I 20, 21. II 14, 34), ist allem Anschein nach richtig. Das geht, abgesehen von anderen Erwägungen (Audollent a. a. O. 283), meines Erachtens, mit genügender Sicherheit aus der Art hervor, wie gerade Prokopios (a. a. O. I 21, 3), der selbst damals in K. war, des Palastspeisesaals ,Delphix‘ Erwähnung tut. Der Palast muß nach den Angaben der Schriftsteller ziemlich nahe am Forum (Tac. hist. a. a. O.), auf einer Höhe (Victor Vitens. a. a. O. Procop. a. a. O. I 20, 21; vgl. II 26, 20) mit so umfassendem Blicke gelegen haben, daß man den Golf von K. vom Hermäischen Vorgebirge (heute Kap Bon) bis zur Einfahrt in das Haff von Tunis übersehen konnte (Procop. a. a. O. I 20, 4ff.). Danach kann er nur auf der Byrsa, und zwar auf ihrer Ostseite gestanden haben. Als nun Beulé gerade auf dieser Seite, 40 Fuß unterhalb der Plattform des Aesculapiustempels (Fouilles 68), ein sehr ansehnliches Bauwerk entdeckte, glaubte er, diesen Palast gefunden zu haben (a. a. O. 74), eine Vermutung. der bis jetzt noch die inschriftliche Bestätigung fehlt und gegen die auch bauliche Erwägungen sprechen (Audollent a. a. O. 285f. erörtert gut das Für und Wider). Andererseits weiß man auch nicht recht, was es sonst für ein Bau gewesen sein sollte (Audollent a. a. O. 286): an Kapellen des Caelestistempels, wie Castan (s. o. ,Capitolium und Tempel des Iuppiter O. M.‘) wollte, ist gar nicht zu denken; dem Aesculapiustempel möchten es de Sainte-Marie (a. a. O. 166, und Héron de Villefosse (Archives des missions scientif. II [1875] 393: Bull. épigr. V [1885] 87) zuweisen, am besten würde es sich noch für eine Bibliothek eignen (Audollent a. a. O. 286), diese scheint aber nach Apuleius (Flor. 18, 91f.) innerhalb des Temenos gelegen zu haben, womit ein Fund Delattres stimmen würde (Audollent a. a. O. 286); der von Beulé ausgegrabene Teil (Fouilles 69ff. mit Taf. I) bestand aus 7 parallelen, je 6,25 m im Lichten weiten und ca. 10 m hohen Sälen (a. a. O. 69), die mit ihren hufeisenförmigen Enden unten an die Peribolosmauer des Aesculapiustempels (s. o.) stießen; die 1 m dicken Scheidemauern waren beim mittelsten Saale (a auf Beulés Taf. 1) mit Marmorplatten, bei dem rechts daneben liegenden (b) mit farbigem Stuck verkleidet; a hatte ferner eine halbkugelförmige Felderdecke, einen prächtigen Marmormosaikboden mit großen geometrischen Mustern und in der Apsis eine 1.50 m hohe, rund herumlaufende, mit kostbaren Marmorarten verkleidete Bank (Fouilles 69f.), b zeigte in der Apsis dagegen eine große viereckige Erhöhung (Tribunal oder Postament einer Statue ?). In a, meinte Beulé (Fouilles 74), könnte vielleicht der Speisesaal, in b der Gerichtssaal zu erkennen sein. Einen den Beuléschen in Gestalt und Ausschmückung ähnlichen, in den Abmessungen etwas verschiedenen Saal deckte Delattre (Bull. épigr. V [1885] 89) weiter nach Süden auf. Die in einem anderen prächtig ausgestatteten Saale gemachten Funde (vgl. dazu [2213] Leclercq a. a. O. S. 2275 XIX 3 d) veranlaßten Delattre zu der Vermutung, daß in ihm vielleicht die Kapelle erhalten sei, die Iustinianus zu Ehren der Jungfrau Maria im Palast erbauen ließ (Procop. de aedif: VI 5, 9). Ist diese identisch mit dem von Procop. (de bell. Vand. n 14, 37) erwähnten Ἱερὸν, ὅ ἑστι μέγα ἐν παλατίῳ, und wenn sie es ist, sind die Dimensionen der von Delattre entdeckten Kapelle solche daß sie das Epitheton μέγα rechtfertigen? Nach Audollent (a. a. O. 285, 4) ließ Iustinianus vielleicht nur eine schon bestehende Basilika wiederherstellen, denn bereits unter den Vandalenkönigen beseichnet ein Hofdichter Petrus Referendarius seine Verse als versus in basilica palatii sanctae Mariae (Riese Anthol. lat. I 247 nr. 380). J. 1895 entdeckte übrigens Delattre südöstlich davon noch eine (unterirdische) Kapelle (L’antique chapelle souterraine de la colline de Saint- Louis. Extrait du Cosmos 1896; danach Leclercq a. a. O. S. 2275ff. XIX 3 f); zu ihr hinunter führte eine Treppe und ein Gang (Plan a. a. O.; danach Leclercq a. a. O. Abb. 2137), auf dessen Wänden zahlreiche christliche Monogramme und Kreuze eingeritzt sind (vgl. dazu Leclercq a. a. O. S. 2277 a. E.). In der 5,50 m breiten und 3,80 m tiefen, gewölbten Kapelle fand sich dem Eingang gegenüber ein schlecht erhaltenes Freskogemälde vorbyzantinischer Zeit (Abb. a. a. O.; danach Leclercq a. a. O. Abb. 2138/39), auf dem als Hauptperson nach Héron de Villefosse (Bull. des Antiq. de France 1895, 159f.) und Stevenson (Nuovo Bull. di arch. christ. II (1896) 94ff.) Christus, nach Delattre (a. a. O.) und Leclercq (a. a. O. S. 2277) der heilige Cyprianus dargestellt ist. Ob diese Kapelle isoliert war oder zu einer Basilika gehOrte, müssen weitere Grabungen lehren. Delattre (vgl. Leclercq (a. a. O. S. 2277) vermutet, hier sei ein Märtyrergefängnis gewesen (vgl. Gsell Mélanges XVI [1896] 479f.). Daß der Palast, wahrscheinlich im Unterbau, ein Gefängnis mit Namen Αγκών enthielt, wissen wir aus Procop. bell. Vand. I 20, 4; vgl. Suid. s. Αγκών. Rostowzew (Revue numism. I [1897] 487) möchte aus CIL VIII Suppl. 12609 und 12640, wo von einem kaiserlichen Stalle die Rede ist, schließen, daß der Kaiser, wie in Lyon in der domus Iuliana, so zu K. eine Residenz hatte (Audollent a. a. O. 354, 3).

Tempel der Victoriae. Zwischen La Malga und Duar esch Schott hat sich ein Bruchstück einer Inschrift (CIL VIII Suppl. 12496) gefunden, worin von silbernen Viktorien die Rede ist. Cagnat-Gauckler (a. a. O. I 97) vermuten, daß diese wofern sie nicht wie in Constantine CIL VIII 6981) im Capitolium aufbewahrt wurden, in einem Tempel der Victoriae aufgestellt waren oder dessen Zugang schmückten (Cagnat Musée Lavigerie II 8). Héron de Villefosse (C. R. Ac. Inscr. XXII [1894] 197ff. 1897, 90ff.) denkt an einen solchen Tempel auf der Byrsa, weil bei der Südecke der Kathedrale dicht neben dem trigonometrischen Steinpfeiler (,Borne géodésique‘ auf Plänen) außer Architekturresten mehrere Hochreliefs von Viktorien aus dem Ende des 1. oder Anfange des 2. Jhdts. zum Vorschein gekommen sind (Musée Lavigerie II 5ff. Taf. If. mit der [2214] Literatur); aber Audollent (a. a. O. 408ff.) spricht sich ganz entschieden dagegen aus, daß ein Tempel der Victoriae auf der Byrsa gestanden habe, dazu reiche das bis jetzt vorliegende Material in keiner Weise hin.

Tempel B (so bezeichnet von Cagnat-Gauckler a. a. O. I 109). Auf der Höhe des Byrsahügels kam bei den Fundamentierungsarbeiten zum Bau der Kathedrale ein sehr verstümmeltes Bruchstück einer Inschrift (CIL VIII Suppl. 12515) zum Vorschein, die anscheinend auf den Bau oder die Ausschmückung des Säulenganges eines Tempels Bezug hat (Cagnat-Gauckler a. a. O.).

Über einen Tempel der gens Augusta s. Anhang b.

16. La Malga und seine Umgebung. Die Gegend zwischen La Malga (die Erklärung des Namens s. o. B II 10 Zisternen) und Duar esch Schott ist, obwohl oder weil hier die drei großen römischen Monumentalbauten, die Zisternen von La Malga, das Amphitheater, der Circus, seit jeher bekannt und zweifellos sicher festgestellt sind, sozusagen archäologisches Neuland, die hier gemachten Funde verdanken wir sehr oft dem Zufall (Audollent a. a. O. 295f.), planmäßig gegraben worden ist nur an zwei Punkten: im Amphitheater von Delattre mit größerem Erfolg, mit geringerem von Reinach und Babelon (Bull. arch. du Comité 1886, 8ff.; vgl. Audollent a. a. O. 306f. Babelon Carthage 127 nr. XX) südöstlich vom Circus in der Flur ,El Golla (auf Bordys Plan ,El Goulla‘). Es kamen dort nur römische Reste zum Vorschein (s. u. Circus).

Das Amphitheater. Etwa 100 m südwestlich der Eisenbahnstation Saint-Louis liegen die Ruinen des, besonders in der christlichen Literatur, so viel genannten Amphitheaters, schon von weitem kenntlich durch das vom Kardinal Lavigerie dem Andenken der vielen Blutzeugen des Ortes errichtete Kreuz (Delattre Carthage, Notes archéol. 19 XII. Nicht ganz sicher ist es, ob die Heiligen Perpetua und Felicitas mit ihren Gefährten hier den Märtyrertod erlitten haben oder in dem amphitheatrum castrense; zwei Stellen der Passio S. Perpetuae [7] und eine des Prosper Tiro [Chron. min. I 434] legen nämlich nach Audollent [a. a. O. 303. 3; vgl. 454ff. 779] die Frage nahe, ob nicht K., wie Rom, außer dem A. noch ein amphitheatrum castrense besaß, wo diese Märtyrer starben; vgl. oben C I 2 b 14 ,vicus castrorum). Beschreibungen des Gebäudes haben wir erst von den arabischen Geographen El Bekri des 11. und Edrisi des 12. Jhdts. die es ,El Thiater‘ nennen (die betreffenden Stellen in französischer Übersetzung von de Slane bezw. von Jaubert sind abgedruckt in Audollent a. a. O. 797ff.). Die Ausgrabungen Delattres (1896/7) haben gezeigt, daß das Gebäude weit größer war, als man bisher trotz der arabischen Schilderungen gedacht hatte (Mémoires des Antiq. de France LVII. [1896] 135ff. C. R: Ac. Inscr. 1897, 694ff.), die Arena erreichte bis auf 1 m in Länge und Breite die Größe des Amphitheatrum Flavium in Rom (C. R. Ac. Inscr. XXIV [1896] 327, und genauer XXXI [1903] 106f.; vgl. Leclercq a. a. O. Abb. 2140 und S. 2277ff. XIX 4 a); unter ihr wurden gemauerte Räume festgestellt, [2215] vom Oberbau viele Architektur- und Skulpturreste gefunden (über Funde von Inschriften, besonders von Fluchtäfelchen vgl. C. R. Ac. Inscr. XXXI [1903] 318ff.; Musée Lavigerie II 78ff. mit Taf. XIXff.), mit deren Hilfe man sich an der Hand der erhaltenen Beschreibungen ein Bild von der einstigen Pracht der Ausstattung machen kann. Auffällig ist es nach Barth (a. a. O. I 99f.), daß Edrisi (a. a. O: 262ff.) von fünf(?) Stockwerken spricht, ,deren jedes etwa 50 durch je einen Pfeiler geschiedene Arkaden von gleicher Gestalt und gleichen Abmessungen bildeten, während bei El Bekri (a. a. O. 520ff.) an der ersten Stelle nur von zweien die Rede ist (an der zweiten drückt er sich unbestimmt aus). Daß das Amphitheater auch zu Naumachien benutzt wurde, was einige Forscher (z. B. Barth a. a. O. I 99f. Audollent a. a. O. 303) glauben, ist möglich; die Existenz des dazu nötigen Verbindungskanals zwischen dem Amphitheater und den nahen Zisternen von La Malga wird von Falbe (Recherches 39f.), Barth (a. a. O. I 99f.) und anderen Gelehrten, die Audollent (a. a. O. 303, 5) aufzählt, mit mehr oder weniger Bestimmtheit behauptet: sicher festgestellt ist er aber noch nicht (über die in der Nähe gemachten Funde vgl. Audollent a. a. O. 304).

