RE:Paian

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gott, Anruf und Lied im Krieg, bei Symposien, bei der Hochzeit, Sühnelied
Band XVIII,2 (1942) S. 23402362
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Paian.

A. Wortformen. B. P. als Gott. C. Etymologie. D. P. als Anruf und Lied. 1. Allgemeines. 2. P. im Kriege. 3. P. beim Symposien. 4. P. bei der Hochzeit. 5. P. als Sühnelied. 6. P. im öffentlichen Kultus. 7. Die Dichter und ihre Werke. E. P. als rhythmischer Terminus. F. Literatur]

A. Wortformen: ion.-ep. Παιήων, Gen. Παιήονος; lesb. Akk. Πᾱονα (vgl. Bechtel Gr. Dial. I 18), att. und später ion. (Bechtel III 66) Παιών, Gen. Παιῶνος (Wackernagel Glotta XIV 61ff.), dor. Παιάν Gen. Παιᾶνος, das, in der Koine herrschend, von den Römern in den Staatskult übernommen wurde (Macrob. I 17, 15: Virgines Vestales ita indigitant: Apollo Medice Apollo Paean), vereinigen sich auf urgr. *παιᾱϝων, der Acut im contrahierten Nom. παιών (Belege: GEL 1286) erklärt sich durch Analogie des Typus χειμών (Boisacq Dict. ét. 738). Die contrahierte dorische Form ist aus Sparta schon bei Alkman frg. 71 D. belegt und dürfte in Delphi bereits im 5. Jhdt. gleichfalls erreicht sein (Bechtel Gr. D. II 93f. 99). Durch den Einfluß des panhellenischen Heiligtumes und den Ruhm spartanischer Musik und Kriegszucht kam die dorische Form zum Siege. – Für die Bedeutung des Wortes s. u. C.

B. P. als Gott. In frühgriechischer Zeit war P. eine göttliche Macht, die dem Wirkungskreise Apollons nahe stand, aber ihm nicht gleichgesetzt wurde, Hom. Il. V 40l: Dione tröstet Aphrodite, auch andere Götter seien von Sterblichen verwundet worden, so Hades von Herakles. Hades aber sei zu Zeus in den Olymp gekommen: τῷ δ’ ἐπὶ Παιήων ὀδυνήφατα φάρμακα πάσσων ἠκέσατο, dazu Schol. B Il. V 402: Παιήονα δὲ οὐ τὸν Ἀπόλλωνα λέγει. Il. V 899: Ares, von Diomedes verwundet, klagt Zeus sein Leid. Dieser schilt ihn: ὣς φάτο καὶ Παιήον’ ἀνώγειν ἰήσασθαι (folgen dieselben Worte). Das erläutert Schol. A Il. V 898 d. h. Aristarch: Παιήον] ἡ διπλῆ, ὅτι ἰατρὸν τῶν θεῶν ἕτερον παρὰ τὸν Ἀπόλλωνα παραίωσι τοῦτον (bestritten von Zenodot: Schol. Ver. Verg. Aen. X 738). Od. IV 23l: die [2341] Ägypter seien alle Ärzte: ἦ γὰρ Παιήονός εἰσι γενέθλης, dazu Schol. B H Q: διαφέρει ὁ αιήων Ἀπόλλωνος (vgl. Serv. Dan. Aen. X 738: quamvis quidam alium Paeana esse alium Apollinem velint), ὡς καὶ Ἡσίοδος (frg. 194 Rz. min.) μαρτυρεῖ• εἰ μὴ Ἀπόλλων Φοῖβος ὑπὲκ θανάτοιο σαώσαι ἢ αὐτὸς Παιήων, ὃς ἀπάντςν φάρμακα οἶδεν. Es ist also bei ‚Hesiod‘ noch die Vorstellung lebendig, daß Apollon und P. verschiedene Gottheiten waren, und es ist wohl richtig, mindestens die zwei Iliasstellen in gleichem Sinne zu verstehen, zumal Solon 1, 53–57 D. offensichtlich den Sehergott Apollon und den πολυφάγμακος Παιών nicht gleichsetzt (Bruchmann 61, 1. Eisele S. 1245). Freilich der Παιήονος ἱρεύς der metrischen Inschr. aus Epidauros (IG IV 424f. ed. min.) bezieht sich auf Asklepios und kann nicht in diesem Sinne gedeutet werden; das wäre sonst der einzige Beleg für den Kultus des P. aus historischer Zeit. Daß die Verehrung des P., wie Usener Göttern. 155 meint, einst in Griechenland weitverbreitet war, läßt sich nicht mehr erhärten. Späte Zeugnisse wie das des Iamblich v. Pyth. XXI 208: εἶναι δὲ ταύτην τὴν ἐπιστήμην τὸ μὲν ἐξ ἀρχῆς Ἀπόλλωνός τε καὶ Παιῶνος sind als rhetorische Floskeln zu bewerten.

Schon in sehr früher Zeit ist den Griechen Παιήων mit Apollon zu einer Gestalt zusammengeflossen, und der Ruf ἰὴ Παιήων u. ä.‚ mit dem wohl trotz v. Wilamowitz Gl. d. Hell. I 293, 3 ursprünglich der Heilgott gefeiert wurde (s. o. Bd. II S. 62), ist zum besonderen ἐπιφώνημα des apollinischen Kultus geworden. Da die Stiftungslegende des delphischen Heiligtumes im homerischen Apollonhymnus 5145ff.: ἧρχε δ’ ἄρα σφιν ἄναξ Διὸς υἱὸς Ἀπόλλων φόρμιγγ’ ἐν χείρεσσιν ἔχων ἐρατὰ κιθαρίζων, καλὰ καὶ ὕψι βιβάς• οἱ δὲ ῥήσσοντες ἕποντο Κρῆτες πρὸς Πυθὼ καὶἰηπαιήον’ ἄειδον. οἷοί τε Κρητῶν παιήονες [1] οἷσί τε Μοῦσα ἐν στήθεσσιν ἔθηκε θεὰ μελίγηρυν ἀοιδήν diese Anwendung des P. auf Apollon dem Gotte in Person zuschreibt (vgl. v. 500), der 277 selbst Ἰηπαιήων heißt, so liegt der Schluß nahe, daß solche Vereinheitlichung der Gottesschau Ausdruck mutterländischer, genauer: delphischer Frömmigkeit gewesen ist. Da Delphi schon zur Zeit des Iliasdichters paradigmatisches Ansehen genoß (Il. IX 404, s. v. Blumenthal Philologus 1927, 220ff.), ist eine Rückwirkung auf das Ostgriechentum in so früher Zeit glaubhaft, so daß die Versöhnung Apollons durch einen P. Ilias I 47l: οἱ δὲ πανημέροι μολπῇ θεὸν ἱλάσκοντο καλὸν ἀείδοντες παιήονα κοῦροι Ἀχαίων μέλποντες ἑκάεργον als erstes Zeugnis delphisch-apollinischer Kathartik angesehen werden darf.

Doch ist die Auffassung des Apollon P. als ‚Heilgott‘ weder bei Homer noch in Delphi die einzige. Ilias XXII 39l fordert Achilleus die [2342] Achaier auf, den P. anzustimmen zur Feier seines Sieges über Hektor‚ und wenn dabei auch Apollon nicht ausdrücklich genannt wird, so bezeugt doch die ständige Sitte der späteren Griechen, oft bei Beginn des Kampfes und immer nach gewonnener Schlacht (s. u. D 2) Apollon den P. zu singen (Theognis 775ff. Aristoph. Av. 1763. Schol. Thuk. I 50. IV 43. Serv. Dan. Verg. Aen. X 738), daß auch hier an Apollon zu denken ist. (Zweifel im Schol. B Il. XXII 391). Bestätigend tritt die delphische Legende hinzu, welche den Ruf ἰὴ παιάν an die Tötung des Pythondrachens anknüpft (Kallim. Apollonhymn. 97ff.: ἐπη;ττησε δὲ λαός [sc. Δελφός], ἱὴ ἱὴ παιῆνον [vgl. Schol. Apoll. Rhod. II 702. 712], ἵει βέλος; [vgl. v. 102], älter noch (vgl. Timoth. frg. 25 Wil.] als delphisch beglaubigt durch Ephoros Strab. IX 422: τοὺς ... Παρνασσίους ... κατατοξε;θοντος ... ἐπικελεύειν ἱε παιάν, ἀφ’ οὗ τὸν παιανισμὸν οὕτως ἐξ ἔθους παραδοθῆναι τοῖς μέλλουσι συμπίπτειν εἰς παράταξιν, vgl. auch das mythische Orakel Macrob. I 17, 18 und Apoll. Rhod. II 713ff.), also den Schlachtruf mit der Jugend des Gottes verbindet. Nach Mar. Vict. 50 K. grüßen die Delphier nach dem Siege mit dreifachem ἰὴ παιάν. Als Anstachelung des Sohnes zum Kampfe durch Leto deuten ihn Duris E. M. 469, 46 und Klearch v. Soloi Athen. XIV 701 c.

Noch ein dritter Zug im Wesen des Gottes gehört von Homer an zum Bilde des Apollon P. Als die Achaier Ilias I 457ff. den Gott durch Opfer und Opferschmaus versöhnt haben, wenden sie sich zum Symposion (470ff.) und zu diesem erklingt der P. (472ff. s. o.). Auch dies bleibt ständige hellenische Sitte (s. u. D 3). Nach dem Male wurde zur Spende des Gottes gedacht (Archil. 76. Alkm. 71 D. Plat. Symp. 176 a. Xenoph. Symp. 2, 1). Hier waltet er der εὐφροσύνη (Theogn. 777) nach festlichem Mahle.

Endlich ist noch altbezeugt durch literarische Überlieferung und späteres Brauchtum die Anrufung des Apollon P. beim Einzug der Braut am Hochzeitstage. Sappho 55 B 11 D. (vermutlich nach epischem Vorbilde) heißt es: zu dem Liede der Jungfrauen und der ὀλολυγή der Frauen (diese entspricht regelmäßig dem P. der Männer: Bakchyl. XVII 130. Xen. an. IV 3, 19, s. Deubner 387, 3) πάντες δ’ ἄνδρες ἐπήρατον ἴαχον ὄρθιον Πάον’ ἀνκαλέοντες ἐκάβολον εὐλύραν, ein Brauchtum, das in allen Einzelheiten in dem paianartigen Liede Soph. Trach. 205ff. wiederkehrt, von Euripides Androm. frg. 122 N (bei Aristoph. Thesm. 1034) als γαμήλιος παιάν bezeichnet und durch die Schlußverse der Vögel als lebendige Sitte beglaubigt wird.

Daß Apollon P. als Gott der Katharsis nach dem Epos erst wieder im 5. Jhdt. kenntlich ist, beruht sicher auf der Zufälligkeit der Überlieferung. Denn die Tragödie zeigt, daß es eine verbreitete und gewohnte Vorstellung war. So ruft ihn der Chor Aischyl. Ag. 146 zur Fürbitte bei Artemis gegen die schlimmen Winde auf, fleht bei Soph. Oid. T. 154 (vgl. 187) um Hilfe in der Pestnot, sucht Eurip. Alc. 220 seinen Beistand für den sterbenden Admet, und wieder zeigt Aristoph. (Ach. 1212) in dem skurrilen Jammern des verunglückten Lamachos die Verwurzelung im zeitgenössischen Glauben, wobei wir 1213 (vgl. [2343] Schol. V) noch erfahren, deß dem Παιών (wahrscheinlich Apollon P.) in Athen ein Fest der Παιώνia – das einzige in Griechenland, das wir kennen und das mit dem von Krates com. Ath. VI 268 a erwähnten Paionion zusammenhängen könnte – begangen wurde. Überhaupt tritt Apollon P. im staatlichen Kultus ganz zurück. Paus. I 34, 3 nennt ihn als Mitinhaber eines mehrfach geteilten Altares in Oropos. Das von Cicero Verr. 4, 127 erwähnte signum Paeanis ex aede Aesculapii in Agrigent und 128: Paean sacrificiis anniversariis simul cum Aesculapio apud illos colebatur (vgl. IG XIV 269 Selinunt: Ἁπο]λωνος Παιανος) beweist natürlich für Kult nicht mehr, als wenn die Ärzte neben Asklepios den göttlichen Vater als Apollon P. verehren: Plut. Qu. conv. VIIII 745 a. und Weihinschriften späterer Zeit.

