Zum Inhalt springen

RE:Aigaion 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
100-armiger Gewaltiger um Zeus zu schützen, Gründer von Karystos
Band I,1 (1893) S. 945 (IA)–947 (IA)
Aigaion (Mythologie) in der Wikipedia
Aigaion in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register I,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,1|945|947|Aigaion 1|[[REAutor]]|RE:Aigaion 1}}        

Aigaion (Αἰγαίων). 1) a) Bei Homeros ein 100-armiger Gewaltiger, den Thetis auf den Olympos rief, um Zeus zu schützen gegen Hera, Poseidon und Pallas Athene, als diese den Götterkönig binden wollten. Er setzte sich neben Zeus κύδεϊ γαίων, und die μάκαρες θεοί wagten ihn nicht zu binden, da er stärker war ‚als sein Vater‘. Die Götter nennen ihn abweichend von den Menschen vielmehr Βριάρεων: Il. I 404 (überhaupt 402–406). Ein von O. Müller Prol. 360 wegen seiner Bedeutsamkeit hervorgehobener Mythos. Der ‚Vater‘ war nach Schol. AD Il. I 399 und Townl. zu 404 (vgl. Eustath. 122, 37 u. 124, 3) Poseidon, er selbst nach Schol. A zu 404 und Didymos AD zu 399 ein ἐνάλιος, θαλάσσιος δαίμων und ‚kein Titane‘ (A zu 404). Die Parechese κύδεϊ γαίων zu Αἰγαίων (Eustath. p. 124, 10) benutzt Kornutus ND 17 zu einer Etymologie von ἀεὶ-γαίων, vgl. Nonnos XLIII 362ff. Eumelos dagegen (Titanom. frg. 2 K. aus Schol. Apollon. Rhod. I 1165 = Eudokia p. 29, 4ff. 91, 20ff.) nennt ihn einen Sohn des Pontos von der Gaia (unter dem Namen Βριάρεως); Ion (in einem Dithyrambos bei Schol. Apollon. Rhod. I 1165) einen Sohn der Thalassa. Verg. Aen. X 565ff. lässt ihn im Kampfe gegen die Blitze des Zeus 100 Schilde in ebensoviel Armen tragen und Feuer speien. Euphemeristisch nennt Archemachos frg. 5 (aus Plin. n. h. VII 57, FHG IV 315) ihn Erfinder der Kriegsschiffe. Eponymos des Αἰγαῖον πέλαγος war er nach einigen bei Eustath. zu Dionys. Per. 132. Auf Vergesslichkeit des Arrianos (frg. 42, FHG III 594f.) oder des Eustathios, der sich auf ihn beruft (p. 124, 3), beruht es jedenfalls, wenn er auch Sohn des Kronos gewesen sein soll.

b) Ein δυναστής (δυναστεύων) von Karystos-Aigaia: nach Eustathios Il. I 538 p. 281, 3 (über Steph. Byz., der ihn s. Κάρυστος Αἴγων nennt, aus Apollodors Commentar zum Schiffskatalog entnommen, vgl. Strab. X 446 und Niese Rh. Mus. XXXIV 1879, 281[WS 1]), also wohl Eponymos der südeuboeischen Stadt Karystos, für deren [946] Beinamen Αἰγαίη auch Konon (Herakleia frg. 3 a aus Schol. Apollon. Rhod. I 1165, FHG IV 368f.) zeugt (vgl. auch das nahegelegene Aigai, s. d. Nr. 1). Da dieser A. ebenfalls Eponymos des Αἰγαῖον πέλαγος heisst (Eustath.), so ist er vom homerischen A. schwer zu scheiden. Wirklich erklärt Arrianos (frg. 42 b aus Eustath. Il. I 397 p. 123, 35ff., FHG III 594f. = Eudokia p. 144) den erstgenannten A. durch diesen θαλαττοκρατήσας, welcher ὁρμητηρίῳ ἐχρήσατο Εὐβοίᾳ und κατεστρέψατο τὰς Κυκλάδας, so dass das aegaeische Meer seinen Namen erhielt. Solinus c. 11 giebt den karystischen Kult vielmehr dem Briareos (der nach Homeros ja mit dem A. identisch ist) und dem Aigaion einen Kult in Chalkis.

