RE:Babylon 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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mesopot. Hauptstadt
Band II,2 (1896) S. 26672699
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Babylon. 1) Ἡ Βαβυλών (bei Römern gelegentlich z. B. Liv. XXXVIII 17. Plin. n. h. VI 133. Iustin. I 2, 7. XLII 4, 2. Solin. 37 auch Babylonia), die Hauptstadt des südlicheren der beiden grossen semitischen Kulturvölker des Euphrat-Tigris-Gebietes[1]. Wegen seiner Grösse und seines Reichtums, der Stärke seiner Befestigungen und der Pracht seiner Bauten war es als Typus einer orientalischen Riesenstadt bei Griechen und Römern sprichwörtlich. Vgl. z. B. Aisch. Pers. 53. Aristoph. Av. 551f. Xenoph. Cyrop. V 2, 8. VII 2, 11. 5, 7. Arist. Pol. III 1276 a. Dion. Hal. ant. Rom. IV 25. Propert. IV 11, 21ff. Senec. de const. sap. 6, 8. Mart. epigr. 1, 2. Stat. silv. III 2, 136. Paus. IV 31, 5. Dion Chr. or. VI 4. 37. XXXIII 23f. Luc. Charon 23. [2668] Max. XXVII 3. XXXV 2. Iul. or. II 83 c. Himer. or. II 32; ecl. II 24 und die sprichwörtlichen Redensarten Βαβυλῶνα εἴληφας bei Luc. de merc. cond. 13 und Βαβυλώνια πράγματα διηγεῖσθαι bei Pallad. v. Chrys. 31.

A. Name. Der älteste sumerische d. h. vorsemitische Name B.s ist Tin-tir d. h. ,Lebenshain‘. Jünger scheint zu sein Ka-dingir d. h. ,Thor Gottes‘. Ausser diesen beiden begegnen in der keilschriftlichen Litteratur an nichtsemitischen Bezeichnungen der Gesamtstadt noch Schuan-na d. h. ,hochgewaltige Stadt‘ und einfaches Ê d. h. ,Wohnung‘ schlechthin. Eine Übersetzung des sumerischen Ka-dingir ist die gebräuchliche einheimisch semitische Benennung Bâb-îlu. Aus dieser unmittelbar hervorgegangen ist die hebräische Namensform Bâbel und die altpersische Bâbirus oder Bâbairus. Dagegen geht die griechische und zwar durch Vermittlung eines in seinem Vocalismus auf der Stufe des Hebräischen stehenden nordsemitischen Idioms (*Bâb-elôn) auf eine spätere Nebenform Bâb-îlâni d. h. ,Thor der Götter‘ zurück.

Namen einzelner Stadtteile B.s sind vermutlich Dûru (aramäisch Dûrâ; vgl. Daniel 3, 1: ,in der Ebene von Dûrâ in der Stadt Bâbel‘) und Nûch-scha-ṣaltum d. h. ,Streitesruhe‘ und Schûbtu d. h. ,Wohnsitz‘ (auf Keilschrifttafeln der Söhne Egibis). Das Nämliche gilt von dem im Gegensatz zu den eben genannten nichtsemitischen Namen Schêsch-ku (auf der grossen babylonischen Königsliste A), mit welchem die Bezeichnung Schêschak(h) für B. beim Propheten Jeremias 25, 26 und 51, 41 und die Angabe des Berosos und Ktesias über eine in B. gefeierte ἑορτή Σακέα [?] bei Athen. XIV 639 c (ungenau Dio Chr. or. IV 161 R. τὴν τῶν Σακκῶν ἑορτήν, ἣν Πέρσαι ἄγουσιν, geradezu missverständlich Hesych. s. Σακαιοί: Σακαία ἡ Σκυθικὴ ἑορτή) scheint in Verbindung gebracht werden zu dürfen. Über das Verhältnis B.s zu Borsippa und Kisch s. unter E.

B. Stadtgeschichte. I. Gründungssagen. Von den Anfängen B.s hatten wohl schon die Babylonier am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. selbst keinerlei sichere historische Kunde. Wie diejenigen anderer berühmter Städte des Altertums verlieren sie sich in mythischem Dunkel. Wenn wir, wie billig, von der späteren eranischen Sage absehen, welche die Gründung B.s einem der ersten mythischen Perserkönige zuschreibt, haben wir noch zu unterscheiden hebräische, einheimisch babylonische und griechische Gründungssagen.

a. Hebräische Sagen. Die Genesis berührt die Gründung B.s zweimal und zwar nach zwei verschiedenen Quellenschriften, 11, 1–9 nach dem vermutlich in der salomonischen oder einer wenig späteren Zeit abgefassten ältesten sog. jahvistischen Geschichtswerke (J₁) und 10, 8ff. nach der Überarbeitung, welche dieses zweifellos unter Berücksichtigung assyrisch-babylonischer Traditionen wohl spätestens um die Zeit des Königs Achas im Südreiche erfuhr (J₂). Vgl. Budde Die biblische Urgeschichte, Giessen 1883, 370ff. J₁ sieht in B. auf Grund einer Volksetymologie Bâbel = *Balbel (vom Stamme בלל‎) d. h. ,Verwirrung‘ die von den Menschen vor der Sprachverwirrung erbaute Stadt, deren Hauptbauwerk, [2669] ein riesenhafter Turm, mit seiner Spitze die Wolken berühren sollte, infolge der Sprachverwirrung aber unvollendet blieb. J₂ erzählt von einer babylonischen Tetrapolis B., Erek(h), Akkad(h) und Kalneh, welche von Nimrod, dem ,riesigen Jäger vor Jahveh‘, einem der von ,Söhnen Gottes‘ mit menschlichen Frauen erzeugten Riesen, angelegt worden sei, eine Version, auf welche auch ein unbekannter prophetischer Schriftsteller Micha 5, 5 als die ihm geläufige hinzuweisen scheint, indem er Babylonien ,das Land Nimrods‘ nennt. Aus der Verbindung beider Berichte ergiebt sich die spätere jüdische und christliche Auffassung, nach welcher eben Nimrod (Νεβρώδης) der Anstifter des von Jahveh inhibierten Stadt- und Turmbaues ist. Vgl. Jos. ant. Iud. I 113ff. Talmud babl. Sanhedrin 109. Ioann. Antioch. frg. 4. Sync. 42 c. Cedr. 11 c. 15 b. Zonar. I 15 und die Syrer Michaël d. Gr. (ed. Langlois) 30 und Bar-Hebraeus Hist. dyn. (ed. Pococke) 18.

b. Babylonische Sagen. In der keilschriftlichen Litteratur ist ein Bericht über die Gründung B.s bislange nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden. Dagegen erscheinen bei Eusebios und Synkellos drei verschiedene auf das Zeugnis des Berosos und Abydenos zurückgehende diesbezügliche Versionen der babylonischen Sagengeschichte. 1) Gleichsetzung der Gründung B.s und des Baues des Sprachenturmes. Abydenos bei Euseb. chron. I 33; pr. ev. IX 416 b c. Sync. 35 a. Von dem hebräischen unterscheidet sich der babylonische Bericht dadurch, dass an Stelle Jahvehs naturgemäss eine Vielheit von Göttern tritt und dass nicht nur die bisher einheitliche menschliche Sprache verwirrt, sondern auch der Turm selbst durch die den Göttern zu Hülfe kommenden Winde zerstört wird. Dass der mit Nimrod identische Held des sog. [Izdubar-]Gilgamisch-Epos (Namru-kadu d. h. ,hellglänzendes Licht‘ nach A. Jeremias Izdubar-Nimrod, Leipzig 1891, 1, Nu-Marad d. h. ,der aus [der Stadt] Marad‘ nach Fr. Delitzsch Wo lag das Paradies? Leipzig 1881, 220) als Anstifter des Turmbaues erschien, lässt sich nicht beweisen, ist aber bei dem starken Beeinflusstsein der Genesisquelle J₂ durch babylonischen Mythos in hohem Grade wahrscheinlich. Angebliche Reste eines keilschriftlichen Originaltextes dieser Version veröffentlichte G. Smith Chaldäische Genesis, autorisierte Übersetzung von H. Delitzsch. Leipzig 1876, 120ff. Aber die Deutung der spärlichen Bruchstücke ist durchaus unsicher. Vgl. Fr. Delitzschs Bemerkungen a. a. O. 310f. und Budde 385. Auch das durch Alex. Polyh. vermittelte Zeugnis der sog. berosischen Sibylle bei Jos. ant. Iud. I 118. Euseb. pr. ev. IX 416 d. Epiphan. adv. haeres. I. Cyrill. adv. Iul. I 9. Sync. 44 c darf für die babylonische Turmbausage nicht geltend gemacht werden, da die Erzählung tendenziös jüdische Beeinflussung verrät. — 2) Gründung B.s durch die mit Xisuthros aus der Sündflut Geretteten: Berosos, vermittelt durch Alex. Polyh. bei Euseb. chron. I 23. Sync. 31 b und Eupolemos ἐν τῷ περὶ Ἰουδαίων bei Euseb. pr. ev. IX 418 c; vgl. (Ps.-)Hestiaios ebd. 416 d. Diese Version bildete vermutlich den Schluss der zweiten bis jetzt nur aus wenigen Bruchstücken bekannten keilschriftlichen Sündfluterzählung. — [2670] 3) Gründung B.s durch den schöpferischen Gott Bêl unmittelbar nach der Erschaffung des Festlandes aus dem Urocean. Abydenos bei Euseb. chron. I 39; pr. ev. 457 c. Hiezu stimmt der Name der einen der beiden Stadtmauern Nimitti-Bêl d. h. ,Gründung Bêls‘ und die Stelle im Eingang der Samsu-luna-Inschrift (K. B. III 1, 130f): ,Als Bêl .... B. seine (nämlich Marduks) Stadt … gründete‘. Auch der Dichter des [Izdubar-]Gilgamisch-Epos scheint diese Version im Auge gehabt zu haben, wenn er einerseits die Gründung B.s vor die Zeit seines Helden setzt, sie aber nicht mit der Sündflut in Zusammenhang bringt, andererseits Tafel III 20 den Gott Bêl von B. reden lässt als ,Haus meines Ergötzens‘.

c. Griechische Sagen. 1) Gründung B.s durch Semiramis, eine erst von der griechischen Phantasie geschaffene Sagengestalt, in der sich mit einer dunkeln Kunde von der historischen Königin Sâmmuramat von Assyrien (um 800 v. Chr.), der Mutter oder der Gemahlin Rammânirâris III., mythische Züge aus dem Bilde der Göttin Ischtar, der ,Tauben liebenden‘ (summu râmat; vgl. Diod. II 4: ὄνομα θέμενον Σεμίραμιν, ὅπερ ἐστὶ κατὰ τὴν τῶν Σύρων διάλεκτον παρωνομασμένον ἀπὸ τῶν περιστερῶν: so Haupt Beiträge zur Assyriologie I 164. 323; dagegen Σεμίραμις = sammu râmat, d. h. ,Liebhaberin von Wohlgerüchen‘ Fr. Delitzsch bei Mürdter Geschichte Babyloniens und Assyriens², Calw 1891, I 278) verbanden. Der erste Vertreter dieser Sagenversion scheint Hellanikos gewesen zu sein, obwohl er vielleicht den Namen Semiramis noch nicht kannte; vgl. Kephalion frg. 1. Ihr erfolgreichster Vertreter war Ktesias, dessen diesbezügliche Erzählung bei Diod. II 7. Anonym. de mul. 1 vorliegt. Durch ihn wurde sie die eigentlich kanonische und ist dies bei Griechen und Römern stets geblieben. Vgl. Iustin I 2, 7, d. h. Timagenes. Strab. XVI 737. Curt. Ruf. V 1, 24. Dion. Hal. ant. Rom. IV 25. Propert. IV 11, 21ff. Ov. metam. IV 57f. Pomp. Mel. I 11. Mart. epigr. 1, 2. Kephalion bei Euseb. I 59 und Sync. 167 a. Dion. perieg. 1005f. und nach ihm Niceph. Blemmid. Iul. or. III 126 d. Schol. Aristoph. Av. 552 und den Syrer Dionysios von Telmahar (ed. Tullberg) 21. — 2) Gründung B.s durch Belos, den in euhemeristischem Rationalismus zu einem uralten König verflachten Gott Bêl, plerique bei Curt. Ruf. V 1, 24. Die natürlich nicht ohne Kenntnis der epichorischen Bêl-Gründungssage denkbare, also wohl erst in der Zeit kurz nach Alexandros d. Gr. entstandene Version scheint ihre Verbreitung besonders den Alexanderhistorikern (vgl. die Übereinstimmung der euhemeristischen Auffassung des Belos bei Curt. Ruf. und Strab.) und Euhemeros (vgl. Euseb. pr. ev. II 60 a) verdankt zu haben. Ausdrücklich vertreten findet sie sich noch durch Artapanos ἐν τοῖς Ἰουδαικοῖς, der wie ein ,Magier‘ Menandros bei dem Syrer Michaël d. Gr. und die Armenier Mar Apas Catina I 10f. Moses von Chorene I 6ff. und Ps.-Agathangelos bezw. deren griechische Quellen Belos mit Nimrod identificiert, bei Euseb. pr. ev. IX 420 b, und durch zwei Anonymi bei Euseb. a. a. O. und Etym. M. s. Βαβυλών. Wenigstens [2671] die Gründung durch Semiramis ist ausgeschlossen bei der vielleicht nicht eines geschichtlichen Kernes entbehrenden Sage von einer Eroberung B.s durch Semiramis, die Valer. Max. IX 3 ext. 4 und Frontin. strat. III 7, 5 erzählen. — 3) Gründung B.s durch Ninos und Semiramis, eine vielleicht nur durch Ungenauigkeit aus der ersten entstandenen Version, Vell. Paterc. I 6, 2. Dion Chr. or. XII 10. — 4) Gelehrte ethnologische Sagen: Gründung durch Chaldaios, Dikaiarchos bei Steph. Byz. s. Χαλδαῖοι. Gründung durch Babylon, Sohn des Medos oder Belos, Herennios Philon ebd. s. Βαβυλών und Eustath. ad Dion. Perieg. 1005. Verschönerung durch Medeia, die Stammmutter der Meder, Kephalion bei Euseb. chron. I 59 und Sync. 167 a wahrscheinlich nach Hellanikos. — 5) Synkretistische Versionen: Bau der Burg durch Belos, der Stadtmauern durch Semiramis, Amm. Marcell. XXIII 6, 23. Erste Anlage der Stadt durch Nimrod, Erneuerung durch Semiramis, Euseb. chron. II 12. Oros. II 2, 1, durch Ninos oder Semiramis, Oros. II 6, 7.