In nachhomerischer Zeit also ist P. bis zum Ende des 5. Jhdts. so gut wie ausschließlich Beiname Apollons, der gelegentlich auch für den Gott selbst eintritt (Aischyl. Ag. 146. Eurip. Herc. f. 820. Soph. Ichn. 37. Plat. Krit. 108 c; leg. II 664 c. Apoll. Rhod. IV 1509. Kerkid. 1. 30 D, Lukian. Deor. D. 13, 2; tragodop. 143. Dazu zu rechnen ist auch die Inschr. Ἀγυιεῖ Παιᾶνι Thessal. Arch. Anz. 1930, 23.. Noch spät: Orph. Arg. 21. 175. 1356. Nonn. XXXV 62. XL 407. Auch bei Römern: Iuven. VI 172. 174. Sen. Herc. Oet. 92. Cic. a. O., noch: Ausonius 350 Peip.), und geht erst auf andere Götter über, als sich das Wort einseitig zu der appellativen Bedeutung ‚Helfer, Heiler‘ entwickelt und ein Adjektiv παιώνιος ‚helfend, heilend‘ dazu gebildet wird. Dies geschieht durch die archaische Tragödie: Aischyl. Suppl. 1068 χειρὶ παιωνίᾳ (vgl. Aristoph. Ach. 1223: tragischer Color); Ag. 99. 848. 1248; Mysoi frg. 144N. Philokt. frg. 255, und bleibt bei Sophokles in Geltung: Phinens frg. 644 N. Trach. 1208. Phil. 168. 1345. Aus späterer Zeit: Antipatros Anth. Pal. IX 420. – Dies hat zum Gefolge, daß auch Athene als ‚Heilende‘, Παιωνία, in Athen (Paus. I 2, 5) und Oropos (I 34, 3) verehrt wird (vgl. Athene Ὑγεία Etym. M. 774, 23). Daran mag sich später der Brauch angeschlossen haben, daß die Epheben an den Panathenäen wie bei der Prozession nach Eleusis [IG II 5] die Göttin mit dem P. feierten (Heliod. Aeth. I 10). Da. von Leidenden und Kranken auch der Tod als Erlöser, als P., erfleht wird, hat das bei Neueren zu dem Mißverständnis geführt, als ob die Griechen den Todesgott P. genannt hätten (Reinach 270, 4). Wie Eurip. Hipp. 1373: καί μοι θάνατος παιὰν ἔλθοι zu verstehen ist, zeigt das Scholion: σωτὴρ καὶ ἰατρὸς ἔλθοι, danach zu erklären Aischyl. Philokt. frg. 255 N., vgl. Niobe frg. 161 N (= 121 Mette) von θάνατος: οὐδ’ ἔστι βωμὸς οὐ δὲ παιωνίζεται. Nicht anders werden Hesych. Παιώνιος• Διόνυσος und Παιὰν Ζεύς• τιμᾶται ἐν Ῥόδῳ zu beurteilen sein. Wenn der alles vermischende Synkretismus der orphischen Hymnen außer Dionysos (LII 11 Ab.) auch Helios (VIII 12) und Pan (XI l1) mit dem alten Epitheton belegt, so entziehen sich uns die Gründe dafür.

Wirklicher Erbe des apollinischen Beinamens ist dagegen der große Heilgott von Epidauros und Kos, der Sohn Apollons und der Koronis. Asklepios, den in Athen zuerst Sophokles (s. u. [2344] D 7) durch einen P. gefeiert hat, und der von nun an (älteste literarische Belege: Theokrit. ep. 8. Herodas IV 1. 11. 82ff.) in Weihungen und Paianen schlechthin P. ‚der Heilende‘ gerufen wird (z. B. Isyll. s. u. D 7. Kaibel ep. gr. 1026 [Rom]. 473 [Sparta]. 884 [Korkyra]. 1035 [Pergamon]. Orph. Hymn. LXVII 1). Danach wird in Rom Paeonius literarisch als Glanzlicht verwendet: Verg. Aen. VII 769 von Hippolytos Paeoniis revocatum herbis; XII 401: Paeonium in morem ‚nach Ärzteart‘, während die höher stilisierte alexandrinische Dichtung dies zu meiden scheint.

C. Die Etymologie von P. Antike wie moderne Deutung geht, soweit sie nicht einen magischen Schrei ohne semasiologischen Sinn in dem Worte sieht (Deubner 386. Kern Relig. d. Griech. I 154), von der seit dem 5. Jhdt. nachweisbaren appellativen Bedeutung ‚Heiler‘ aus, indem entweder der P., weil, als Lied, 51:2 ἐπὶ καταπαύσει λοιμῶν καὶ νόσων ᾀδόμενος (Proklos b. Phot. Bibl. 320 a), ἀπὸ τοῦ παύω (s. Schol. Eurip. Phoen. 102) παυὰν καὶ παιάν erklärt wird (Schol. Aristoph. Plut. 636, vgl. Hesych ὦναξ Παιάν. Schol. A. Hom. Il. V 401) oder παιὼν δέ, ὁ καὶ παιήων, ὁ ἰατρὸς καὶ θεραπευτὴς τῶν νοσημάτων (vgl. Strab. XIV 635). καὶ γίνεται ἐκ τοῦ παίω (so im Witz bereits Aristoph. Pax 543), τὸ θεραπεύω, παίων καὶ παιάων ὡς Μαχάων, καὶ κατὰ τροπὴν τοῦ ᾱ εἰς ῆ παιήων, καὶ αὖθις κατὰ συγκοπὴν παιών. Diese antike Volksetymologie gilt in folkloristischer Umbildung ‚der durch seinen Zauberschlag Krankheiten heilt‘ (Schwyzer IF XXX (1912) 445f.) noch für Boisacq s. Π.. dem sich W. A. Jayne The healing gods of ancient civilizations (New Haven 1925) 341 anschließt (ältere Versuche bei C. Pascal Riv. Fil. XX (1891) 277ff. Fairbanks 3. Eisele 1244). Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil παίω ausschließlich ‚gewaltsames Schlagen‘, nie magisches Anrühren bezeichnet, was vielmehr gröber πλήττω heißt (Od. X 238: ῥάβδῳ πεπληγυῖα oder milder Od. XIII 429: ῥάβδῳ ἐπεμάσσατ’ Ἀθήνη). Andere, welche die Existenz des besonderen Götterarztes Paieon leugnen, versuchen von παίω ‚schlagen mit der Waffe‘ eine Bezeichnung Apollons als des Schlachtengottes abzuleiten (so Fairbanks 3 und schon antik: Schwalbe 6 Anm). Aber auch das ist Volksetymologie, da es umgekehrt den Götterarzt P. nicht berücksichtigt. Am meisten Anspruch erwogen zu werden hat die Vermutung von Grace Macurdy Cl. Rev. XXVI (1912) 249; Language VI (1930) 297–303 vgl. Kretschmer Glotta XXI (1933) 177, Παιών sei identisch mit dem Eponymen der thrakischen Päonen. Als solcher sei er ein Heilgott wie der päonische Heros Ἀκεσσαμενός (s. o. Bd. I S. 1162), und gehöre zu den Paionen wie der makedonische Heilgott Δάρρων (Hesych), auf Münze Δερρωναῖος, zum päonischen Stamme der Δέρρωνες. Trotz der Parallele Ἴων : Ἰάϝων bleibt der Unterschied der Bildung von Παίων : *Παιάϝων bedenklich, wie schon Gruppe Gr. Myth. II 1240, 1 hervorhebt und auch von Kretschmer a. O. einschränkend bemerkt wird.

Eine Deutung von P. auf indogermanischem Wege scheint aussichtslos. Es ist anzunehmen. daß der Name P. und der damit gebildete Anruf [2345] ἰὴ παιήων ebenso wie Ἀπόλλων selbst fremder Herkunft und deshalb für uns einstweilen undeutbar ist. Darin bestärkt die merkwürdige Notiz bei Strab. VII frg. 40 (aus Apollodor, vgl. v. Wilamowitz Gr. Versk. 330, 1): ὁ παιανισμὸς τῶν Θρᾳκῶν τιτανισμὸς ὑπὸ τῶν Ἑλλήνων λέγεται κατὰ μίμησιν τῆς ἐν παιᾶσι φωνῆς, woraus v. Wilamowitz mit Recht schließt, daß das thrakische Epiphonema τιτάν gelautet habe. Da nun τιτάν wahrscheinlich vorgriechisches Wort für θεός ist (Kretschmer Glotta XIV (1925) 310. Otto Die Götter Griechenlands 41), könnte auch *παιάϝων einen ähnlichen Inhalt gehabt haben.

D. P. als Anruf und Lied.

1. Allgemeines. Wie das aus dem Gottesnamen entstandene als ‚Heiler‘ aufgefaßte Epitheton P. von Apollon‚ dem es zunächst gehörte, auf andere als Nothelfer angeflehte Götter übertragen wurde, so galt der gleichnamige Gesang und Ruf zunächst nur Apollon, dazu seiner Schwester Artemis. Proklos Chrest. bei Phot. Bibl. 320 a 2l: ὁ δὲ παιάν ἐστιν εἶδος ὠδῆς εἰς πάντας νῦν γραφόμενος θεούς (vgl. Schol. B Il. XXII 391, auch bei fremden Göttern heißen so die Hymnen, so für Ammon Diod. XVII 50) τὸ δὲ ᾶάοὸν ἰδίως ἀπενέμετο τῷ Ἀπόλλωνι καὶ τῇ Ἀρτέμιδι (vgl. Eurip. Iph. A. 1468: Artemis mit Ἰήιος vereinigt, auch Aristoph. Lys. 128l, doch war der P. im Artemiskult wohl erst sekundär, da der entsprechende Artemishymnos οὔπιγγος nach Poll. I 38 hieß, wenn das nicht eine troizenische Besonderheit war: Schol. Apoll. Rhod. I 972 a.) ἐπὶ καταπαύσει λοιμῶν καὶ νόσων ᾀδόμενος (vgl. Etym. M. 657, 5ff. Serv. Verg. Aen. VI 657. X 738); Schol. Aristoph. Plut. 636: Παιὰν μὲν ὕμνος ἐστὶν εἰς Ἀπόλλωνα ἐπῖ παύσει λοιμοῦ ᾀδόμενος, ἀλλὰ καὶ ἐπὶ παύσει πολέμου• πολλάκις δὲ καὶ προσδοκωμένου δεινοῦ (vgl. Serv. a. O. Hesych. παιᾶνας) und Schol. Aristoph. Vesp. 869: ὡς ἐπὶ κακῶν λήξει τὸν παιᾶνα ὕμνον ᾅδουσιν. Wenn später als unterscheidendes Merkmal des P. gegenüber anderen Hymnenformen das παιανικὸν ἐπίρρημα (Athen, XV 696 e) angesehen wird, das als ältester Zeuge der homerische Apollonhynm. 500. 517 als ἰηαιήον(α) angibt, so wird dieser Anruf ursprünglich überhaupt und später je nach Anlaß allein als Indigitation der Gottheit gebraucht worden sein etwa beim Opfer (Aischyl. Sept. 267: ὀλολυγμὸν ἱερὸν εὐμενῆ παιώνισον Ἑλληνικὸν νόμισμα θυστάδος βοῆς, wo Deubner 386, 9 trotz Soph. Ant. 1019: θυστάδας λιτάς mit dem Scholion ἐνθουσιαστικῆς versteht, ferner: Apoll. Rhod. II 703ff.), bei der Spende (Thuk. VI 32, 2), Gebet (Aristoph. Pax 453; Thesm. 310) oder Gelübde (Xen. anab. III 2. 9). Er wurde dann zum regelmäßigen Bestandteile auch der eigentlichen Lieder, meist, aber nicht immer, als Kehrreim (Mar. Vict. 59, 25 K.). Die Form des Rufes wechselt dabei nicht nur entsprechend den dialektischen Abwandlungen von P., sondern auch der vorangehende Schrei schwankt zwischen ἱη, ἱε (wo η und ε Klangfarben, nicht Längen und Kürzen unterscheiden: v. Wilamowitz Sapph. u. Sim. 247. 1) ἰω (z. B. Soph. Trach. 221. Ovid. a. a. II 1). () (Timoth. frg. 25 Wil.)‚ jedes verdoppelt oder mit einem der anderen componiert. Auch im selben Liede wechselt das ἐπιφώνημα. So schließen im P. des Aristonoos (Ant. lyr. II [2346] 297 D.) die Strophen abwechselnd ινιε und ωιε (Crusius Philol. LIII [Erg.–H.] 5–9). – Die Erweiterung des Rufes zum Liede wird schon in der Ilias vorausgesetzt. Mag es bei dem Triumphzuge des Achill nach dem Tode Hektors (XXII 391) zweifelhaft sein, ob mehr als das Siegesgeschrei ἰὴ παιήων erklungen ist, so läßt doch Il. I 47l nicht im unklaren darüber, daß der Iliasdichter schon richtige Lieder kannte: πανημέριοι μολπῇ θεὸν ἱλάσκοντο καλὸν ἀείδοντες παιήονα. Soweit Instrumentalbegleitung möglich oder nötig war, gab sie ursprünglich die Phorminx oder Kitharis (Hom. hymn. Ap. 515. Theogn. 778. Eurip. Ion 905), aber schon Archilochos frg. 76 D. stimmt ihn zum αὐλός an. Es war, mindestens später, eine besondere Sorte, der Πυθικὸς αὐλός (Poll. IV 81). Ebenso ist er je nach Bedürfnis und Gelegenheit bald mit bald ohne Reigen vorgetragen worden (Athen. XIV 63l d). Wie das zu denken ist, wird die Besprechung der Einzelformen des P. zeigen.