Der Circus. Die vielen Stellen, in denen Tertullianus und andere afrlkanische Schriftsteller (die Stellen z. B. bei Audollent a. a. O. 111. 688f.) vom Circus sprechen, spiegeln, soweit sie sich auf den karthagischen beziehen, ebenso wie die Mosaiken mit Circusdarstellungen (vgl. z. B. Héron de Villefosse Bull. des Antiq. de France 1900, 80ff. zu CIL VIII Suppl. 12589 gegen Delattre Notes archéol. XIII 22. Babelon Carthage 146f. nr. LXVI [Druckfehler!]. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXI [1901] 221) und die Fluchtäfelchen (vgl. z. B. Musée Lavigerie II Taf. XXIf. CIL VIII Suppl. 12504ff.; zwei von Ihnen zeigen nach Bücheler [Rh. Mus. XLI (1886) 106] ein rohes Bild von circus und carceres; vgl. Audollent 305, 6 und 846) die Leidenschaft wieder, welche die Circusspiele auch in K. erregten. In topographischer Hinsicht erfahren wir aus ihnen nichts und aus Prokopios höchstens, daß er von dem damaligen Mauerringe umschlossen wurde (bell. Vand. II 14, 31) und von gewaltiger Größe war (a. a. O. und II 18, 11f.). Der Circus liegt ca. 600 m südlich vom Amphitheater, durch sein Südostende bei Duar esch Schott geht die Eisenbahn La Goulette-La Marsa quer hindurch (,Cirque‘ auf Bordys Plan). Schon zu Falbes Zeiten war von ihm wenig mehr vorhanden als die deutlich erkennbaren Umrisse (Plan nr. 64, Recherches 40, bestätigt von Barth a. a. O. I 98f.) Eine elliptische Bodensenkung von ca. 1600 ✕ 330 Fuß (zu 0,3248394 m) bezeichnet die Arena, deren Böschung rings noch Steine der einstigen Ummauern birgt. Sichtbar war noch auf 1000 Fuß etwa (Falbe a. a. O.) die (nach de Sainte-Marie Mission 203) etwa 5,50 m breite spina. Eine Ruine am Südostende, nach Falbe (a. a. O. 40 Plan nr. 73) einen den ganzen Circus beherrschenden Bau, wollten Dureau (Recherches 197f.) und Barth (a. a. O. I 99) als Reste der carceres und der Loge des Proconsuls deuten. Ausgrabungen, die dort in der Nähe in der Flur [2216] ,El Golla‘ 1883/4 angestellt wurden (Reinach-Babelon Bull. arch. du Comité 1886 24f 36), haben u. a. Marmorsäulen und -statuen zu Tage gefördert, unter ihnen eine Kolossalstatue eines der Dioskuren, wie Reinach (Tissot Géographie II 799) feststellte, der sie zum Schmuck des Circus rechnet (Babelon Carthage 127 XX. Audollent a. a. O. 307). Ob eine von Duar esch Schott nach dem Kothon ziehende Geländesenkung, von den Eingeborenen ,Gâ el Wed‘ (d. i. ,Bachbett‘, auf Bordys Plan ,Oued Cherif‘) genannt, mit dem Circus zu tun hat wie Delattre (Bull. épigr. IV [1884] 206) wollte, ist doch sehr fraglich (Audollent a. a. O. 226). Was die Senkung und ihr Name zu bedeuten hat, bedarf noch der Aufklärung.

17. Nekropolen.

a) Der punischen Zeit. Schon Daux (Recherch. 55ff.) hatte über alte, 1862 von Gouvet in der Nähe der Zisternen von Bordsch Dschedid gefundene Gräber berichtet; da aber seine Ausführungen Beulés Beobachtungen widersprachen, der die punische Nekropole bei Kamart am Dschebel Khawi gefunden zu haben glaubte (Fouilles 121ff.), so wurden sie nicht beachtet. Erst Delattre wies nach, daß die Nekropole von Kamart jüdisch sei (Gamart ou la nécropole juive de C. [Lyon 1895]; nach de Vogüé Revue archéolog XIII [1889] 184 vielleicht jüdisch christlich; vgl. Audollent a. a. O. 163. Leclercq a. a. O. 2284 Anm. 22. 2288 a. E.), und ihm und Gauckler (Les nécropoles puniques de C. Carnets de fouilles, Études diverses, 2 Bände, Paris 1916) verdanken wir hauptsächlich unsere Kenntnis der punischen Nekropolen: der Gestalt der Gräber (Delattre Les tombeaux puniques de C. [Lyon 1890] 99) von der einfachen Grube bis zum Schachtgrabe (Delattre Bull. arch. du Comité 1894, 281ff.; Les grands sarcophag. anthropoïdes du Musée Lavigerie à C. 1903 Abb. 30. 33. Merlin et Drappier La nécropole punique d’Ard el-Khéraïb Taf. II), dem Sarkophage (Liber de viris illustr. 42. Delattre a. a. O. Kahrstedt a. a. O. III 41ff.) und der unterirdischen Grabkammer (Appian. Lib. 38. Delattre Les tombeaux puniques 13ff.), der Art der Beisetzung (Bestattungsgräber, seit dem 4. Jhdt. erscheinen neben ihnen, dann überwiegen die Verbrennungsgräber: Gauckler Marche du service 1900, 6f.; s. ,Odeum‘ unter C II 15. Merlin et Drappier a. a. O. 7 mit A. 4; vgl. Kahrstedt a. a. O. III 27), der Hauptbestandteile der Grabausstattung (Gauckler a. a. O. 1900, 6ff. 1902. 5ff. 1903, 6ff. Kahrstedt a. a. O. III 29ff. Merlin et Drappier a. a. O. 8ff.) und der Bestimmung ihres Alters (Tertull. de carnis resurr. 42. Gauckler a. a. O. Delattre a. a. O. Merlin et Drappier a. a. O. 8ff. 12ff.).

Was die Lage der punischen Nekropolen anlangt, so wissen wir heute, daß die Karthager ihre Toten beisetzten auf folgenden Punkten: auf der Süd- und Südwestseite des Byrsahügels. Die Nekropole ist uralt, hat zahlreiche frühpunische Gräber (Delattre Les tombeaux puniques 22ff.), ist aber bis zur Zerstörung der Stadt benutzt worden (Delattre La nécropole punique de la colline de St. Louis 28ff.); nach. 146 v. Chr. nicht mehr (Audollent a. a. O. 278; s. A 5 a).

[2217] Ferner sind punische Gräber einer noch (Gauckler Marche du service 1901. 11) im 3. Jhdt. benutzten Nekropole (Delattre Douimès et la colline dite de Junon, Bull. arch. du Comité 1907, 443) zum Vorschein gekommen am Abhange des durch einen schmalen Sattel mit dem Byrsahügel zusammenhängenden sog. Iunohügels (Delattre a. a. O. 433ff. 443; Les tombeaux puniques 13ff. Gauckler Bull. arch. du Comité 1901 CLXXXIf.); sie bildet die Verbindung mit dem breiten nach Osten ziehenden Streifen von Nekropolen, der die punische Stadt im Norden abgrenzte. Delattre, Gauckler, Merlin und ihren Mitarbeitern verdanken wir den Nachweis des Alters und der Aufeinanderfolge dieser Friedhöfe, die unsere Kenntnis des punischen Altertums am meisten gefördert haben. Danach enthält der Südteil dieses Streifens in den Duïmes (Delattres Berichte verzeichnet Audollent a. a. O. 240, 2) und Dermesch (Gaucklers Berichte in Revue arch. XLI [1902] 369, 2) genannten Fluren die ältesten Teile dieser Nekropolen; je mehr die Gräber die Abhänge hinaufsteigen, desto jünger sind sie (Gauckler Marche du service 1901, 10). Im Norden, vom Odeum und Dahar el Murali (Gauckler Marche du service 1903, 6ff.) nach Osten bis Ard el-Khéraïb (Merlin et Drappier La nécropole d’Ard el Khéraïb à C. 1909. Drappier Rev. Tunisienne XVIII [1911] 138ff.) und dem Nordabhang von Bordsch Dschedid (Delattres Berichte über die hier von ihm entdeckte Nekropole der Prister und ,Rabs‘ bei Kahrstedt a. a. O. III 11. 1), haben die Karthager aus der Zeit der Punischen Kriege ihre Ruhestätte gefunden; und zwar wurde im 4. Jhdt. die Gegend am Odeumhügel, wo später das römische Theater sich erhob (Gauckler Rev. arch. XLI [1902] 384f. Berger-Gauckler Bull. arch. du Comité [1906] 259f. Drappier Rev. Tunisienne a. a. O. 254ff. mit Plan), im 3. Jhdt. die Nekropole auf der Höhe des Odeumhügels in Benutzung genommen (Gauckler C. R. Ac. Inscr. 1903, 10; Revue arch. a. a. O. 385), während weiter nördlich am Odeum selbst sich punische Gräber der letzten Zeit fanden (Gauckler Rev. arch. a. a. O. 398. Audollent a. a. O. 545). Bestätigt wird diese Zeitbestimmung durch Tertullian de carn. resurr. 42, der das Alter der punischen Gräber, die den Fundamenten des nach Monceaux (Bull. des Antiq. de France 1900, 351) um 210 n. Chr erbauten Odeums weichen mußten, auf etwa 500 Jahre schätzte. Ähnlich, wie sich die älteren Nekropolen von Duïmes zu denen vom Odeumhügel verhalten (Gauckler Marche du service 1903, 6ff.), verhalten sich die von Dermesch zu denen an und auf dem Hügel von Bordsch Dschedid (Gauckler a. a. O. 1901, 10f.; weitere Literatur bei Kahrstedt a. a. O. III 10, 8). Weiter nördlich finden sich punische Einzelgräber (s. den Plan von Bordy).

Am Rande der punischen Nekropolen im Nordosten hat Gauckler eine Gruppe punischer Töpferöfen (Plan von Bordy ,Le Ceramique de C.‘) aus der letzten Zeit des punischen K. entdeckt (unter einigen und in ihrer Nähe fanden sich ziemlich reiche Gräber des 8. und 7. Jhdts. Audollent a. a. O. 844). Einer von diesen Öfen war gut erhalten, er hatte eine an moderne Öfen erinnernde Einrichtung zum Brennen feinerer [2218] Tonwaren (Gauckler Rev. arch. XLI [1902] 379ff. mit Plan und Schnitt). In den zugehörigen Magazinen fanden sich fertige Tonwaren und viele Formen; durch diese gelang es, festzustellen, daß eine ganze Reihe bisher als importiert angesehener Tonwaren in K. selbst fabriziert worden sind (Gauckler C. R. Marche du service en 1901, 8ff.; Bull. arch. du Comité 1901 CCXXI; da nach Schulten Arch. Anz. XVII [1902] 53f. mit Abb.).

b) der römischen Zeit. Von römisch-heidnischen Nekropolen sind die hauptsächlichsten die zu beiden Seiten einer alten Straße (vgl. B I 7 b) in der Nähe des Amphitheaters aufgedeckten Friedhöfe der officiales des procurator Augusti provinciae Africae tractus Karthaginiensis bei Bir es Situn und bei Bir el Dschebbana (s. den Plan von Bordys). Fast völlig intakt bei ihrer Auffindung in den J. 1880/1, gaben sie - ganz abgesehen von der Wichtigkeit ihrer Inschriften für die Kenntnis der römischen Verwaltung - zuerst einen deutlichen und vollständigen Begriff der Friedhöfe vom Ende des 1. bis zur Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. (Mommsen Mélanges Graux 505ff.; Ephem. epigr. V 105ff; CIL VIII Suppl. 12590ff.), die in ihrer Einrichtung - rechteckige von einer Mauer umschlossene areae - und Belegung - außer den Familien scheinen auch die Korporationen Gruppen (Delattre bei Mommsen Ephem. epigr. V 106ff.) zu bilden - an moderne Friedhöfe erinnern; nur die Bestattungsart ist eine völlig andere: Es sind in Mauerwürfel eingeschlossene Aschengefäße mit Röhrenverbindung nach außen (Delattre a. a. O. und Revue arch. XII [1888] 151ff. CIL a. a. O. p. 1302), um Spenden, mitunter auch Fluchtäfelchen aufzunehmen (Audollent a. a. O. Babelon Carthage 144ff. LXVI 186ff. [Druckfehler!] mit Abb.). Diese Resultate Delattres (zusammengefaßt von ihm in La Tunisie I 361f.) wurden durch ihn und Gauckler 1895/6 vervollständigt, indem die Grabungen bei Bir es Situn wiederaufgenommen, der Boden 7 m tief abgetragen und in vier übereinanderliegenden Schichten Gräber der ersten Jahrhunderte n. und v. Chr. nacheinander aufgedeckt wurden (Delattre Rev. archéol. XXXIII [1898] 82ff. 215ff. 337ff. XXXIV [1899] 240ff. 382ff. Gauckler Mém. des Antiq. de France LVI [1895] 83ff.; vgl. v. Duhn Arch. Anz. XI [1896] 87ff.; über der Übergangszeit angehörende Gefäße und anepigraphe Grabsteine punischer Herkunft in der untersten Schicht vgl. Delattre a. a. O. 84ff. Gauckler Bull. archéol. du Comité 1898, 171ff. Audollent a. a. O 188). Weitere areae der heidnischen Zeit sind bisher nicht gefunden worden, wohl aber einzelne Gräber und Gruppen von solchen südlich und nördlich der genannten Friedhöfe; so deuten bei Duar esch Schott in ziemlicher Menge gesammelte heidnische und christliche Grabinschriften (Delattre Bull. epigr. VI [1886] 142ff. CIL VIII Suppl. 12577ff.[1]) auf solche Gräber, und weiter südlich bei Bir Sema sind acht heidnische Gräber gefunden worden (Delattre Cosmos 1894, 248f. Audollent a. a. O. 192f. Babelon Carthage 126 XVI). am weitesten nach Süden zu liegt ein römisches Grab beim Eingang des alten Militärspitals von Le Kram (Delattre Notes archéol. [2219] X 18); auch im Norden, in La Marsa (Delattre Bull. épigr. III [1883] 297. VI [1886] 268) und Sidi bu Saïd (Delattre a. a. O. IV [1884] 27. VI (1886] 266), haben sich römisch-heidnische Gräber gefunden, aber nur isolierte oder Familiengräber. Es scheinen dort noch viele unter den Villen und Gärten zu liegen (Reinach in Tissot a. a. O. II 804).