II. Wirkliche Anfänge. Die früheste sichere Erwähnung B.s findet sich im 38. Jhdt. in einer Inschrift des Königs Sargon von Agane (Omina I 8 = K. B. III 1, 102f.). Sein Bestand reicht zweifellos in eine noch weit ältere Zeit zurück. Am deutlichsten zeigt dies die Entwickelung des Tempelbezirkes Ê-sag(g)il(a) d. h. ,hochragendes Haus‘, um den sich die stets den Charakter einer heiligen bewahrende Stadt gruppierte. In historischer Zeit war hier die Opfer- und Orakelstätte des göttlichen Streiters und Richters Marduk (sumerisch ursprünglich Amar-udug d. h. ,gehörnter Wildstier‘, im alten Testament Merodak(h), Jerem. 50, 2, bei den Griechen Ζεὺς Βῆλος), einer von Hause aus solaren Gottheit, die ihre spätere hervorragende Stellung im babylonischen Pantheon erst ihrer Eigenschaft als Stadtgottheit von B. verdankte. Neben Marduk geniessen später in Ê-sag(g)il(a) seine Gemahlin Zardânîtû, sein Vater Êa und sein Sohn Nebo Verehrung. Aber noch in der kassitischen Zeit ist weder Êa noch Nebo, sondern der später als solcher nicht mehr erwähnte Sonnengott Schamasch hier πάρεδρος Marduks (vgl. Inschrift Agumkakrimês II 18 = K. A. III 1, 140f.). Der Kult des Nebo ist, wie schon sein Sitz Ê-zida d. h. ,ewiges Haus‘ zeigt, aus dem gleichnamigen Hauptheiligtum von Borsippa nach Ê-sag(g)il(a) übertragen. Dieses ist aber sogar noch kurz nach 2300 v. Chr. gar nicht dem Nebo geweiht. Die Verbindung Marduks mit den von der epischen Dichtung und der systematisierten Mythologie zu seinen nächsten Verwandten gemachten Gottheiten ist also in Ê-sag(g)il(a) keine ursprüngliche, diese Kultstätte mithin älter als die Zeit des Epos und der Systematisierung der Mythologie. Sie ist weiterhin wahrscheinlich sogar älter als die Verehrung Marduks an ihr. Wenigstens legen die Bezeichnung des Marduk von B. als Bêl schlechthin (vgl. nur griechisch Ζεὺς Βῆλος) und die Bêl-Gründungssage (s. oben I b 3) den Gedanken sehr nahe, dass nicht der bereits semitischen Einfluss verratende Amar-udug, sondern der rein sumerische, von den Semiten als Bêl d. h. ,Herr‘ bezeichnete In-lil d. h. ,der Herr [2672] der Geister‘, dessen Kult sich in Nippur erhielt, der ursprüngliche Stadtgott B.s war. Damit würde aber die Gründung der Stadt bis in die Zeit vor der Einwanderung der Semiten in die Tiefebene des Euphrat und Tigris zurückrücken.

III. Altbabylonische Zeit. Die Bedeutung B.s in der Geschichte beginnt mit dem 23. Jhdt., der Zeit, in welcher es durch Chammurabi Hauptstadt des unter semitischen Herrschern geeinten Babyloniens wurde. Die neue politische Stellung der Stadt bedingte gewiss sofort einen bedeutenden Aufschwung derselben. Wir hören noch, dass Chammurabi sie mit Kornspeichern ausstattete (K. B. III 1, 1207) und im benachbarten Borsippa Ê-zida und zwar zu Ehren Marduks, noch nicht zu Ehren Nebos, gründete oder restaurierte (Inschrift Recueil des travaux relatifs à l’archéologie égyptienne et assyrienne II 1880, 76ff.). Unter seinem Sohne Samsuiluna scheint sogar schon eine Erweiterung des Stadtgebietes eingetreten zu sein (vgl. Samsuiluna-Inschr. III 20ff. = K. B. III 1, 132f.). Für die nächstfolgenden Jahrhunderte fehlen Nachrichten über die Schicksale B.s. Das Erste, was wir wieder wissen, ist, dass ein aus dem Lande Chanî (im Norden?) kommendes Heer die Stadt eroberte und die Kultbilder des Marduk und der Zarpânîtû mit sich fortführte. Das Datum dieses Ereignisses bleibt unsicher, ebenso dasjenige der Rückgabe der Palladien, welche ein König kassitischer Abstammung, Agum-kakrimê, wie es scheint, auf dem Wege friedlicher Verhandlungen erreichte, und der im Gefolge dieser Rückgabe vorgenommenen Restauration des gänzlich verfallenen Haupttempels von Ê-sag(g)il(a) (Inschrift K. B III 1, 134ff.). Im weiteren Verlaufe der kassitischen Fremdherrschaft hörte dann B. vorübergehend auf, Reichshauptstadt zu sein. An seine Stelle trat als solche Dûr-kurigalzu und in der ersten Zeit der einheimisch semitischen Restauration durch die Könige aus dem Hause Paschê Dêr ,die Stadt des Anu‘ (vgl. Inschriften Nebukadnezars I. I 14 = K. B. III 1, 164f.). Erst Nebukadnezar I. scheint B. wieder zu seiner Residenz gemacht zu haben, nachdem er das diesesmal nach Elam entführte Kultbild des Bêl-Marduk zurückgebracht hatte (vgl. ebd. II 11 = K. B. III 1, 172f.). Inzwischen war im Norden Assyrien zur Grossmacht erstarkt. Die assyrischen Könige begannen, wie überhaupt über das südliche Nachbarreich, so besonders über B. eine Art Schutzherrschaft zu beanspruchen. Es bleibt zweifelhaft, ob die Stadt schon in der kassitischen Zeit einmal – im 14. Jhdt. unter Tiglathadar (Tukulti-Ninib) – von den Assyrern erobert wurde. Jedenfalls geschah dies aber in den nächstfolgenden Jahrhunderten, so 1107 oder 1106 unter Tiglathpilesar I. (Synchron. Gesch. I 20 = K. B. I 198f.). 852 unter Salmanassar II. (Inschrift von Balawât V 7ff. und Synchron. Gesch. III 35 = K. B. I 136f. 200f.), 815 unter Schamschirammân IV. (Synchron. Gesch. IV 9 = K. B. I 202f.) und 812 unter Sammuramat oder Rammânirâri III. (Verwaltungsliste I = K. B. I 208f.). Eine Zerstörung oder auch nur Züchtigung B.s hatte jedoch keine dieser assyrischen Invasionen zur Folge. Die Herrscher des Nordens behandelten die uralte Hauptstadt des Südens im Gegenteil beinahe mit [2673] ehrfürchtiger Scheu, opferten in ihren Heiligtümern und ordneten in ihr die Angelegenheiten des Nachbarreiches, um sie dann nach kurzem Aufenthalt wieder zu verlassen. So brauchte die Blüte der Stadt B. zunächst noch nicht durch den allmählichen Niedergang des babylonischen Reiches beeinträchtigt zu werden. Sogar eine weitere Vergrösserung der Stadt scheint in dieser Periode stattgefunden zu haben. Denn in der ersten Hälfte des 9. Jhdts. spricht der König Nabûabaliddin (Inschrift II 11f. = K. B. III 1,176f.) von einem ,im Gebiete der Neustadt in B.‘ gelegenen Garten, dessen Erträgnisse zur Bestreitung des Sonnenkultes in Sippar dienen sollten.

IV. Assyrische Zeit. Eine Periode schwerer Heimsuchungen begann für B., seit kurz nach der Mitte des 8. Jhdts. gleichzeitig die völlige Auflösung des alten babylonischen und eine neue Erstarkung des assyrischen Reiches ihren Anfang nahm. Die Stadt, an deren Besitz die Berechtigung zur Führung des stolzen Titels eines ,Königs von Sumer und Akkad, Königs der vier Weltgegenden‘ hing, wurde der Gegenstand hartnäckiger und wilder Kämpfe zwischen Assyrern, Chaldaeern und Elamiten. Im J. 732 (nach der Königsliste A K. B. II 287) erlosch das einheimische Königtum; 728 nahm der assyrische Usurpator Tiglathpilesar III. (Phûl) formell als König von der Stadt Besitz (Königsliste A und Platteninschrift von Nimrud 15f. = K. B. II 4f.), 709 sein Nachfolger Sargon II. (Königsliste A, Prunkinschrift 140ff. = K. B. II 72f.), 704 dessen Sohn Sanherib (Königsliste A, Prismainschrift I 26ff. = K. B. II 82ff.). Aber immer wieder ging sie an die Chaldaeer verloren. Als Sanherib 702 sie hatte wiedererobern müssen, machte er den Versuch, ihr noch einmal einen einheimischen, aber von Assyrien abhängigen König zu geben (Königsliste A, Beros. bei Euseb. chron. I 27), nach einer zweiten Wiedereroberung 699 machte er einen seiner eigenen Söhne zum Unterkönig von Babylonien (Königsliste A, Beros. a. a. O.), endlich nach einer dritten 690 oder 689 verfuhr er mit furchtbarer Strenge. B. wurde geplündert und von Grund aus zerstört; die Festungswerke wurden geschleift, Tempel und Paläste verwüstet, die Götterbilder teils zerschlagen teils nach Assyrien weggeführt, schliesslich noch die Deiche des Euphrat und der das Stadtgebiet durchfliessenden Canäle zerstört und deren Wasser über die Ruinen hingeleitet, um womöglich selbst diese zu vernichten (Königsliste A, Inschr. v. Bavian 43ff., Inschr. des schwarzen Steines I 19 – II 11 = K. B. II 116ff. 120ff.).

Elf volle Jahre blieb B. vom Erdboden verschwunden. Dann beschloss Sanheribs Sohn und Erbe Asarhaddon, die Stadt wieder aufzubauen (Inschrift des schwarzen Steines II 12ff. = K. B. II 122f.). Er beabsichtigte nichts Geringeres, als seine Residenz aus dem Stammlande Assyrien hierher zu verlegen. Indem B. die Capitale des assyrischen Weltreiches wurde, sollte der alte Gegensatz der Schwesternationen des Südens und des Nordens für immer ausgeglichen werden. Die Arbeiten begannen 678 oder 677. Zunächst wurde der Neubau der – bei dieser Gelegenheit erstmals inschriftlich erwähnten – Mauern B.s Im-gur-Bêl d. h. ,Bêl erbarmte sich‘ und Nimitti-Bêl [2674] d. h. ,Gründung Bêls‘ und der Heiligtümer von Ê-sag(g)il(a) in Angriff genommen (Inschr. d. s. g. Inschr. d. schwarzen Steines K. B. II 120–125; vgl. noch Steleninschr. Aschschurbanipals S³ 23ff. 53ff. Cylinderinschr. L² 5 bei Lehmann Šamaššumukîn, König von Babylonien. Inschriftliches Material über den Beginn seiner Regierung. Leipzig 1892, II 14f. 16f. 18f. Aber das gewaltige Werk schritt naturgemäss nur langsam vorwärts und, bevor es zu Ende geführt war, starb Asarhaddon 669. Sein Sohn Aschschurbanipal liess den Gedanken der Verlegung der Reichsresidenz nach B. fallen und kehrte zu der älteren assyrischen Politik zurück, im Süden ein von Assyrien abhängiges Vasallenreich zu schaffen. Zum ersten Beherrscher desselben bestimmte er seinen Bruder Schamaschschumukîn. Aber, wie um aller Welt zu zeigen, eine wie wenig unabhängige die Stellung des neuen Königs von B. sein sollte, überliess er es nicht diesem, das Restaurationswerk des Vaters weiterzuführen. Vielmehr wurden in seinem eigenen Namen die wichtigsten Neubauten vollendet, so diejenigen der Stadtmauern (Cylinderinschr. P² bei Lehmann Taf. XXXf.), des Haupttempels Ê-kua (Cylinderinschr. L² 14 bei Lehmann II 18f.), des Heiligtumes des Êa Ê-karzaginna (Steleninschr. S³ bei Lehmann II 14ff.) und des Heiligtumes des Nebo Ê-zida (Steleninschr. S² bei Lehmann Taf. XIIIff.) im heiligen Bezirke E-sag(g)il(a) und eines Ischtar-Tempels (Cylinderinschr. L¹ bei Lehmann Taf. XXIIIf.). Auch führte er persönlich die babylonischen Götterbilder nach der neuen Stadt zurück (Steleninschr. S³ 37ff. Cylinderinschr. L² 8ff. Thontafelinschr. L⁴ 26ff. bei Lehmann II 14f. 18f. 26ff.), liess Ê-sag(g)il(a) prächtiger als je zuvor schmücken (Annaleninschr. III 115f. = K. B. II 186f. Inschr. K 1794, II 16 bei Alden Smith Die Keilinschriften Asurbanipals, Königs von Assyrien. Leipzig 1887/89, II 20f. Steleninschr. S³ 56ff. und Cylinderinschr. L² 13 bei Lehmann II 16f. 18f.) und trug Sorge für eine möglichst glänzende Neubelebung des alten Kultus (Steleninschr. S³ 45ff. bei Lehmann II 12f.). Für Schamaschschumukîn blieb wenig mehr zu thun übrig. Er wetteiferte mit seinem Bruder in der Fürsorge für die Wiederherstellung des Kultus in Ê-sag(g)il(a) (Steleninschr. S¹ 8. Cylinderinschr. L⁵ 17 bei Lehmann II 10f. 12f.) und veranlasste noch einige letzte Arbeiten am dortigen Neboheiligtum (Steleninschr. S¹ bei Lehmann II 10ff.).

Aber der Glanz der neuen Stadt war ein sehr vorübergehender. Während des durch die Empörung Schamaschschumukîns gegen Aschschurbanipal heraufbeschworenen Bruderkrieges wurde sie ein oder zwei Jahre lang belagert und, nachdem Hunger und Pest furchtbar in ihr gewütet hatten, 648 endlich eingenommen. Mindestens der Königspalast scheint in Flammen aufgegangen zu sein (Annaleninschr. Aschschurbanipals III 70 – IV 96 = K. B. II 182—193). Auch die Festungswerke litten gewiss schwer. Doch zeigte sich Aschschurbanipal milder als sein Grossvater. Eine Zerstörung der ganzen Stadt erfolgte nicht (ebd. IV 92ff. = K. B. II 192f.).

Was die nächstfolgenden Jahrzehnte für B. brachten, wissen wir nicht. Wegen der unter [2675] Nabopalassar notwendig scheinenden umfangreichen Restaurationsarbeiten wird man annehmen müssen, dass sie eine Zeit fortgesetzten Niederganges und Verfalles der Stadt waren. Nach Oros. II 2f. wäre dieselbe während der durch den Zusammenbruch des assyrischen Reiches bedingten Wirren vorübergehend in medischem Besitze gewesen. Angesichts der ἑορτὴ Σακέα (s. S. 2668) wäre auch ein Vordringen der Saken oder Skythen bis nach B. nicht ausgeschlossen. Vgl. Herod. I 103ff. und Ktesias bei Diod. II 34. Völlig dunkel ist bis jetzt noch, wann und wie die Stadt durch Nabopalassar wieder in die Gewalt der Chaldaeer kam.