2. Der P. im Kriege. Genauere Nachrichten liegen meist erst aus klassischer Zeit vor, doch darf man bei der Zähigkeit hellenischen Brauchtumes annehmen, daß die Sitte gleich oder ähnlich vielfach schon in epische, ja in noch ältere Zeit zurückgeht. Auch Stammesunterschiede treten in unserer Überlieferung nur selten und zufällig hervor; doch erhellt aus den wenigen Äußerungen, daß sie nicht unbeträchtlich gewesen sind.

Der P. bei Auszug und Angriff. Nach Thuk. VI 32, 2 (daraus Aristid. I 568 Dind.) stimmten die Athener beim Aufbruch der Flotte nach Sizilien den P. an. Deubner 387 erklärt es als eine Vorwegnahme des Schlacht-P.s, doch bildet der P. hier den feierlichen Abschluß der σπονδή, ist also jenem auch wegen der Antithese des Thuk. VII 75, 7 nicht gleichzustellen. Vielmehr scheint sein Absingen allgemein bei Antritt einer Seefahrt (Etym. M. 131, 38, vgl. Eurip. Iph. I 1404), ja bei dem Beginn jedes bedeutenderen Unternehmens (Tim. Lex. Plat. Suid. παιανίσαι. Etym. M. 657, 18) üblich oder möglich gewesen zu sein, wie denn Pythagoras nach Porphyr. vit. P. 32 den Tagesanfang damit heiligte. Ob das gemeingriechische Sitte war, wissen wir nicht. Alle Hellenen aber stimmten ihn zum Beginn der Schlacht an, bezeugt für Salamis (Aischyl. Pers. 393. [Lys.] Epitaph. 38) und andere Kämpfe (Thuk. I 50, 5. IV 43, 8. Plat. epist. VII 348 C). Der Ausdruck wird von den Historikern auch auf das Kriegsgeschrei der Nichtgriechen übertragen (Polyb. III 43, 8. Dion. Hal. ant. II 41, 3. Cass. Dio XLIII 37, 2). Der Angriffsruf galt nach Schol. Thuk. I 50, 5 nicht Apollon, sondern Ares, genauer wohl Enyalios (Schol. Thuk. IV 43, 3), doch mag dies örtlich verschieden gewesen sein, da die delphische Legende dem widerspricht (s. o. B). Vielleicht darf man bei der nahen Verbindung von Sparta und Delphi aus der besonders feierlichen Form, in der er bei den Lakedaimoniern angestimmt wurde, schließen, daß der Schlacht-P. zuerst bei den Doriern aufgekommen ist. Denn achäisch war diese Sitte nicht: im Gegensatz zu den lautrufenden Troianern heißt es Il. III 8: οἱ δ’ ἀρ’ ἴσαν σιγῇ μένεα πνείοντες Ἀχαιοί, ἐν θυμῷ μεμαῶτες ἀλέξεμεν [2347] ἀλλήλοισιν. Über die Spartaner dagegen berichtet Plut. Lyk. 22 (vgl. Thuk. V 70. Xen. rep. Lac. l3, 8): ἤδη δὲ συντεταγμένης τῆς φάλαγγος αὐτῶν καὶ τῶν πολεμίων ὁρώντων ὁ βασιλεὺς ἅμα τήν τε χίμαιραν ἐσφαγιάζετο (der Artemis Agrotera: Xen. hell. IV 2, 20) καὶ στεφαμπῦσθαι παρήγγελλε πᾶσι καὶ τοὺς αὐλητὰς αὐλεῖν ἐκέλευε τὸ Καστόρειον μέλος (vgl. Alkman frg. 2 D. Schol. Pind. P II 127)• ἄμα δ’ ἐξῆρχεν ἐμβατηρίου παιᾶνος (vgl. Diod. XIV 23, 1), ὤστε σεμνὴν ἄμα καὶ καταπληκτικὴν τὴν ὄψιν εἶναι ῥυθμῷ τε πρὸς τὸν αὐλὸν ἐμβαινόντων καὶ μήτε διάσπασμα ποιοὺντων ἐν τῇ φάλαγγι μήτε ταῖς ψυχαῖς θορυβουμένων, ἀλλὰ πράως καὶ ἱλαρῶς ὑπὸ τοῦ μέλους ἀγομένων ἐπὶ τὸν κίνδυνον. Daraus geht hervor, daß wir uns den spartanischen Angriffs-P. nicht als einfachen Kriegsruf, den es natürlich auch gab (ἀλαλά, ἐλελεύ Deubner 387, vgl. Plut. Thes. 22), vorzustellen haben, sondern als Streitlied wie die bekannten Embateria Anth. lyr. II 197 D: ἄγετ’ ὦ . . (Cic. Tusc. II 16, 37: Spartiatarum .. procedit agmen ad tibiam, nec adhibetur ulla sine anapaestis pedibus hortatio), denen ein ἰὴ παιάν gefolgt sein wird. Diese παιᾶνες οἱ κατὰ νόμον ᾀδόμενοι (Strab. X 48l) galten für kretischer Herkunft. Als Begleitung finden wir den asiatischen – Aulos, wie schon bei Archilochos (frg. 77 D.‚ wenn das nicht sympothisch ist), welcher die ältere Lyra verdrängt hat, unter dessen Klängen die Kreter zu Felde zogen (Athen. XIV 627 d. Gell. I 11, 6). Das strenge Zeremoniell des spartanischen P. embaterios findet sich ganz ähnlich in dem feierlichen Tanz bei der Prozession in Waffen wieder, den Xen. anab. VI 1, I1 als arkadischen Brauch schildert: οἱ Μαντινεῖς καὶ ἄλλοι τινὲς τῶν Ἀρκάδων ἀναστάντες ἐξοπλισάμενοι ὡς ἐδύναντο κάλλιστα ᾖσάν τε ἐν ῥυθμῷ πρὸς τὸν ἐνόπλιον ῥυθμὸν αὐλούμενοι καὶ ἐπαιάνισαν καῖ ὠρχήσαντο ὥσπερ ἐν ταῖς πρὸς τοὺς θεὺς προσόδοις. Lyra und Flöte waren die einzigen Begleitinstrumente. Denn wenn Eurip. Phoen. 1102 sagt: παιὰν δὲ καὶ σάλπιγγες ἐκελάδουν ὁμοῦ | ἐκεῖθεν ἔκ τε τειχέων ἡμῶν πάρα, so ist nicht auf Trompetenbegleitung zu schließen. sondern der P. mischte sich mit den militärischen Signalen. wie Aischyl. Pers. 395. Xen. anab. V 2, l4. VI 5, 27 zeigen. An letzterer Stelle steht die Phalanx nicht, wie Deubner 387 meint, Gewehr bei Fuß und singt den P., sondern ist bereits, wie bei den Spartanern, in raschem Vorrücken: ταχὺ πορευομένη.

Daß die Angriffslieder der einzelnen Polisgemeinschaften oder mindestens der Landschaften (Λέσβιον Παιήονα Archil. frg. 77 D. τὸν πάτριον παιᾶνα Syll.³ 711) verschieden waren, würde man annehmen. Genaueres erfahren wir durch Thuk. VII 44, 6, der von dem nächtlichen Kampfe um Epipolai berichtet: μέγιστον δὲ καὶ οὐχ ἥκιστα ἔβλαψε καὶ ὁ παιανισμός• ἀπὸ γὰρ ἀμφοτέρων παραπλήσιος ὢν ἀπορίαν παρεῖχεν. οἵ τε γὰρ Ἀργεῖοι καὶ οἱ Κερκυραῖοι καὶ ὅσον Δωρικὸν μετ’ Ἀθηναίων ἦν, ὁπότε παιανίσειαν, φόβον παρεῖχε τοῖς Ἀθηναίοις. Also klang athenischen Ohren der P. aller Dorier ähnlich – παραπλήσιος – und wurde der P. nicht nur beim Angriff erhoben, sondern flammte auch während des Kampfes (ὁπότε παιανίσειαν ‚immer wenn sie ...‘) häufig wieder auf. Ob das ἐπιφώνημα παιανικόν dabei [2348] mindestens später obligatorisch war, möchte man angesichts der Tatsache bezweifeln, daß auch die Schlachtlieder der Barbaren (Diod, V 34, 5) und Römer (Plut. Rom. 6. Marcell. 8) als P. bezeichnet werden.

Der P. nach dem Siege. Das mythische Vorbild ist der P. des Achilleus nach der Tötung Hektors (s. o. B); er blieb ständige Sitte, wie mythische Dichtung und historische Berichte gleichermaßen bezeugen. Polyneikes will ihn bei Aischyl. Sept. 635 nach Eroberung der Vaterstadt jauchzen. Theseus wird nach seiner Rückkehr vom Meeresgrunde durch die männlichen Genossen (Bacchyl. XVII 129) und von den Athenern nach dem Siege über den marathonischen Stier damit gefeiert (Kallim. Hekal. frg. 34, 10 Pf.), Amphion singt ihn nach dem Triumph über Dirke (Propert. III 15, 42), bei Herodot. V 1 stimmen ihn die Perinthier an, als in einem der Schlacht voraufgehenden seltsamen Dreikampf ihre Vertreter über die der Päonen gesiegt haben. Thuk. II 91, 2 gebraucht die Wendung: ἐπαιάνιζον ... ἅμα πλέοντες ὡς νενικηκότες, was die feste Sitte belegt. Ebenso erheben ihn die Spartaner bei der Abfahrt von Aigospotamoi Plut. Lys. 11: μετὰ αὐλοῦ καὶ παιάνων ἀπέπλευσαν. In hellenistischer Zeit läßt Agathokles den Syrakusanern seinen Sieg über die Karthager durch einen Schnellruderer melden: στεφανωσάμενοι καὶ παιανίσαντες καὰ τὸν πλοῦν ἅμ’ ἡμέρᾳ κατέπλεον ἐπὶ τὴν πόλιν (Diod. XX 16, 4). Auch bei mythischen Situationen wird der Sieges–P. weiter vorausgesetzt (Anton. Lib. 13 nach Nikandros). Vor allem aber erklang er bei der feierlichen Errichtung des Tropaion (Xen. hell. VII 2, 15: Phliasier). Für diese Gelegenheit ist wenigstens einmal noch in archaischer Weise die Lyrabegleitung bezeugt: Vita. Soph. 3: μετὰ τὴν ἐν Σαλαμῖνι ναυμαχίαν Ἀθηναίων περὶ τρόπαιον ὄντων μετὰ λύρας γυμνὸς ἀληλιμμένος τοῖς παιανίζουσι τῶν ἐπινικίων ἐξῆρχεν sc. ὁ Σοφοκλῆς, ergänzt durch Timoth. Pers. 210: οἱ δὲ τρόπαια στησάμενοι ... Παιᾶνα ἐκελάδησαν, Ἰήιον ἄνακτα, σύμμετροι δ’ ἐπεκτύπεον ποδῶν ὑψικρότοις χορείαις. Es folgt ein Anruf Apollons, dem nach Schol. Thuk. I 50. 5 der Sieges-P. galt. Von solchen Reigenliedern haben wir keine Vorstellung mehr. Auch der den Krieg beendende Friedensschluß wird mit dem P. gefeiert (Aristoph. Pax 555: Athen. Xen. hell. VII 4, 36: Arkader. Als Oxymoron gebraucht: Demosth. XVIII 287. Arrian. VII 11, 7: Die Makedonen nach Versöhnung Alexanders).