Bei den christlichen Grabstätten begegnen wir ebenso der area (vgl. Tertullian. ad Scapulam 3 ,areae non sint! und Audollent a. a. O. 604 über den Zusammenhang von area und basilica wie den Einzelgräbern und Gräbergruppen; eine äußerlich wenig von der der officiales unterschiedene, wie diese von Mauern umgebene Begräbnisstätte, also eine richtige area (Audollent a. a. O. 189), entdeckte Delattre 110 m nördlich von Bir es Situn; sie ist jünger als die der officiales (über ihr Alter bezw. die Dauer ihrer Benutzung gehen Delattres und Audollents Meinungen auseinander; vgl. Audollent a. a. O. 190), die Gräber sind anders geformt, viele davon anepigraph (die Inschriften im CIL VIII Suppl. 14 124ff.). Die area liegt wie in Cherchel in der Nähe der heidnischen areae (über diese, wie es scheint, afrikanische Eigentümlichkeit vgl. Audollent a. a. O. 189 mit der Lit.) und ist wie diese intakt geblieben. Dicht daneben hat Delattre mit Mosaiken und Wandgemälden reich ausgestattete Thermen ausgegraben (Les Missions Catholiques [Lyon] 1883, 107ff.; Bull. épigr. III [1883] 293; Bull. arch. du Comité 1886, 227) und südöstlich davon, in der Nähe der Friedhöfe der officiales die prächtige ,Villa des Scorpianus‘, so genannt nach einer anfangs fälschlich auf den Besitzer und seine Villa bezogenen Mosaikinschrift Scorpianus in adamatu (CIL VIII Suppl. 12 589) Héron de Villefosse (Bull. des Antiq. de France 1900, 80ff.) deutete sie richtig auf den Kutscher des auf dem Mosaik dargestellten Viergespanns; gesichert wird diese Deutung durch eine in Hadrumetum gefundene tabella devotionis (Audollent Bull. arch. du Comité 1902, 417ff. mit Taf. L). Dann würde, nach Schulten (Arch. Anz. XVI [1901] 69) Adamatu(s) eines der Pferde, und zwar das linke Außenpferd, auf das alles ankam, bezeichnen. Eine weitere große, ebenfalls rechteckige area, ganz angefüllt mit Gräbern (die Inschriften im C. R. Ac. Inscr. 1906, 422ff. 1907, 188ff. 193ff.; vervollständigt in Revue Tunisienne XIV [1907] 405ff. mit Abb. 536ff. usw.) nebst einer geräumigen Basilika deckte Delattre in der Flur Msitefa (auf Bordys Plan als ,Area chretienne‘ bezeichnet) auf. Die in ihrer Gesamtheit von Südost nach Nordwest orientierte Basilika war so zerstört, daß er zunächst nur die Ähnlichkeit im Grundriß mit der von Damus el Karita feststellen konnte (C. R. Ac. Inscr. 1907, 118f.), spätere Grabungen ergaben doch noch mehr (a a. O. 516ff.; danach die Pläne und Schnitte auf Abb. 2113 und 2120 bei Leclercq a. a. O., der außerdem noch 11 Abbildungen der Grabungen bietet (2118/28; s. Mesnaye a. a. O. 9) Das ist umso erfreulicher, als wir es hier mit einer berühmten Basilika zu tun haben; Delattre fand nämlich 1907 (a. a. O. 193ff. mit Phot.; vgl. Revue Tunis. 1907, 405. Leclercq a. a. O. Abb. 2123/24) inmitten ihrer [2220] Ruinen den Marmorgrabstein und die Grabkapelle (confessio) der Heligen Perpetua und Felicitas und ihrer männlichen Genossen. Dadurch konnte sie als die basilica Maiorum (sc. arearum Petschenig in der Ausg. des Victor Vitensis gegen Halm; vgl. Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXI [1901] 207, 3) bestimmt werden, ,ubi corpora sanctarum martyrum Perpetuae atque Felicitatis sepultae sunt (Victor Vitens. de pers. Vand I 3, 9), und in der der hl. Augustinus öfters gepredigt hat (Sermon. 34. 165. 294; vgl. de gestis Pelagii XI 25; auch Sermon. 258 ist zu lesen: ,ad basilicam Maiorum [statt Maiorem]); sie hatte kein baptisterium. In der Nähe von ,Bab er Riah‘ (vgl. B I 7 a und b), in der Flur ,Damus el Karita‘ (der Name nach Schwarze Untersuchungen über die äußere Entwicklung der afrikanischen Kirche usw [Göttingen 1892] 38 und Stuhlfauth Röm. Mitt. XIII [1898] 293 vielleicht verdorben aus domus caritatis) hat Delattre 1883/85 eine große christliche Basilika aufgedeckt (sie scheint in ihrer Gesamtorientierung von Südwest nach Nordost der römischen Flurteilung, wie die vorhergehende, zu folgen, s. Bordys Plan; der Grundriß nach dem damaligen Grabungsergebnis im Cosmos 1892. 463, wiederholt z. B. von Babelon a. a. O. 167ff. CV; vgl. dazu Gsells Bemerkungen bei Audollent a. a. O. 173, 1; eine Ansicht in Carthage, Notes archéol. XVI 24, vier weitere Abb. 2131/33 gibt Leclercq a. a. O; die große Literatur verzeichnet Audollent a. a. O. 172ff. und Leclercq S. 2251 A. 3; vgl. Mesnaye a. a. O. 8). Das Gebäude bestand aus drei Teilen, der älteste wäre nach Delattre (La Tunisie 375) eine mit verschiedenfarbigen Mosaiken einst reich dekorierte Märtyrerkapelle von kleeblattartigem Grundriß (trichorum) , deren mittlere Apsis das Märtyrergrab barg (Brief Delattres vom 7./3. 1909 bei Leclercq a. a. O. S. 2257 A. 1). Sie verbindet ein halbkreisförmiger, in der Mitte offener, ringsum von einem Säulengange umgebener Hof (atrium; vgl. dazu Leclercq a. a. O. S. 2287) mit der eigentlichen Kirche; diese 65 ✕ 45 m große neun- bezw. elfschiffige Basilika ist ein gemischter Zentralbau von rechteckiger Gesamtanlage mit einem mittleren Kuppelbau über der 12,80 m im Quadrat messenden Vierung. Wegen dieser Anlage und wegen des Stils der Kapitelle möchte Gsell (Mélanges d’arch. et d’hist. XX [1900] 120) den Bau in die byzantinische Zeit, jedenfalls aber nicht früher als in das 5. Jhdt. ansetzen. Im Südwesten stößt an die Basilika eine zweite kleinere (34,75 ✕ 24,55 nach Leclercq S. 2258) Taufbasilika (baptisterium) mit einer sechseckigen piscina). Fast auf allen Seiten grenzen an diese Bauten Räume, die zum Teil erst 1911 ausgegraben wurden (die den Gesamtplan ergänzenden Grabungen Delattres bei Héron de Villefosse C. R. Ac. Inscr. 1911, 566ff. 1912, 458ff.; Revue archéol. XVIII [1911] 350ff.; danach der vervollständigte Plan bei Leclercq a. a. O. Abb. 2129). In den Ruinen und um sie herum sind viele Tausende Bruchstücke von christlichen Grabinschriften (vgl. dazu Reinach in Tissot a. a. O II 805. Audollent a. a. O. 174) und Hunderte, meist von Sarkophagen herrührender Basreliefs gefunden worden [2221] (Delattre La Tunisie 365). Die bedeutendsten Stücke darunter sind zwei Szenen aus der Kindheit Christi (Abb. bei Delattre Le Musée Lavigerie III Taf. 1. Héron de Villefosse Bull. arch. du Comité 1886, 220ff. Leclercq a. a. O. Abb. 2144/45), nach den einen (de Rossi, Héron de Villefosse, Delattre, Audollent) Arbeiten des 4. Jhdts., nach den andern (Cagnat-Saladin, Gsell, Diehl, Stuhlfauth) der Zeit Iustinians (die Literatur bei Audollent a. a. O. 654f., vgl. 174; Leclercq a. a. O. S. 2295f.). Aber unter den Tausenden von Inschriften hat sich leider keine gefunden, die den Namen der Basilika angäbe. Eine Zeitlang glaubte man, infolge unrichtiger Deutung eines in einem Nachbarraume gefundenen Mosaiks, das zur Ausschmückung von viel älteren Bädern - die Basilika steht wahrscheinlich auf dem Platz einer heidnischen Villa (Audollent a. a. O. 175. Leclercq a. a. O. S. 2260. 2287) - gedient hatte, in ihr die basilica Maiorum zu erkennen (die Literatur bei Audollent a. a. O. 174f. und Leclercq a. a. O. S. 2251 A. 3).

Reste von Einzelgräbern und Gräbergruppen der christlichen Zeit finden sich sowohl innerhalb der Mauern, bei den großen Zisternen von Bordsch Dschedid (Vernaz Revue archéol. X [1887] 151ff.) und um die Basilika von Dermesch (s. ,Tempel der Dea Caelestis‘ C I 2 b 14), wie außerhalb der Mauern. Von den vielen auf dem Bordyschen Plane fast im ganzen Umkreise der Mauern verzeichneten Stätten, wo entweder christliche Gräber oder christliche Grabinschriften entdeckt worden sind, sollen nur zwei genannt werden, weil sich hier die Gräber um Gebäude lagern, von denen das eine bestimmt, das andere wahrscheinlich ein christliches Heiligtum war: Die Spuren des letzteren fand Delattre am Kudiat Sater (Bull. arch. du Comité 1900, CXXXVIff.), das erstere liegt bei Bir Ftuha, wo Delattre Reste eines Baptisteriums (Ansicht, Grundriß und Schnitt nach Delattre gibt Leclercq a. a. O. Abb. 2114f.) und einer Basilika (s. den Bordyschen und den Leclercqschen [a. a. O. Abb. 2113] Plan) bloßgelegt hat, die er mit der einen Basilika des hl. Cyprianus (mensa; vgl. Audollent a. a. O. 500. 169ff. und besonders 176ff., wo er die ganze Frage nach Zahl und Lage der Basiliken dieses Heiligen treffend behandelt; s. Anhang b) auf dem ager Sexti (Acta. proc. 3. 5; vgl. Victor Vitens. a. a. O. 15, 16) identifizieren möchte (Delattre La Tunisie 374f.; Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XVI [1896] 480 hält das für recht unsicher). Daß es sich um eine Märtyrerkirche handelt, scheint aus einer Inschrift (CIL VIII Suppl. 14 237; vgl. Audollent a. a. O. 168 mit der Literatur und Leclercq a. a. O. S. 2229ff. XI) hervorzugehen.

Über die Formen der christlichen Gräber von der einfachen Grube an bis zum Sarkophage und der unterirdischen Grabkammer, über ihre chronologische Ordnung nach Gestalt und Größe der Inschriften und ihrer Buchstaben, besonders aber nach der Verschiedenbeit ihrer Fassung in den verschiedenen Jahrhunderten hat Delattre zusammenfassend gehandelt in L’epigraphie chrétienne a Carthage (Paris 1891; vgl. La Tunisie 363ff. und Leclercq a. a. O. S. 2288). Gegenüber [2222] seiner Theorie, dieser chronologischen Ordnung der Grabinschriften entspreche in großen Zügen die topographische Reihenfolge der christlichen Gräber von La Malga bis zum Meere (La Tunisie 364f), macht Audollent (a. a. O. 190, 1) gewisse Vorbehalte. (Über die jüdische, bezw. jüdisch-christliche Nekropole von Kamart am Dschebel Khawi s. ,Nekropolen der punischen Zeit‘ C II 17 a).

18. Vorstädte verzeichnet nur Tissots Plan (a. a. O. I zu 565). Vielleicht gehen auch diese Einzeichnungen auf Daux zurück, der wohl nur die im Westen der Stadt auf Falbes Plan (vgl. Recherch. 11) angegebenen Ruinenzüge, die, meines Wissens, nie untersucht worden sind, zu Vorstädten ausgebaut hat (vgl. die nr. 103, 107, 113 auf den beiden Plänen); dagegen haben sich vielleicht Spuren einer solchen Vorstadt aus römischer Zeit am Südufer der Sebkba er Riana (auch Sebkha de la Soukra genannt) im J. 1895 gefunden. Dort kamen zum Vorschein Reste eines kleinen Gebäudes nebst einigen Bruchstücken von Säulen und Kapitellen und einer Marmorstele mit der Weihinschrift: ,Saturno Palmensi Aquensi Aug(usto) sac(rum) usw. Auf Grund dieser Inschrift wollte Gauckler in dem Gebäude ein Heiligtum des (lokalen) Saturnus und in Palmae Aquenses den antiken Namen von La Soukra erkennen (Bull. des Antiqu. de France 1896, 187ff.; Bull. arch. du Comité 1897, 445ff.; Musée Alaoui S. 65. 86 Taf. XXI. Cagnat-Gauckler a. a. O. 90). Daneben fand Gauckler eine bedeutende Bewässerungsanlage, welche die Rinnsale der Hügel von Ariana (= Alianae? vgl. Audollent a. a. O. 312, 5; ähnlich Gauckler und R. Oehler [Berl. phil. Woch. XXV (1905) 1013]) sammelte, um sie durch noch vorhandene Kanäle nach La Marsa zu leiten. (Renault a. a. O. II 1, 27ff. mit Plänen und Abbildungen).

Anhang: Unbekannte Lokalitäten.

a) Der punischen Zeit. Einige in den punischen Inschriften erwähnte Tempel, die bis jetzt nicht nachzuweisen sind, sind bei Meltzer II 520, 20 aufgeführt. Dazu kommt eine von Delattre 1897 auf dem Ostende des Hügels von Bordsch Dschedid über der Nekropole nahe bei den Resten des Tempels der Ceres (s. C I 2 b 14) gefundene (C. R. Ac. Inscr. XVI [1898] 99ff.; vgl. Gsell Mélanges XIX [1899] 43f.), für die Topographie und Religionsgeschichte gleich wichtige Inschrift: Es ist die Weihinschrift bezw. Bauurkunde der Tempel (so ist der Wortlaut der Inschrift) oder (wie Berger [Musée Lavigerie I 33] will) des Tempels der Astarte und Tanit, der dort gelegen haben kann, möglicherweise auf demselben Platze, wo, wie Gsell nach den von Delattre gemachten Funden glaubt, sich in römischer Zeit ein Tempel der Gereres erhob (Mémoires des Antiqu. de France LVIII [1897] 1ff. Taf. V), aber ohne daß hier eine Kulttradition bestände; denn die zweite Göttin wird in der ersten Zeile der Inschrift als Tanit vom ,Libanon‘ bezeichnet (Kahrstedt III 12, 1). Dieser ,weiße Berg‘ ist wohl nicht in Syrien, sondern in Afrika, in der Nähe von K. zu suchen; vielleicht ist es der Name der den Tempel tragenden Höhe gewesen (Gsell Mélanges XIX [1899] 43f. XX [1900] 94ff.). Von ihm trennt Gsell (Mélanges XVI [1896] [2223] 447f. XVIII [1898] 90f. XX [1900] 94ff.) mit Recht den Tempel der Demeter und Kore: Nach Diodor (XIV 77, 5) wurde im J. 396, um einen bei der Belagerung von Syrakus an den Heiligtümern der Demeter und Kore verübten Frevel (XIV 70, 4) zu sühnen, von staatswegen die Verehrung der beiden Göttinnen nach griechischem Ritus in K. eingeführt, die angesehensten Bürger zu ihren Priestern ernannt und ihnen die geachtetsten der in K. ansässigen Griechen als Gehilfen beigegeben (Meltzer II 146f.; vgl. I 303f. Roscher Myth. Lex. s. Kora). Die Lage des Tempels (oder der Tempel) wird nicht angegeben. Beulé (Fouilles 44) suchte ihn fälschlich in dem kreisrunden Gebäude auf dem sog. Odeumhügel (Falbe nr. 70; s. ,Temple circulaire‘ o. C II 2 15 b).