V. Neubabylonische (chaldaeische) Zeit. Seine letzte und glänzendste Blüte erlebte B. als Hauptstadt des durch die Chaldaeer begründeten neubabylonischen Reiches. Schon der erste König desselben, Nabopalassar, entfaltete wie in den übrigen alten Städten Babyloniens, so vor allem hier eine grossartige Bauthätigkeit. Der Terrassenturm Ê-têmên-an-ki d. h. ,Haus der Grundfeste Himmels und der Erde‘, welcher gänzlich verfallen war, wurde von Grund aus neu gebaut (Inschr. K. B. III 2, 2ff.), eine schöne gepflasterte Verbindungsstrasse von Ai-ibur-schabû, der Hauptstrasse der Altstadt, nach den Heiligtümern von Ê-sag(g)il(a) angelegt (East-India-House-Inschr. V 12ff. = K. B. III 2, 20f.), in unmittelbarer Nähe dieser Heiligtümer ein ebenso grosser als prächtiger Königspalast gebaut (ebd. VII 36ff. = K. B. III 2, 24f.) und mit der Errichtung neuer starker Quaimauern auf beiden Ufern des Euphrat und des Canales Arachtu begonnen (ebd. V 1ff. = K. B. III 2, 20f.). Endlich unternahm Nabopalassar eine völlige Neubefestigung des Stadtgebietes. Die Stadtmauern Imgur-Bêl und Nimitti-Bêl wurden neugebaut, d. h. jedenfalls bedeutend nach aussen vorgeschoben, und eine dritte (Böschungs-) Mauer vor dem die äussere Hauptmauer umgebenden Wassergraben hinzugefügt (ebd. IV 66ff. V 30ff. und Thoncylinderinschr. V. R. 34, 23ff. = K. B. III 2, 18f. 20f. 40f.). Zu etwa zwei Dritteln war das ganze Befestigungswerk vollendet, als Nabopalassar 604 starb.

Noch glänzender und umfangreicher war die Bauthätigkeit Nebukadnezars II. Er selbst berichtet über dieselbe in einer Reihe von Inschriften, unter welchen die grosse Steinplatteninschrift im East-India-House zu London (K. B. III 2, 10–31, im folgenden mit E.I.H. bezeichnet; vgl. Flemming Die grosse Steinplatteninschrift Nebukadnezars II. Göttingen 1883) und die Inschrift des sog. Grotefend-Cylinders (K. B. III 2, 32–39, im folgenden mit G.C. bezeichnet) die erste Stelle einnehmen. Die bisher inschriftlich beglaubigten Bauten des Königs zerfallen in folgende Gruppen: 1) Vollendung der von Nabopalassar unvollendet hinterlassenen Bauwerke, nämlich der Stadtbefestigung (diesbezügl. Inschr. K. B. III 2, 54ff.; vgl. E.I.H. V 21ff. G.C. I 41ff. und K. B. III 2, 40f.) und der Quaimauern im Innern der Stadt (Inschr. K. B. III 2, 35ff.; vgl. E.I.H. VIff.) und im Zusammenhange mit der Vollendung der Stadtbefestigung Ausschmückung der Stadtthore mit bronzenen Stier- und Drachenkolossen (G.C. I 44ff. und K. B. III 2, 40f.). — 2) Verstärkung der Stadtbefestigung durch mächtige [2676] Aussenwerke, und zwar nach Osten durch eine in beträchtlicher Entfernung den Stadtmauern vorgelagerte Maueranlage von 4000 Ellen Länge mit davorliegenden seinerseits wieder von Quaimauern umgebenem bassinartigem Wassergraben (E.I.H. VI 22ff. G.C. II 1ff. und K. B. III 2, 42f.), nach Westen durch eine ähnliche, aber, wie es scheint, minder starke Anlage (E.I.H. V 34ff.), nach Norden durch eine zwischen den beiden Stadtmauern, dem Euphrat und dem Ischtarthore auf einem künstlich geschaffenen Hochplateau angelegte, von einer Mauer aus Backsteinen und einer zweiten aus natürlichen Steinen umgebenen, mit dem Königspalast Nabopalassars in Verbindung stehende Citadelle (E.I.H. VIII 42ff. und K. B. III 2, 30f. 56f.). — 3) Restauration und teilweiser Neubau des Palastes Nabopalassars (E.I.H. VIII 57ff. G.C. III 27ff.). — 4) Höherlegung und Neupflasterung der Strasse Ai-ibur-schabû (E.I.H. V 38ff.) und Fortsetzung derselben unter dem Namen Nanâ-sâkipât-têbi-scha jenseits des am Ende der Altstadt gelegenen gleichnamigen Heiligtums oder Thores wahrscheinlich bis nach Borsippa (E.I.H. V 53ff.), im Zusammenhange damit Neubau der infolge der Strassenerhöhung zu nieder gewordenen Thore der Stadtbefestigung und des Nabopalassarpalastes (E.I.H. V 57ff.), sowie Restauration und Überbrückung des Ostcanals Libil-chigalla (Inschr. K. B. III 2, 60f.). — 5) Bauten in Ê-sag(g)il(a): Restauration des Hauptthores (E.I.H. II 52), des Thores des Neboheiligtums (E.I.H. II 52) und eines dritten, wie es scheint, zugleich als Kapelle der Zarpânîtû dienenden Thorbaues Chili-schud d. h. ,Thor der Zeugungskraft‘ (E.I.H. II 51. G.C. 39f. und K. B. III 2, 40f. 46f.), Erhöhung des Terrassenturmes Ê-têmên-an-ki, wahrscheinlich von drei auf sieben Stockwerke (E.I.H. III 15ff. G.C. 39f. und K. B. III 2, 40f. 46f. 52f.), Restauration und glänzende Ausschmückung des Haupttempels Ê-kua (E.I.H. II 44. G.C. I 29 und K. B. III 2 a. a. O.) und des Nebotempels (G.C. I 34ff. und K. B. III 2, 40f.), endlich Ersetzung der alten silbernen Täfelung der Orakelhalle Du-azag durch eine goldene (E.I.H. II 54ff.). — 6) Bauten in Borsippa: Neubau des verfallenen Terrassenturmes Ê-ur-imin-an-ki d. h. ,Haus der sieben Abteilungen Himmels und der Erde‘ in Ê-zida, dem heiligen Bezirke Nebos (diesbezügl. Inschr. K. B. III 2, 52ff.; vgl. ebd. 30f.), Restauration oder Neubau der übrigen Tempel (E.I.H. III 65f. IV 49ff.) und Neubau der Stadtmauer nach dem Muster der Gesamtbefestigung B.s (E.I.H. VIff. und K. B. III 2, 40f.). — 7) Sacrale Bauten ausserhalb von Ê-sag(g)il(a) und Borsippa: Errichtung des Ê-sigischi d. h. des ,Opferhauses‘ wahrscheinlich eines colossalen Altarbaues (E.I.H. IV 7ff.), und Restauration oder Neubau zweier Tempel der Göttin Gula (E.I.H. IV 38ff. und K. B. III 2, 44f. 48f.) und je eines Tempels der ,Herrin des Gebirges‘ Ischtar (diesbezügl. Inschr. K. B. III 2, 66ff.; vgl. E.I.H. IV 14ff. und K. B. III 2, 48f.), des Nebo (E.I.H. IV 21ff. und K. B. III 2, 48f.), des Mondgottes Sin (E.I.H. IV 25ff. und K. B. III 2 a. a. O.), des Sonnengottes Schamasch (E.I.H. IV 29ff. und K. B. III 2 a. a. O.), des Gewittergottes Rammân (E.I.H. IV 35ff. und K. B. III 2 a. a. O.) [2677] und der Beltis (E.I.H. IV 44f. und K. B. III 2, 44f. 48f.).

Nur aus griechischen Berichten bekannt sind ferner von Bauten Nebukadnezars eine von Parkanlagen umgebene, an Pracht und Ausdehnung die Nordcitadelle und den Nabopalassarpalast weit übertreffende neue Königsburg auf dem der Altstadt gegenüberliegenden Euphratufer und seine die Altstadt mit ihr verbindende Brücke über den Fluss (vgl. unten D und E).

Von geringerer Bedeutung war die Thätigkeit der letzten chaldaeischen Könige für B. Neriglissar vollendete oder renovierte die neue Königsburg Nebukadnezars (Backsteine mit seinem Namen in Abû-Ghozailat), stellte Drachencolosse aus versilberter Bronze an den vier Aussenthoren des grossen Tempelhofes von Ê-sag(g)il(a) auf (Inschr. d. Cambridge-Cylinders I 21ff. = K. B. III 2, 72f.) und sicherte den Nabopalassarpalast gegen die Gefahr der Unterwaschung durch den Euphrat (ebd. II 15ff. = K. B.III² 74f.). Nabonid ersetzte die von Nabopalassar erbauten Quaimauern ganz oder teilweise durch neue (Backsteinreste mit seinem Namen im heutigen Euphratbett). Im allgemeinen scheint sich aber seine Fürsorge weit mehr anderen Städten, namentlich Ur und Sippar, zugewandt zu haben, was in hohem Grade dazu mitwirken mochte, die einheimische Bevölkerung B.s, die vielleicht von jeher nur ungern die chaldaeische Herrschaft ertrug, gegen ihn zu erbittern.

VI. Persische Zeit. Im J. 538 fiel B. in die Hand der Perser. Ohne Kampf zog Gobryas an der Spitze des persischen Heeres in die Stadt ein (Nabonidchronik II A 15f. = K. B. III 2, 134f.). Ihm folgte auf dem Fusse Kyros selbst, wie ein Befreier von der Einwohnerschaft freudig begrüsst (Inschr. Kyroscylinder 18 = K. B. III 2, 122f.). Was, übereinstimmend mit der israelitischen Überlieferung (Daniel 5, wo Dareios statt Kyros erscheint; vgl. Ps.-Jes. 14, 7–9. 21, 4–9), die Griechen Herod. I 191 und Xen. Cyrop. VII 5 von einer Einnahme der Stadt während eines rauschenden Festes berichten, kann soweit seine Richtigkeit haben, dass etwa der Kronprinz Belschazar in einem der festen Paläste des eigentlichen B. von den in die Stadt einrückenden Persern bei einem Gelage überrascht wurde, während König Nabonid, den Ernst der Lage erkennend, aber zu einer Verteidigung der Gesamtstadt unfähig, nach Borsippa geflohen war, wo er jedoch, von den Persern eingeschlossen, nur kurze Zeit sich zu halten vermochte (Beros. bei Jos. c. Apion. I 151. Euseb. chron. I 51; pr. ev. IX 456 a. b; vgl. Nabonidchronik II A 16 = K. B. III 2, 134f.). Was dagegen bei Herod. a. a. O. Xen. a. a. O. Polyaen. VII 6, 5. 8. Oros. II 6, 2–7 über eine Ablenkung des Euphrat und ein gewaltsames Eindringen der Perser im trocken gelegten Euphratbette erzählt wird, ist völlig unhistorisch. Die gleiche, vielleicht auf einem Ereignis der älteren assyrisch-babylonischen Geschichte beruhende Sage (vgl. die Besorgnisse Nebukadnezars nach Beros. bei Jos. ant. Iud. X 224; c. Apion. I 139) wird anderwärts auf Semiramis (Frontin. strat. III 7, 5) und Alexandros d. Gr. (ebd. III 7, 4) übertragen. Den Umständen der Eroberung entsprechend schonte Kyros die Stadt vollständig (Inschr. Kyroscylinder 17. Nabonidchronik II A [2678] 19ff. = K. B. III 2, 122f. 134f. und Herod. III 159. Critobul. I 68, 5). Die Angabe des Oros. II 16, 12, er habe sie zerstört, ist von dem christlichen Presbyter missverständlich aus den Triumphliedern der israelitischen Propheten über den ‚Fall‘ B.s herausgelesen, diejenige des Beros. bei Jos. c. Apion. I 152. Euseb. chron. I 51; pr. ev. IX 456 a, er habe wenigstens die äussere Stadtmauer schleifen lassen, scheint, da eine Zerstörung nur der Böschungsmauer wenig Sinn gehabt hätte, auf einer Verwechselung mit Dareios zu beruhen. Statthalter in B. wurde Gobryas (Nabonidchronik II A 19 = K. B. III 2, 134f.). Kyros selbst residierte während der sieben Monate der rauheren Jahreszeit in der Stadt (Xen. Cyrop. VIII 6, 22). Später, mindestens seit 526 oder 525, hielt Kambyses ständig in ihr Hof als babylonischer König unter der Oberherrschaft seines Vaters (die Nachweise bei Tiele Babylonisch-assyrische Geschichte II, Gotha 1888, 483). Während der Wirren nach Kambyses Tode erhob sich B. unter dem Usurpator Nidintu-Bêl, einem angeblichen Sohne Nebukadnezars II. Dareios selbst schlug den Aufstand nieder. Nachdem schon 521 durch eine siegreiche Schlacht der Krieg im offenen Felde beendigt war, leistete die Stadt der Belagerung noch mehr als anderthalb Jahre Widerstand und fiel erst 519. Die Geschichte von der List des Zopyros, wie sie Herod. III 150ff. (unmittelbar oder mittelbar nach ihm Theop. frg. 73 bei Phot. lex. s. Ζωπύρου τάλαντα. Iustin. I 10, 15ff. Polyaen. VII 12. Zenob. IV 9; bei Frontin. III 34 ist die Sache missverständlich auf die Einnahme B.s durch Kyros übertragen), oder des Megabyzos, wie sie nach Ktesias, der übrigens diese Vorgänge in die Zeit des Xerxes verlegt (Phot. bibl. cod. 72 § 22), Diod. X 19, erzählt, findet in dem officiellen Kriegsbericht des Dareios (Inschr. Behist. I 16 – II 1, bei Kossowicz Inscriptiones Palaeo-Persicae Achaemenidarum 19ff.) keinerlei Bestätigung, kann aber wohl aus einer persischen Volkssage hervorgegangen sein. Schon 516 hatte sich ein zweiter Rebelle in den Besitz der Stadt gesetzt, ein Armenier Aracha, der sich für Nabonid ausgab. Diesesmal wurde sie durch den persischen Feldherrn Vindafrâ (Ἰνταφέρνης) wiedererobert. Jetzt oder schon nach der Eroberung des Dareios wurde der äussere Befestigungsring (Böschungs- und äussere Hauptmauer) geschleift (Inschr. Behist. III 13f. a. a. O. 43. Herod. III 159). Nach Herod. I 183 scheint es sogar, als hätte sich Dareios auch bereits an den Heiligtümern B.s vergriffen. Jedenfalls that dies Xerxes (Herod. a. a. O. Ktes. 22. Strab. XVI 738. Ael. v. h. XIII 3. Arrian. anab. VII 17, 2), nach Ktesias unmittelbar vor, nach Arrianos unmittelbar nach dem Zuge gegen Griechenland, höchst wahrscheinlich im Zusammenhange mit einer neuerlichen Empörung der Stadt (vgl. Ktes. a. a. O. Plut. apophthegm. reg. 173 c). Andererseits soll er auch wieder einen Teil der in Griechenland geraubten Kunstschätze in B. aufgestellt haben (Arr. anab. VII 19, 2). Gewiss ist, dass die Stadt auch nach ihm Hauptstadt einer Satrapie (s. Babylonia) und regelmässige Winterresidenz der persischen Grossherrn blieb (Plut. an vitios. ad infel. suff. 3 p. 499 b. Dio Chrys. or. VI 1 auf Grund einer gemeinsamen, wie Max. [2679] Tyr. III 9 zeigt, kynischen Quelle. Athen. XII 513f.; vgl. Xen. anab. I 4, 11. Ktes. bei Phot. cod. 72 § 12. 57. 60. Diod. XVI 42f. Plut. Artax. 19). Für die Instandhaltung der noch gebliebenen Festungswerke oder gar der babylonischen Nationalheiligtümer wird aber gleichwohl wenig oder nichts geschehen sein. Ungestört konnte hier schon jetzt die Zeit ihr stilles Zerstörungswerk beginnen (vgl. Strab. a. a. O.).