3. Der P. beim Symposion. Nach dem Opfermahl beim Weine Apollon durch den P. zu huldigen ist homerische Sitte (Il. I 47l) und sie mag Ursprung des späteren Brauches sein, nach dem Essen gemeinsam (Put. Qu. conv. I 1, 615 B) zur Spende vorm Beginne des Symposion den P. anzustimmen, wie es zuerst vielleicht Archilochos frg. 77 D, sicher Alkman frg. 71 D. bezeugt. Aischyl. Ag. 244 (vgl. Choeph. 342) verlegt die Sitte in die Heroenzeit. Das Oxymoron Eurip. Alc. 424: ἀντηχήσατε παιᾶνα τῷ κάτωθεν ἀσπόνδῳ θεῷ hat die gleiche Voraussetzung (Fairbanks 42). Für das attische Symposion belegt den Brauch Xen. conv. 2, ὡς ἀφῃρέθησαν αἱ τράπεζαι καὶ ἔσπεισάν τε καὶ ἐπαιάνισαν (vgl. anab. VI I, 5; Kyr. IV 1, 6. Arrian. VII 11, 9), für Phigalia: [2349] Harmodios ὁ Λεπρεάτης bei Athen. IV 149 c, für Syrakus: Timaios bei Athen. VI 250 b. Dies geschah dreimal: Pherekrates vel inc. Pers. I 183 Kock: ἔγχει κἀπιβόα τρίτον παιῶν’ ὡς νόμος ἐστίν, doch war die dreimalige Wiederholung älter: Aischyl. Ag. 246. Auch der Kehrreim wurde dreimal wiederholt: Aristoph. Thesm. 311, und zwar nach Anweisung des Gottes selber: Herakleid. Pont. bei Athen. XV 70l e. Begleitinstrument war der Aulos: Plut. Qu. conv. VII 713 A. Auch zum Abschluß des Symposions wurde der P. gesungen: auf einer attischen Oinochoe aus der Zeit um 400 (sog. Choenkanne) ist ein Zug von trunkenen Knaben dargestellt mit der Beischrift καλὸς νεανίας κῶμος παιάν (Furtw.-Reichh. III S. 331 Abb. 156), literarisch ist die Sitte erst bezeugt durch den Ausgang von Plut. de mus. 448 WR: ταῦτ’ εἰπὼν ἐπαιώνισε καὶ σπείσας τῷ Κρόνῳ καὶ τοῖς τούτου παισὶ θεοῖς πᾶσι καὶ Μούσαις (vgl. Anth. lyr. II 207 nr. 49) ἀπέλυσε τοὺς ἑστιωμένους, wodurch die Anspieluug Demosth. XVIII 287 verständlich wird. Die Deipnosophisten des Athenaios schließen nach Rauch- und Trankopfer mit dem P. des Ariphron (XV 702). Von den Gottheiten. die mit der Sponde gefeiert wurden, war nur die dritte an Zeus Soter obligatorisch, die beiden andern wechseln (Schwalbe 37. Reinach 269, 26). Also galt hier der P. mindestens auch dem Zeus. Besondere Vorfälle ließen anderer, sonst beima Symposion nicht geehrter Götter gedenken. Xen. hell. IV 7, 4 berichtet folgendes: als durch ein Erdbeben die σπονδαὶ αἱ μετὰ δεῖπνον gestört wurden, οἱ Λακεδαιμόνιοι ἀρξαμένων τῶν ἀπὸ δημοσίας πάντες ὕμνησαν τὸν περὶ τὸν Ποσειδῶ παιᾶνα. Bei gewöhnlichem Verlaufe folgte in Sparta auf Mahlzeit und P. Einzelgesang der Lieder des Tyrtaios (Philochoros bei Athen. XIV 630f). Wie der sympotische P. im einzelnen gestaltet war, wissen wir nicht. Der von den Deipnosophisten gesungene P. des Ariphron auf Hygieia ist nicht sympotischen, sondern kultischen Ursprungs (vgl. P. Maas Epidaurische Hymnen, Schrift. Königsb. G. G. IX 5, 154). In manchen Fällen mag man sich mit dem bloßen Rufe (ἐπιβόα τρίτον παιῶνα s. o.) haben, Alkman a. O.: πρέπει παιᾶνα κατάρχειν und Xen. a. O. ὕμνησαν τὸν περὶ Ποσειδῶ παιᾶνα setzen Lieder voraus. Sie waren ruhig und gehalten (Philochoros b. Athen. XIV 628 a). Nr. 3 der attischen Skoliensammlung (Anth. lyr. VI 182 D), Theognis 1–4‚ 5–10 und die Parodie Aristoph. Vesp. 869 geben etwa eine Vorstellung, wie die Griechen diese Sitte geübt haben mögen, da die unmittelbare Überlieferung versagt. Daß Skolien und sympothischer P. in näherer Beziehung zueinander standen, ohne doch dasselbe zu sein, zeigt Antiphanes FCA II 14. l5. Nach Plut. Qu. conv. I 615 b [daraus Clem. Alex. Paid. II 184. 12 St.) wurden die Skolien nach dem gemeinsamen P. von Einzelnen zur Lyra vorgetragen, haben also denselben Platz wie die Elegien des Tyrtaios in Sparta. Vgl. noch Karl Kircher Die sacrale Bedeutung d. Weines im Altert. RVV IX 2, 49.

4. Der P. bei der Hochzeit. Auch vom γαμήλιος παιών (Soph. frg. 122 N) haben wir keine rechte Vorstellung. Er erklang beim Einzug der Braut (s. o. B). Nach Sappho frg. 55 b [2350] 12 D. scheint er kein geschlossenes Lied, sondern nur ein Jubelruf gewesen zu sein wie in dem triumphierenden Hymenaios am Schlusse der aristophanischen Vögel: ἀλαλαὶ ἰὴ Παιών, der neben Apollon auch Artemis galt oder gelten konnte (Soph. Trach. 210 und o. B). Auf einen bloßen Ruf läßt auch Eurip. Tro. 578 schließen, wo Andromache das οἴμοι der Hekabe mit der schauerlichen Frage beantwortet: τί παιᾶν’ ἐμὸν στενάζεις, d. h. Warum ist dein Hochzeitsruf ein Klageschrei? Vielleicht bildete in klassischer Zeit dieser P. nur einen Teil des Hymenaios wie in den Vögeln a. O. So schließt auch bei Aischylos frg. 350 N. Apollon selbst bei der Hochzeit der Thetis seine Weissagung der Zukunft mit dem ermutigenden P.-Rufe ab: παιῶν’ ἐπευφήμησεν εὐθυμῶν ἐμέ (Thetis spricht). Noch Babrius 24 spielt auf diese damals wohl schon verschollene Sitte an.

5. Der P. als Sühnelied. Prototyp ist der von den Achaiern in Chryse gesungene P.: μολπῇ θεὸν ἱλάστκοντο. Später gilt er neben Apollon auch Artemis (s. o. D 1). So läßt Aischyl. Ag. 146 der Chor den Kalchas mit dem Rufe ἰήιον δὲ καλέω Παιᾶνα zu Apollon flehen‚ die Schwester zu versöhnen. Pindars 9. Paian bittet die Gottheit, das von einer Sonnenfinsternis Theben drohende Unheil abzuwenden. ‚Gerichtet wird der Wunsch an das Sonnenlicht, aber Hilfe wird wohl von Apollon erhofft‘ (v. Wilamowitz Pindaros 395). Ohnehin lag es bei Sühnegebeten nahe, mehr als eine Gottheit anzurufen. Deshalb gilt die Parodos des Oidipus T.‚ die wohl mit gelockerter Terminologie als Sühne-P. bezeichnet werden könnte (v. 154. 186, vgl. 1096) zwar an erster Stelle (πρῶτα 158) der Athena, ist aber doch eingangs zunächst an Apollon gerichtet und nimmt dann noch Artemis (vgl. Trach. 205ff. Pind. frg. 139) hinzu. Dieses Gebet an die τρισσοὶ ἀλεξίμοροι, denen später noch Zeus und am Ende der zweite Delphier Dionysos angeschlossen wird, gibt uns wohl am ersten eine Vorstellung solcher Sühne-P. zum Wohle einer ganzen Polis, wie sie manchmal vom Gotte selbst angeordnet wurden. So befiehlt das Orakel den Lokrern und Rheginern, während zweier Frühlingsmonate (vgl. die Praxis des Pythagoras: Iambl. vit. Pyth. 110) P. zu singen, um die Ekstase zu heilen, von der die Weiber überkommen waren (Aristoxenos b. Apollon, hist. mir. 40 S. 53 Kell). Ähnlich hat auch der Apollondienst am 3. Tag der römischen Säkularspiele von 2✕27 Knaben und Mädchen gesungene δι’ ὧν αἱ ὑπὸ Ῥωμαίους σώζονται πόλεις (Zos. II 5, 5). Daß die Frömmigkeit des einzelnen sich schlichter äußerte, ist natürlich. Das päanische Gebet bei Herodas IV 82ff. an Asklepios, der auch hierin Erbe Apollons ist – vgl. den P. Isylls an Apollon und Asklepios –, lehrt, wie man sich da verhielt. Es ist nur wenig gehobener als der erschreckte Anruf Apollons durch den Chor Eurip. Herc. f. 820: ὦναξ αιάν, ἀπότροπος γένοιό μοι πημάτων, wozu v. Wilamowitz auf Epikur. frg. 143 verweist.