Über zwei Tempel, die nach Diodor (XI 26, 2) zufolge des Friedensvertrags mit Gelon zur Niederlegung der Vertragsurkunden erbaut werden sollten, vgl. Dureau Recherches 96f. und Lupus Die Stadt Syrakus im Altertum 101; anders Melzer a. a. O. I 221.

b) Der römischen Zeit. Über die bisher nur aus Schriftstellernotizen und Inschriften bekannten Tempel handelt Audollent (a. a. O. 411f. V). über die Thermen (a. a. O. 312), über das Stadium (a. a. O. 313), über die horrea (a. a. O. 311f.), über das forum holitorium (a. a. O. 311). über die Kirchen und Klöster K.s (a. a. O. 176ff. 192. 285 und bes. 314ff. [847]; vgl. Leclercq a. a. O. S. 2283 XX 3. Mesnaye a. O. 11ff.), über die Vorstadt Aclas (a. a. O. 194. 842) und die Sommerresidenz der Vandalenkönige Alianae (a. a. O. 312, 5; s. o. C II 2 18), so daß an seinen Ausführungen nur wenig auszusetzen (vgl. R. Oehler a. a. O. 1012ff.) und ihnen nur wenig hinzuzufügen ist, z. B. Cagnat C. R. Ac. Inscr. 1913, 680ff. über einen Tempel der gens Augusta, Gsell Mélanges d’arch. et d’hist. XXI (1901) 206 über die basilica Tertulii, basilica Fausti und die basilica Novarum (sc. arearum); Traube Philol. LIV (1895) 124ff. Ziehen Philol. LXIII (1904) 363; ders. a. a. O. 364 über Aclas = Anclas, über Alianae u. a. m. Besonders mache ich aufmerksam auf Audollents (a. a. O. 176ff.; s. o. C II 17 b) Behandlung der Frage nach Zahl und Lage der Basiliken des hl. Cyprianus im Gegensatze zu den Ausführungen Lavigeries, Delattres (die Stellen bei Audollent a. a. O. 178, 4) und Monceaux‘ (Rev. archéol. XXXIX [1901] 183ff., abgedruckt in seiner Hist. litter. de l’Afrique chrétienne II 371ff.); noch einen weiteren und, wie es scheint, glücklichen Schritt zur Lösung hat Renault (a. a. O. II 1, 107ff.) neuerdings getan, indem er die areae Macrobii Candidiani procuratoris (Act. procons. 5. In C. Script. Eccl. Latin. III 3) und das palatium (Act. S. Maximil. mart. ed. Ruinart 311) bei nr. 72 des Falbeschen Planes (s. o. B I 7 b) sucht. Ob seine Ansetzung richtig ist, hängt u. a. davon ab, ob seine Deutung des Wortes palatium (nach Monceaux a. a. O. 375 A. haben die Ausgaben vor Ruinart statt dessen: ,platum) in dieser Stelle zutrifft. (Vgl. noch Leclercq a. a. O. S. 2261ff). Gegenwärtig ist Delattre dort in der Nähe von Sainte Monique mit der Aufdeckung einer siebenschiffigen christlichen [2224] Basilika von bedeutenden Abmessungen beschäftigt. Die Ausgrabungen ergaben bisher eine Menge von Architekturtrümmern sowie zahlreiche Bruchstücke von Inschriften, in der Mehrzahl Grabinschriften. Delattre möchte auf Grund der Namen in einigen dieser Grabinschriften in ihr eine der Basiliken des hl. Cyprianus sehen, die von den Vandalen in Besitz genommen wurden. Unter ihren Trümmern fand er einige heidnische Inschriften, von denen eine, eine Votivinschrift, einen Tempel der Securitas nennt. Über die Fragen, wo dieser Tempel lag, ob vielleicht die Basilika an seiner Stelle erbaut war und wie diese hieß, können erst weitere Grabungen die Entscheidung bringen (C. R. Ac. Inscr. 1915, 496ff.); s. die Nachträge.

Geschichte.
     I. Älteste Zeit. Aus der Gründungssage Karthagos, wie sie zuerst von Timaios berichtet und von Otto Meltzer (Geschichte der Karthager I 103ff.) besprochen ist, ergibt sich, daß die Stadt, deren Name קַרְהְ הַדַדַתְQart Ghadascht Neustadt bedeutet, von Tyros aus gegründet ist: dies wird durch viele Beziehungen, die noch in geschichtlicher Zeit zwischen beiden Orten bestanden, hinlänglich bestätigt (Meltzer Geschichte der Karthager II 149ff.). Über die Zeit ihrer Gründung gab es im Altertum hauptsächlich zwei genauere Angaben: die eine von Philistos setzte ihre Gründung ein Menschenalter vor Troias Fall, die andere auf Timaios zurückgehende bezeichnete 814/3 als Gründungsjahr (Meltzer a. a. O.). Wie weit beide voneinander abweichen, ist nicht auszumachen, da uns Philistos’ troische Epoche unbekannt ist: geschichtliche Gewähr besitzt keine von beiden. Nur soviel scheint festzustehen, daß K. als Landungsplatz auf der Rückfahrt von Gades (Tartessos) angelegt ward, weil gerade bis hier eine starke Strömung von den Säulen des Herakles an der nordafrikanischen Küste entlang führt (Meltzer I 88f.). Nun findet sich die älteste Erwähnung von Tarschisch (Tartessos) bei Jesaia im letzten Drittel des 8. Jhdts. (Beloch Gr. Gesch. I² 2, 252), so jedoch, daß damals schon ein längerer Verkehr bestanden haben mag: es ist also sehr wohl möglich, daß K. im Laufe des 8. Jhdts. gegründet worden ist und daß die alte Nachricht, Rom und Karthago seien gleichzeitig entstanden (Tim. frg. 21), sachlich immerhin das Richtige trifft. Nicht klar ist das Verhältnis zu den übrigen afrikanischen Kolonien der Phönizier, von denen wenigstens eine, Utika, der Überlieferung nach älter war und auch noch lange Zeit sich eine gewiße Selbständigkeit neben K. gewahrt zu haben scheint: noch im zweiten Vertrag mit Rom wird sie neben den Karthagern aufgeführt (Polyb. III 24, 1). Bei den übrigen, Hippo Diarrhytos. Hippo Regius, Groß- und Klein-Leptis, kann es zweifelhaft sein, ob sie unmittelbar vom Mutterlande oder von K. aus gegründet sind. Von den Gräbern der karthagischen Nekropole scheint keins über das 7. Jhdt. hinauszugehen (Beloch Gr. Gesch. I² 2 § 29).

Über den ersten Jahrhunderten der karthagischen Geschichte lagert tiefes Dunkel; die frühste wirklich historisch fixierbare Tatsache ist die Seeschlacht von Alalia im J. 535, in der Etrusker [2225] und Karthager gemeinsam die Flotte der Phokaier besiegten (Herod. I 165f.). Frühere Erwähnungen der Karthager sind meist zweifelhafter Natur, so ihre Teilnahme am Kampf gegen Pentathlos, der um Ol. 50 = 580/76 mit einer Schar von Auswanderern sich im Westen Siziliens festzusetzen suchte, aber von Elymern und Phöniziern zurückgeschlagen ward (Antioch. Syr. frg. 228 Müller = Paus. X 11, 3. Diod. V 9, 2). Nur Antiochos erwähnt die Phönizier, und damit brauchen keineswegs die Karthager gemeint zu sein; vielmehr können bei dieser rein örtlichen Unternehmung die Elymer sich ganz gut mit den phönizischen Bewohnern von Motye und Panormus verbunden haben. Auch die Kämpfe mit Massilia, die Thuk. I 13, 6 erwähnt, fallen schwerlich in eine frühere Zeit als die zweite Hälfte des 6. Jhdts., wie schon ihre Zusammenstellung mit dem Kampf der Ionier gegen Kyros und Polykrates’ Seeherrschaft zeigt. Auch Bias’ Vorschlag aus dem J. 545 scheint darauf hinzudeuten, daß Sardinien damals noch nicht von K. besetzt war (Herod. I 170). Es liegt also kein Grund vor, die Kämpfe des Malchos (so Vossius bei Iustin. XVIII 7, 2 u. 7, die Hss. haben Maleus und Maceus) in Sizilien und Sardinien mit Meltzer (Gesch. d. Karth. I 158ff.) um das J. 560 oder gar mit Ed. Meyer in den Anfang des 6. Jhdts. zu setzen: die von Iustin. XVIII 7 – XIX 1, 12 erzählten Ereignisse haben schwerlich mehr als einen Zeitraum von 50 Jahren vor der Schlacht am Himeras in Anspruch genommen. Vielmehr muß nach allem, waß wir wissen, die entscheidende Wendung in der Politik K.s, die es in raschem Siegeslauf zur Großmacht emporhob, nämlich die Aufnahme des Kampfes gegen die Griechen im Westmeer, kurz nach der Mitte des 6. Jhdts. eingetreten sein, und es liegt nahe, sie mit der Niederlage der ionischen Städte zusammenzubringen, die damals nach der Zerstörung des lydischen Reiches der Knechtschaft der Perser anheimfielen und deren Handel allmählich durch den phönizischen Wettbewerb ruiniert ward (vgl. Lenschau Klio XIII 1913, 181ff.): das erste Beispiel für den starken Einfluß, den die Geschichte des Ostens stets auf die Entwicklung ausgeübt hat. Zu diesem Abschnitt vgl. Gsell Histoire de l‘Afrique du Nord I 359-429.

II. Der Aufstieg zur Großmacht 546–480. Unmittelbar nach dem Siege von Alalia scheinen die Karthager unter Malchos in Sizilien eingegriffen und den westlichen Teil Siziliens unterworfen zu haben (Iustin. XVIII 7, 2ff.), dessen Phönikerstädte sich damals freiwillig oder gezwungen anschlossen. Es folgten Kämpfe in Afrika und Sardinien, bei denen Malchos ebenfalls die Führung hatte, bis er nach dem Versuch, sich der Herrschaft zu bemächtigen, gestürzt und hingerichtet ward. (Iustin. a. a. O.). Von seinem Nachfolger Mago wird nur berichtet, daß er das Heer neugeordnet und die Grenzen des Reiches erweitert habe (Iustin. XVIII 7– XIX 1, vgl. Meltzer a. a. O. 192ff.); erst seine Söhne Hasdrubal und Hamilkar nahmen die Eroberungspolitik im großen und damit den Kampf um Afrika und Sardinien wieder auf, wenn auch mit wechselndem Erfolg (Iust. XIX 1, 1–7). Das gleiche galt von dem Kampf auf Sizilien, der sich [2226] an den Zug des Dorieus anschloß, dessen Name wohl mit Pareti (Stud. sic. ed ital. 17, 3) bei Iustin. XIX 1, 9 Itaque Siciliae populi propter adsiduas Carthaginiensium iniurias ad ⟨Doricum⟩ Leonidae fratrem usw. einzusetzen ist. Immerhin muß sich die Herrschaft der Karthager um diese Zeit bereits über ein ziemlich weites Gebiet erstreckt haben: im ersten Vertrag mit Rom 508/7 erscheinen Afrika, Sardinien und ein Teil Siziliens bereits als karthagisches Herrschaftsgebiet, während die Fahrt nach Westen über das Schöne Vorgebirge hinaus ganz verboten wird (Polyb. III 22, 4. Literatur bei v. Scala Staatsverträge des Altert. I 29ff.). Wann K. diese westlichen Gebiete seiner Herrschaft unterworfen hat, ist nicht ganz sicher: es kann schon vor der Schlacht von Alalia gewesen sein (vgl. Meltzer I 163ff.). Erhalten sind uns nur abgerissene Notizen, Besetzung der Pityussen (nach Timaios bei Diod. V 16, 3 rund 160 Jahre nach Gründung K.s, also nach seiner Rechnung um 654/8), ferner Einnahme von Gades und Eroberung seines Gebiets (Iustin. XLIV 5, 2–3. Athen, περὶ μηχ. bei Wescher Poliorcetica p. 9. Vitruv. X 19). Diese spanischen Eroberungen, die im Osten etwa bis zum Cap de la Nao reichten (Meltzer I 480, 51), hätten also die Grundlage der karthagischen Macht gebildet.

Neben diesen Eroberungen her, teils um sie vorzubereiten, teils um sie zu sichern, ging aber ein System von Bündnisverträgen, wie das mit den Etruskern, von dem Arist. pol. III 9 p. 1280 a Kunde gibt: wahrscheinlich bestand es schon, als bei Alalia beide Völker den Phokaiern gegenübertraten, und wäre demnach das älteste dieser Bündnisse (Meltzer I 169ff. Ed. Meyer Gesch. d. A. II § 437. Busolt Gr. Gesch. II² 754). Weiter muß nach längeren Kämpfen ein solcher Vertrag mit Massilia zustande gekommen sein (Iustin. XLIII 5, 2, vgl. auch die übrigen bei v. Scala a. a. O. 26ff. gesammelten Stellen, aus denen hervorgeht, daß die Grenzen der beiderseitigen Einflußgebiete das Cap de la Nao bildete. Meltzer I 164). Das Bündnis mit Rom 508/7 ist bereits erwähnt; wahrscheinlich fällt ebenfalls in diese Zeit der Vertrag mit den Griechenstädten der Kyrenaika (Sall. Iug. 79. Meltzer I 184ff. und die Anm. 490ff.), und so stellt sich die Politik K.s in dieser Zeit als eine kluge Vereinigung kriegerischer und staatsmännischer Unternehmungen dar, die in ihrer Gesamtheit die Großmachtstellung K.s im westlichen Mittelmeer begründet haben. Bezeichnend ist, daß ein Abkommen mit den sizilischen Griechen nicht angestrebt ward: daraus ist ohne weiteres klar, daß K. schon damals diese Insel als das nächste Ziel für eine Ausdehnung des Reiches betrachtete und nur eine günstige Gelegenheit abwartete. Diese kam, als Xerxes’ Zug die Kräfte Griechenlands für eine Zeitlang lahm legte, und sofort begann K. den Angriff. Die alte Streitfrage, ob das Zusammentreffen der beiden Expeditionen ein rein zufälliges war, oder ob, wie zuerst Ephoros berichtet hat, geheime Abmachungen zwischen Persien und Karthago bestanden, ist schwer zu entscheiden (Meltzer I 204ff. und zuletzt Ed. Meyer LII 355f.). Sicher ist, daß die Verhältnisse in Sizilien, wo der Norden und der Nordosten der Insel [2227] unter Anaxilas und im Südwesten Selinus auf seiten der Karthager standen (Pareti a. a. O. 78–101), an sich zu einer Einmischung in Sizilien einluden, solange das Mutterland durch Xerxes’Zug in Anspruch genommen war. Und ebenso sicher ist es, daß die karthagische Politik stets genau über die Vorgänge im Osten orientiert war: auch 409 und 540 hat sie genau den Zeitpunkt erfaßt, in dem die dortigen Zustände ein Zufassen vorteilhaft erscheinen ließen, wie denn auch die Rolle des Hamilkar Rhodius (s. Hamilkar Nr. 3) an Alexanders Hof äußerst bezeichnend für diese Weitsichtigkeit der karthagischen Politik ist. Andrerseits wäre es lächerlich, das ist Meyer zuzugeben, die Möglichkeit einer Entente der beiden griechenfeindlichen Mächte, die eine Einkreisung der Hellenen bezweckte, völlig zu leugnen: dann aber hat diese Politik 540 und 409 ebensogut ihre Wirkung ausgeübt wie 480.