VII. Hellenistische Zeit. Als Alexandros d. Gr. 331, wie einst Kyros, ohne Schwertstreich B. einnahm (Arrian. anab. XII 16, 3. Diod. XVII 64. Curt. Ruf. VI 1, 7ff.), lag der Haupttempel in Trümmern (Arrian. anab. III 16, 4. Strab. XVI 738); vom gesamten Stadtgebiete wurde nur noch ein Raum von 90 Stadien im Umfang bewohnt, der übrige Teil diente als Ackerland (Curt. Ruf. V 1, 27); das war zweifellos ein ganz anderes Verhältnis als zur Zeit Nebukadnezars, obwohl von jeher auf weiten Strecken innerhalb der Festungsmauern Ackerbau getrieben worden war. Gleichwohl erfüllte die Stadt den makedonischen Eroberer mit Bewunderung (Curt. Ruf. V 1, 24). Er beschloss, sie zu restaurieren und zur Hauptstadt seines Reiches zu machen. Agathon aus Pydna wurde Commandant der Burg (Diod. a. a. O. Curt. Ruf. V 1, 43). Die Satrapie Babylonien verblieb dem bisherigen Satrapen Mazaios, der die Stadt den Makedoniern übergeben hatte (Curt. Ruf. V 1, 44.; vgl. 17ff.), jedoch wurden von den Befugnissen des Satrapen das militärische Commando und die Steuerverwaltung abgetrennt und Makedoniern anvertraut, ersteres dem Menes und Apollodoros, letztere dem Asklepiodoros (Arrian. anab. III 16, 4. Diod. a. a. O. Curt. Ruf. a. a. O.). Auf der Stelle wurden die notwendigsten baulichen Restaurationsarbeiten begonnen, vor allem der Neubau des ἱερὸν τοῦ Βήλου d. h. des Terrassenturmes Ê-têmên-an-ki (Arrian. anab. III 16, 4. Strab. a. a. O. Ps.-Hekat. bei Jos. c. Ap. I 192). Die Wiederherstellung des geheiligten Wahrzeichens ihrer Stadt sollte die Babylonier dem neuen Beherrscher verbinden. Aber über die Vorarbeit der Beseitigung des alten Trümmerschuttes kam man vielleicht gar nicht hinaus. Denn als Alexandros selbst wieder im Felde stand, wurde die Sache von denjenigen, welchen sie anvertraut war, nur höchst lässig gefördert (Arrian. anab. VII 17, 2. Strab. a. a. O.). Bessere Fortschritte scheint die Ausführung eines anderen Gedankens des Königs gemacht zu haben, die Anlage eines grossen Kriegs- und Handelshafens in der Stadt (Arrian. anab. VII 19, 4. 21, 1). Doch dem ganzen Restaurationswerke machte plötzlich Alexandros Tod ein Ende. Mit dem Jahre 323 beginnt der allerdings noch Jahrhunderte währende Todeskampf B.s.

Schon unmittelbar nach dem Hingange des Königs wurde die Stadt und ihre nächste Umgebung der Schauplatz der ersten Unruhen (Diod. XVIII 2. Curt. Ruf. X 6ff.). Bei der ersten Satrapienverteilung fiel die Satrapie von B. dem Archon zu (Diod. XVIII 3. Iust. XIII 4, 23). Aber der Reichsverweser Perdikkas stiess den Gesamtbeschluss der Feldherrn um und verlieh sie dem Dokimos. Archon setzte sich zur Wehr, und es kam zum Kampfe, in welchem er selbst fiel (Arrian. succ. Alex. frg. Vat. 3ff.). Die zweite Satrapienverteilung [2680] 321 wies Babylonien und seine Hauptstadt dem Seleukos zu (Diod. XVIII 39), der sich mit Gewalt in ihren Besitz setzen musste (Iustin. XV 4, 11. Oros. III 23, 44), dann aber sehr bald zu grosser Beliebtheit gelangte. Aber schon 318 eroberte Antigonos Stadt und Land (Diod. XVIII 73. Plut. Demetr. 7. Appian. Syr. 53). In den nächstfolgenden Jahren blieb B. in den Händen des Antigonos, der hier die in seine Gewalt gefallenen Familienangehörigen des Seleukos in Haft halten liess (Diod. XIX 73). Erst 312 nach der Schlacht bei Gaza wurde sie von Seleukos mit Sturm wiedergenommen (Diod. Plut. a. a. O. Appian. Syr. 54; vgl. Euseb. chron. II 116. Sync. 274 a. Dionys. v. Telmahar 60). Aber unmittelbar darauf wurde sie noch einmal von Demetrios Poliorketes besetzt; sie war so gut wie verödet; in zwei Burgen lagen Soldaten des Seleukos; Demetrios eroberte die eine derselben und überliess sie seinen Truppen zur Plünderung, dann zog er weiter; zur Belagerung der zweiten Burg blieb sein Vertrauter Archelaos zurück (Diod. XIX 100. Plut. a. a. O.). Als endlich der Friede wiederkehrte, hatte B. gewiss furchtbar gelitten. Noch schwerer aber als durch die Kriegsstürme wurde es durch die Gründung der Tigrisresidenz Seleukeia geschädigt, nach welcher sogar ein Teil der Einwohnerschaft überzusiedeln gezwungen wurde (Strab. XVI 738. Plin. n. h. VI 122. Paus. I 16, 3). Grössere Fürsorge als Seleukos scheint Antiochos I. Soter der Stadt zugewendet zu haben. Wir wissen, dass er das von Alexandros d. Gr. begonnene Werk der Restauration der wichtigsten Heiligtümer wieder aufnahm (Keilinschr. K. B. III 2, 136ff.). Im Anfang der Regierung des Seleukos II. Kallinikos drang dann Ptolemaios Euergetes an der Spitze seines siegreichen Heeres bis B. vor (Appian. Syr. 65). Ob und wie sehr die Stadt durch ihn zu leiden hatte, erfahren wir nicht. Gewiss ist es dagegen, dass sich verhältnismässig frühe die Augen der Parther auf sie richteten, wenn auch die Armenier Mar Apas Catina 27 und Ps.-Agathangelos FHG V 2, 198 mit der Behauptung Unrecht haben sollten, sie sei bereits kurz vor dem Tode des Antiochos II. Theos vorübergehend von denselben besetzt worden. Gesichert ist ihre Zugehörigkeit zum syrischen Seleukidenreiche für die Regierungen des Seleukos II. Kallinikos (Keilschrifttafel bei Lehmann Ztschr. f. Assyriol. VII 330f.), Seleukos III. (Keilschrifttafel bei Strassmaier Zeitschr. f. Assyriol. VIII 109), Antiochos d. Gr. (Polyb. V 40ff. Appian. Syr. 1), Antiochos IV. Epiphanes (Appian. Syr. 45. Keilschrifttafel bei Lehmann a. a. O.), Antiochos V. Eupator (Keilschrifttafel bei Strassmaier a. a. O. 110) und Demetrios I. (Appian. Syr. 47. Keilschrifttafel a. a. O.). Während dieser Zeit war sie zweimal der Sitz einer Auflehnung gegen die seleukidische Dynastie. Im Anfange der Regierung Antiochos d. Gr., der bis zu seiner Thronbesteigung selbst an der Spitze eines Heeres im Osten gestanden hatte (Polyb. V 40, 5. Euseb. chron. I 253. Hieron. ad Daniel. 11), besetzte der aufständische Statthalter von Medien Molon die Stadt (Polyb. V 40, 13), räumte sie aber wieder, als der König persönlich ein Heer gegen ihn führte (Polyb. V 52, 4). Nach dem Tode des Antiochos V. Eupator versuchte der damalige babylonische Statthalter Timarchos sich zum [2681] unabhängigen Tyrannen von B. zu machen. Er scheint die Stadt schwer bedrückt zu haben. Denn als der aus Rom entflohene Demetrios I. ihn beseitigt hatte, wurde er von der Bevölkerung als Σωτήρ begrüsst (Appian. Syr. 47).

Die nach dem Tode des Demetrios I. im syrischen Reiche ausbrechenden Wirren hatten endlich den Verlust B.s für dasselbe zur Folge. Über das Verhältnis der Stadt zu dem Usurpator Alexandros Balas fehlt jeder Beleg. Sein Sohn Antiochos VI. Epiphanes Dionysos besass sie nicht. Vielmehr gehörte sie Demetrios II. und zwar nach einer Keilschrifttafel (a. a. O. 110) noch 144 v. Chr. Wenig später hatte sie dieser an die Parther verloren. Denn nach Oros. V 4, 16 steht es ausser Zweifel, dass er sie auf seinem Partherzuge 139/38 zurückerobern musste (vgl. Euseb. chron. I 255. Sync. 292 d. Moses von Chorene II 2. Ps.-Agath. 199). Nach der schliesslichen Niederlage und Gefangennahme des Demetrios kam sie wieder in den Besitz der Parther (vgl. Iust. XXXVIII 9, 5). Noch einmal gewann sie 130/29 Antiochos VII. Sidetes vorübergehend zurück (Iust. XXXVIII 10, 6; vgl. Oros. V 10, 8. Ps.-Agath. und Mar Apas Catina a. a. O.), aber, nachdem auch er von den Parthern geschlagen war, ging sie endgültig an diese verloren.

VIII. Parthische und Nachparthische Zeit. B. hatte Antiochos VII. Sidetes als seinen Befreier begrüsst. Furchtbar wurde es von den Parthern dafür gestraft. Der Henker der Stadt war der parthische Satrap Euemeros oder Himeros. Er liess sie 126/25, nachdem gegen den makedonisch gesinnten Teil der Bürgerschaft aufs schonungsloseste eingeschritten worden war, zum grössten Teil in Brand stecken (Diod. exc. XXXIV 21. Iust. XLII 1, 3. Athen. XI 466 b). Doch war auch diese Zerstörung noch keine vollständige. Als ein stark befestigter Platz, der erst nach langer Belagerung von dem letzteren genommen werden kann, erscheint B. wieder 52 v. Chr. in dem Bürgerkriege zwischen Mithridates III. und Orodes (Iust. XLII 4, 2). Hauptstadt einer parthischen Satrapie muss es nach Jos. ant. Iud. XVIII 318 noch unter Artabanos III. (12–42 n. Chr.) gewesen sein. Nach Liv. XXXVIII 17 trug es den Charakter einer stark parthisierten griechisch-makedonischen Stadt. Wenn aber Athen. XII 513f. sogar behauptet, es sei Winterresidenz der Partherkönige gewesen, so liegt nach Strab. XVI 743 eine Verwechslung mit Ktesiphon vor. Dagegen scheint B. allerdings gelegentlich jüngeren parthischen Prinzen als Residenz gedient zu haben (Moses von Chorene II 30; vgl. v. Gutschmid Kl. Schrift. II 675). Mit dem alten Glanze war es allerdings vorüber, und Schritt vor Schritt näherte sich die Stadt dem völligen Untergange. Ihr wirtschaftlicher Ruin war besiegelt durch den Zwiespalt zwischen Rom und dem Partherreiche, der ihrem Handel einen grossen Teil seines ehemaligen Absatzgebietes verschloss (vgl. Winckler Geschichte Babyloniens und Assyriens, Leipzig 1892, 323). Strab. XVI 1, 5 oder vielleicht sogar schon seine Quelle wandte auf sie den Komikervers an: ἐρημία μεγάλη ʾστὶν ἡ Μεγάλη πόλις, Plin. n. h. VI 132 sagte geradezu: ad solitudinem rediit, Luc. Charon. 23 meinte, sie sei οὐ μετὰ πολὺ καὶ αὐτὴ ζητηθησομένη ὥσπερ ἡ Νίνος. In der sophistischen Litteratur wird sie ein stehender [2682] Typos gefallener Grösse. Vgl. z. B. Luc. a. a. O. Max. Tyr. XXII 6. Himer. II 24. Als Traianus 115 bis B. vordrang, fand er seine Erwartungen von der uralten Weltstadt sehr getäuscht, er sah nur Ruinen; immerhin wurde ihm noch das Gebäude gezeigt, in dem Alexandros d. Gr. gestorben sei, und er opferte in demselben (Cass. Dio exc. LXVIII 30; vgl. Zonar. XI 22). Wenn 199 Severus Alexander B. völlig verlassen fand, so waren die Bewohner nur vor dem heranrückenden römischen Heere geflohen (Cass. Dio exc. LXXV 9. Zonar. XII 9), denn Ansiedelungen bestanden fortgesetzt zwischen den Ruinen. Namentlich waren schon seit Nebukadnezars Zeiten zahlreiche Juden hier ansässig (Jos. ant. Iud. XVIII 371ff. Phil. leg. ad Cai. 792. 798 ed. Paris. Theodoret. ad Jes. 13. Jerem. 50, 52. Talmud babl. Baba bathra 22 a; Gittin 65 a). Späterhin fand auch das Christentum Anhänger auf dem Boden des alten B. (Theodoret. bei Phot. bibl. cod. 273). Unter den Ruinen zeigte man den Palast Nebukadnezars, die Löwengrube des Propheten Daniel, den Feuerofen der drei Jünglinge, eine Hermes- (d. h. Nebo-) Säule, den Tempel des Bêl (d. h. Marduk) und den Turm der Sprachverwirrung. Sogar die Euphratbrücke soll noch lange bestanden haben (Talmud babl. Berachoth 57b; Sanhedrin 109; Aboda Zara 11 b; jeruschalm. Berachoth 57 b. Al-Qazwinî ed. Wüstenfeld II 202). Recht unglaublich klingt es aber, wenn Hieronym. ad Jes. 13, auf die Erzählung eines persischen Mönches gestützt, behauptet, auch die Umfassungsmauer der Stadt habe, von Zeit zu Zeit ausgebessert, noch in seinen Tagen bestanden und der von ihnen eingeschlossene Raum als Wildpark und Jagdrevier der neupersischen Könige gedient. Bis in die Zeit des abbasidischen Khalifates bestand B., allerdings immer tiefer sinkend, fort. Noch im 9. und 10. Jhdt. n. Chr. scheint es Hauptort eines kleineren Verwaltungsdistricts gewesen zu sein (Ibn Chordâdhebeh, Geogr. Arab. ed. de Goeje VI 8, 10. Kodâme ibn Dschafar ebd. 235ff.), doch war es selbst nicht mehr viel anderes als ein Dorf (Al-Muqa-dasî ebd. III 121. Ibn Chaukal ebd. II 167. Al-Qazarinî a. a. O.). Spätestens am Anfang des 11. Jhdt. wurde dann unweit der Mitte des alten Stadtgebietes die neue arabische Stadt Hillah gegründet (vgl. Ibn al-Athîr ed. Tornberg IX 263. Iaqût Moschtarik ed. Wüstenfeld I 143. Abû-l-Fedâ Hist. Islam. ed. Reiske III 363).