6. Der P. im öffentlichen Kultus. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der P. so gut wie überall Bestandteil apollinischer Feste und Riten gewesen ist. Von hier aus fand er auch [2351] im Asklepioskulte weite Verbreitung. Das Übergreifen in den ursprünglich wesensfremden dionysischen Bereich ist durch die besonderen delphischen Verhältnisse bedingt. Schließlich greift der P. auch auf den Kultus anderer Heilgötter über, ja seit dem Zerfall des alten Glaubens werden sogar berühmte Zeitgenossen mit diesem einst nur Göttern dargebrachten Liede gefeiert. Im einzelnen wissen wir folgendes.

a.) Delphi. Plut. de EI 389 c berichtet: τὸν μὲν ἄλλον ἐνιαθτὸν παιᾶνι χρῶνεται περὶ τὰς θυσίας, ἀρχομένου δὲ χειμῶνος ἐπεγείραντες τὸν διθύραμβον τὸν δὲ παιᾶνα καταπαύσαντες τρεῖς μῆνας ἀντ’ ἐκείνου τοῦτον καλοῦνται τὸν θεόν. So fanden an den Theoxenia Aufführungen von P. durch Knabenchöre statt (Fouilles de Delph. III 2 nr’. 78). Dem delphischen Brauche entspricht es, daß man in Megara zu Frühlingsanfang (vgl. auch den Befehl des Orakels an Rhegion und Lokroi o. 5 am Ende) dem Apollon eine Hekatombe darbringt und zur Kithara παιανῶν τε χοροῖσ’ ἰαχῇσι τε d. h. mit Reigenlied und Ruf den Altar umgibt (Theogn. 777ff.). Genau so schildert Apoll. Rhod. II 700ff. eine Opferfeier der Argonauten für Apollon Ἑῷος. Daß ein solches dem Gotte geweihtes Lied nicht chorisch sein mußte, zeigt der monodische P. des Ion bei Euripid. Ion 110–143; dadurch wird die Angabe Strab. IX 421 (vgl. Paus. X 7, 2) bestätigt, daß in Delphi vor der Einsetzung der Pythien ein Wettkampf von Kitharoden παιᾶνα ᾀδόντων stattgefunden habe. Die Anekdote Vit. Pind. 2 Dρ.: ὁ Πὰν ὁ θεὸς ὤφθη μεταξὺ τοῦ Κιθαιρῶνος καὶ τοῦ Ἑλικῶνος ᾄδων παιᾶνα Πινδάρου setzt es voraus. Bei der delphischen Teilung des Jahres konnte es leicht geschehen, daß Dithyramben und P. ineinander übergingen. Auf diesen Vorgang deutet es schon, wenn Bacchyl. XVI 8 (vgl. Snell praef. 44*) in einem Dithyrambos singt: ἵκῃ παιηόνων ἀνθέα πεδοιχνεῖν, Πύθι’ Ἄπολλον, τόσα χοροὶ Δελφῶν σὸν κελάδησαν παρ’ ἀγακλέα ναόν. Die von Plat. leg. III 700 d getadelte Vermischung von Dithyrambos und P.‚ für die uns ein delphisches Beispiel in dem P. des Philodamos von 335/34 (s. u. 7 i) erhalten ist. wird hier ihren Ursprung genommen haben. Über die erhaltenen für Delphi bestimmten P. s. u. 7 i; m–o.

b) Delos. Den P. als Reigentanz der Delierinnen vor dem Tempel Apollons, also am Altare, bezeugt Eurip. Herc. f. 687ff. (vgl. v. Wilamowitz z. d. St.), als Reigen von Jünglingen zur Phorminx scheint sie Apoll. Rhod. I 536ff. dort wie in Delphi und Theben zu kennen. Einen προςοδιακὸς παιάν für Delos zu dichten, hatte Pindar den Keern zugesagt, wurde aber durch das sich vordrängende Isthm. I davon abgehalten (Schol. Pind. Isthm. p. 196f. Dr.)‚ vielleicht ist es P IV nachgeholt (s. u. 7 b). Auch P V ist für Delos bestimmt.

c) Theben. Die greisen Thebaner des euripideischen Chores a. O. stimmen gleichfalls dem Apollon (Ismenios: Apoll. Rhod. a. O.) den P. vor dem Tempel an. Pindar P I und IX sind für Theben gedichtet.

d) Lakonien. Für mehrere lakonische Apollonfeste ist das feierliche Singen von P. bezeugt. α) Gymnopaidia. An diesem Feste [2352] tanzten und sangen nackte (Hesych. Γυμνοπαιδία) und bekränzte Chöre von Knaben ⟨Epheben⟩ und Männern, wahrscheinlich auf der Agora (Paus. III 11, 9) zu Ehren der in der Schlacht von Thyrea (Herodot. I 82) gefallenen (Suid. γυμνοπαιδία, Etym. M. 243, 3), ᾄσματα (trotz Strab. X 480 keine P.) des Thaletas und Alkman sowie P. des sonst unbekannten Lakonen Dionysodotos (Sosibios b. Athen. XV 678 b). – β) Hyakinthia in Amyklai. Von den drei Tagen des Festes sind zwei der Trauer gewidmet, an denen der P. sogar nach dem δεῖπνον schweigt, der mittlere aber sieht feierliche Aufzüge. Mit ungegürteten Chitonen bekleidete Knaben singen und tanzen zur Kitharis in anapästischen Rhythmen, Epheben und Jungfrauenchöre schließen sich an. Überreichliche Bewirtung schließt den Tag (Polykrates bei Didymos Athen. IV 139 d–f). Kein Amyklaier darf fehlen, selbst wenn er um die Zeit im Felde steht: οἱ Ἀμυκλαῖοι ἀεί ποτε ἀπέρχονται εἰς τὰ Ὑακίνθια ἐπὶ τὸν παιᾶνα (Xen. hell. IV 5, 11). Dieser P. wird also von den Männern, vielleicht in Waffen, wie Fairbanks aus Hesych. Γυμνοπαιδία schließt, ausgeführt. Die spartanischen Könige genießen dabei keine Bevorzugung: (Ἀγησίλαος) οἵκαδε ἀπελθὼν εἰς τὰ Ὑακίνθια ὅπου ἐτάχθη ὑπὸ τοῦ χοροποιοῦ τὸν παιᾶνα τῷ θεῷ συνεπετέλει.

e) Megara s. o. Delphi.

f) Erythrai. Die Sakralvorschrift bei v. Wilamowitz Nordionische Steine = Abh. Akad. Berl. 1909, 41 verordnet für die privaten Opfer eines gewissen Heiligtumes, ‚daß bei der Darbringung der geweihten Opferstücke dreimal um den Altar geschritten (getanzt) werden soll und gesungen ἰὴ παιών• ὤ, ἰὴ παιών (dies dreimal)‘, dann ein P., von dem fast nur der Anfang erhalten ist: [ὦ] (ἄ)ναξ Ἄπολλον φείδεο κούρων φείδεο . . ., der also Apollon ἀποτροπαῖος (v. Wilamowitz 41 mit Verweis auf 48) galt.

g) Abdera. Pindars II P. gilt Apollon Δηρηνός und Aphrodite als den Schutzgöttern von Stadt und Volk. Er ist ein προσοδιακὸς παιάν (vgl. v. Wilamowitz Sappho u. Sim. 24l–456), s. u. 7 b.

h) Thasos. Hier ist zunächst etwas Negatives festzustellen. Wie an den Trauertagen der Hyakinthien, die chthonischen Charakter trugen (Ziehen Leg. sacr. II S. 291), der P. verboten war, so ist auch in anderen Kulten, bei denen Apollon mit den chthonischen Bereichen in Berührung kam, der P. an manchen Orten vermieden worden. Auch die Nymphen gehören zu diesem Bereich (Schmid–Stählin 344). Deshalb bestimmt die Sacralinschrift IG XII 8, 3738 = leg. sacr. II nr. 109 für das Opfer an die Nymphen und Apollon Nymphegetes οὐ παιωνίζεται, woraus umgekehrt geschlossen werden darf, daß sonst auch in Thasos der P. dem Apollon erklungen ist, und zwar in seinem Hauptheiligtume, wo er als Pythios verehrt wurde (H. Seyrig Bull. hell. LI [1927] 180).

i) Milet. Das Verbot des παιωνίζειν für die chthonischen Gottheiten galt aber nicht allgemein. Bei der Prozession der milesischen Sängergilde der Onitaden nach Didyma am Apollonfeste werden verschiedene Stationen gemacht: καὶ παιωνίζεται πρῶτον παρ’ Ἑκάτη τῆ πρόσθεν πυλέων [2353] παρὰ Δυνάμει, εἶτεν ἐπὶ λειμῶνι ἐπ’ ἄκρο παρὰ Νύμφαισ’, εἶτεν παρ’ Ἑρμῆ Ἐνκελάδο παρὰ Φυλίῳ, κατὰ Κεραιίτην παρὰ Χαρέω ἀνδριᾶσιν, Inschr. bei v. Wilamowitz S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 628.

k) Der P. im Asklepioskult. Mit dem Beinamen hat Asklepios von Apollon auch den P. als Lied überkommen. Aus Epidauros ist uns der P. des Isyllos (s. u. 7 l) erhalten, für Kos bezeugt es Herodas (s. o. 5). Aus dem Athener Asklepieion stammt außer dem P. des Sophokles (s. u. 7 d) der eines Makedonen (oder eines Dichters Makedonios: v. Wilamowitz Isyll. 90; Gr. Versk. 133, 3, der ihn in den Anfang des 1. Jhdts. n. Chr. setzt), wie der des Isyllos zugleich Apollon geltend, von den athenischen κοῦροι gesungen (IG II/III ed. min. 4473). Von besonderer Wichtigkeit ist ein dritter (ebd. 4509), weil dieser der offizielle P. des Asklepioskultus geworden ist. Wir besitzen außer der ganz jungen attischen noch drei ältere lokal variierende Fassungen. Die älteste (ca. 380–360 v. Chr.) aus Erythrai (v. Wilamowitz Nordionische Steine = Abh. Akad. Berl. 1909, 17), die zweite aus dem ägyptischen Ptolemais (v. Wilamowitz 42) vom J. 100 n. Chr.. die dritte ‚späte Niederschrift‘ (v. Wilamowitz Versk. 353, 3) aus dem makedonischen Dion. Auch in Smyrna oder Pergamon war er bekannt (v. Wilamowitz Nordion. St. 47, 1). Er scheint nicht im Bereich von Epidauros oder Kos entstanden zu sein, sondern auf das thessalische Trikka als Ausgangsort zu weisen (v. Wilamowitz a. O.). – Noch im 3. Jhdt. n. Chr. werden Syll.³ 1110 οἱ παιανισταὶ τοῦ Μουνιχίου Ἀσκληπιοῦ erwähnt.

l) Der P. im delphischen Dionysoskult. Die o. 5 angeführte Feststellung des Plutarch. daß man in Delphi während des Sommers Apollon mit P.‚ im Winter Dionysos mit Dithyramben gefeiert habe, ist eine pointierte Vereinfachung der Wirklichkeit. Die Aufnahme des Dionysos in Delphi muß, selbst wenn sie eine rein politische Handlung gewesen sein könnte, bald zu wechselseitiger Beeinflussung geführt haben. Zeugnis dafür ist, freilich erst aus dem Ende des 4. Jhdts., das Kultlied des Philodamos (s. u. 7 i) auf Dionysos, dessen Refrain jedesmal das παιανικὸν ἐπίρρημα enthält.

m) Der P. im Sarapiskult. Im alexandrinischen Sarapisheiligtume wurden nach Diog. Laert. V 5. 76 auch P. gesungen. Παιανισταί der römischen Abzweigung des alexandrinischen Kultes erwähnen IG XIV 1084. 1059. Die kümmerlichen Reste eines P. aus Alexandreia Pap. Oxy. IV 675 mögen in diesen Zusammenhang gehören. Παιανισταί des Sarapis in Karnak: Preisigke Sammelbuch I 5803, in Panopolis ebd. 1743.