III. Der Kampf um Sizilien 480–241. Der erste große Angriff der Karthager auf Sizilien endete bekanntlich mit einer schweren Niederlage (s. Hamilkar Nr. 1): die Schlacht von Himera (wahrscheinlich Sommer 479, vgl. die umfassende Untersuchung von Pareti Stud. sicil. ed ital. 113–173) verleidete ihnen auf siebzig Jahre jeden weiteren Versuch. Die Zwischenzeit benützten sie zur Ausdehnung ihrer Herrschaft in Afrika, die in Grenzkriegen gegen Mauren und Numidei gesichert ward (Iustin. XIX 2, 1-4. Gsell I 463ff.). Wahrscheinlich damals sind auch die Libyer von neuem unterworfen und hiermit im Zusammenhang muß ihre Herabdrückung zu zinsbaren Unfreien erfolgt sein. Diese gab dann den Anlaß zur Bildung eines Großgrundbesitzerstandes in K., der von nun an wesentlich bestimmend in die Geschicke des Staates einzugreifen beginnt. Im Interesse dieses Standes lag eine Politik, die hauptsächlich auf Erhaltung des Friedens und Verteidigung des afrikanischen Landbesitzes ausging und sich daher naturgemäß denjenigen Bestrebungen entgegenstellte, die auf unbedingte Behauptung der Seeherrschaft und Erweiterung des Reiches gerichtet waren. An der Spitze dieser imperialistischen Partei aber stand das Haus des Mago, und es kann als ein erster Sieg der Gegner betrachtet werden, daß sie eine Beschränkung der Feldherrngewalt durch die Einsetzung des Gerichtshofes der 104 durchzudrücken vermochten (Iust. XIX 2, 5–6). Nach und nach scheint das magonische Haus von der Staatsleitung zurückgedrängt zu sein: der letzte, Giskon, lebte eine Zeitlang als Verbannter in Selinus (Diod. XIII 43, 5). Daß die herrschende Partei wenig Lust hatte, den Kampf um Sizilien wieder aufzunehmen, liegt auf der Hand; immerhin vermochte sie ihn nur soweit hinauszuschieben, bis ein Umschwung der Verhältnisse eine günstige Gelegenheit zu bieten schien (vgl. über diese Periode bes. Meltzer I 225ff.).

Diese Gelegenheit trat ein, als Athen, die Vormacht der Osthellenen, vor Syrakus jene entscheidende Niederlage erlitt, die ihren Fall nur zu einer Frage der Zeit machte; gleichzeitig mit Persien nahm auch K. die alten Angriffspläne wieder auf und erzielte unter Führung Hannibals gleich im ersten Jahr 409 solche Erfolge (s. Hannibal Nr. 2), daß man sich nun auch am Hofe [2228] von Susa zu energischerer Tätigkeit aufraffte: Frühjahr 407 erschien der persische Prinz in Sardes mit der ausgesprochenen Absicht, im Verein mit Sparta den Athenern den Todesstoß zu versetzen. Inzwischen hatten die Karthager weitere Eroberungen gemacht: unter Himilkons Führung (s. Himilkon Nr. 1) fielen von 408–405 fast alle Griechenstädte der Insel mit Ausnahme von Syrakus dem karthagischen Angriff zur Beute. Die Eroberung der Insel erschien nur als eine Frage der Zeit; da erfolgte der Rückschlag durch das Wirken des großen Dionys, der den weiteren Schritten K.s ein Ziel setzte. Immerhin blieb K. als Gewinn aus den wechselvollen vierzigjährigen Kämpfen im Frieden mit Dionys II. 366 doch der Besitz der sog. Epikratie, die im Norden bis Himera, im Süden bis zum Halykos (Diod. XV 17, 5) reichte (vgl. Meltzer I 249–314), ein Erfolg, mit dem sich die karthagische Politik zunächst zufrieden gab. Erst 25 Jahre später holte sie zum entscheidenden Schlage aus. Alles schien wohl vorbereitet: mit Rom hatte man ein neues Abkommen 348/7 getroffen (Polyb. III 24, 1ff.), in Unteritalien waren die letzten Trümmer der Herrschaft Dionys’ II. haltlos zusammengebrochen (346); Griechenland schien durch den Kampf Philipps gegen Athen lahmgelegt, und endlich hatte König Artaxerxes Ochos den letzten Rest der Aufstände in Ägypten im Laufe des Jahres 342 unterdrückt (Kahrstedt Forsch. z. Gesch. des ausgehenden 5. und 4. Jhdts. 1ff.). Drohend hing die Wolke eines persischen Angriffs über Hellas. Aber die Rechnung hatte ein Loch; unerwartet kam der Peloponnes dem bedrängten Sizilien zu Hilfe, und am Krimisos (339) sanken die Hoffnungen K.s in Trümmer. Nur die Epikratie ward behauptet (Meltzer I 315–331, vgl. Hamilkar Nr. 2).

Unter dem Eindruck der Niederlage kam in K. ein völliger Systemwechsel zustande (Meltzer I 359ff.). Eine zurückhaltende Politik empfahl sich zunächst durch die Vorgänge im Osten, die K. mit schärfster Aufmerksamkeit verfolgte (vgl. Hamilkar Nr. 3); aber auch als mit Alexanders Tod die Gefahr eines unmittelbaren Angriffs vorüberging, beharrte K.s Politik in derselben Zurückhaltung, ja sie scheint Agathokles’ Aufkommen sogar direkt begünstigt zu haben (Hamilkar Nr. 4). Der Angriff des Tyrannen verlangte dann allerdings bald eine starke Anspannung der Kräfte, aber auch diesmal begnügte man sich bald (306) mit einem Frieden, der die Grenzen der Epikratie sicherte (Meltzer I 410), hauptsächlich wohl, um zunächst Afrika, das durch Agathokles’ Kriegführung schwer mitgenommen war, wieder fest in die Hand zu bekommen. Aber auch sonst entbehrt die karthagische Politik in diesen Jahren jeder Schwungkraft; selbst nach dem Tode des Agathokles, als die Dinge so günstig wie möglich lagen, ließ man es in Karthago bei ziemlich schwächlichen Versuchen bewenden, die das Bundesanerbieten an Rom gegen Pyrrhos zeigt, das dann freilich abgelehnt ward (Meltzer II 228f.). Hätte K. damals die Mittel aufgewandt, die es später im Kampf gegen Rom notgedrungen ins Feld führen mußte, so hätte sich in den 25 Jahren nach Agathokles’ Tod wohl mehr als einmal Gelegenheit gefunden, die Insel [2229] zu unterwerfen. Von inneren Schwierigkeiten K.s in dieser Zeit verlautet nichts, und so erkennt man unschwer jene Politik des Friedens um jeden Preis, die in Handelsstaaten so leicht Platz greift und schließlich den rechten Augenblick verpaßt. Noch im Anfang des Krieges mit Rom erscheint diese Zauderpolitik: mit einer Ängstlichkeit, die grell von dem unbekümmerten Draufgehen der Römer absticht, vermeidet K. es, sich ins Unrecht zu setzen, und zweifellos hat es zuerst den Krieg nur lässig geführt, bis es schließlich durch die Verhältnisse gezwungen ward, seine ganze Kraft einzusetzen. Etwas begreiflicher wird das Verhalten K.s nur dann, wenn man mit Meltzer (I 415f. 530) das Vorhandensein eines Vertrages annimmt, wonach die Karthager auf jede Einmischung in Italien, die Römer auf Sizilien verzichteten. Die Annahme beruht auf dem Zeugnis des Philinos bei Polyb. III 26, 1, und auf dieselbe Sache scheint sich auch Liv. IX 43, 26 zu beziehen. Allein gegenüber dem ausdrücklichen scharfen Widerspruch des Polybios wird man die Angabe des Philinos fallen lassen müssen (so auch Niese Grundr. d. röm. Gesch.⁴ 99; anders Ed. Meyer S.-Ber. Berl. Akad. 1913, 709, 2); höchstens kann es sich um ein stillschweigendes Abkommen gehandelt haben. Kann also von einem Vertragsbruch Roms nicht die Rede sein, so wiegt die unbegreifliche Leichtfertigkeit um so schwerer, mit der man auf karthagischer Seite in den Krieg hineintrieb. Außer dem mißglückten Unternehmen zum Entsatz von Akragas 261 haben die Karthager in den ersten Jahren des Krieges nichts geleistet und nur die Epikratie leidlich geschützt; erst als Regulus’ Angriff Afrika bedrohte und mit Panonnos das Bollwerk der Epikratie gefallen war, raffte man sich zu energischen Anstrengungen auf, die aber nur in Afrika zum Erfolg führten, während in Sizilien der Sieg des Metellus alle Hoffnungen auf die Wiedergewinnung von Panormos vernichtete (s. Hamilkar Nr. 6); Hannibal Nr. 3; . Jetzt freilich, als man auf den äußersten Westen der Insel angewiesen war, entwickelte sich unter Führung tüchtiger Generale, wie Himilkon (Nr. 3). Adherbal (Nr. 1) und vor allem Hamilkar Barkas (Nr. 7) die ganze Zähigkeit des punischen Widerstandes. Allein sie vermochten alte Sünden nicht wieder gut zu machen und das einmal verlorene Gelände nicht wiederzugewinnen; als am 10. Mai 241 die letzte Entscheidung zur See fiel, schloß K. Frieden und überließ die langumstrittene Insel den Römern als Kampfpreis (vgl. Meltzer II 252–356; Beloch Gr. Gesch. III 1, 674ff. 2, 231ff.).

IV. Der Entscheidungskampf um die Herrschaft im Westmeer. Ob die finanzielle Erschöpfung K. zum Frieden gezwungen hat, muß dahingestellt bleiben: nach den Leistungen, deren es in den folgenden Jahren noch fähig war, sieht es nicht so aus, und so stellt sich der Friede eher als das Werk der Großgrundbesitzerpartei dar, die auch zunächst am Ruder blieb; das lassen die anfängliche Zurücksetzung Hamilkars im Söldnerkrieg und die Hartnäckigkeit, mit der ihr Führer Hanno trotz seiner militärischen Unfähigkeit im Amte gehalten ward, deutlich erkennen (vgl. Hanno Nr. 14). Allein [2230] das brutale Vorgehen Roms und die dadurch erzwungene Aufgabe Sardiniens haben einen vollständigen Umschwung in der Politik K.s zuwege gebracht, der sich schon rein äußerlich darin kundgibt, daß von 237–201 unverändert die Kriegspartei unter Führung der Barkiden die Leitung des Staates innegehabt hat. Durch den Ausgang des Krieges war die römische Macht dem Mittelpunkt des karthagischen Reiches in sehr bedrohliche Nähe gerückt, und es galt für K. diesen Schlag zu parieren, wozu eine Verstärkung der Flotte das naheliegendste Mittel gewesen wäre. Merkwürdigerweise ist man in K. diesen Weg nicht gegangen, sondern hat die Flotte verfallen lassen, die im 2. Punischen Kriege überhaupt keine nennenswerte Rolle spielt. Offenbar zog man aus dem abgelaufenen Kriege die Lehre, daß die Flotte allein nicht zur wirksamen Bekämpfung des Feindes genüge, sondern daß es dazu in erster Linie der Landstreitkräfte bedürfe, mit andern Worten, daß man sich ein mindestens ebenso ausgedehntes Bundesgenossengebiet, wie es Rom in Italien besaß, sichern müsse, um der Rivalin entgegentreten zu können. Den Vater dieses Gedankens wird man in Hamilkar Barkas sehen dürfen, aber es muß ihm gelungen sein, seine Überzeugung der Mehrzahl der Bürgerschaft einzupflanzen, die ohne Schwanken mit ihm und seinem Hause bis zum bitteren Ende durchgehalten hat; nur so läßt sich die Vernachlässigung der Flotte, dieser karthagischen Nationalwaffe, erklären, und nicht etwa aus den unzureichenden Mitteln des Staates, der die Land- und Seerüstung gleichzeitig zu tragen nicht imstande gewesen wäre. Daß nebenbei die neue Politik auch weiten Kreisen der handeltreibenden Bevölkerung durch Erschließung neuer Absatzgebiete Vorteil brachte, liegt auf der Hand, und andrerseits war man eifrig bemüht, das Hauptinteressengebiet der Gegenpartei, den afrikanischen Landbesitz, auf alle Weise zu sichern. Nach dieser Seite hin haben die Barkiden sich nichts zu schulden kommen lassen, wie die andauernde Aufmerksamkeit beweist, die sie den Zuständen des afrikanischen Reiches zuwandten: Hamilkar hat durch Hasdrubal von Spanien aus einen afrikanischen Aufstand niedergeschlagen (Diod. XXV 14), und die Sorgfalt, mit der Hannibal bei seinem Abzug auf die Sicherung Afrikas bedacht war, ergibt sich aus den umfassenden Truppenverlegungen, die er damals vornahm (Polyb. III 33, 7ff.). Noch Hasdrubal hat trotz schwerer eigener Bedrängnis in Spanien keinen Augenblick gezögert, 214/3 persönlich in Afrika einzugreifen und dort die Ruhe wiederherzustellen (Liv. XXIV 48, 2. Appian. Iber. 14. 15). So gelang es eben doch den Barkiden, in dem Volke jenen einheitlichen Kriegswillen zu erzeugen, der diesmal tatsächlich bis zur völligen Erschöpfung durchgehalten hat, wie Hannibal selber anerkennen mußte. Überblickt man aber diesen Zusammenhang, so wird man im letzten Grunde doch wieder Polybios recht geben müssen, der Hamilkars Haß und den Raub Sardiniens als die eigentlichen Ursachen des Krieges bezeichnet. Hamilkars Gedanke war von vornherein auf den Rachekrieg angelegt, aber erst die Erbitterung über jene Gewalttat hat das karthagische Volk seinen Plänen geneigt gemacht (vgl. über diese [2231]

Zusammenhänge Meltzer II 392–456. Kahrstedt Gesch. d. Karth. III 1ff. Ed. Meyer Über die Urs. d. 2. pun. Kr., S.-Ber. Akad. Berl. 1913, 688–712).

Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß der eigentliche Anlaß des Krieges von den Römern ausgegangen ist, die von Anfang an die Entwicklung der Dinge in Spanien mit aufmerksamem Auge verfolgten. 231 erschien eine römische Gesandtschaft bei Hamilkar, die aber wohl nur den Auftrag hatte, Kenntnis vom Stande der Dinge zu nehmen (Cass. Dio frg. 48, vgl. Meltzer II 402f. 593). Wahrscheinlich fünf Jahre später kam im J. 226 eine zweite Gesandtschaft, die in freundlicher Verhandlung (Polyb. II 13, 6) mit Hasdrubal den sogenannten Ebrovertrag schloß, in dem Hasdrubal sich verpflichtete, den Ebro nicht in feindlicher Absicht zu überschreiten; stillschweigend lag darin das Versprechen der Römer, ebenfalls die Ebrogrenze zu respektieren, und insofern bot das Abkommen den Karthagern einen nicht zu unterschätzenden Vorteil (Polyb. II 13, 7. 22, 9). Denn daß in diesem Vertrage bereits Sagunt und andere römische Bundesgenossen ausgenommen seien, ist eine später zugunsten der Römer unternommene Fälschung der Überlieferung, die gegenüber dem klaren Zeugnis des Polybios nicht aufrechterhalten werden kann (Meyer a. a. O. 693, 3. 696, 2 gegen Laqueur). Ob nun die Römer damals infolge des drohenden Keltenkrieges zum Nachgeben bereit waren (Polyb. a. a. O.), oder ob bei ihnen, was nicht unmöglich ist, geographische Unkenntnis über die Größe des K. überlassenen Gebietes vorhanden war: jedenfalls bemächtigte sich ihrer, nach der glücklichen Beendigung des Keltenkrieges, die Überzeugung, Hasdrubal zu weit entgegengekommen zu sein, und in echt römischer Unbekümmertheit knüpften sie die bekannten Verhandlungen mit Sagunt an, obwohl diese dem Sinne des Ebrovertrages schnurstracks zuwiderliefen. Daß sie damit letzten Endes den Krieg entfesselte, ist der römischen Kriegspartei zweifellos klar gewesen, aber es kam ihr nur auf einen populären Kriegsgrund an; in richtiger staatsmännischer Einsicht wollte sie den Krieg in diesem Augenblick, ehe die karthagische Herrschaft in Spanien völlig in sich gefestigt war. Darin aber kam ihr der Wille Hannibals entgegen, der eben die Erwerbung Spaniens bereits für genügend gesichert gehalten haben muß. Daher griff er Sagunt an und versetzte dadurch sein Volk und seine Regierung in eine derartige Lage, daß beide den Krieg annehmen mußten, wenn sie sich nicht selber aufgeben wollten. Der Erfolg hat dann freilich gezeigt, daß nicht Hannibal, sondern die Römer richtig gerechnet hatten (Meyer a. a. O. 711 f., vgl. auch Kromayer Hannibal als Staatsmann, Hist. Ztschr. CIII 1909, 237–273).

Über den Verlauf des großen Krieges im einzelnen s. d. Art. Hannibal Nr. 8 und Hasdrubal Nr. 7, zu denen jetzt fortlaufend Kahrstedt Gesch. d. Karthager III 141–575 zu vergleichen ist. Was die Ursachen des Ausgangs betrifft, so ist zunächst mit der landläufigen Vorstellung zu brechen, als habe die karthagische Regierung, wie beim ersten Zusammenstoß mit Rom, den Krieg nur lässig geführt und nicht [2232] sämtliche Machtmittel ins Feld geführt, die der Republik zu Gebote standen. Das hat Kahrstedts Darstellung erwiesen (vgl. insbes. III 570), und selbst wenn es sich ergeben sollte, daß er, wie ich glaube, diese Machtmittel zu gering einschätzte, so ist doch K. so weit gegangen, wie ihm der Selbsterhaltungstrieb irgendwie zu gehen verstattete. Auch die Massen wußten, daß es diesmal ums Ganze ging, und das wird auch der Grund gewesen sein, weshalb K. 205 nicht den Frieden nachsuchte, als er auf Grund der Anerkennung des afrikanischen Besitzstandes noch möglich gewesen wäre (Polyb. XV 8, 4. Meyer a. a. O. 702, 1). Auch konnte niemand ahnen, daß Syphax’ befreundete und scheinbar so fest gegründete Macht so plötzlich zusammenbrechen würde. Dennoch trägt die Regierung an dem unglücklichen Ausgang die Hauptschuld, weil sie ihre Kräfte in der unverantwortlichsten Weise zersplitterte, anstatt sie in erster Linie zur Unterstützung Hannibals zu verwenden (s. o. Bd. VII S. 2347. Kahrstedt III 571f.), und das beweist meines Erachtens unwiderleglich, daß Hannibal doch nicht die Zentralleitung fest in der Hand hatte, sondern daß seine Partei daheim stark mit dem Einfluß widerstrebender Kräfte zu rechnen hatte. Weiter aber war, und darin hat sich auch Hannibal getäuscht, das spanische Reich K.s bei weitem nicht so fest gefügt, wie die italische Eidgenossenschaft: von welch einschneidender Bedeutung für den Verlauf des Krieges der Entschluß P. Scipios’ war, trotz der Invasion Italiens das Heer unter seinem Bruder nach Spanien zu schicken, hat Kahrstedt in 382ff. gezeigt. Dazu kamen endlich jene Vorgänge in Afrika, auf deren Wichtigkeit ich o. Bd. VII S. 2347 hingewiesen habe und bei denen uns unsere Kenntnis fast vollständig im Stich läßt, die Entwicklung unabhängiger ausgedehnter Staatengebilde unter den Eingeborenen, wie es Kahrstedt treffend bezeichnet hat (III 2f.), die der Ausdehnung K.s auf dem Festlande Schranken setzten. Das Zusammenwirken dieser ungünstigen Umstände mit der gewaltigen Kraftentwicklung Roms hat auch das Feldherrngenie Hannibals nicht zu überwinden vermocht, dem mir Kahrstedt in seiner Beurteilung nicht ganz gerecht geworden zu sein scheint (III 5731, vgl. o. Bd. VII S. 2348).

V. Der Ausgang des karthagischen Staates. Der Friedensschluß von 201 (Liv. XXX 37) hat K. nicht nur aus der Reihe der Großmächte gestrichen, sondern auch die schwersten wirtschaftlichen Schädigungen im Gefolge gehabt, unter denen der Druck der auf 50 Jahre verteilten Kriegsentschädigung von 10 000 Talenten noch nicht einmal der schlimmste war. Denn wenn auch natürlich Spanien und Afrika immer noch als Märkte in Betracht kamen, so war doch die auf der politischen Herrschaft beruhende Monopolstellung dahin; man mußte mit auswärtigem Wettbewerb rechnen, und es wird der karthagischen Industrie nicht leicht geworden sein, sich darauf einzustellen. Merkwürdig ist, daß auch jetzt noch die Masse der hauptstädtischen Bevölkerung bei der Barkidenpartei ihre Interessen am besten gewahrt sah; denn auch nach dem Frieden scheint sie am Ruder geblieben zu

[2233] sein, und so viel ist richtig, daß die Großgrundbesitzer durch den Ausgang des Krieges am wenigsten gelitten hatten, da Rom das Landgebiet in Afrika, die Quelle ihres Reichtums, der Republik ungeschmälert belassen und sie dadurch sofort auf ihre Seite gezogen hatte. Demgemäß erscheint Hannibal an der Spitze des Staates. Seine erste Aufgabe war, wieder Frieden im Lande herzustellen, und diese erfüllte er in den unmittelbar folgenden Jahren, bis eine römische Gesandtschaft im J. 200 seine Abberufung erzwang (Nep. Hann. 7, 4). Aber auch so blieb er der erste Mann des Staates: wahrscheinlich 197 ward er zum Suffeten gewählt (Nep. Hann. a. a. O.; die Stelle ist allerdings in Unordnung, dem Sinne nach würde etwa huc ut rediit rex factus est, postquam imperator fuerat, anno secundo vicesimo, wobei dann der Beginn des Krieges 218 als Ausgangspunkt gewählt wäre, zu lesen sein). Als Suffet nahm Hannibal eine Reihe verfassungsmäßiger und finanzieller Reformen vor (Liv. XXXIII 46–47 Nep. Hann. 7, 5; vgl. Kahrstedt a. a. O. 585ff.), die ihm den Haß der Aristokratenpartei zuzogen, und diese war jämmerlich genug, Roms Intervention anzurufen. Sie erfolgte prompt, und unmittelbar darauf; 196 (so Niese Grundr. d. röm. Gesch.⁴ 132, 1 nach Nep. 7, 6 M. Claudio L. Furio coss., Meltzer II 105 und Kahrstedt 584, 1, 195 nach Liv. XXXIII 47ff.), verließ der größte Sohn K.s seine Vaterstadt für immer. Die Gegenpartei hatte das Feld behauptet; sie vereitelte natürlich den Versuch Hannibals, K. in den Krieg mit Antiochos hineinzuziehen (Nep. Hann. 8. Liv. XXXIV 61f, beide zum J. 193), und stellte sogar in unnötiger Liebedienerei den Römern Schiffe zur Verfügung (Liv. XXXVI 42, 1, vgl. Kahrstedt 607, 4). Immerhin hob sich der Wohlstand des Staates: bereits 191 konnte man den Römern die sofortige Auszahlung des Restes der Kriegsschuld anbieten (Liv. XXXVI 4, 7, vgl. dazu Kahrstedt a. a. O. 1351), und auch sonst scheint sich K. infolge der Entwicklung seines Hinterlandes, die der großartigen Wirksamkeit Massinissas zu verdanken war, wieder etwas gehoben zu haben; wenigstens beginnt in den ersten Jahrzehnten des 2. Jhdts. eine allmähliche Punisierung des Hinterlandes, wie sie bis dahin nicht zu beobachten ist (Kahrstedt 597ff.).

Dafür verschlechterte sich die politische Lage K.s zusehends. Schon bald nach dem Frieden hatten die Grenzstreitigkeiten mit Massinissa und seine Übergriffe auf karthagisches Gebiet begonnen; die Vorstellungen, die K. deswegen in Rom erhob, hatten nur selten Erfolg, wie das eine Mal 172, als man in Rom unter dem drohenden Eindruck des Krieges gegen Perseus stand (Liv. XLII 23f., vgl. 29, 8f.). Nach Pydna vollends hatten die Römer keinen Grund mehr, irgendwelche Rücksicht zu nehmen; Massinissas Übergriffe wurden immer zahlreicher, und jede Beschwerde in Rom führte nur zu neuen Demütigungen. Stück für Stück vom karthagischen Landgebiet ging verloren, und dabei litt natürlich in erster Linie der karthagische Großgrundbesitz (Kahrstedt 591ff.). Ob Massinissa dabei eine allmähliche Einverleibung K.s im Sinne hatte, [2234] das er zur Hauptstadt eines großnumidischen Reiches machen wollte, wie Kahrstedt vermutet hat, muß mangels sicherer Nachrichten dahingestellt bleiben; wirtschaftlich bot der Plan jedenfalls sehr große Vorteile, und so begreift man, daß sich in K. selbst, neben den beiden alten Parteien, noch eine Massinissapartei bildete, als deren Führer Hannibal ὁ ψάρ genannt wird (s. Hannibal Nr. 11. Kahrstedt 611ff.). Allein gegen diese Bestrebungen sträubten sich doch die glänzenden Überlieferungen der ehemaligen Königin der Meere; wir hören, daß nach schweren Kämpfen Hannibal ὁ ψάρ nebst seinem Anhang aus der Stadt vertrieben ward und zu Massinissa flüchtete (151 nach App. Lib. 68–70). Damit war für diesen der Kriegsfall gegeben, im Frühjahr 150 rückte er in karthagisches Gebiet ein, wo ihm ein karthagisches Heer von etwa 60 000 Mann entgegentrat. Unter den Augen Scipios, der als römischer Kommissar zugegen war, erfocht der alte Massinissa seinen letzten großen Sieg, der mit völliger Vernichtung des feindlichen Heeres endete (Appian. 71f.). In seiner Verzweiflung wandte sich der Staat nach Rom, allein die ausweichende Antwort, die er erhielt (Diod. XXXII 3), zeigte bereits, daß man hier die Vernichtung der Stadt plante, die 151 gerade die letzte Rate der Kriegsentschädigung gezahlt hatte. Wenigstens in Afrika ward die Sache so aufgefaßt: im Winter 150/49 fiel Utika ab, sich auf diese Weise die Gunst Roms und die Ernennung zur zukünftigen Provinzialhauptstadt sichernd.

Noch einmal versuchte der unglückliche Staat, sein Schicksal zu wenden. Eine karthagische Gesandtschaft ging nach Rom, um die Deditio anzubieten, aber als sie ankam, war der Krieg schon beschlossen: die Consuln standen bereits mit Heer und Flotte in Lilybaion. Dennoch ward die Deditio angenommen unter der Bedingung, sofort 300 Geiseln nach Lilybaion zu schicken. Dies geschah, trotzdem landeten die Consuln mit 84 000 Mann in Utika (Frühling 149) und verlangten zunächst die Entwaffnung der Stadt; erst als diese vollendet war, gaben sie Befehl, den Entscheid des Senates einzuholen. Er lautete auf Zerstörung der Stadt und Ansiedlung der Bewohner in offenen Dörfern 15 km. vom Meere entfernt (Polyb. XXXVI 3–7. Diod. XXXII 8. Appian. 75–76). Da loderte der Widerstand der schmählich betrogenen Stadt auf; der Rat beschloß den Krieg, und stellte mit letzter Kraftanstrengung ein Heer unter Hasdrubal ins Feld; ein zweiter Hasdrubal, ein Enkel Massinissas, übernahm die Verteidigung der Stadt; fieberhaft wurde Tag und Nacht gerüstet. Als die Consuln Censorinus und Manilius im Sommer 149 vor die Stadt rückten, fanden sie diese zum äußersten Widerstand entschlossen. Ein Angriff, den sie von zwei Seiten unternahmen, mißlang vollständig (Appian. 97–99J, und ebensowenig hatte Manilius mit seinen Unternehmungen im Winter 149/8 Glück; nur der jüngere Scipio, der als Tribun im Heere diente, rettete die römische Waffenehre und bewahrte das Heer vor schwereren Verlusten. Auch die Consuln für 148, L. Piso und L. Mancinus, vermochten nichts auszurichten (Diod. XXXII 13. Appian. 110ff. Zonar. IX 29, 1); nicht einmal Hippo Diarrhytos vermochten sie einzunehmen, [2235]

und ein Handstreich, den Mancinus noch kurz vor Ablauf seines Kommandos unternahm und der ihn bis in die Megara, die Nordvorstadt K.s führte, hätte fast mit einer Katastrophe des eingedrungenen Heeres geendet (Zonar. IX 29, 3). In K. hatte inzwischen Hasdrubal seinen Namensvetter, den Enkel Massinissas, durch einen Aufstand aus dem Wege räumen lassen und führte die Verteidigung mit Energie und Geschicklichkeit.