C. Die Ruinen. Während im Orient die Ruinen B.s stets bekannt blieben, hört in Europa mit dem Anfang des Mittelalters jede Kunde von ihnen für Jahrhunderte auf. Der erste Europäer, der sie wieder besuchte und über diesen Besuch einen litterarischen Bericht erstattete, war der spanische Rabbi Benjamin von Tudela († 1173). Ihm folgten im 16. Jhdt. die Reisenden Eldred und Rauwolf, im 17. Jhdt. Pietro della Valle und der Karmelitermönch Vincenzo von Siena, um die Wende vom 17. zum 18. Jhdt der Dominikaner Emmanuel vom hl. Albert, im 18. Jhdt. Niebuhr und der apostolische Vicar Beauchamp, endlich um die Wende des 18. zum 19. Jhdt. der Naturforscher Olivier. Aber die beiläufigen Angaben dieser Männer entbehrten jeder exact wissenschaftlichen Bedeutung. Die [2683] erste von wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgehende Untersuchung des Ruinengebietes wurde erst 1811 durch Rich unternommen. Ihr folgte 1818 eine zweite durch Ken Porter. Jedoch kam nochmals ein Zeitraum von drei Decennien, in dem nur einzelne Reisende wie Keppel (1824), Fraser (1834) und Wellstedt (1848) den Ruinen einen kurzen Besuch abstatteten. Endlich um die Mitte des 19. Jhdts. begann, angeregt durch die grossartigen Funde in Assyrien, eine ausdauernde und gründliche Erforschung der Ruinen B.s. Eröffnet wurde sie durch Loftus, als dieser 1849/50 der englischen Commission zur Feststellung der türkisch-persischen Grenze beigegeben war. Ende 1850 kam dann auch Layard, der Wiederentdecker Ninivehs, auf den Boden des alten B. 1852–54 erfolgte die erste allseitige Untersuchung und trigonometrische Vermessung des gesamten Ruinengebietes durch eine französische Staatsexpedition unter dem früheren französischen Consul von Dschedda in Arabien Fresnel, dem Architecten Thomas und dem damals jugendlichen Orientalisten Oppert. So grundlegend das französische Unternehmen für die Topographie des alten B. wurde, blieben seine Früchte aber hinter den gehegten Erwartungen durchaus zurück. Erfolgreicher waren die seit 1852 auch auf B. ausgedehnten Ausgrabungen des British Museum. Ihr erster Leiter in dieser Periode war H. Rawlinson, dem namentlich an der Stätte des alten Borsippa wertvolle Entdeckungen gelangen. Seinen archaeologischen Arbeiten reihte sich eine auf seine Anregung von der indo-brittischen Regierung unternommene, in den J. 1861–1868 von drei Officieren der englischen Marine Selby, Collingwood und Bewsher ausgeführte neue kartographische Aufnahme des babylonischen wie der übrigen Ruinengebiete der südlichen Euphrat-Tigrisebene an. Auf Rawlinson folgte G. Smith, der schon während seiner ersten von den Eigentümern des Daily Telegraph bezahlten Reise 1872–73 den Ruinen B.s einen Besuch abstattete und 1874 die Forschungen in denselben auf Kosten des British Museum wieder aufnahm. An seine Stelle trat, als ein allzu früher Tod ihn abgerufen hatte, Hormuzd Rassam, dessen Untersuchung der Ruinenhügel von B. 1878/79 namentlich über die ursprüngliche Bestimmung der einzelnen Ruinen neues Licht verbreitete. Aber noch immer ist die Durchforschung der Ruinen B.s von der wünschenswerten Gründlichkeit und Genauigkeit weit entfernt.

Das Ruinengebiet (s. Kartenskizze S. 2685/86) liegt zwischen dem 44. und 45.° östlicher Länge von Greenwich und dem 33. und 32.° nördlicher Breite, östlich von dem ein altes Canalbett bezeichnenden Euphratarme Nahr Hindîjeh auf beiden Ufern des Hauptflusses. Der Euphrat selbst, der es von Nordnordost nach Südsüdwest gegenwärtig in fünf grösseren Krümmungen durchströmt, hatte, wie Reste seines alten Bettes zeigen, im Altertum einen bedeutend regelmässigeren, auf grossen Strecken im wesentlichen geradlinigen Lauf. Eben so haben die das Ruinengebiet durchziehenden Canäle, soweit sie überhaupt aus dem Altertum stammen, vielfach ihren Lauf verändert. Die wichtigsten derselben sind auf dem linken Ufer: der in mehreren Armen im äussersten Norden des Ruinenfeldes aus dem Euphrat [2684] nach Ostsüdost abzweigende Schatt-en-Nîl, ein aus diesem nach Ostnordost abgehender Seitencanal, auf dessen Boden in trockener Jahreszeit gutes Wasser in Brunnen gefunden wird, und der durch zwei Arme mit dem Euphrat durch einen mit dem Schatt-en-Nîl in Verbindung stehende, nach Südsüdost fliessende Nahr Wardîjeh, dessen Ufer Dammreste von einer Höhe bis an 8 m. aufweisen; auf dem rechten Ufer: der nach Südsüdwest ziehende, von etwas niedrigeren Dammresten begleitete Nahr Tahmasîjeh. Nahezu in der Mitte des ganzen Bezirkes liegt die durch eine grosse Pest 1831 schwer geschädigte Stadt Hillah, zur grösseren Hälfte auf dem rechten, zur kleineren auf dem linken Euphratufer. An Dörfern liegen auf dem Boden der alten Stadt links des Euphrat nördlich von Hillah Dschumdschumah, südlich Dolal, Saʿadeh und Fenharah, rechts des Euphrat Deblah und Tahmasjah. Zwischen diesen einzelnen modernen Ansiedelungen und den einzelnen Ruinen oder Ruinencomplexen erstreckt sich auf dem linken Euphratufer Acker- und Weideland unterbrochen von Sumpfland, Gebüsch und Sandboden. Das rechte Ufer zeigt dagegen im wesentlichen eine jedes Anbaues entbehrende, im Südwesten in Sumpfgebiet übergehende Einöde; nur am Ostrande des Sumpfgebietes erheben sich Dattelpalmen, während nördlich von Hillah am westlichen Uferrande des Euphrat sich ein Streifen Ackerlandes hinzieht. Der Lauf des Euphrat ist südlich und noch etwa 4 km. nördlich von Hillah auf beiden Ufern von Dattelpalmen begleitet. Die Ruinen selbst sind an ihrer Oberfläche aus verwittertem Backsteinschutt bestehende Erderhebungen von verschiedener Höhe und Formation, aus welchen – von Stellen künstlicher Blosslegung durch Ausgrabungen abgesehen – nur selten die ihren Kern bildenden Backsteinmauerreste offen hervorragen. Ausser vereinzelten Hügeln sind es vier grössere Complexe, teils wallartiger teils kegelstumpfförmiger Bildungen dieser Art, welche sich als Centralgruppe, Nordgruppe, Nordostgruppe und Südwestgruppe bezeichnen lassen.

I. Die Centralgruppe (s. die Nebenkarte links oben auf der Skizze S. 2685/86). Sie erstreckt sich in Gestalt eines Dreiecks, dessen westliche Seite das alte Bett des Euphrat bildet von ihrem etwa in Luftlinie 10 km. nördlich von Hillah gelegenen nördlichsten Punkte bis in die Umgegend des Dorfes Dschumschumah und zerfällt wieder in drei Teilgruppen.

a. Nördliche Teilgruppe. Ihren Mittelpunkt bildet der Hügel Bâbil oder el-Maqlûbeh, 1 km. vom Euphrat und stark 9 km. in Luftlinie von Hillah entfernt, eine 40 m. hohe vielfach von Ravinen zerrissene, meist steil abfallende Anhöhe von unregelmässig trapezoïdischer Grundfläche. Das Bauwerk, welches dieser Trümmerhügel bezeichnet, scheint nur die Substruction eines weiteren Gebäudes gebildet zu haben, das bereits in hellenistischer Zeit zerstört gewesen sein dürfte, da in dieser, wie eine auf derselben gefundene griechische Grabinschrift lehrt, die Plattform der Ruine als Begräbnisstätte diente. Die Grundfläche bildete ursprünglich ein Rechteck oder ein Quadrat. Gegenwärtig ist jedoch nur noch die Südseite in einer Länge von 180 m. annähernd intact [2685] erhalten, während im Norden und Westen die Zerstörung am weitesten vorgeschritten ist. Das Innere der Ruine zeigt ausgedehnte Reste hydraulischer Werke, wie Brunnen und Wasserleitungen, welche einst mit dem Euphrat in Verbindung standen, ein Umstand, welcher darauf hinweist, dass wir es mit dem Unterbaue einer von Parks umgebenen oder durchzogenen grossen Palastanlage zu thun haben. Diese Hauptruine ist im Norden und Osten umgeben von den Resten einer starken Umfassungsmauer, welche als zwei rechtwinkelig auf einander stossende Wälle erscheinen. Etwa 500 m. östlich von dem Südende dieser Umfassungslinie erhebt sich noch eine kleinere Ansammlung von Backsteintrümmern. Die einzelnen Backsteine der Gruppe tragen den Stempel Nebukadnezars II.

b. Mittlere Teilgruppe. Dieselbe wird nach Nordost und Südwest hin begrenzt durch den Sûr, eine am Südende des den Bâbilhügel umgebenden Walles einsetzende wallförmige Bodenerhebung, die zunächst nach Südost verläuft, dann in einem spitzen Winkel, dessen Scheitel durch eine hügelartige beträchtliche Verstärkung des Walles bezeichnet wird, scharf nach Südwest umbiegt, schliesslich, mehrfach unterbrochen, eine ziemlich rein westliche Richtung einschlägt und nördlich von Dschumdschumah den Euphrat erreicht. Innerhalb dieser Aussenlinie befinden sich im Norden und Osten zahlreiche Bodenerhebungen von geringem Umfange, unter welchen besonders die aus vier einzelnen Hügeln bestehende Gruppe el-Homeirah mit ca. 300 m. Grundfläche und ein von Nordnordwest nach Südsüdost verlaufender langgestreckter aber flacher Wall hervorragt. Im Südwesten erheben sich die beiden nächst dem Bâbilhügel bedeutendsten Ruinen der Centralgruppe, el-Qaṣr und Tell Amran ibn ʿAlî. 1) el-Qaṣr d. h. ,das Schloss‘, nämlich Nebukadnezars nach der [2686] Tradition der umwohnenden Araber, ist eine ungefähr 400 m. lange, 350 m. breite Masse zahlreicher, dicht bei einander liegender Trümmerhügel mit einer durchschnittlichen Höhe von 21 m. Im Norden des Complexes, welcher ein Rechteck darstellt, dessen nördlichster Punkt 2 km. südlich von Bâbil liegt, ragt ein Löwencoloss aus schwarzem Basalt über die Schuttmasse; am Westrande sind noch Reste einer inneren Umfassungsmauer mit Thoreingang wohl erhalten. Das Innere der einzelnen Hügel zeigt ein Labyrinth von Gängen und Gemächern, angefüllt mit Trümmerschutt, in dem sich besonders zahlreich Bruchstücke bunter glasierter Thonplatten finden. Die Backsteine tragen wie in Bâbil den Stempel Nebukadnezars. Auch fanden sich Kalksteinplatten, deren Legende den Gebäudecomplex ausdrücklich als ‚Palast Nebukadnezars‘ bezeichnet (z. B. K. B. III 2, 68f.). In wallartigen Bodenerhebungen, welche von zahlreichen [2687] Lücken unterbrochen die Hauptruine umgeben, sind vielleicht Reste einer starken äusseren Umfassungsmauer zu sehen. — 2) Tell Amran ibn ʿAlî, nach einem mohammedanischen Heiligen genannt, dessen Grabstätte hier verehrt wird, ist eine etwa 700 m. südlich von el-Qaṣr beginnende, von jenem durch einen tiefen Thaleinschnitt getrennte Trümmermasse. Obwohl vielfach zerrissen und durch zwei grosse Ravinen gespalten, ist dieselbe eine durchaus einheitliche, gleichwohl jedoch nicht aus einem einzigen Riesengebäude, sondern ebenfalls aus einem ganzen Gebäudecomplex hervorgegangen. Die Länge der ein ziemlich regelmässiges Trapez darstellenden Grundfläche beträgt im Westen etwa 500, im Osten etwa 300 m., die grösste Breite etwa 400 m. Den Abschluss des mit Ausnahme der Westseite steil abfallenden Trümmerberges bildet nicht wie in Bâbil eine Art Plattform, sondern eine Mehrzahl einzelner Hügel, ähnlich denjenigen in el-Qaṣr, deren höchste sich bis 30 m. über den Euphrat erheben. Zahlreiche Gräberfunde, anscheinend aus parthischer Zeit stammend, beweisen, dass in dieser die Ruine als Begräbnisstätte diente. Während die meisten Backsteine wieder den Stempel Nebukadnezars zeigen, fand sich hier auch ein solcher mit dem Stempel Asarhaddons, der das Gebäude, welchem er angehörte und welches kaum anderswo als in diesem Ruinencomplex selbst zu suchen sein wird, als den Stufentempel B.s Ê-têmên-an-ki bezeichnet. Andererseits lassen Reste hydraulischer Werke wie in Bâbil auf alte Parkanlagen schliessen.

c. Südliche Teilgruppe. Sie wird gebildet durch die kleineren Trümmerhügel in der unmittelbaren Umgebung des Dorfes Dschumdschumah, von denen einer den Sitz einer grossen Handelsfirma aus der Zeit Nebukadnezars, der Söhne Egibis, bezeichnet, wie reiche inschriftliche Funde gezeigt haben.

