RE:Tullius 57

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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P. T. Varro von Tarquinii, cos. suff. 127 n. Chr., Sohn des P. T. Nr. 56
Band VII A,2 (1943–1948) S. 13261329
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57) P. Tullius Varro, Consular der Traianisch-Hadrianischen Zeit. Seinen Namen enthält die ihm in den Thermen von Tarquinii errichtete Ehreninschrift (s. u.) in der Form P. Tullius Varronis filius Stellatina Varro; sonst P. Tullius Varro oder nur Tullius Varro (P. Tullius ... CIL XI 3366).

Varro war der Sohn des (P. Tullius) Varro aus Tarquinii (s. Nr. 56); wohl in der Heimatstadt setzte er optimo patri einen Gedenkstein, der noch erhalten ist (CIL XI 3004 = Dess. 1002). Als Sohn eines Senators schlug er gleichfalls die senatorische Laufbahn ein, über deren Ämterstaffeln uns die Inschrift einer Statuenbasis unterrichtet, die P. Tullius Callistio, offenbar ein Freigelassener dieses Hauses, in den von Varro erbauten Thermen der Vaterstadt aufstellte (CIL XI 3364 = Dess. 1047), und zwar anscheinend geraume Zeit nach dem Tode des Varro. Denn derselbe Callistio ehrte noch nach 161 n. Chr. den damaligen Chef des Hauses, L. Dasumius Tullius Tuscus, durch ein Denkmal (s. o. Bd. IV S. 2222f.).

Eine genaue Zeitbestimmung kann auf Grund unserer Kenntnis für keines der Ämter Varros gegeben werden. Demgemäß schwanken die zeitlichen Ansätze für Consulat und sonstige Stellungen beträchtlich (in Traianische Zeit setzen seinen Consulat Borghesi Oeuvr. VI 430. Cantarelli Bull. com. XVII 196, 9. Pallu de Lessert Fast. Afr. I 187ff.; dagegen wird von Ritterling Fast. d. röm. Deutschl. 126, 39 seine Legation der Legio VI Victrix erst um 117/18 fixiert, Stout Governors of Moesia 24f. rückt seine moesische Statthalterschaft bis ca. 138 herab, Lambrechts La compos. du Sénat Rom. 1936, 48 n. 129 a setzt den Proconsulat der Baetica gegen 120, den von Africa gegen 140 an). Indes läßt sich die Zeit des Consulates gegenwärtig insofern eher umgrenzen, als neugefundene Bruchstücke der Fasten von Ostia zeigen, daß die J. 109–113 und 116 dafür nicht in Frage kommen. Da ferner Varros Vater unter Vespasian Praetorier war und diesen Kaiser, wenn überhaupt, so gewiß nur kurze Zeit überlebte (s. Nr. 56), andrerseits Varro selbst nicht um vieles jünger gewesen sein wird als sein Freund Dasumius, der im J. 108 sein Testament errichtete (s. u.), wird man seinen Consulat am ehesten kurz vor 109, auf keinen Fall erst in Hadrianische Zeit datieren dürfen.

[1327] Varro begann seine Laufbahn als decemvir stlitibus iudicandis, diente hierauf als Militärtribun in der (im J. 70 gegründeten) Legio XVI Flavia (in Kappadokien? s. o. Bd. XII S. 1765), verwaltete die regulären Magistraturen als städtischer Quaestor, Aedilis Cerialis und Praetor. Als Praetorier wurde er – wohl in Domitianischer Zeit – legatus legionis XII Fulminatae (in Kappadokien, s. o. Bd. XII S. 1707) et VI Victricis piae fidelis (am Niederrhein; die Beinamen erhielt die Legion im J. 89, ebd. S. 1603). Frühestens fünf Jahre nach der Praetur verwaltete er als Proconsul die Provinz Hispania Baetica (in der Inschrift: procos. prov. Baeticae ulterioris Hispaniae) und fungierte hierauf als praefectus aerari Saturni (gewiß später als Plinius und Cornutus Tertullus, die von 98 bis 100 dem Staatsschatze vorstanden). Es folgte der Consulat, den er als Suffectus in einem unbekannten Jahre, vielleicht kurz vor 109 n. Chr., innehatte (s. o.). Vermutlich unmittelbar nach dem Consulat wurde er – wie sein etwas älterer Zeitgenosse Plinius – in das Augurenkollegium aufgenommen (die Bauinschrift der Thermen CIL XI 3366 führt von seinen Würden nur Consulat und Augurat an). Als Consular wurde er curator alvei Tiberis et riparum et cloacarum urbis, vielleicht als Nachfolger des L. Minicius Natalis Consuls 106, der die Tibercuratel von 107-110 inne habt haben dürfte (s. o. Bd. XV S. 1833). Hierauf übernahm er als legatus Augusti pro praetore die Verwaltung der Provinz Moesia superior; trifft die oben vorgeschlagene Datierung seines Consulates das Richtige, so fällt seine moesische Statthalterschaft in das Jahrzehnt 110-120 n. Chr. Den Abschluß seiner staatlichen Laufbahn bildete der Proconsulat von Africa. Unter den oben angeführten Voraussetzungen wäre dieses Amt, das in der Zeit Hadrians durchschnittlich 15 oder 16 Jahre nach dem Consulat bekleidet zu werden pflegte, um 125 n. Chr. anzusetzen.