Die nach M. Mayer (Giganten und Titanen 126) vortreffliche Sage des Konon bei Apollonios von Rhodos und Arrianos (s. o.) verknüpft diesen karystischen A. mit dem c) ‚mythischen Heros‘ (Konon) vom Rhyndakos und erzählt, dass dieser von Poseidon besiegt (καταγωνισθείς, nach Konon auch καταποντισθείς) unter einem noch νῦν σήμα Αἰγαίωνος oder ἠρίον Αἰγαίωνος (Konon) genannten Hügel an der Mündung dieses troisch-phrygischen Flusses begraben liege; vgl. Luci(ll)us Tarrhaios bei Schol. Apoll. Rhod. I 1165 und über den Kampf mit Poseidon ebenda und Claudian. rapt. Proserp. III 345. In allen drei Berichten werden die aus dem Hügel hervorrinnenden ‚hundert Quellen‘ mit den hundert Armen (παλάμαι, Arrian.) des Hekatoncheir Aigaion-Briareus zusammengebracht: eine locale topische Legende, die der Urheimat des Mythos im Mutterlande nicht ohne weiteres vindiciert werden darf. Da in der ältesten Quelle, der Ilias, Thetis die Meergöttin, welche den A.-Briareus herbeiholt, sichtlich die vertraute Genossin des Meerriesen ist, so muss man in der Nähe ihrer Heimat die seine auch voraussetzen und suchen; also unweit der nach Thetis-Σηπία genannten magnesischen Küste Σηπιάς und bei dem pagasaeischen Meerbusen, nach welchem sich die thessalische Ebene mit ihrem Thetideion öffnet. Dort gilt Αἴγων als Sohn des Thessalos, Vater des (H)aimon, des Eponymos von thessalisch Haimonia: Eust. Il. II 681 p. 321, 25. Daselbst liegt auch das malische Αἰγώνη (Rhianos) oder Αἰγώνεια (Hekataios, Lykophron, Steph. Byz. u. a.), dessen Eponymos vielleicht der homerische A. war (vgl. die karystische Nebenform Αἴγων). Für eine Herleitung des rhyndakischen A. (c) aus Malis spricht die Analogie der Sage der dortigen Laistrygonen, deren homerischer König Λάμος Eponymos des malischen Λαμία ist und deren homerische Stadt Τηλέπυλος den pylischen Engpass in Erinnerung bringt; denn der homerische Wohnsitz dieses malisch-lamischen Geschlechtes mit den zwei Molen seines κλυτὸς λιμήν (Od. X 87ff.) muss am χυτὸς λιμήν von Kyzikos unweit des Rhyndakos mit seinen zwei Hafenmolen gesucht werden (M. Mayer Giganten 126). Obendrein knüpft die kyzikenische Gründungssage bei Deïlochos FHG II 17, 5f. diesen Hafenbau an thessalische Γαστρόχειρες-Ἐγχειρογάστορες (‚Pelasger‘-‚Giganten‘) an, die von den Ἑκατόγχειρες, also auch dem zu diesen gehörigen A.-Briareus, nicht verschieden gewesen zu sein scheinen (M. Mayer a. a. O. 127 [947] und unabhängig Tümpel Bemerkungen zur griech. Religionsgeschichte, Progr. Neustettin 1887, 13). Dieselben ‚Giganten‘, welche mit Quadern den kyzikenischen Hafen bauten, waren es auch, welche nach Agathokles von Kyzikos (frg. 1 aus Steph. Byz. s. Βέσβικος, FHG IV 288f.) die Rhyndakosmündung mit herbeigeschleppten Geröllsteinen des Meeres verstopfen wollten, gerade da, wo A. sein Grabdenkmal hatte. Vgl. u. Briareus und Encheirogastores.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fehlerhafte Quellenangabe. Mutmaßliche Quelle: Rh. Mus. XXXII 1877, 281, s. u. Benedikt Niese