II. Die Nordgruppe. Beinahe parallel mit dem nach Südwest verlaufenden Teile des Sûr läuft eine flache Bodenerhebung, wahrscheinlich Rest einer alten Hochstrasse. Nachdem sie noch geraume Zeit länger als der Sûr die Richtung von Südwest nach Nordost beibehalten hat, schlägt sie schliesslich eine rein östliche Richtung ein und endet unfern einer Gruppe zwar nicht eigentlich zusammenhängender, gleichwohl aber beinahe an einander anstossender Hügel, welche eine mässig nach Süden gebogene, etwa 5 km. lange, im allgemeinen von West nach Ost laufende Kette bilden. Diese noch völlig unerforschten Ruinenerhebungen der Nordgruppe sind Tell Sufir, Tell Tarfah, Abû Schellîl, Abû Bezzûn, Abû Hosch, Abû Killâb und Seid Suleimân.

III. Die Nordostgruppe. Sie liegt etwa 14 km. von Hillah entfernt etwas nordöstlich von den östlichsten Ausläufern der Nordgruppe. Aus einer trostlosen, noch wenig erforschten Gegend erheben sich hier zwei noch nicht 2 km. von einander entfernt liegende, vermutlich beide zu ein und derselben Vorstadt B.s gehörende Ruinencomplexe. Der grössere, el-Oheimir, im Nordwesten gelegen, besitzt eine Grundfläche von etwa 5 km. Umfang und findet seinen Mittelpunkt in dem Trümmerhügel el-Chazneh, unweit dessen sich, wie inschriftliche Funde erkennen lassen, ein Tempel des Kriegs- und Todesgottes Nergal befunden haben muss. Der kleinere im Südosten gelegene [2688] Complex, Tell el-Bender, besteht aus einem unregelmässigen System meist wallartiger Bodenerhebungen von durchschnittlich 6 m. Höhe, das sowohl einer scharfen Begrenzung als eines in die Augen fallenden Mittelpunktes zu entbehren scheint.

IV. Die Südwestgruppe. Sie liegt auf dem rechten Euphratufer, etwa 12 km. von Hillah nach Südwest. Ausser zahlreichen minder bedeutenden Erderhebungen, unter welchen mehrere wallförmige sich als Reste alter Umfassungsmauern zu erkennen geben, befinden sich hier zwei Ruinenstätten, welche sich den bedeutendsten der Centralgruppe an die Seite stellen lassen, der Tell Ibrâhîm el-Chalîl und der Birs Nimrud. 1) Tell Ibrâhîm el-Chalîl ist ein Trümmerhügel nach Art des Bâbil mit langgestreckter trapezoïdischer Grundfläche, an dieser von 220 bezw. 300 m. Breite und 500 m. Länge. Ziemlich steil steigt derselbe an bis zu einer Höhe von 20 m. und schliesst mit einer ca. 150 bezw. 200 m. breiten und ca. 300 m. langen Plattform ab. — 2) Birs Nimrud, nach der localen Tradition der Sprachenturm, liegt etwa 100 m. nach Südwest hinter dem Tell Ibrâhîm el-Chalîl. Diese weitaus imposanteste aller Ruinen des babylonischen Stadtgebietes stammt, wie die durch Rawlinson gefundene Bauinschrift lehrt, von Ê-zida dem grossen Neboheiligtum in Borsippa. Auf einem ursprünglich rechteckigen Unterbau von 18 m. Höhe und gegenwärtig ca. 710 m. Umfang erhebt sich im Südwesten ein 46 m. hoher, an der am vollständigsten erhaltenen Südwestseite 160 m. breiter nach oben sich verjüngender Aufbau, der unter der obersten Schuttschichte deutlich eine terrassenförmige Anlage erkennen lässt. Den Abschluss nach oben bildet ein noch 10 m. hoher und 8 m. dicker und breiter Mauerpfeiler mit Spuren einer Zerstörung des ganzen Gebäudes durch Feuer. Es sind dies die Reste der borsippenischen Terrassenpyramide Ê-ur-imin-an-ki.

V. Vereinzelte Ruinenstätten: a. Auf dem linken Ufer. Hier sind hauptsächlich noch zu nennen die drei isolierten Trümmerhügel Tell Wardîjeh, Tell el-Maut und Tell Sahneh, welche vermutlich die Stelle alter Tempel bezeichnen.

b. Auf dem rechten Ufer. Das rechte Euphratufer ist an Ruinenstätten weit ärmer als das linke. Die verhältnismässig nächst der Südwestgruppe bedeutendste bezeichnet der Abû Ghozailat, zwei rechtwinkelig aneinanderstossende Trümmerwälle am Euphratufer schräge gegenüber dem Tell Amran ibn ʿAlî, Reste eines quadratischen oder rechteckigen Palast- oder Mauerbaues. Weiter im Westen liegen annähernd auf zwei parallelen Geraden noch sieben unter einander weit entfernte Hügel von der Art der isolierten Trümmerstätten des linken Ufers, el-Chidhr, Tell Zâwîjeh, Tell Schettîteh, Tell Ghazâleh, Scherîfeh, Tell Ghazâil und Tell el-Harkeh. Endlich verrät auch das nördlich von Hillah nahe am Euphrat gelegene mohammedanische Heiligtum Medsched el-Schems d. h. ‚Sonnenmoschee‘ schon durch seinen Namen, dass es sich auf der Stelle eines alten Bauwerkes, eines Tempels des Sonnengottes, erhebt.

D. Griechische Zeugnisse. Da nur verhältnismässig wenige Ruinen B.s über ihre ehemalige Bedeutung und Bestimmung unzweifelhaften Anschlusses geben und die gelegentlichen keilschriftlichen [2689] Erwähnungen einzelner babylonischer Örtlichkeiten die Lage dieser naturgemäss als bekannt voraussetzen, haben für die Topographie des alten B. die betreffenden griechischen Zeugnisse eine grundlegende Wichtigkeit. Diesen Zeugnissen von vornherein die Glaubwürdigkeit abzusprechen, fehlt jede Berechtigung, da sie wenigstens zum grösseren Teile zweifellos auf Augenschein beruhen. Offensichtliche, wenn auch nicht unlösbare Widersprüche der einzelnen Angaben schliessen den Gedanken an gegenseitige Abhängigkeit derselben aus, während andererseits nicht minder offensichtliche Übereinstimmungen zwischen ihnen sie gegen den Verdacht der Erdichtung schützen.

I. Herodotos. Seine Angaben über B. sind die einzigen unmittelbar und vollständig auf uns gekommenen aus der gesamten griechischen Litteratur vorchristlicher Zeit. Dass sie im wesentlichen auf Augenschein beruhen, wäre besser niemals bestritten worden. Unbestreitbar ist es aber auch, dass in ihnen vom Schriftsteller selbst Gesehenes und von seinen orientalischen Ciceroni ihm Erzähltes in bedenklicher Weise vermischt ist. Sie zerfallen in zwei Gruppen. Die eine bildet die Stadtbeschreibung I 178–183, die andere die Erzählung von angeblichen Bauten der Königinnen Semiramis und Nitokris I 184–187. Quelle ist Herodotos für Plin. n. h. VI 121. Oros. II 6. Schol. Iuven. X 50. 171 und teilweise für Eustath. ad Dion. Perieg. 1005 und Tzetz. Chil. IX 568ff. Er erwähnt: a. ein äusseres τεῖχος mit davorliegendem tiefem Wassergraben, in Gestalt eines Quadrats so über den Euphrat gelegt, dass dieser an (oder in der Nähe) einer Ecke in das Stadtgebiet eintrat, an (oder in der Nähe) der gegenüberliegenden es wieder verliess: Umfang 120 Stadien im Geviert, Höhe 200, Breite 50 königl. Ellen, die königliche Elle um drei Fingerbreiten länger als der μέτριος πῆχυς angenommen, auf der Höhe des τεῖχος nach aussen und innen kasemattenartige einstöckige οἰκοδομήματα, zwischen diesen eine Fahrstrasse von einer für ein Viergespann genügenden Breite; b. ein inneres τεῖχος bezeichnet als οὐ πολλῷ ἀσθενέστερον τοῦ ἑτέρου τείχους, στεινότερον δέ; c. Stadtthore, im ganzen 100, namentlich erwähnt III 155. 158: πύλαι Βηλίδες, Κισσίαι, Σεμιράμιδος, Νινίων, Χαλδαίων; d. eine Quaimauer (αἱμασίη) auf jedem Ufer des Euphrat, in welcher sich jeweils da, wo eine Strasse sie schnitt, eine πυλίς nach dem Wasser zu öffnete; e. βασιλήϊα, umgeben von einem περίβολος μέγας τε καὶ ἰσχυρός als Mittelpunkt der einen der beiden durch den Euphrat von einander getrennten Stadthälften; f. Διὸς Βήλου ἱρὸν χαλκόπυλον, einen quadratischen, gleichfalls von einem περίβολος μέγας τε καὶ ἰσχυρός umgebenen Hofraum als Mittelpunkt der anderen Stadthälfte und innerhalb desselben 1) einen auf quadratischer Grundfläche von 1 Stadion Seitenlänge sich erhebenden πύργος στέρεος von 8 terrassenartig sich über einander erhebenden Stockwerken, an dessen Aussenseite, auf halber Höhe von einer Rampe mit Ruhebänken unterbrochen, eine Treppe emporführte und auf dessen Plattform sich ein Tempel ohne Götterbild, nur mit einer κλίνη und einem goldenen Tisch, befand, in welchem nach babylonischem Glauben der Gott allnächtlich mit einem ihn erwartenden [2690] Weibe Umgang pflegen sollte, 2) einen κάτω νῆος mit dem sich hinter einem goldenen Tische erhebenden gleichfalls goldenen ἄγαλμα des Gottes, 3) einen goldenen Altar, auf welchem nur junge, noch an der Mutterbrust saugende Tiere geopfert werden durften, unmittelbar vor dem κάτω νῆος, 4) einen zwölf Ellen hohen ἀνδριάς aus gediegenem Gold, den Herodot selbst zugiebt, nicht mehr gesehen zu haben, da er von Xerxes fortgeschafft worden sei; g. einen Altar, auf welchem ausser der Mehrzahl der gewöhnlichen Tieropfer vor allem auch das grosse Weihrauchopfer am jährlichen Hauptfeste des Zeus Belos dargebracht wurde und dessen örtliche Zugehörigkeit zum ἱρόν nicht ausdrücklich behauptet wird; h. als Werke der Semiramis grosse χώματα in der Nähe von B.; i. als Werk der Nitokris eine die beiden Stadthälften verbindende Euphratbrücke, an welcher im Gegensatz zu allen übrigen babylonischen Bauten neben Backsteinen auch natürlicher Stein zur Verwendung gekommen war.

II. Ktesias. Er gab, wahrscheinlich im I. Buch seiner Περσικά, eine Beschreibung B.s in Form einer Erzählung von der Gründung der Stadt durch Semiramis. Sie ist ziemlich vollständig erhalten, vermittelt durch Agatharchides (vgl. Marquart Die Assyriaka des Ktesias, Philol. Supplbd. VI 515ff.) bei Diod. II 7–10 und durch Diodor vermittelt bei Tzetz. Chil. a. a. O. Sie bezog sich auf: a. ein τεῖχος von 360 Stadien Umfang, 50 Orgyien Höhe und einer Breite, welche für zwei sich begegnende Viergespanne genügend Raum bot, verstärkt durch 250 πύργοι in Höhe und Breite ἐξ ἀναλόγου τῷ βάρει τῶν κατὰ τὸ τεῖχος ἔργων; b. eine Quaimauer (κρηπίς) des Euphrat in einer Gesamtlänge von 160 Stadien und einer ungefähr derjenigen der Stadtmauer entsprechenden Breite; c. eine Euphratbrücke, deren Breite auf 30 Fuss und deren Länge auf 5 Stadien angegeben wird; d. zwei Burgen (βασίλεια), nämlich: 1) die auf dem rechten Euphratufer gelegenen, auch als ἀκρόπολις bezeichneten βασίλεια, umgeben von drei τείχη, von welchen das äusserste einen Umfang von 60 Stadien, das mittlere, kreisförmig angelegt, einen solchen von 40 Stadien, eine Höhe von 50 Orgyien und eine Breite ἐπὶ τριάκοντα πλίνθους besessen habe und durch πύργοι von 70 Orgyien Höhe verstärkt gewesen sei, das innere endlich bei einem Umfang von 20 Stadien die beiden anderen an Höhe und Breite übertroffen habe, 2) die auf dem linken Euphratufer gelegenen kleineren βασίλεια, umgeben mit einem τεῖχος von 30 Stadien Umfang; e. das ἱερὸν Διὸς Βήλου, bezüglich dessen wir aber nur noch erfahren, dass Ktesias im Widerspruch zu Herodot behauptet zu haben scheint, der Tempel auf der Plattform des Terrassenturmes habe drei ἄγάλματα χρυσᾶ σφυρήλατα beherbergt, das stehende Bildnis eines Gottes, das sitzende und das schreitende je einer Göttin, in welchen der Grieche Zeus, Hera und Rhea erkennen zu sollen glaubte; h. den κρεμαστὸς κῆπος, der wie alle übrigen Bauten auf Semiramis zurückgeführt wurde, von dessen Beschreibung im einzelnen aber Diodoros nichts mehr erhalten hat; f. einen die beiden Burgen verbindenden unterirdischen Durchgang unter dem Euphratbett.