n) Der P. auf Heroen und Menschen. Wie die Spartaner an den Gymnopädien die Gefallenen von Thyrea durch den P. des Dionysodotos ehrten (s. o. d), so scheinen auch die Arkader die Heroen mit P. gefeiert zu haben: οἱ παῖδες ἐκ νηπίων ᾄδειν ἐθίζονται κατὰ νόμους τοὺς ὕμνους καὶ παιᾶνας, οἷς ἕκαστοι κατὰ τὰ πάτρια τοῦς ἐπιχωρίους ἥρωας καὶ θεοὺς ὑμνοῦσι (Polyb. IV 20, 8). Dem entspricht, daß auch die Sikyonier den Leichnam des Aratos ὑπὸ παιάνων καὶ χορῶν einholen, um ihn dann als Gründer und [2354] Retter zu verehren (Plut Arat. 53). Weil eine solche Totenehrung durch einen P. in hellenistischer Zeit nichts Ungewöhnliches war, konnte man darum streiten (Athen. XV 696 aus Hermippos)‚ ob das Skolion des Aristoteles auf Hermeias von Atarneus nicht, wie es dann Didymos Pap. Ber. 6, l9 tut, als P. zu bezeichnen sei, vielleicht in Erinnerung daran, daß die Akademie das Andenken Platons mit Skolien, P. und Enkomien bis an das Ende zu Ehren pflegte (Liban. or. XVIII § 306 = Bd. II S. 370 F.). Diese altgriechischer Frömmigkeit zwar fremde, aber doch nicht geradezu feindliche Sitte wird seit der Zersetzung des Glaubens von der zu allem bereiten Schmeichelei auch auf lebende, damit zu Göttern oder Heroen erklärte Menschen übertragen. Das früheste Beispiel ist Lysandros, dem die Samier einen Altar errichteten, Opfer darbrachten und P. sangen (Duris bei Athen. XV 696 e und bei Plut. Lys. 18). Den Anfang eines solchen hat Plutarch erhalten (s. u. 7 g). Eine Reihe weiterer Angaben werden gleichfalls der Vermittlung des Kallimacheers Hermippos bei Athen. a. O. verdankt. Der streitsüchtige Megariker Alexinos (Diog. Laert. II 10, 109) aus Elis ‚zimmerte‘ einen P. auf den Makedonen Krateros (nicht Kassandros mit v. Wilamowitz bei Norden Agnostos Theos 392), der in Delphi zum Lyraspiele eines Knaben gesungen wurde. Die Rhodier singen einen P. auf Ptolemaios Lagu, die Athener P. des Hermippos von Kyzikos auf Antigonos und Demetrios Poliorketes. Auch von Hermokles, dessen ithyphallisches Lied auf Demetrios Athen. XVI 253 d anführt, und das von Diehl Anth. lyr. II 249 grundlos als P. bezeichnet wird, scheint es P. auf diese beiden Fürsten gegeben zu haben. Dem inschriftlichen Rest eines daktylepitritischen P.s auf Seleukos aus Erythrai druckt v. Wilamowitz Abh. Akad. Berl. 1909, 47 ab. Von Arat berichtet Plut. Kleom. l6, er habe aus Haß gegen Kleomenes den Antigonos Doson in die Peloponnes gerufen und sich soweit erniedrigt, ihm bekränzt an den Ἀντιγόνεια zu opfern und P. zu singen. Hinzukommt (Athen. a. O.) ein von den Korinthern an den freilich halb mythischen König (Diod. VII 9) Agemon, den Vater der Alkyone, gesungener P. Sämtliche genannten Lieder sind durch das Epiphthegma klar als P. zu erkennen. Nicht alle gerieten, wie man nach dem Schicksale so mancher Ehrenstatue erwarten sollte, mit den von ihnen gepriesenen Tagesberühmtheiten in Vergessenheit. Plutarch Tit. l6 berichtet, noch zu seiner Zeit hätten die Chalkidier einen Priester für den Kult des Flamininus gewählt und nach Opfer und Spondai einen langen P. gesungen, dessen Ende Plutarch aufbewahrt hat (s. u. 7 o). Schließlich stimmten nach Herodian. IV 2, 5 bei der Apotheose verstorbener römischer Kaiser Knaben und Frauenchöre ὕμνους τε καὶ παιᾶνας ἐς τὸν τετελευτηκότα an.

7. Die Dichter und ihre Werke.

a) Frühzeit. Bereits die antike Musik und Literaturgeschichte hat sich mit dem P. beschäftigt, doch sind von dem zusammenfassenden Werke des Semos von Delos περὶ παιάνων bei Athen. XIV 618 d, 622 a–d gerade solche Abschnitte erhalten, die von anderen Dingen handeln. Die kunstmäßige P.-Dichtung und Musik begann nach [2355] Plut. de mus. 90ff. WR. mit der zweiten κατάστασις der Musik in Sparta und der Gründung der Gymnopädien im 7./6. Jhdt; sie knüpft sich an die Namen Thaletas von Gortyn (vgl. Strab. X 481. Porphyr. vit. Pyth. 32), Xenodamos von Kythera, Xenokritos von Lokroi in Unteritalien, für das Aristoxenos (Apollon. hist. mir. 40) zahlreiche Paianographen bezeugt. Daß Xenodamos P. geschrieben habe, wurde von manchen, darunter Pratinas, bestritten (Plut. 93): es seien vielmehr Hyporchemata gewesen. Daß dieses zwei verschiedene Gattungen wären, zeige Pindar – Plutarch hätte hinzufügen können: und Bakchylides –‚ der von beiden Arten verfaßte (Plut. 96). Aus Menand. Rhet. Gr. III 331, 21 Sp. τοὺς μὲν γὰρ (ὕμνους) εἰς Ἀπόλλωνα παιᾶνας καὶ ὑπορχήματα ὀνομάζομεν darf also trotz Deubner 397 nicht auf Identität geschlossen werden. Aber auch für Thaletas wird das von Glaukos von Rhegion bestritten (Plut. 97), da er jünger war als Archilochos (vgl. frg. 77 D) und ebenso für Xenokritos, dessen Gedichte den Charakter von Dithyramben (etwa in der Art des Bakchylides?) hatten (Plut. 102). Daß Alkman P. geschrieben hat, geht aus frg. 71 D. nicht hervor und ist auch durch Plut. de mus. 165 W. R. nicht gewährleistet. Der kretische Rhythmos von frg. 36. 61 D. beweist nichts für Zugehörigkeit zu P. Ob der von Himerios or. XIV 10 (PLG⁴ frg. 2. 3. 4) paraphrasierte P. des Alkaios‚ den Plut. 135 wohl als Hymnos, Paus. X 8, 9 als ἐπίρρημα bezeichnet, ein P. im technischen Sinne war, d. h. das ἐπίρρημα enthielt, mag man füglich bezweifeln. War das Lied wie der Hermeshymnos frg. 2 D. in der sapphischen Strophe gehalten, so könnte freilich der Adoneus mit dem ἐπίρρημα, z. B. in der Form ὢ ἰὲ Παιάν (Aristonoos) ausgefüllt gewesen sein. Fast genau wie bei Alkaios liegt es bei den Hexametern des Sokrates auf Apollon und Artemis (Anth. lyr. I 1, 135 D): Diog. Laert. und Dio Prus. bezeichnen sie als P., Platon als προοίμιον, Suidas als Hymnos (Belege bei Diehl). Auch hier dürfte, wie besonders Platon zeigt, P. im untechnischen Sinne gebraucht sein. Von den P. des Stesichoros und Phrynichos, die Timaios bei Athen. V 250 b erwähnt, wissen wir trotz Schmid–Stählin I 473 gar nichts, auch Stesichoros frg. 22 D. führt nicht weiter. Der früheste P.–Dichter‚ der für uns als solcher mehr als ein Name ist, ist Tynnichos von Chalkis (PLG⁴ III 379). Platon Ion 534 d berichtet. Tynnichos habe nur ein einziges Gedicht verfaßt, das man kenne, nämlich einen P.‚ und der sei in aller Munde. Platon nennt es σχεδόν τι πάντων μελῶν κάλλιστον, ἀτεχνῶς ὤσπερ αὐτὸς λέγει, εὕρημά τι Μοισᾶν, Von seinem Stile erhalten wir durch eine schöne, mit den sonst bekannten zusammenstimmende Aischylosanekdote, die Porphyrius de abstin. II 18, 133 wiedergibt, eine Vorstellung. Der Tragiker sei von den Delphiern aufgefordert worden, einen P. auf Apollon zu schreiben, habe aber mit der Begründung abgelehnt, ὄτι βέλτιστα Τυννίχῳ πεποίηται• παραβαλλόμενον δὲ τὸν αὐτοῦ πρὸς τὸν ἐκείνου ταὐτὸν πείσεσθαι τοῖς ἀγάλμασι τοῖς καινοῖς πρὸς τὰ ἀρχαῖα• ταῦτα γὰρ καίπερ ἁπλῶς πεποιημένα θεῖα νομίζεσθαι, τὰ δὲ καινὰ περιέργως εἰργασμένα θαυμάζεσθαι μέν, θείου δὲ δόξαν ἧττον ἔχειν. Daraus [2356] geht hervor, daß wir uns den P. des Tynnichos, den der Dichter selbst ein εὕρμά τι Μοισᾶν (Plat. a. O.) nannte, archaisch-sakral in der Stilisierung vorzustellen haben, und daß er auch zeitlich vor Aischylos, und damit vor Pindar zu setzen ist, mit dessen Paianen unser Wissen um diese Dichtungsgattung erst eigentlich beginnt.

b) Pindar. Die P. füllten laut vita ein Buch der antiken Ausgabe, das rund 1400 Verse umfaßte (Snell Hermes LXXIII [1938] 425). Reste von 13, zum Teil mit Scholien, sind durch zahlreiche Papyri bekannt geworden (Snell a. O. und Hermes LXXV [1940] 185). Nach Analogie der Länge unserer Epinikienbücher brauchen es nicht mehr gewesen zu sein. Für Weiteres s. Art. Pindaros. – Form: Pindar hat sich an keinerlei uns erkennbare Konvention gebunden. Simonides mag auch hier richtungweisend gewesen sein. Doch wissen wir von ihm nur durch Suidas, daß er P. verfaßte, namentliche Bruchstücke fehlen, vermutungsweise Zuteilungen sind nicht möglich. Erwartet man bei Pindar regelmäßige Wiederkehr des Epiphonema, etwa am Strophenschluß, wie im P. des Aristonoos, so sieht man sich getäuscht. Zwar beschließt Pindar die drei Systeme von P. II je mit der kultischen Formel (ἰήιε παιάν, ἰήιε παιάν δὲ μήποτε λείποι: = 3 Reiz.), ebenso die beiden von P. IV (ἰὴ ἰή, ἰεπαιάν), aber in den 10 erhaltenen Schlußversen von P I steht nur 5 ἰὴ ἰή, P VI fehlt sie am Ende der ersten Trias, während die zweite ἰὴ ἴητε νῦν μέτρα παιηόνων ἴητε νέοι bringt, und die zwei Schlußstrophen von P. V jeweils mit ἰήιε Δάλι’ Ἄπολλον anheben. – Die Länge der Lieder war, wo wir sie feststellen können, ähnlich verschieden wie bei den Epinikien, wenn auch so kurze wie Ol. XII. XIV zu fehlen scheinen. Sie schwankt, soweit erkennbar, zwischen 48 Kola P. V und 183 P. VI. Die wiederkehrenden rhythmischen Einheiten zerfallen in dieselben zwei Gruppen wie bei den Siegesliedern. In den meisten Fällen (P. II. IV. VI. IX; vermutlich I. XI. XII. XIII) korrespondieren aus Str. Antistr. Epod. bestehende ungewöhnlich lange Triaden, in P. V dagegen wird eine ganz kurze Strophe 8mal wiederholt (vgl. Nem. II. IV. IX). Letztere Form wird archaisch-kultischem Brauche nachgebildet sein (v. Wilamowitz Pindaros 327). Vergleichbar ist der P. des Aristonoos (s. u. n). – Die Rhythmik ist mannigfaltig wie in den Epinikien, aber nur sehr teilweise dieselbe. So sind P. V und XIII (Pap. Berol. 13411: Snell Herm. LXXV 189) daktylepitritisch. Nicht alle sind metrisch zuverlässig deutbar (v. Wilamowitz Versk. 490 zu P. IX). P. I zeigt am Strophenschluß Trochäen, Iamben, chor. Dimeter. in der Epodos chor. Dimeter und Iamben, Kurzverse und Daktylen (v. Wilamowitz 489), P. II Kurzverse, Iamben, Glykoneen, Daktvlen (a. O. 416f.), P. III Glykoneen, chor. Dim. Telesill. Lekyth. Ityph., P. IV Strophe: Iamben mit eingesprengten Dochmien, Epodos: Prosod., ia. Reiziana, Glykoneen, Hemiepes, Dochmien, Enhoplios (v. Wilamowitz Pindaros 475ff.). Der künstlerische Wille, der sich in der Abwandlung der Rhtyhmen gegenüber den Epinikien ausspricht, ist noch nicht gedeutet und vielleicht nicht deutbar, zumal die Sprachgestaltung von derjenigen [2357] der Epinikien nicht merkbar abweicht. – Inhalt: Der geschlossene Zusammenhang ist nur von drei P. einigermaßen erkennbar. P. II für Abdera. Ein Prozessionslied, das zuerst den Heros Abderos grüßt und sich dann fortschreitend zu Apollon Derenaios und Aphrodite wendet, von der, anschließend an das Prooimion‚ in der Lücke die Rede gewesen zu sein scheint. Der Mittelteil – Schluß von Epodos A, B, Γ Str. Antistr. – handeln vom gegenwärtigen und vergangenen Geschick der viel bedrohten Stadt. Die letzte Epodos spricht von Ehrung Apollons in Delos und Delphi durch Jungfrauenchöre und schließt mit einem Gebet an Abderos für seine Stadt, die in Barbarennot ist (v. Wilamowitz Sappho u. Sim. 246–56; Pindaros 319–321). – P. IV den Keern für Delos. Anrufung der delischen Götter. Schilderung von Karthaia auf Keos. Mythos des Gründers Euxanthios, Sohnes des Minos, der die ärmliche Heimatinsel Keos der Herrschaft seines Vaters in Kreta verzog. Diese Entscheidung ist in langer direkter Rede des Heros gegeben (v. Wilamowitz Pindaros 325ff. 471ff.). – P. VI für Delphi. Drei Triaden. A: Prolog des Dichters, er kommt die Theoxenien zu feiern. B: Sie werden von ganz Hellas Apollon dargebracht, der einst Troia sogar gegen Achilleus schützte, bis dann Neoptolemos kam, den aber auch und zwar in Delphi die Strafe ereilte. Die zweite Trias schließt [ἰὴ ἴητε] νῦν μέτρα παιηόνων ἴητε νέοι. Nach diesem Abschluß folgt ohne Übergang oder Begründung Γ: Preis der Insel und Heroine Aigina. Offenbar war auch dies ein Prozessionslied und der Chor stand nunmehr vor einer Weihung der Aigineten. – Selbst diese wenigen genauer erkennbaren Inhalte zeigen durch ihre Mannigfaltigkeit von Stoff und Gliederung, daß Pindar sich so wenig wie in der Rhythmik an irgendein wenn auch noch so weitmaschiges Schema gehalten hat. Es ist anzunehmen, daß der rhythmisch sakral stilisierte P. V auch inhaltlich eine Ausnahme machte.