Wie im römischen Staatsdienst bekleidete Varro auch in seinem Heimatland und seiner Vaterstadt hohe Würden. Er war praetor Etruriae (vollständig lautet der Titel praetor Etruriae XV populorum), d. h. höchster Beamter des sakralrechtlich weiterbestehenden etruskischen Städtebundes (vgl. Mommsen St.-R. III 666f.) und (quattuorvir) quinquennalis in Tarquinii. Für die Verschönerung seiner Vaterstadt sorgte er, indem er im Testament eine Summe von 3 300 000 Sesterzen für den Bau von Thermen bestimmte, der dann von seinem Sohne vollendet wurde (CIL XI 3366; erhalten ist nur [s]estertio ter et tr...., Bormann ergänzt [legato s]estertio ter et tr[icies]). In diesen Thermen standen die Standbilder Varros und wohl aller Mitglieder seiner Familie.

Varro war zweifellos reich begütert. Die Inschrift einer Wasserleitung, die sich im Gebiet von Viterbo gefunden hat, berichtet, daß die dem Consular Mummius Niger Valerius Vegetus – wohl dem Suffectconsul des J. 112 Q. Valerius Vegetus (vgl. Österr. Jahresh. XXIX Beibl. 197) – gehörige aqua Vegetiana in dem fundus Antonianus maior des P. Tullius Varro, von dem sie Vegetius erwarb, entsprang und u. a. per fundos Antonian. maiorem et Antonianum minorem P. [1328] Tulli Varronis sowie per (fundum) Petronianum P. Tulli Varronis geleitet wurde (CIL XI 3003 a. = Dess. 5771; eine Planskizze bei Lanciani Sill. epigraf. aq. 1880, 378f.). Diese Besitzungen Varros befanden sich demnach auf etruskischem Heimatboden.

In dem bekannten Testament des Dasumius (CIL VI 10229 = Bruns FIR⁷ 117), das im Sommer des J. 108 verfaßt wurde (s. o. Bd IV S. 2223), wird Tullius [V]arro mit einem Legate bedacht (v. 22). Aus den Namen des L. Dasumius P. f. Tullius Tuscus‚ dessen Statue in den Thermen von Tarquinii stand (s. o.), und seines Sohnes M. Dasumius Tullius Varro (s. o. Bd. IV a. O.) ist längst geschlossen worden, daß unser Varro der nahe Freund des Erblassers war, dessen Sohn von diesem zum Erben ex uncia eingesetzt und zugleich testamentarisch adoptiert wurde: [quod post vitae cursum con]fectum praest[antissimum est] – so ergänzt Mommsen den verstümmelten Text (v. 3-5) – [rem cum nomine filio relinquere, quoniam mihi natura negavit,] amicus rarissim[us P. Tullius Varro quem genuit filium natu primum, si eum pater nome]n meum laturum po[llicitus erit, mearum fortunarum ex uncia [heres esto] etc. Diesen Sohn des Varro, Adoptivsohn des Dasumius, erblickte man früher (PIR III T 284. Mommsen CIL VI p. 1349. Bormann XI 513. Ritterling Österr. Jahresh. X 309, 18; o. Bd. IV S. 2222f.; Zweifel hatte jedoch bereits Borghesi Oeuvr. VI 430 geäußert) in L. Dasumius Tullius Tuscus, aber Saria Österr. Jahresh. XXVI 1930, 70ff. wendet dagegen ein, daß dieser durch einen zu großen Zeitraum von Varro getrennt sei; tatsächlich erfahren wir nunmehr durch ein neues Fragment der Fasten von Ostia (Not. d. scav. 1934, 259 Tav. VIII), daß Dasumius Tuscus erst im J. 152 zum Consulat gelangte. Saria hat die Vermutung ausgesprochen, daß der leibliche, von Dasumius adoptierte Sohn des Varro vielmehr der Consul ordinarius des J. 119 P. Dasumius Rusticus gewesen sei, dessen Gentilnamen erst durch eine von demselben Forscher in Stobi gefundene Inschrift bekannt geworden ist (Jahresh. a. O.). Allerdings wäre dann die Zeitdifferenz zwischen dem Consulat Varros und dem seines Sohnes eine auffällig geringe, wenn auch zuzugeben ist, daß dieser vermöge seiner Abstammung und seiner gesellschaftlichen Stellung in jüngeren Jahren zum Consulat gelangt sein wird als Varro. Trifft Sarias Hypothese das Richtige, so hätte Dasumius Rusticus das Praenomen des leiblichen Vaters nach der testamentarischen Adoption beibehalten, wofür es an Analogien nicht fehlt; er wäre es demzufolge, der die Thermen in Tarquinii auf Grund des letzten Willens seines Vaters vollendete (s. o.; der Name des Bauherren ist in der Inschrift nicht erhalten). L. Dasumius Tullius Tuscus wäre dann der Enkel unseres Varro. – Irgendwie hängt mit dem Hause der Tullii Varrones der römische Ritter und sacerdos Lanivinus L. Valerius L. f. Palatina Tullius Tuscianus (CIL XI 3014 p. 1313 bei Viterbo) zusammen.

Von einem Denkmal des Varro könnte ein jüngst in Perugia gefundenes Inschriftfragment mit Buchstaben ‚aus guter Kaiserzeit‘ (Stefani [1329] Not. d. scav. 1935, 165) herrühren (zu ergänzen wäre demnach – – – [leg. leg. VI Vitri]cis – – – [Xvir. stlit.] iudic. – – – augur. – – – [IIvir. qui]ng. – – – [plebs urb]ana).

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 217
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57) P. T. Varro von Tarquinii, cos. suff. im J. 127 (K) n. Chr., Sohn des P. T. Nr. 56 (VII A 1325) Varro. (K) VII A 2507. (K) S XIV.