Eine Wendung trat erst ein, als im Frühling 147 Scipio Aemilianus die Leitung des gänzlich verfahrenen Krieges übertragen ward. Scipio stellte zunächst die Manneszucht, die infolge der elenden Kriegführung schwer gelitten hatte, wieder her und sperrte dann die Stadt von der Landseite völlig ab. Im Herbst folgte die Absperrung zur See durch einen gewaltigen Damm, dessen Fertigstellung die Karthager vergeblich durch überraschende Flottenangriffe zu verhindern suchten. Sofort begann der Hunger in der belagerten Stadt zu wüten; Hasdrubal, der den Anerbietungen der Römer gegenüber fest blieb (Polyb. XXXVIII 1. Diod. XXXII 22), vermochte nicht zu hindern, daß das letzte noch draußen im Felde stehende Heer der Republik bei Nepheris vernichtet ward. Dann kam die Entscheidung: durch nächtlichen Angriff gelang es C. Laelius, den Kriegshafen zu nehmen und von hier in die Stadt eindringen. In furchtbarem, sechstägigem Straßenkampf arbeiteten sich die Römer bis zur Burg vorwärts, wo sich der Rest der Verteidiger zum letzten Widerstand sammelte. Am siebenten Tage kapitulierte die Burg; nur die Überläufer, die keine Gnade zu erwarten hatten, kämpften im Tempel des Ešmun bis zuletzt und gingen in den Flammen zugrunde. (Polyb. XXXIX 4. Diod. XXXII 23. Appian. 129ff. Zonar. IX 30). Die Stadt ward völlig zerstört; die übriggebliebenen Einwohner – Polybios schätzte sie auf 50 000 – wurden verkauft, Afrika ward römische Provinz (vgl. Kahrstedt a. a. O. 638–663).

VI. Staatsverfassung und Staatsverwaltung. Die Hauptstelle über die Verfassung K.s findet sich bei Arist. pol. II 11 p. 1272 b - 1273 b; leider hindert uns unsre lückenhafte Kenntnis der Zustände, die Bemerkungen des Aristoteles ihrem Inhalt nach voll auszuschöpfen. Polyb. VI 51ff. bietet verhältnismäßig wenig; was sonst sich noch an zerstreuten Nachrichten findet, hat Meltzer Gesch. d. K. II 1ff. zusammengefaßt; Neues ist seither nicht viel hinzugekommen. An der Spitze des Staates standen zwei Suffeten, ursprünglich wohl Richter, wie der Name besagt, aber in den Zeiten, in denen wir Genaueres wissen, die höchsten Exekutivbeamten des Staates. Das Amt war ein Jahresamt, nicht lebenslänglich, wie man früher glaubte Meltzer a. a. O.), oder gar erblich, wie man aus dem häufigeren Vorkommen von Mitgliedern derselben Familie geschlossen hat (vgl. Kahrstedt a. a. O. 69). Häufig, besonders in älterer Zeit, war das Amt mit dem Oberbefehl im Kriege verbunden: diese Stellung erschien dann den Griechen so bedeutend, daß sie den Inhaber als βασιλεύς bezeichneten. Auch die römischen Quellen verwenden öfter die Bezeichnung rex, zuweilen mehr der ursprünglichen Bedeutung des Suffetenamts [2236] entsprechend den Namen praetor; doch können wir die Gerichtshoheit der Suffeten nicht mehr umschreiben. Indessen scheint in den langen Kämpfen von etwa 520–300 sich der Charakter des Amtes einigermaßen geändert zu haben; wenigstens finden wir in dieser Zeit erst das Haus Magos, dann das Haus Hannos d. Gr. dauernd in Besitz der Königswürde. Erst zwischen 300–275 ist der alte Zustand wiederhergestellt, wozu vielleicht der Staatsstreich Bomilkars den Anlaß gab (Beloch Die Könige von Karthago Klio VII [1907] 19–28).

Die eigentliche Regierung lag in den Händen des Rates, σύγκλητος bei Polybios, dessen Mitglieder nach Delattres Vermutung den Titel an רב‎ auf Inschriften führen; in seinen Sitzungen, denen einer der Suffeten präsidierte, wurden die wichtigsten Beschlüsse (Kriegsbeschluß 218 und 149) gefaßt. Vielleicht bestand er (nach Meltzer a. a. O.) ursprünglich aus 100 Mitgliedern, von denen 10 den engeren Ausschuß bildeten; aber schon im 5. Jahrhundert findet sich die Zahl von 300, von denen dann 80 den engeren Rat bildeten: beide unterscheidet Polybios als σύγκλητος und γερουσία (vgl. Polyb. X 18, 1 [aus 209]. XXXVI 4, 6 [aus 149]. Liv. XXX 16, 3 im Jahre 203). Fraglich ist, ob in die Gerusie, wie in Sparta die Könige, auch die Suffeten eingeschlossen waren oder nicht. Der Rat bestand wohl aus lebenslänglichen Mitgliedern, die von den vornehmsten Familien gestellt wurden, bei dem engeren Ausschuß nimmt Meltzer (a. a. O. 45) jährliche Wahlen an. In den Fällen, wo der Senat und die Suffeten nicht übereinstimmten, traf das Volk die Entscheidung (Arist. a. a. O. 8, 3. Diod. XIV 47, 21, 39, 7. Polyb. XV 1, 25), doch lag es wohl im Interesse der Regierung, diese Entscheidung nicht allzuoft anzurufen: daher trug die Staatsform, nach allem was wir wissen, ein entschieden oligarchisches Gepräge. Indes scheint nach Polyb. VI 51, 6 im letzten Jahrhundert eine Verschiebung nach der demokratischen Seite hin eingetreten zu sein. Dem Volk gehörte auch die Ämterwahl, wobei Bestechungen an der Tagesordnung waren (Arist. a. a. O. Polyb. VI 56, 4). Eine besondere Stellung nahm der Staatsgerichtshof der 104 ein, ursprünglich um die Mitte des 5. Jhdts. eingesetzt (Iustin. XIX 2, 5–6), um die Rechenschaft der Feldherrn und vielleicht andrer Beamten entgegenzunehmen; da Arist. sie c. 8, 2 den Ephoren vergleicht, so darf man wohl auch die den Feldherrn zur Überwachung beigegebenen vornehmen Karthager als Mitglieder dieser Behörde betrachten (Meltzer 51f.). Wie sie sich ergänzte, ist nicht ganz klar, nach Iustin wurden die Mitglieder aus dem Rat, nach Arist. a. a. O. ἀριστίνδην gewählt, was zusammen paßt, aber allerdings bei 300 Ratsmitgliedern eine nur sehr beschränkte Auswahl gestattete; andrerseits traten nach Liv. XXXIII 46, 3 gewesene Beamte in sie ein, die ja aber auch schon vorher dem Rat als solche angehört haben können. Das Amt war mehrjährig wenn nicht lebenslänglich; die Reform Hannibals 197, der jährliche Neuwahl durchsetzte, wird seinen Sturz schwerlich überlebt haben. Über die Pentarchien, die nach Aristoteles eine wichtige Rolle im Staate spielten (c. 8, 4), wissen wir so gut wie [2237] nichts. Von den Beamten waren die bedeutendsten die Feldherrn, bei denen zur Barkidenzeit dem Heere, d. h. den karthagischen Bürgern in ihm, eine Art Vorwahl zugestanden zu haben scheint; während ihrer Amtsführung wurden sie beaufsichtigt und mußten nachher Rechenschaft ablegen, wobei öfter von Todes- oder Geldstrafe die Rede ist. Erwähnt werden außerdem ein quaestor (Liv. XXXIII 46, 3ff.) und ein praefectus morum Nep. Ham. 3, 2, dessen Vorhandensein allerdings sehr zweifelhaft ist (Meltzer a. a. O. 73). Allgemein war es Sitte, mehrere Ämter in einer Hand zu vereinigen (Arist. a. a. O. c VIII 8).

VII. Handel, Industrie, Finanzen. Zu einem Handelsplatz ersten Ranges ist K. schon durch seine Lage auf der Grenze zwischen West-und Ostbecken des mittelländischen Meeres bestimmt, die es zum natürlichen Austauschplatz der Erzeugnisse beider Kulturkreise macht. Dabei kam der Stadt die von ihr verfolgte Handelspolitik zugute, die allmählich im Laufe des 6. Jhdts. die von ihr politisch beherrschten Länder gegen jeden fremden Handelsverkehr abschloß: von den Philaenenaltären und Sardinien nach Westen bis zu den Säulen des Herakles und darüber hinaus war ausschließlich karthagisches Handelsgebiet, aus dem man die fremde Schiffahrt mit den schärfsten Mitteln fern hielt. Immerhin wäre es verkehrt, K. lediglich als Durchgangs- oder Umschlagsplatz zu betrachten, da in diesem Fall sein Handel mit dem Verlust der politischen Herrschaft im Jahre 201 zusammengebrochen wäre, was zweifellos nicht der Fall gewesen ist. Vielmehr verfügte K. offenbar über einen sehr beträchtlichen Eigenhandel, der auf seiner blühenden Industrie beruhte. Nun hat allerdings Kahrstedt a. a. O. 25ff. den Nachweis aus den archäologischen Funden erbracht, daß in der Töpferei, in der Metall- und Elfenbeintechnik die karthagischen Waren viel zu roh gearbeitet gewesen sind, als daß sie mit der griechischen Ware im 4. und 3. Jhdt. konkurrieren konnten; er betrachtet danach auch vom kommerziellen Standpunkt aus, wie Polybios vom politischen (VI 51, 6,) K. als einen sinkenden Staat, der eben auf seiner früheren einmal erreichten Höhe stehen geblieben, aber keine Fortschritte gemacht habe und deswegen vollständig überholt gewesen sei. An der Tatsache wird nicht zu zweifeln sein; trotzdem haben sich die minderwertigen punischen Erzeugnisse auch nach dem Verlust der Monopolstellung überall zu behaupten gewußt, ja das Innere Numidiens, wie Kahrstedt selber ausführt, erst im 2. Jhdt. erobert. Es war eben keineswegs der Fall, daß die bessere griechische Ware auch bei gleichem Preise der schlechteren karthagischen überlegen war; wenig kultivierte Völker, wie die damals in Spanien und Nordafrika seßhaften, sind in ihren Handelsbeziehungen äußerst konservativ und geben oft der alten, bekannten Ware vor der neuen, selbst wenn diese besser und billiger ist, den Vorzug. Außerdem läßt Kahrstedt bei seiner Betrachtungsweise, die sich nur auf den archäologischen Befund stützen will, den wichtigsten Erwerbszweig ganz außer acht; die Weberei, die denn freilich keine Spuren hinterlassen hat: gerade sie, die den Phoinikern altvertraut war (Büchsenschütz Besitz und [2238] Erwerb 61), eignete sich in erster Linie zum Export billiger Massenartikel für halbkultivierte Völker, wie Englands Beispiel heute noch zeigt. Daneben wurden besonders feine Gewebe verfertigt (vgl. Ath. XII 541 B); auch die Schiffbauindustrie muß sehr bedeutend gewesen sein, und noch andere Erwerbszweige werden genannt (vgl. Büchsenschütz Besitz und Erwerb a. a. O.), so daß man wohl annehmen darf, daß der weitaus größte Teil der semitischen Bevölkerung in Handel und Industrie tätig gewesen ist. Merkwürdig bleibt es allerdings, daß ein so sehr auf den Handel angewiesener Staat sich mit so äußerst mangelhaft justierten Gewichten begnügt hat, wie Kahrstedt hervorhebt III 63ff.; möglicherweise handelt es sich hier um besonders schlechte and lädierte Stücke. Auch die Münzprägung ist verhältnismäßig spät aufgekommen; noch um die Wende des 4. und 5. Jhdts. behalf man sich in K. mit einer Art Kreditgeld, kleinen Lederbeuteln, die mit dem Stempel der Regierung versehen waren und nach der einzigen uns bekannten Stelle Ps.-Plat. Eryx 399 a – 400 e etwas enthielten, ,was der Größe nach einem Silberstater ähnlich sah‘. Vielleicht hatte dies Zahlungsmittel den Zweck, die Metallbestände dem Staate zu sichern (vgl. Meltzer a. a. O. 106ff.). Doch ist man um dieselbe Zeit in den Städten der sizilischen Epikratie, durch die Verhältnisse gezwungen, zur Münzprägung übergegangen, die dann im Laufe des folgenden Jahrhunderts auch in K. selbst aufgenommen wird. Das Hauptwerk über karthagische Münzen ist L. Müller Numismatique de l’Afrique ancienne, 3. Bd. 1860. 1867. 1874, vgl. Cat. Brit. Mus. Sicily 1876 A. I Evans Syracusan medallions 1892. Head HN. Hultsch Gr. und röm. Metrologie² 415–433. Die Münzen selbst sind, besonders im Anfang, von griechischen Stempelschneidern hergestellt; als Typen finden sich hauptsächlich der Kopf einer Göttin, Roß, Löwe, Elefant und Palme (Meltzer a. a. O. 113f.). Nach dem 2. punischen Kriege tritt, offenbar infolge des Verlustes der spanischen Silberbergwerke, eine entschiedene Verschlechterung der Münzen ein. Über die finanzielle Leistungsfähigkeit K.s ist im Zusammenhang mit dem Überblick über die Ausdehnung des karthagischen Reiches zu handeln. VIII. Das karthagische Reich, seine Ausdehnung und seine Hilfsquellen. Die Entstehung des Reiches ergibt sich aus dem in I–IV Gesagten: als Kern ist das Landgebiet um K. zu betrachten, von dem aus zunächst die afrikanische Küste nach Osten und Westen besiedelt sein mag. Im Anfang des 6. Jhdts. wird der Süden und Südosten Spaniens hinzugekommen sein; gegen Ende des Jhdts. wurden Sardinien und die Phönizierstädte Siziliens hinzugewonnen, gleichzeitig ward die Grenze nach Osten gegen Kyrene festgelegt. Im Laufe des 5. Jhdts. ward das afrikanische Landgebiet bedeutend erweitert, und Hannos Fahrt fügte durch Kolonisation der atlantischen Küste von Tanger südwärts weitere bedeutende Landstrecken dem Reiche hinzu (vgl. Hanno Nr. 26). Durch die Kämpfe auf Sizilien von 409 ab ward die Epikratie erworben, die das westliche Binnenland [2239] Siziliens umfaßte, und damit der größte Umfang der karthagischen Herrschaft erreicht, der bis zu den punischen Kriegen erhalten blieb.