c) Bakchylides. P. werden mehrfach zitiert. Von einem daktylepitritischen P. Reste von 40 Versen bei Snell frg. 4. Stiftung eines Apollonaltares durch Melampus und eine Schilderung der Segnungen des Friedens sind kenntlich. – Bemerkenswert ist, daß frg. 14–16 kretischen Rhythmos zeigen, aber aus Hyporchemata, nicht aus P. stammen.

d) Sophokles. Über den P. des Tragikers s. u. Bd. III A S. 1044. Seither sind neue Lesungen und Bruchstücke hinzugekommen. die J. H. Oliver Hesperia V (1936) 109–122 veröffentlicht hat. Durch sie wird die Vermutung Bergks, daß dieser P. nicht an Asklepios sondern an Koronis gerichtet war, wahrscheinlich gemacht, auch der daktylische Rhythmos κατὰ πόδα (v. Wilamowitz Verskunst 353) ist kenntlicher geworden. Vgl. Bursian Sophoklesliteratur 1935–1938.

e) Anonymer P. Reste eines P. mit Noten. Pap. Berol. 6870 ist mit Bemerkungen von v. Wilamowitz veröffentlicht von Schubart S.-Ber. Akad. Berl. 1918, 763ff. Die Hs. aus der Zeit nach 156 n. Chr. Die stark verstümmelten Reste zeigen durchweg lange Silben und erinnern an Terpandros frg. 1 D. vgl. v. Wilamowitz Timotheus 92f.

[2358] f) Liturgischer P. der Asklepiosheiligtümer. In vielen, wenn nicht in den meisten Asklepiosheiligtümern in kultischem Gebrauch war ein P., der, daneben in mehreren späten und lokalen Abwandlungen erhalten (s. o. D 6 k), durch die Fassung von Erythrai in den Anfang des 4. Jhdts. führt. Wieviel älter das Lied war, ist nicht zu bestimmen, da die hieratisch-archaischen Verse nicht datierbar sind. Rhythmik: Drei Strophen in Daktylen κατὰ πόδα und zwar 4+5, 4+5+2‚ Kehrreim aus dim. ia., 4 da. (v. Wilamowitz Abh. Akad. Berl. 1909, 45). Inhalt: ‚Jünglinge, besingt den P. Apollon, der den Asklepios gezeugt hat.‘ ‚Des Asklepios Kinder sind die und die mit Hygieia.‘ ‚Komme gnädig in unsere Stadt (Asklepios) und laß uns gute Tage schauen mit Hygieia‘ (v. Wilamowitz 46). Für die späteren Erweiterungen und Umbildungen vgl. v. Wilamowitz 43; Verskunst 353. 133. J. V. Powell Collectanea Alexandrina 136ff. Paul Bülow Xenia Bonensia. (1929) 35–49.

g) P. auf Lysandros s. o. 6 n. Rhythmik: 3 Prosodiaka + ἰὴ Παιάν (v. Wilamowitz Verskunst 376), offenbar nach kultlichen Vorbildern. Inhalt der erhaltenen Strophe: Wir werden den spartanischen Führer von Hellas besingen. Text: Anth. lyr. II 249 D.

h) Ariphron von Sikyon. Das inschriftlich und literarisch erhaltene Lied auf Hygieia (P. Maas Epidaur. Hymn. Schrift. Gel. Ges. Königsb. IX 5, 148) wird von Athen. XV 702 als P. auf Hygieia bezeichnet, obwohl es gegen des Athenaios eigene Definition das παιανικὸν ἐπίρρημα nicht enthält. Es darf wohl angenommen werden, daß Athenaios P. hier nicht in technischem Sinne gebraucht, sonst könnte u. a. auch das Fragment des Likymnios auf Hygieia Maas 149, Anth. lyr. II 132 D. unter die P. gerechnet werden. Rhythmik: astrophisch, daktylepitritisch. Inhalt: Nur mit Hygieia gedeiht jegliches Gut den Menschen. Zeit: ungewiß‚ nach Maas Ende des 4. Jhdts. Bei Maas neueste Ausgabe und Literatur.

i) Philodamos von Skarpheia, epiknemidischer Lokrer‚ ist erst durch seinen in Delphi gefundenen P. auf Dionysos bekannt geworden. Das zugehörige Ehrendekret datiert Pomtow o. Bd. IV S. 2612 auf 335/34. – Rhythmik: 4mal chor. + ia., zuletzt katalektisch, in Synaphie. 3 ion. min. als Kehrreim, Glykon. + Phalaik. in Synaphie, 2 Glykon. + Pherekr. in Syn. zweiter Kehrreim: 2 ion. Priap. Diese Rhythmik ist ausgesprochen sacral (v. Wilamowitz Verskunst 242). Inhalt: Von jeder der l2 Strophen – erhalten 1–3. 5, 9–12 – lautet der fünfte Vers: εὐοῖ ὦ Ἰόβακχ’ ὦ ἰὲ Παιάν und 11–13 ἰὲ Παιάν, ἴθι σωτήρ mit Segenswunsch für die Stadt. Schon hierin zeigt sich die merkwürdige Mischung dionysischer und apollinischer Elemente, die für ihn bezeichnend ist. Str. 1: Anruf des Gottes. Seine von Göttern und Menschen begrüßte Geburt in Theben. Str. 2: Sie erregte Lokris und Delphi, wo der Gott sich bald selbst zeigte. Str. 3: Auch in Eleusis wurde er als Iakchos aufgenommen. – Lücke. Str. 5: Empfang durch die Musen und Apollon in Delphi. – Lücke. Str. 9: Neubauten der Amphiktionen [2359] für die an den Festtagen zu erwartenden Fremden. Str. 10: Vom Neubau des Apollontempels mit Kultbild. Str. 11: An den Pythiaden erhielt auch Dionysos Opfer und kyklische Chöre, wie er eine Statue und Kultraum empfing. Str. 12: Darum nehmt Dionysos auf und feiert ihn überall. Text: Anth. lyr. II 252 D. mit Literatur, J. V. Powell Collectanea Alexandrina 165.

k) Demetrios von Phaleron. Diog. Laert. V 5, 76 berichtet von ihm: λέγεται δ’ ἀποβαλόντα αὐτὸν τὰς ὄψεις ἐν Ἀλεξανδρείᾳ κομίσασθαι 'υθις παρὰ τῦ Σαράπιδος• ὅθεν καὶ τοὺς παιᾶνας ποιῆσαι τοὺς μέχρι νῦν ᾁδομένους.

l) Isyllos von Epidauros. Der am ‚Asklepieion von Epidauros zusammen mit anderen Gedichten inschriftlich gefundene und dort einst auf den Rat des delphischen Orakels von dem sonst unbekannten Dichter selbst aufgestellte P. gilt Apollon und Asklepios gemeinsam. Inhalt: Aufforderung zum Gesang. Stammbaum der Koronis. Erzeugung, Geburt und Namengebung des Aeklepios. Gebet für Epidauros und den Dichter um Gesundheit. – Rhythmik: 78 ion. min., die gleich Anapästen zu unregelmäßigen Gruppen zusammengefaßt sind, wie Hiat nach v. 2. 9. 18, Katalexe nach 6. 15. 21, Brachykatalexia nach 13 zeigen. Da regelmäßig an diesen Stellen auch Sinneinschnitt ist, wird man umgekehrt auch nach v. 4 u. 11 Perikopenende ansetzen (v. Wilamowitz Isyll. v. Epidaur. 19). Strophische Bindung fehlt vollkommen. In den einzelnen Metra wechselt die Grundform mit — ◡ — — und ◡ ◡ — ◡ ◡ oder ◡ ◡ ◡ ◡ — . Weiteres bei v. Wilamowitz a. O. – Zeit: nach 300, etwa 280. s. o. Bd. IX S. 2283. IG IV 1 (ed. min.) p. 83. Text: Anth. lyr. II 28l D. J. V. Powell Collect. Alex. 133.

m) Kleochares von Athen ist durch eine delphische Inschrift des Athenerschatzhauses (Fouill. de Delph. II 2 nr. 78) bekannt geworden: Κλε[οχά]ρης βίωνος Ἀθηναῖος, φυλῆς Ἀκαμαντίδος, δήμου Κικυν(ν)έως ποιητὴς μελῶν .. γέγραφε τῷ θεῷ ποθόδιόν τε καὶ παιᾶνα καὶ ὔμνον, ὄπως ᾄδωνται οἱ παῖδες τᾷ θυσίᾳ τῶν θεοξενίων. Von den genannten drei Gedichten glaubte man einen Rest zu besitzen in dem Liede mit Vokalnoten in kretischen Rhythmen (Crusius Philologus LIII (1894) Ergh. 33. 133), das J. V. Powell Anal. Alex. 14l und Schmid–Stählin 345 trotz des fehlenden ἐπίφθεγμα als P. bezeichnen. Aber der kretische Rhtyhmus beweist nichts, da er nach Studem. Anekd. 225 gerade von den Hyporchemata bevorzugt wird. In jedem Falle ist die Verbindung dieses nach dem Galatereinfall verfaßten Liedes mit Kleochares unmöglich, da der inschriftliche Befund es verbietet (Colin Fouill. de Delph. a. O.).

