RE:Aussetzung

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Von Kindern
Band II,2 (1896) S. 25882589
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Aussetzung (von Kindern). Sowohl in Griechenland als in der römischen Welt kam es häufig vor, dass man sich auf diese Weise auch ehelicher neugeborener Kinder entledigte, und zwar namentlich der Töchter, Posidipp. frg. 7 Kock. Ter. Heaut. 626. Die Schicksale ausgesetzter Töchter sind ein beliebtes Motiv der neueren Komödie, so in Plaut. Cas.; Cist. Ter. Heaut. Ausser wegen Armut der Eltern setzte man die Kinder aus wegen ungenügender Körperbeschaffenheit (Plat. Theaet. 160 e. Sen. de ira I 15, 2), was in Sparta gesetzlich geregelt war (Plut. Lyc. 16), und aus manchen anderen Gründen, z. B. ob discordiam parentum, Suet. gramm. 21. Dig. XL 4, 29; vgl. auch Dio Cass. XLV 1. Suet. Aug. 65; de gramm. 7. Als Ausnahme wird angeführt, dass in Theben (zu welcher Zeit?) die A. verboten war und statt dessen die Kinder, deren sich die Eltern entledigen wollten, von Staatswegen dem mindestfordernden als Sclave überlassen wurden, Ael. v. h. VII 7. Im übrigen scheint, nach der Art, wie davon gesprochen wird, auch die öffentliche Meinung an der A. und selbst an der Tötung neugeborener Kinder (Sen. a. O. Ter. Heaut. 635) kaum Anstoss genommen zu haben; vereinzelt sind Stimmen wie Polyb. XXXVII 1149. Tac. Germ. 19. Die Häufigkeit der A. bezeugen für Griechenland, speciell Athen (vgl. auch Cramer Anecd. III 193) die dafür vorhandenen Ausdrücke: ἐγχυτρίζειν, ἐγχυτρίστριαι, weil die A. oft in thönernen Gefässen stattfand, Arist. ran. 1190; vesp. 289 m. d. Schol. Schol. Plat. Min. 315. Moeris 192, 25 Bk. Hesych. s. ἐγχυτριεῖς, ἐγχυτρισμός. In der Kaiserzeit ist öfter die Rede von der rechtlichen Stellung der Ausgesetzten, wenn sie, was oft vorkam, aufgenommen und aufgezogen worden waren; sie konnten von den Eltern gegen Erstattung der Alimente zurückgefordert werden, Plin. ep. X 65f. 72f. Quintil. inst. VII 1, 14; decl. 278; für spätere Zeit auch in Betreff ausgesetzter Sclaven, s. Cod. Iust. V 4, 16. VIII 51 (52). Cod. Theod. V 7. 8.

Dionysios Hal. ant. II 15 erwähnt ein von ihm auf Romulus zurückgeführtes Gesetz, nach dem Tötung Neugeborener unbedingt, A. für die Söhne und die erstgeborene Tochter verboten war, überhaupt aber nur mit Beistimmung von fünf Nachbarn stattfinden durfte. Doch ist dies Gesetz früh (vor Plautus) in Vergessenheit geraten und nicht erneuert worden. Es bedurfte vielmehr eines besonderen Actes des Vaters (tollere, suscipere, z. B. Cic. Att. XI 9, 3), um das Kind zum Aufziehen zu bestimmen. Auch Augustus hat, bei seinen Bestrebungen, die Kinderzeugung zu fördern, doch die A. nicht verboten. Im J. 374 n. Chr. erklären Valentinian, Valens und Gratian die Tötung des Kindes für ein Capitalverbrechen (Cod. Theod. IX 14, 1), wahrscheinlich auch die A. (Cod. Iust. VIII [2589] 51 (52), 2 animadversioni quae constituta est), welche schon unter Severus Alexander von Paulus Dig. XXV 3, 4 als der Tötung gleich stehend erklärt wurde. Eben diese Erklärung des Paulus lässt vermuten, dass schon damals ein Verbot bestand (s. die Litteratur bei Rein Crim.-Recht 743); die Unwirksamkeit desselben bezeugt Tertullian ad nat. I 15.

[Mau. ]