Der Friede von 241 kostete K. die Epikratie, und bald darauf ging Sardinien verloren, wofür die Barkiden in Spanien Ersatz schufen. Wann die Inseln zwischen Sizilien und Afrika in karthagischen Besitz gelangten, steht nicht fest: im einzelnen scheint Malta früh karthagisch gewesen zu sein. Der Ausgang des Hannibalischen Krieges beließ dann den Karthagern nur das afrikanische Landgebiet von Hippo regius bis zu den Philaenenaltären, das durch Massinissas Übergriffe mehr und mehr zusammenschmolz.

Erst um 218 vermögen wir an der Hand der nicht mehr so spärlichen Nachrichten eine Anschauung von der inneren Struktur des Reiches zu gewinnen; auf Grund des uns vorliegenden Materials hat dann Kahrstedt zum ersten Male eine zusammenhängende Darstellung gegeben a. a. O. III 1–140. Zunächst ist als zweifellos erwiesen zu betrachten, daß nur im karthagischen Landgebiet, in der sizilischen Epikratie und endlich in Spanien die Herrschaft tatsächlich ins Innere hineinging; in Spanien selber schätzt Kahrstedt das unmittelbar beherrschte Gebiet auf einen Streifen von etwa 250 km Breite im Süden und Südosten. Überall sonst sind nur einzelne Küstenplätze und Handelsfaktoreien im Besitz der Karthager gewesen; insbesondere waren die in Numidien und Mauretanien seßhaften Stämme sowie die Völker im Innern Spaniens zweifellos frei und nur ganz lose mit dem karthagischen Reiche verbunden, das also in keiner Weise etwa mit der Organisation Italiens unter römischer Herrschaft zu vergleichen war. Selbst Spanien unter den Barkiden machte keine Ausnahme, wie der Erfolg des Krieges gezeigt hat (Kahrstedt a. a. O. 9ff.). Welche Stellung die einzelnen Phoinikerstädte zu K. einnahmen, wissen wir nicht (Meltzer II 74–84); viele waren sicher Kolonien K.s, wie denn Arist. a. a. O. c. VIII 9 ihre Aussendung als Grundsatz der karthagischen Regierung bezeichnet: wir kennen nur die Fahrt des Hanno (s. d.), der 30 000 Kolonisten mitführte, und sechs Städte an der atlantischen Küste begründete. Alle besaßen Conubium und Commercium mit K., doch scheinen sie allmählich ausschließlich auf den Handelsverkehr mit K. und ihrem Hinterland beschränkt worden zu sein. Vielleicht waren die Bedingungen des Bündnisses mit K. verschieden (Meltzer a. a. O.); eine Sonderstellung hat sicher die älteste und wohl auch bedeutendste phönikische Ansiedlung, Utika, eingenommen, wie sich das aus ihrer besonderen Erwähnung im 2. römischen Vertrag von 348 und im Vertrag mit Philipp 215 ergibt (Polyb. III 24, 1. VII 9, 5).

Was die Bevölkerungszahl dieses Gebietes betrifft, so hat Kahrstedt sie nach vorsichtiger Schätzung auf rund 365 000 Punier und rund 3 770 000 Eingeborene ermittelt, wovon auf die Hauptstadt selbst 110 000 bzw. 20 000 entfallen. Man wird diese Zahlen als Mindestzahlen auffassen können, die aber in einem Punkte jedenfalls der Korrektur bedürfen, nämlich was die städtische Bevölkerung K.s selbst betrifft. Wenn auch die Angabe des Polybios bei Strab. XVII 3, [2240] 15 p. 833–700 000 – entschieden zu hoch gegriffen ist, so ist doch die von Kahrstedt auf Grund der Bewohnungsdichtigkeit moderner Großstädte ermittelte Zahl von 130 000 ebenso sicher zu gering: sie beruht darauf, daß Kahrstedt die Ausdehnung der Stadt nach Süden und Südwesten zu offenbar unterschätzt hat (vgl. Sokrates IV [Ztschr. f. Gymnasialw. LXX] 392H.). Man wird immerhin für das K. des 4. Jhdts. eine Bevölkerung von etwa 400 000 Menschen annehmen können. Übrigens fällt, da die Karthager selber für die Wehrkraft des Reiches und die Steuern mindestens seit dem 3. Jhdt. nicht mehr in Betracht kommen, die Zahl der hauptstädtischen Bevölkerung für die Berechnung der militärischen und finanziellen Leistungsfähigkeit des karthagischen Reiches nicht so sehr ins Gewicht. Was die erste betrifft, so berechnet Kahrstedt die Zahl der jungen Leute, die jährlich im Untertanengebiet in Spanien und Afrika das waffenfähige Alter erreichten, auf rund 16 000 bei einer Bevölkerung von annähernd 4 Millionen, was nach heutigen Verhältnissen sehr gering wäre, aber auch so immerhin genügen würde, die jährlichen Verluste zu ersetzen, zumal K. seit der Reform Magos in umfangreichem Maße mit Söldnern arbeitete, die es aus allen Ländern des Mittelmeeres heranzuziehen wußte (Meltzer a. a. O. 120ff.). Die Flottenmannschaften dagegen und wahrscheinlich auch die Seesoldaten wurden hauptsächlich der hauptstädtischen Bevölkerung entnommen. (Meltzer II 136ff.).

Immerhin erforderte die Unterhaltung der Wehrmacht sehr bedeutende Kosten, die jährlich aufgebracht werden mußten. Einnahmequellen waren die wahrscheinlich sehr einträglichen Hafenzölle, die Einkünfte aus den spanischen Silberbergwerken, die Kahrstedt nach Polyb. XXXIV 9, 9 auf 14 Millionen Drachmen schätzt, wahrscheinlich zu gering, da sie zur Zeit des Polybios wohl schon teilweise erschöpft waren, und endlich die Tribute. Über diese haben wir nur eine Angabe bei Liv. XXXIV 62, 3, wonach Groß-Leptis täglich 1 Talent zu bezahlen hatte, was Kahrstedt als viel zu hoch gegriffen verwirft (III 133ff.), indem er von den analogen Verhältnissen im delisch-attischen Seebund ausgeht, unter denen z. B. Thasos jährlich 30 Talente zu zahlen hatte. Bedenkt man aber, daß 1. seit 426 der Tribut von Thasos 60 Talente betrug, daß 2. der Geldwert mindestens auf die Hälfte seit dem 5. Jhdt. gesunken war, daß 3. Groß-Leptis wahrscheinlich Hauptstadt eines Steuerbezirkes von 30–40 000 Menschen war (Kahrstedt a. a. O.), also sicherlich das Doppelte der Einwohnerzahl von Thasos umfaßte, und daß endlich 4. die karthagische Herrschaft als anerkannt drückend galt, so liegt eigentlich kein Grund, vor, Livius’ Angabe zu bezweifeln, zumal sie doch wohl auf Polybios zurückgeht. Dasselbe ergibt sich, wenn man unter der Bevölkerung von 40 000 Menschen etwa 10 000 Erwerbende annimmt; da der Tagelohn damals etwa 1½ bis zwei Drachmen betrug und doch auf die viel mehr verdienenden Kaufleute Rücksicht zu nehmen ist, so kann man den Tagesverdienst des Steuerbezirks auf rund 24 000 Drachmen veranschlagen, und daß davon K. ¼ für sich in Anspruch nahm, erscheint keineswegs unglaublich. [2241] . Ist das aber nicht der Fall, so hat K. mit einer viel größeren Jahreseinnahme als mit den 6000 Talenten, die Kahrstedt 137 zugrunde legt, rechnen können. Natürlich gilt das nur von den Zeiten vor dem Hannibalischen Krieg; allein auch nach dem Frieden von 201 war der Staat imstande, außer den 200 Talenten Kriegsentschädigung, noch jährlich mindestens 1000 auf die hohe Kante zu legen. Das beweist die Notiz bei Liv. XXXVI 4, 7, wonach K. im J. 191 die sofortige Zahlung des gesamten Restes der Kriegsentschädigung mit 8000 Talenten anbot; es muß also, da es doch nicht sämtliche Barbestände auszahlen konnte, in den 10 Jahren von 201-191, die gewiß große Ausgaben verlangten, trotz der stark verkleinerten Einkünfte, jährlich noch 1000 Talente erspart haben. Man wird kaum fehlgehen, wenn man allerdings ganz im groben gerechnet, die Jahreseinnahmen K.s zur Zeit des punischen Krieges, auf 12–15 000 Talente veranschlagt, eine Summe, die die allerdings gewaltigen Leistungen der Stadt im Kriege einigermaßen zu erklären geeignet ist.

IX. Quellen und neuere Darstellungen. Die einzige Gesamtdarstellung der karthagischen Geschichte von den ältesten Zeiten bis etwa 264 ist der elende Auszug des Iustinus aus Trogus Pompeius XVIII 3, 1 – XXIII 4, 15. Nebenher geht die Darstellung Diodors, der in seinen Annalen stets auch die Geschichte der Westgriechen behandelt: sie reicht in den erhaltenen Büchern XI–XX von 480–302, dazu kommen noch mancherlei Fragmente aus den verlorenen Büchern und zwei Lebensbeschreibungen des Plutarch, Timoleon und Dion, endlich eine Reihe zerstreuter Bemerkungen bei Herod., Thuk. Xen. und Aristoteles. Mit Ausnahme dieser letztgenannten Stellen geht die gesamte Masse der Überlieferung für die ältere Geschichte K.s auf Timaios zurück, was für ihre Güte keine sehr hohen Vorstellungen erweckt. Mittelbar und unmittelbar aus ihm stammen auch die verhältnismäßig zahlreichen Einzelheiten in Polyaens Stratagemensammlung.

Von 264 bis 146 bildet unsere Hauptquelle Polybios, der den ersten Krieg nach Fabius Pictor und Philinos erzählte; beim zweiten hat er Seilenos und wohl auch Sosylos benutzt. Erhalten ist seine Darstellung nur bis zum 5. Buch (Schlacht von Cannae), für die Folgezeit besitzen wir nur sehr umfangreiche Bruchstücke und die Darstellung des Livius, der aber nicht Polybios direkt, sondern Coelius Antipater benutzte, bei dem Polybios schon mit anderen römischen Quellen kontaminiert war (so im wesentlichen Kahrstedt in seiner umfassenden Untersuchung III 141–362). Dagegen hat er für die Vorgänge in Sizilien sofort nur Polybios selber benutzt und seit 206 auch für den Krieg in Spanien, Hellas und Afrika, so daß hier bei ihm Polybios ziemlich rein vorliegt. Ganz von Livius abhängig ist Plutarch in den Lebensbeschreibungen des Fabius und Marcellus, er hat nur gelegentlich Notizen aus andern Schriftstellern eingestreut. Sehr viel geringer ist der Anteil des Polybios in den beiden andern Gesamtdarstellungen des 2. Punischen Krieges, Cassius Dio und Appian. Cassius Dio benutzt nur Coelius und einen römischen Annalisten, Appian hat ebenfalls [2242] einen annalistischen Charakter mit hie und da durchscheinender polybianischer Tradition. Dies etwa ist das Ergebnis der Kahrstedtschen Untersuchungen (III 360ff.). Danach Bind zwei Hauptmassen der Überlieferung zu scheiden: Polybios und die römischen Annalisten, von denen selbstverständlich für die historische Darstellung nur der erste in Frage kommen kann. Selbständig scheinen die Lebensbeschreibungen Hamilkars und Hannibals von Nepos; woher seine Nachrichten stammen, ist noch nicht aufgeklärt.

Auch für den letzten Krieg, dem er in Scipio Aemilianus’ Hauptquartier als Augenzeuge beiwohnte, ist Polybios die Hauptquelle: die Untersuchung hat hier ebenfalls Kahrstedt III 620–637 mit im ganzen zweifellos richtigen Ergebnissen geführt. Auf der einen Seite stehen die zahlreichen Bruchstücke des Polybios selbst; ihnen schließen sich die des Diodor an, der Polybios einfach ausschrieb. Livius bietet hier nur einige Periochen, so daß seine Zugehörigkeit nicht klar erkennbar ist: die beiden Hauptdarstellungen, Cassius Dio und Appian, haben allerdings das polybianische Material mit römischer Annalistenmache vermischt, jedoch so, daß in der eigentlichen Kriegsgeschichte Polybios fast allein benutzt ist und nur bei den stadtrömischen Ereignissen die römischen Gewährsmänner herangezogen sind. Auch hier stützt sich unsere Kenntnis also allein auf Polybios.

Neuere Darstellungen: Otto Meltzer Gesch. d. Karthager I 1879. II 1896, den dritten Band hat 1913 aus eigenem Ulrich Kahrstedt hinzugefügt; dazu das groß angelegte und als Materialsammlung schätzenswerte, aber im Urteil wenig selbständige Werk von Gsell Histoire ancienne de l’Afrique du Nord. Bisher erschienen ist Bd. I (Paris 1913) mit guter Behandlung der erdkundlichen und vorgeschichtlichen Verhältnisse; er reicht bis 450. Die folgenden Bände sollen die Geschichte Nordafrikas bis zur Byzantinerzeit behandeln. Daneben sind die Darstellungen der Geschichte zu vergleichen: Th. Mommsen Röm. Gesch. I. II. Ed. Meyer Gesch. d. Alt. II–V. Jul. Beloch Gr. Gesch.² I–II. ¹III. G. Busolt Gr. Gesch. I–III 1.

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 12577