III. Die βασίλεοι ἐφημερίδες Alexandros d. Gr. Die auf die letzte Krankheit und den Tod des [2691] Königs bezüglichen Bruchstücke derselben, welche bei Arrian. anab. VII 25 und Plut. Alex. 74 erhalten sind, haben für die Topographie B.s Bedeutung, weil sie ziemlich genau die einzelnen Örtlichkeiten bezeichnen, an welche sich der ruhelose Fieberkranke bringen liess, eine um so höhere Bedeutung, da diese für die Topographie B.s verwendbaren Angaben zweifelloser als alle anderen griechischen auf Augenschein beruhen. Sie unterscheiden nun als auf verschiedenen Ufern des Euphrat gelegen: a. τὰ βασίλεια, die Residenz, in welcher sich Alexandros bis zum 18. Daisios befand, in unmittelbarer Nähe eines Tempels oder heiligen Bezirkes, wohin er sich jeden Morgen bringen liess, um zu opfern, ὡς νόμος ἐφ’ ἑκάστῃ ἡμέρᾳ, also eines bezw. des babylonischen Nationalheiligtums; b. τὰ πέραν βασίλεια, in welche sich Alexandros am 24. Daisios überführen lässt und in welchem er stirbt, umgeben zunächst von einem παράδεισος, in den er sich am 18. über den Euphrat übersetzen lässt, und in welchem sich unter anderem eine Badeanlage befindet, in deren verschiedenen Räumen er vom Abend des 18. bis zum 24. verweilt, weiterhin von einer αὐλή, in welcher in der Nacht vom 23. auf 24. die Feldherrn sich aufzuhalten angewiesen werden.

IV. Kleitarchos. Er wird ausdrücklich als neben Ktesias benützte Quelle angeführt für Diod. II 7–10 und ist, wie die Übereinstimmungen mit den nichtktesianischen Angaben bei Diodoros erhärten, auch Grundlage für Curt. Ruf. V 1, 24–35. Seine in die Geschichte Alexandros d. Gr. eingeschaltete Beschreibung B.s erwähnte nach diesen Resten: a. ein τεῖχος von 365 (so Diod., bei Curt. Ruf. schwankt die Überlieferung zwischen 363 und 368) Stadien Umfang, 50 Ellen Höhe und 32 Fuss Breite, auf welchem bequem zwei Viergespanne sich begegnen konnten, verstärkt durch πύργοι, die über das übrige τεῖχος um 10 Fuss (falls pedibus bei Curt. Ruf. nicht auf einem Missverständnis beruht!) emporragten; b. eine ἀκρόπολις, umgeben mit einer Mauer von 20 Stadien Umfang, 80 Ellen Höhe und 30 Ellen Fundamenttiefe; c. den κρεμαστὸς κῆπος, stromaufwärts von der ἀκρόπολις (super arce Curt. Ruf.) in der Nähe des Euphrat gelegen, einen mit Parkanlagen bedeckten 50 Ellen hohen pyramidenartigen Terrassenbau auf quadratischer Grundfläche von vier Plethren Seitenlänge, dessen Anlage mit offener Polemik gegen Ktesias auf einen ‚syrischen König‘ von B. zurückgeführt wurde, der in dem phantastischen Bauwerke einer aus Medien stammenden Favoritin einen Ersatz für die heimischen Berge und Forste habe bieten wollen; d. einen durch ἐπάλξεις verstärkten περίβολος, welcher die ἀκρόπολις und den κρεμαστὸς κῆπος umgeben zu haben scheint und die Höhe des letzteren erreichte; e. einen als Βήλου βασίλεια bezeichneten Bau oder Bautencomplex, wie es scheint, verschieden von der ἀκρόπολις (vgl. Curt. Ruf. Belus, cuius regia ostenditur); f. eine ‚steinerne‘ Euphratbrücke, welche die beiden Hälften der Stadt mit einander verband.

V. Ein unbekannter Schriftsteller über Alexandros d. Gr. (Onesikritos?). Seine mit derjenigen des Kleitarchos sich vielfach berührende, gleichwohl aber schwerlich von ihr abhängige Stadtbeschreibung von B. ist Quelle für Strab. XVI 738. Sie erstreckte sich auf: a. ein τεῖχος von [2692] 385 Stadien Umfang (so die Strab. Hss., mit denen auch die betreffende aus Strabon stammende Angabe bei Eustath. ad Dion. Perieg. 1005 übereinstimmt; die vielfach angenommene Correctur in 365 hätte eine Gewähr nur, wenn Kleitarchos selbst als Quelle anzusehen wäre), 32 Fuss Breite und 50 Ellen Höhe der μεσοπύργια bezw. 60 Ellen Höhe der πύργοι, mit einer πάροδος von zwei Viergespannsbreiten; b. den κρεμαστὸς κῆπος, für welchen bezüglich der Grundfläche dieselben Angaben wie durch Kleitarchos gemacht wurden; c. den τάφος τοῦ Βήλου, das durch Xerxes zerstörte Bauwerk, dessen Restauration Alexandros d. Gr. unternahm, eine (Terrassen-) Pyramide von 1 Stadion Höhe und 1 Stadion Seitenlänge der quadratischen Grundfläche.

VI. Hieronymos von Kardia. Er ist, obwohl nicht ausdrücklich genannt, gewiss im letzten Grunde die Quelle für die Erzählung von der Eroberung B.s durch Demetrios Poliorketes bei Diod. XIX 100, 7 und Plut. Demetr. 7. Diese ist topographisch von Wert, sofern auch sie das Vorhandensein zweier getrennter befestigter Mittelpunkte der Stadt, die hier beide als ἀκρόπολις bezeichnet werden, voraussetzt.

VII. Berosos. Seine Angaben über die Bauthätigkeit der Könige des neubabylonischen Reiches, welche, als von einem einheimischen, sowohl mit dem Zustand der Stadt zu seiner Zeit, als auch mit der keilschriftlichen Geschichtslitteratur wohl vertrauten Zeugen herrührend, den höchsten topographischen Wert haben müssten, sind leider nur unvollständig und zum Teile in offenkundig entstellter Form erhalten. Reste der betreffenden Abschnitte aus dem 3. Buch der Χαλδαϊκά liegen vor unmittelbar oder vermittelt durch Alexandros Polyhistor in zwei verschiedenen Redactionen bei Jos. ant. Iud. X 223ff. und cont. Ap. I 139ff., vermittelt durch Jos. c. Ap. bei Euseb. chron. I 47f.; pr. ev. IX 455 c – 456 b. Sync. 220 b – 221 b und vermittelt durch Abydenos bei Euseb. pr. ev. IX 457 c. d. Ein Vergleich dieser Bruchstücke führt darauf, Berosos habe genannt: a. als Werk Nabopalassars den Bau eines königlichen Palastes; b. als Werke Nebukadnezars II. 1) die Restauration einer ὑπάρχουσα ἐξ ἀρχῆς πόλις, 2) die Neugründung einer ἑτέρα (ἔξωθεν? fehlt in ant. Iud., während es in c. Ap. schon von Euseb. gelesen wurde) πόλις. 3) Anlage eines dreifachen Mauerrings um eine ἔνδον und eine ἔξω πόλις, 4) die Verschönerung des Βήλου ἱερόν, 5) den Bau eines neuen, mit demjenigen des Nabopalassar in Verbindung stehenden, hoch gelegenen und von Gartenanlagen umgebenen Palastes, der in 15 Tagen vollendet worden sei, 6) die Anlage des κρεμαστὸς παράδεισος, einer aus Medien stammenden Frau zu Gefallen unternommen, 7) einen Mauerbau, vor dessen Vollendung der König gestorben sei; c. als Werk Nabonids die Anlage der Quaimauern des Euphrat innerhalb der Stadt.

VIII. Philostratos. Er giebt v. Apoll. I 25 eine kurze Beschreibung B.s. Dieselbe erwähnt: a. ein τεῖχος von 480 Stadien Umfang, 1½ Plethren Höhe und ½ Plethron Breite; b. je eine Burganlage (βασίλεια) auf jedem der beiden Euphratufer; c. den die beiden Burganlagen verbindenden unterirdischen Durchgang unter dem Euphratbett, der als Werk einer γυνὴ Μήδεια τῶν ἐκείνῃ [2693] ποτε ἄρχουσα bezeichnet wird. Die Quelle der von Herodotos, Ktesias, den Alexandrosschriftstellern und Berosos abweichenden Angaben ist wahrscheinlich im letzten Grunde Hellanikos, der nach Kephalion bei Euseb. chron. I 59ff. Sync. 167 a – 168 a wirklich Medeia mit der babylonischen Geschichte in Verbindung brachte, wie nach Steph. Byz. s. Χαλδαῖοι auch Kepheus.

E. Topographie. I. Die Burg links des Euphrat (6 auf dem Plane bei S. 2686). Jede der beiden Stadthälften B.s besass in der Zeit nach Nebukadnezar II. eine selbständige Burg mit einer königlichen Residenz. Diese Grundthatsache der babylonischen Topographie ist gesichert durch zwei zweifellos auf Augenschein beruhende Zeugnisse, dasjenige des Ktesias und dasjenige der βασίλειοι ἐφημερίδες. Mit diesen stimmt ausdrücklich überein Philostratos bezw. Hellanikos. In einen scheinbaren Widerspruch mit ihnen gerät von den übrigen griechischen Zeugen nur Herodotos, sofern er nur von einer königlichen Residenz spricht und den befestigten Mittelpunkt der jenseitigen Stadthälfte in dem Διὸς Βήλου ἱρόν (5) sieht. Man wird annehmen müssen, dass in einer der beiden Burgen sich nur eine Residenz, in der anderen eine Residenz und das Hauptheiligtum des (Bêl-) Marduk befand und in späterer Zeit die erstere den profanen, die letztere den sacralen Mittelpunkt der Stadt bildete, so dass Herodotos für diese den Tempel, für jene die Residenz als charakteristisch betrachten musste oder doch konnte. Sehr wohl stimmt zu dieser Lösung des Widerspruchs der Umstand, dass Kleitarchos von Βήλου βασίλεια sprach, also ein Residenzschloss gleichfalls nur als Appendix des benachbarten Haupttempels betrachtet zu haben scheint. Diese Burg, welche das erste Heiligtum der Stadt umschloss, wird aber weiterhin nichts anderes sein als die eigentliche Altstadt selbst, die ὑπάρχουσα ἐξ ἀρχῆς πόλις des Berosos, und das Hauptheiligtum selbst kann nichts anderes sein als der Tempelbezirk Ê-sag(g)il(a) der Inschriften, und zwar gehen gewiss alle griechischen Nachrichten über ein Heiligtum in B. nur auf dieses. Dass der persische Hofarzt Ktesias und vollends der babylonische Priester Berosos unter dem Βήλου ἱερόν in B. schlechthin nur den Jahrtausende alten Kultmittelpunkt der Stadt verstanden haben kann, liegt auf der Hand. Aber auch das Heiligtum, dessen Restauration Alexandros d. Gr. zu seiner ersten und wichtigsten Aufgabe in B. machte, kann, da er offenbar durch diese Restauration in die Fusstapfen der alten babylonischen Herrscher treten wollte, kein anderes gewesen sein, als das später auch durch Antiochos Soter neu instand gesetzte ehrwürdige Ê-sag(g)il(a). Dann ist aber auch der τάφος τοῦ Βήλου der Strabonquelle mit dem πύργος στέρεος des Herodotos identisch, worauf schon die Gleichheit der über die Ausdehnung der Grundfläche für beide gemachten Angaben hinweist. Denn der τάφος wird ausdrücklich als das Bauwerk bezeichnet, dessen Wiederherstellung Alexandros in Angriff nahm, ist also als ein Hauptbauwerk von Ê-sag(g)il(a) zu betrachten; ein babylonischer Tempelbezirk besitzt aber, wie Ausgrabungen und Inschriften lehren, regelmässig nur eine Terrassenpyramide. Endlich kann auch der heilige Bezirk, in den sich Alexandros im Anfange [2694] seiner letzten Krankheit zu den täglichen Opfern tragen liess, da er in unmittelbarer Nähe einer Residenz lag, nur das mit den Βήλου βασίλεια in einer und derselben Burg gelegene Βήλου ἱερόν, also Ê-sag(g)il(a) gewesen sein. Ist Ê-sag(g)il(a) das babylonische Hauptheiligtum der griechischen Zeugnisse, dann ist die Residenz, welche wegen ihres Zusammenhanges mit demselben von Herodotos gar nicht als selbständiger Profanbau betrachtet, von Kleitarchos als Βήλου βασίλεια bezeichnet wurde, und in welcher Alexandros erkrankte, mit dem Nabopalassarpalast der Inschriften und des Berosos identisch, da dieser nach E. I. H. VIII 31ff. (K. B. III 2, 26f.) so nahe bei Ê-sag(g)il(a) lag, dass eine Erweiterung desselben von Nebukadnezar II. unterlassen wurde, weil sie nicht ohne Beeinträchtigung der Integrität des Heiligtums möglich gewesen wäre. Nun ist durch den dort gefundenen zu der Terrassenpyramide Ê-têmên-an-ki gehörenden Ziegel der Tell Amran ibn ʿAlî als die Stätte des alten Ê-sag(g)il(a) gesichert, in dem nach den diesbezüglichen Studien Tieles (s. unten F) Ê-têmên-an-ki lag, eine Identification, welche auch durch die Benützung des Tell Amran ibn ʿAlî als Begräbnisstätte in parthischer Zeit bestätigt zu werden scheint, da ähnlich auch die Trümmerstätte des Ischtartempels in Uruk, ja jener ganzen heiligen Stadt, von parthischen Gräbern bedeckt ist. Die Stätte des Nabopalassarpalastes muss dann die dem Tell Amran ibn ʿAlî nächstgelegene Palastruine el-Qaṣr einnehmen. Wir haben also in dem durch den Sûr eingeschlossenen Raume die von Ktesias als die östlichen βασίλεια bezeichnete Burg des linken Euphratufers bezw. die Altstadt des Berosos, im Sûr selbst den nach Ktesias 30 Stadien langen περίβολος dieser Anlage d. h. wohl die mit keiner der Aussenmauern der Gesamtstadt, welche als dûru, salchu (E. I. H. VIII 42ff.) und kâru (E. I. H. V 2) bezeichnet werden, identische Mauer kamâtu Bâbîli der Inschriftstelle E. I. H. IV 11, im Tell Amran ibn ʿAlî das mit Ê-sag(g)il(a) identische Βήλου ἱερόν der Griechen, in el-Qaṣr die Βήλου βασίλεια bezw. den Nabopalassarpalast und die Stätte, wo Alexandros erkrankte, zu sehen. Innerhalb von Ê-sag(g)il(a) ist der πύργος στέρεος bezw. der τάφος τοῦ Βήλου der Terrassenpyramide Ê-têmên-an-ki, der ἄλλος κάτω νῆος des Herodotos dem eigentlichen Haupttempel Ê-kua gleichzusetzen.