n) Aristonoos S. d. Nikosthenes aus Korinth s. o. Bd. II S. 967, 7. IX S. 169. Sein in Delphi als Inschrift gefundener P. wird von ihm selbst als Ἁπόλλωνι Πυθίῳ τὸν ὕμνον bezeichnet (Fouill. de Delph, III 2 nr. 191). Das alle vier Verse wiederkehrende Epirrhema – abwechselnd ἰήιε Παιάν und ὤιε Παιάν – berechtigt, das Lied trotzdem unter die P. zu rechnen. – Rhythmik: 2 Glyk. (od. chor. Dim.) in Synaphie, Priapeus, 3 Glyk. (od. chor. Dim.)‚ Pherekr. Diese Strophe ist 6mal wiederholt. Daß so und [2360] nicht mit Crusius Philol. LIII (1894) Erg.-H. 3 in l2 Strophen zu gliedern ist, zeigen die verschiedene Behandlung der Synaphie in den beiden Strophenhälften, die variierenden Kehrreime und die stärkeren Sinneinschnitte nach je 8 Zeilen. Catull. 34 hat diese Strophe als Vierzeiler behandelt und normalisiert. Offenbar war sie in Hymnen verbreiteter als wir noch nachweisen können. – Inhalt: Anfang und Schlußstrophe entsprechen einander, indem sie Anruf und Schlußgebet enthalten. Str. 2 schildert Apollons Wirksamkeit als Orakelgott, Str. 3, wie er nach seiner Entsühnung (von der Pythontötung) von Athena geleitet das Orakel übernimmt, Str. 4 bringt die ‚Legende von der delphischen Athene Pronoia‘ (Crusius l4), Str. 5 schildert die Geschenke der anderen Götter für Apollon: Poseidon, die korykischen Nymphen, Dionysos, Artemis. – Zeit: Das Praescript (Fouill. de Delph. III 2 nr. 190) mit der Ehrung des Dichters ist durch die Namen auf 270–260 datiert (Pomtow, der seine Meinung mehrfach gewechselt hat, Klio VII [1907] 439, dem sich Colin a. O. anschließt). Dadurch ist die Vermutung von Crusius 27, Aristonoos sei identisch mit dem gleichnamigen Kitharoden und Schmeichler des Lysander bei Plut. Lys. l8, den Crusius für den Urheber des oben (g) besprochenen P.s hält, hinfällig. – Ausgaben: Anth. lyr. II 297. J. V. Powell An. Alex. 162.

o) P. auf Flamininus (s. o. 6 n). Nur der Schluß erhalten. ‚Wir verehren die Fides der Römer. Singet ihr Mädchen den großen Zeus, Rom, Titus und die Fides der Römer. ἰὴ ἰὲ Παιάν. ὦ Τίτε σῶτερ.‘ Rhythmik: 3 tr.‚ der letzte anaklastisch, enkomiolog., adon. adon. + enkom.‚ reiz. adon.: v. Wilamowitz Versk. 439, 3; dort auch der Text. J. U. Powell Collect. Alexandr. 173 hat unmögliche Versteilung.

p) Limenios aus Athen. Im Athenerschatzhause gefunden und Fouill. de Delph. III 3 nr. 138 zusammenfassend publiziert ist ein πα]ιὰν δὲ καὶ π[ροσό]διον εἰς τ[ὸω θεόν, ὃ ἐπό]ησε[ν Λιμήνι[ος Θ]οίνο[υ Ἀθηναῖος] mit Instrumentalnoten. Limenios war κιθαριστής und gehörte zu den dionysischen Techniten Athens (Fouill. de Delph. III 2 nr. 47, 22). – Rhythmik. Anfang: kretisch paeonisch wie das Lied des ‚Kleochares‘ (s. o. m), das gleichzeitig, vielleicht auch von Limenios ist, Schluß: Glykoneen (chor. Dim.). Strophische Bindung fehlt. Inhalt: Anruf der Musen. Geburt Apollons auf Delos. Aufbruch nach Attika. Entdeckung des Namens Παιήων. Einzug in Delphi. Tötung des Python. Galatereinfall. Gebet für Athen und die Römer. – Zeit 128/27 v. Chr. (Dittenberger Syll.³ nr. 698).

q) Sonstige Dichter. Nur Namen sind für uns der Lakone Dionysodotos (D 6 c), der Troizenier Isodamos (Ps.-Luk. Demosth. Enkom. 27) und die o. D 6 n genannten Verfasser von P. auf Menschen. Auch von den P. des Tyrannen Dionysios II. – darunter war einer auf Asklepios (Athen. VI 250 c) – hat sich nichts erhalten.

r) Zusammenfassung. Der P. hat sich weder inhaltlich noch rhythmisch zu einem festen Typus entwickelt. Daß er regelmäßig Anruf der Gottheit und Gebet um Erfüllung enthält, teilt er mit ziemlich allen kultischen Liedern. Die [2361] Aretalogie schließt sich überall natürlich an. Päonischer Rhythmos, den man nach dem Namen (Choirob. Hephaist. 218 Consbr.: παιωνικὸς δὲ διὰ τὸ ἐν τοῖς παιᾶσιν ὕμνοις παραλαμβάνεσθαι) erwarten sollte, findet sich erst am Ende des 2. Jhdts. v. Chr. Doch mag er in delphischen Kultliedern älter gewesen sein (Choirob. a. O. 949: ,θυμελικὰν ἴθι μάκαρ‘ (Anth. lyr. II 302 D) καὶ τὰ ἐξῆς• ἐκ τῶν καλουμένων Δελφικῶν ἔστιν ἡ προκειμένη χρῆσις μὴ ἐχόντων τὸ ὄνομα τοῦ ποιητοῦ). Die erhaltenen P. zeigen so ziemlich alle Rhythmenarten. Strophische Bindung ist häufig, aber nicht obligatorisch, entsprechend der vom jüngeren Dithyrambos bestimmten Entwicklung. Erkennbar als P. sind die Lieder nur durch das an irgendeiner Stelle auftretende ἐπιφώνημα Παιανικόν, auch in den strophisch gebundenen P. steht es nicht immer als Kehrreim. Das Fehlen eines einheitlichen Typus macht es unwahrscheinlich, daß der P. irgendwo, etwa in Kreta (Deubner 403ff.) ‚erfunden‘ worden ist, vielmehr wird sich an mehreren Orten an kultische Epiphonema ein die Gottesfeier erweiterndes und ausgestaltendes Lied angeschlossen haben. Örtliche und zeitliche Entwicklung zu erkennen reicht das erhaltene Material nicht einmal für Delphi, geschweige denn für Gesamtgriechenland auch nur im entferntesten aus.

E. P. als rhythmischer Terminus. Die rhetorische Theorie kennt P. als Bezeichnung einer rhythmischen Einheit seit Aristot. rhet. III 1409 a 2ff. Aristoteles bezeichnet damit die Silbenfolge — ◡ ◡ ◡ und ◡ ◡ ◡ — , erstere sei für den Anfang, letztere für das Ende geeignet. Ihm folgt Cic. orat. 215. 218; de orat. III 183. Beide geben dafür die dorische Wortform παιάν, paean, wie auch Quintil. IX 4, 87. 96. Von wem dieser t. t. stammt, ist unbekannt. Ebensowenig ist erklärt, wie der Name von Ruf und Lied zur Bezeichnung des Metrons oder Fusses (iam paean quod pluris habeat syllabas quam tris, numerus a quibusdam non pes habetur Cic. orat. 218) durch die delphische Übung (v. Wilamowitz Versk. 330) geworden sein soll, da dieser Rhythmus für den Ruf nicht paßt und in den P. Liedern, selbst in Delphi, durchaus nicht die Regel ist (Reinach 270). Daß ein Versteil gleichbenannt mit dem ganzen Liede ist, bleibt jedenfalls singulär. Schon im Altertume fiel diese Schwierigkeit auf und fand die übliche Lösung durch den πρῶτος εὑρετής: paeones . . . a Paeone poeta nomen inditum possederunt Marius Plot. GL VI 499, 22. Älter bezeugt ist der t. t. κρητικὸν μέλος (Kratin. bei Hep ist. 40 Cons.)‚ mit dem sowohl eigentliche Kretiker ◡ — ◡ wie P. bezeichnet werden. Es ist also irgendwann zwischen Kratinos und Aristoteles für die zwei Sonderfälle — ◡ ◡ ◡ und ◡ ◡ ◡ — des Kretikus ◡ — ◡ der t. t. παιάν aufgekommen. Deshalb ist es nicht geraten, diese Bezeichnungen mit Deubner 395f. für die Herkunftsfrage des P.-Rufes und -Liedes zu verwenden. Die Aussage des Glaukos von Rhegion (Plut. de mus. 99 WR) Θαλάταν .. καὶ παίωνα (Hss.: μάρωνα) καὶ κρητικὸν ῥυθμὸν εἰς τὴν μελοποιίαν ἐνθεῖναι (vgl. Strab. X 481 d. h. Ephoros) ist nicht zu benutzen, weil hier die Termini einen anderen, nicht sicher verständlichen Sinn haben (Weil-Reinach zu § 99 [2362] und 281). Außerdem sieht v. Wilamowitz Versk. 330. 1 darin mit Recht gegen Deubner ,nur die gewöhnliche Sucht, einen Erfinder zu benennen.‘

Während Aristoteles und die von ihm abhängige Rhetorik die Bezeichnung P. auf die zwei Silbenfolgen — ◡ ◡ ◡ und ◡ ◡ ◡ — beschränken, hat die schematisierende spätantike Metrik (v. Wilamowitz Versk. 330) diesen Begriff noch auf zwei weitere ausgedehnt, nämlich auf ◡ — ◡ ◡ und ◡ ◡ — ◡ und hat die ganze Gruppe systematisiert, indem sie von πρῶτος bis τέταρτος παιών (immer in dieser attischen Form, manchmal auch mit Barytonese παίων, dazu Deubner 395, 9) zählt je nach der Stelle, welche die Länge innerhalb des viersilbigen ‚Fußes‘ einnimmt (Hephaist. 11 Consbr. Quintil. inst. IX 4, 47. 96. Diomed. GL VI 480, 22. Mar. Vict. ebd. 47, 30. 96. Max. Vict. ebd. 208. Caes. Bass. ebd. 308. Terent. Maur. 1532ff.). In weiterer Systemstisierung heißen die Metra, welche durch Zusammenziehen zweier Kürzen zu einer Länge aus den P. entstehen (Schol. Heph. 149, 11 C.), nämlich der Kretiker, Bakcheius und Palimbakcheios παιωνικά (Heph. 40 C.). Historische Schlüsse für die Entstehungsgeschichte dürfen aus diesen späten Konstruktionen nicht gezogen werden.

Der charakteristische paeonische Vers ist der Tetrameter, der weder Zäsur noch Katalexe besitzt. In ihm stehen Kretiker und der erste P. gleichberechtigt, ausnahmsweise im Versanfang auch der vierte (Hephaist. 41 C.). Der Schluß des Verses ist immer kretisch (Hephaist. 40). Diesen Vers liebt die alte Komödie, mit ihr Aristophanes in den frühen Dramen, dann tritt er zurück und verschwindet bald ganz. Doch zeigt das Auftreten kretischer Reihen bei Plautus, daß wir mit Lücken in unserer Kenntnis der Entwicklung zu rechnen haben. Die ernste Dichtung einschließlich der Tragödie kennt den paeonischen Tetrameter überhaupt nicht, verwendet paeonische Strophen fast gar nicht und auch einzelne Verse nur sehr sparsam. Eine Ausnahme macht die delphische Kultlyrik (s. o. D 7 r). Für weitere Einzelheiten s. v. Wilamowitz Aischylos Orestie II 265f.; Verskunst 330–335.

F. Literatur. Schwalbe Über die Bedeutung des P. als Gesang im apollinischen Kultus. Jahrb. d. Pädagogiums zum Kloster Unserer Lieben Frauen in Magdeburg, Neue Forts. 11. H. 1847, 1–40. Carolus Bruchmann De Apolline et Graeca Minerva deis medicis Diss. Breslau 1885, 61–69. Eisele Myth. Lex. s. Paion. Arthur Fairbanks A study of the Greek Paean. Cornell Studies in classic. Philol. XII (1900) mit Abdruck reicher testimonia und der damals bekannten P. T. Reinach in Daremb.-Sagl. s. Paean. Ludwig Deubner N. Jahrb. XXII (1919) 385–406, religionswissenschaftlich orientiert. Schmid-Stählin I 343–345.


  1. παιήονες kann, wie schon Pape gesehen hat, nur die Sänger bezeichnen, jede andre Erklärung ist gekünstelt, vergleichbar ist kret. κόσμοι ‚Ordner‘ : gemeingr. κόσμος ‚Ordnung‘, PN Κάδμος : kret. κάδμος ,Rüstung‘. Die Sänger hießen also wie der Gott selbst. Doch ist Verderbnis der Stelle nicht ausgeschlossen. Es könnte παραηδόνες (Hoμ. Οd. XXII 348 und Anth. Pal. VII 44, 3) das Ursprüngliche gewesen sein.