II. Die Burg rechts des Euphrat (auf dem Plane 1). Derjenigen des linken Ufers gegenüber, wie jene bis an den Strom selbst heranreichend, lag auf dem rechten Euphrat nach Ktesias eine zweite noch weit grossartigere Burganlage. Es ist die von Herodotos im Gegensatze zum Διὸς Βήλου ἱρόν als τὰ βασιλήϊα bezeichnete. Den Mittelpunkt bildete die ἀκρόπολις, welche unter gleichem Namen in der Stadtbeschreibung des Kleitarchos wiederkehrte, in den Resten der βασίλειοι ἐφημερίδες als τὰ πέραν βασίλεια bezeichnet, die Residenz, in welcher Alexandros d. Gr. starb. Zwischen der Aussenmauer dieses Palastbezirkes und der mittleren Mauer des Ktesias lagen nach den βασίλειοι ἐφημερίδες gewaltige Parkanlagen, wie solche seit alters die babylonischen und assyrischen Königspaläste umgaben, zwischen der mittleren und äussersten Mauer des Ktesias befand sich ein von derselben Quelle als αὐλή bezeichneter Raum. In dem Parkgebiet [2695] war die Badeanlage (3), in welche Alexandros sich zuerst, nachdem er auf das rechte Ufer übergesetzt war, hatte bringen lassen. Ebenda muss stromaufwärts von dem als ἀκρόπολις bezeichneten Kern dieser ganzen Westburg der κρεμαστὸς κῆπος oder παράδεισος (2) angesetzt werden. Nach Kleitarchos betrug ja seine Höhe 50 Ellen und war gleich der Höhe eines – natürlich in der näheren Umgebung zu denkenden – mit ἐπάλξεις verstärkten περίβολος. Dies trifft aber genau auf die zweite Mauer der gesamten Westburg bei Ktesias zu, da diese mit πύργοι versehen war und ihre Höhe auf 50 Orgyien angegeben wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass in Höhenangaben bei Ktesias stets Orgyien erscheinen, wo Kleitarchos und die Strabonquelle Ellen rechnen. Allerdings wissen die Inschriften, soweit solche bekannt sind, von einer so ungeheuern Residenzanlage auf dem rechten Ufer, wie sie die griechischen Zeugnisse annehmen, nichts. Auch von Ruinen bietet die Gegend, in welcher sie anzusetzen wäre, nur den Wall von Abû-Ghozailat, der nicht einmal die genügenden Dimensionen aufweist, um in ihm Reste der Aussenmauer der eigentlichen ἀκρόπολις zu sehen. Doch weder der eine noch der andere Umstand erscheint so bedenklich, dass man es wagen könnte, die Übereinstimmung von nicht weniger als vier gewiss sämtlich auf Augenschein beruhenden Zeugnissen zu ignorieren. Über den allmäligen Verfall B.s sind wir zu wenig unterrichtet, um das beinahe vollständige Verschwinden einer so gewaltigen Anlage geradezu für unmöglich erklären zu können. Das Schweigen der Nebukadnezarinschriften aber scheint sich einfach erklären zu lassen. Die ganze Anlage scheint nämlich, hierauf weist die Angabe über drei περίβολοι hin, mit der ἔνδον πόλις des Berosos und diese wieder mit der ἑτέρα πόλις desselben identisch zu sein. Da nun durch die Inschriften feststeht, dass die Mauern der Gesamtstadt durch Nebukadnezar vollendet wurden, kann die nach Berosos von ihm unvollendet hinterlassene Mauer kaum eine andere als eine der drei Mauern dieser ἔνδον oder ἑτέρα πόλις gewesen sein. Die Westburg wäre also von Nebukadnezar II. gar nicht vollendet worden. Hiezu stimmt es, dass die Backsteine von Abû Ghozailat den Stempel Neriglissars tragen. Dieser würde demnach als Vollender der Burganlage rechts des Euphrat zu gelten haben. Über seine Bauthätigkeit liegt aber noch nicht genügendes inschriftliches Material vor, um über den Umfang derselben ein abschliessendes Urteil zu gestatten. Allerdings bleibt dies alles bei der Dunkelheit der auf Berosos zurückgehenden Angaben blosse Hypothese. Immerhin ist es bemerkenswert, dass auch über den κρεμαστὸς κῆπος, dessen Existenz durch das Zeugnis des Berosos gesichert ist, die Nebukadnezarinschriften zu schweigen scheinen.

III. Die Nordcitadelle (8). Nördlich vom Nabopalassarpalaste und mit ihm in Verbindung gesetzt lag die von Nebukadnezar erbaute Citadelle, vgl. E. I. H. VIII 58. Inschrift K. B. III S. 30f., Z. 21. Sie ist identisch mit den von Nebukadnezar II. erbauten βασίλεια des Berosos, wie schon die übereinstimmende Angabe des Berosos und der Inschriften (E. I. H. VIII 64ff.) über die Vollendung in 15 Tagen beweist. Wir werden in dem Hügel Bâbil den Unterbau des nach Berosos wie [2696] nach den Inschriften (E. I. H. VIII 52ff. Inschr. K. B. III 230f., Z. 21ff. 56f., Z. 20) auf einer künstlichen Bodenerhebung ,berggleich‘ aufsteigenden Baues zu sehen haben. Das Schweigen der meisten Griechen über die Citadelle erklärt sich daraus, dass sie gewiss seit der Schleifung des äusseren Befestigungskreises durch Dareios, da sie ausserhalb des inneren lag, schon zu verfallen begann, wozu der Fund eines griechischen Grabes auf Bâbil sehr wohl passt.

IV. Die Stadtmauern. Die Gesamtstadt Nebukadnezars war nach den Inschriften von drei Mauerbauten umschlossen, der Innenmauer (dûru) Imgur-Bêl, der Aussenmauer (salchu) Nimitti-Bêl und der jenseits des vor Nimitti-Bêl liegenden Wassergrabens hinlaufenden Böschungsmauer (kâru). Dem entsprechen genau die drei περίβολοι der ἔξω πόλις des Berosos. Herodotos kennt zwei τείχη, d. h. die beiden eigentlichen Stadtmauern Imgur-Bêl und Nimitti-Bêl, ignoriert also den kâru. Die von ihm eingehend beschriebene Aussenmauer von 480 Stadien d. h. Nimitti-Bêl hat er aber nach seinem eigenen Geständnis nicht mehr selbst sehen können, da sie bereits durch Dareios zerstört war. Alle übrigen Griechen kennen nur eine Stadtmauer von B. Ktesias, Kleitarchos und die Strabonquelle geben derselben einen bedeutend geringeren Umfang, als die Aussenmauer des Herodotos besitzt, meinen also gewiss dessen Innenmauer d. h. Imgur-Bêl, die einzige seit Dareios noch bestehende Mauer der Gesamtstadt. Philostratos hatte selbst naturgemäss keinerlei lebendige Vorstellung von den wirklichen Befestigungsverhältnissen B.s im 6.–4. Jhdt. v. Chr. mehr. Seine Quelle gab das Umfangmass der herodoteischen Aussenmauer und beweist schon hierdurch, da die Verschiedenheit des Höhen- und Breitenmasses die Annahme einer Abhängigkeit von Herodotos ausschliesst, dass sie einer Zeit angehört, in welcher wenigstens die Tradition von der durch Dareios geschleiften Befestigungslinie noch lebendig war. Was die Dimensionen der drei Befestigungslinien anlangt, so fehlen Angaben bezüglich derjenigen des kâru völlig. Für Nimitti-Bêl geben Herodotos und die Philostratosquelle übereinstimmend 480 Stadien Umfang, und zweifellos war in der Zeit des Hellanikos und Herodotos das Umfangmass der von Dareios zerstörten Mauer noch bekannt. Dagegen beweist das Schwanken der beiden Quellen bezüglich des Höhen- und Breitenmasses, dass in Bezug auf dieses eine sichere Tradition schon sehr frühe nicht mehr bestand oder dass doch starke Übertreibungen schon sehr frühe im Orient cursierten und von griechischen Reisenden geglaubt wurden. Sowohl eine Mauerhöhe von 200 als eine solche von 100 Ellen ist gewiss zu hoch gegriffen. Weit zuverlässiger sind die Massangaben für Imgur-Bêl. Bezüglich der Höhe und Breite stimmen die Quellen vollständig überein, wenn man berücksichtigt, dass Ktesias, sei es um die längere ,königliche Elle‘ wiederzugeben, sei es um den Eindruck des Riesigen durch bewusste Übertreibung zu steigern, stets Orgyien für Ellen einsetzt. Bezüglich des Umfanges scheint die Discrepanz zwischen Ktesias und Kleitarchos dadurch erklärt werden zu müssen, dass der erstere die Euphratbreite, welche nach Xen. Cyrop. VII 5, 8 bei B. etwas über 2 Stadien [2697] betrug, nicht in den Mauerumfang einrechnete, während der letztere es that, diejenige zwischen Kleitarchos und der Strabonquelle durch Annahme einer Corruptel in der letzteren getilgt werden zu können. Wir erhalten so die Masse: 360 Stadien Länge, 50 Ellen Höhe (die πύργοι 60), 32 Fuss Breite. Verzweifelter als die Frage nach den Dimensionen ist diejenige nach der Lage der babylonischen Stadtmauern. Irgend welche Reste scheinen schlechterdings nicht mehr erhalten zu sein. Der Gedanke Opperts, dass in den Hügeln der Nordgruppe und in den vereinzelten Hügeln westlich von Abû Ghozailat solche Reste zu erkennen seien, muss abgelehnt werden, vor allem schon deshalb, weil die Nordgruppe bei genauerer Vermessung sich keineswegs als eine gerade Linie erwies, wie Oppert annahm. Da wir in Bâbil die Stätte der Nordcitadelle sahen, diese aber nach den Inschriften (s. S. 2676) zwischen Imgur-Bêl und Nimitti-Bêl lag, werden wir Imgur-Bêl zwischen el-Qaṣr und Bâbil näher bei dem letzteren Hügel und Nimitti-Bêl nördlich von Bâbil parallel mit Imgur-Bêl anzusetzen haben. Für die weitere Reconstruction wird darauf zu achten sein, dass die Ecken von Imgur-Bêl nach Nordwest und Südost nicht allzuweit von der Eintritts- bezw. Austrittsstelle des Euphrat zu liegen kommen und dass Nimitti-Bêl noch die Südwest- und die Nordostgruppe umschliesst. Sehr fraglich ist es dagegen, ob alle vereinzelten Trümmerhügel des rechten Euphratufers von Bauten herrühren, welche innerhalb der äussersten Mauer von B. lagen.

V. Borsippa und Kisch (?). Zwischen Imgur-Bêl und Nimitti-Bêl scheinen seit der Stadtrestauration durch Nabopalassar und Nebukadnezar II. zwei von B. ursprünglich und auch später wieder unabhängige Städte gelegen zu haben, deren Stelle die Südwest- und die Nordostgruppe bezeichnen. Die Südwestgruppe bilden, wie inschriftlich gesichert ist, die Ruinen von Borsippa (sumerisch Bad-si-abba, im späteren Assyrisch-babylonisch Barsip oder Barsipam; τὰ Βόρσιππα Strab. XVI 739. Jos. c. Ap. I 152; τὰ oder ἡ Βόρσιππα Steph. Byz.; Borsippa Iust. XII 13, 4, Βάρσιτα verderbt Ptol. V 20, 6, im Talmud בורסיה‎), der heiligen Stadt des Nebo. Der Birs Nimrud bezeichnet die Stätte des Neboheiligtums Ê-zida (17) und seiner Terrassenpyramide Ê-ur-imin-an-ki, der Tell Ibrâhîm el-Chalîl höchst wahrscheinlich diejenige der Burg (18). Zweifelhaft ist dagegen die ursprüngliche Bedeutung der Nordostgruppe (20). Oppert dachte an Kutha (sumerisch Gu-du-a d. h. ,Niederwerfung des Antlitzes‘, assyrisch-babylonisch kûtû, hebräisch kût(h) bezw. kût(h)âh II Kö. 17, 24. 30), die heilige Stadt des Nergal. Wahrscheinlich ist diese aber in der weiter im Norden liegenden Ruinenstätte Tell Ibrâhîm und hier vielmehr eine Stadt Kisch (bezw. Kischu oder Kischschatu d. h. ,Versammlung‘) zu suchen, welche nach der Prismainschrift Sanheribs I 19ff. (K. B. II 82f.) in der Nähe von B. gelegen zu haben scheint.

VI. Canäle, Strassen, Euphratbrücke. Von den Canälen, welche im Altertum das Stadtgebiet durchzogen, scheinen mindestens noch zwei erhalten zu sein, der Arachtu im heutigen Schatt-en-Nîl und der Borsippacanal in dem die Richtung nach der Südwestgruppe einschlagenden heutigen Nahr Tahmâsîjeh. Ein dritter, der ,Ostcanal‘ Libilchigalla, [2698] der nach E. I. H. VII 43 südlich vom Nabopalassarpalast zwischen diesem und Ê-sag(g)il(a) aus dem Euphrat abzweigte und E. I. H. VIII 39 der Canal Marduks heisst, scheint den Arachtu mit dem Euphrat verbunden zu haben, ist aber jetzt verschwunden. Nur die tiefe Bodensenkung zwischen el-Qaṣr und dem Tell Amran ibn ʿAlî erinnert vielleicht noch an ihn. Auf einer von Nebukadnezar II. erbauten Brücke überschritt ihn Ai-ibur-schabû, die Processionsstrasse der babylonischen Götterfeste, die ziemlich von Nord nach Süd die Altstadt durchziehend nach E. I. H. VII 46 an der Ostseite des Nabopalassarpalastes vorüberführte und mit Ê-sag(g)il(a) durch eine von Nabopalassar angelegte Seitenstrasse in Verbindung stand. Eine Fortsetzung der Strasse Ai-ibur-schabû ausserhalb der Altstadt bildete der Weg Nanâ-sâkipat-têbîscha. Nach der gewiss richtigen Vermutung Tieles Geschichte II 445 führte dieser nach Borsippa und verband so zu Lande wie der Borsippacanal zu Wasser die beiden grossen Heiligtümer, dasjenige des Marduk in B. und dasjenige des Nebo in Borsippa. Dann war dies die Strasse, welche über die durch die griechischen Zeugnisse und den Talmud (vgl. S. 2677) bekannte Euphratbrücke führte, und diese lag demnach am Südende der die Altstadt bildenden Ostburg, in der Nähe des heutigen Dschumdschumah. Gleichfalls am Südende der Altstadt scheint von Ai-ibur-schabû aus auch eine Strasse nach dem Nordosten des gesamten Stadtgebietes abgezweigt zu haben (vgl. S. 2687).

VII. Thore und vereinzelte Bauten. Von den uns bekannten Thoren lagen die von Herodotos genannten gewiss in den Mauern der Gesamtstadt. Die πύλαι Σεμιράμιδος sind wohl identisch mit dem Ischtarthore (9), das nach Inschr. K. B. III 2, 56f. Z. 13ff. an der Ostseite der Nordcitadelle in Imgur-Bêl (oder Nimitti-Bêl?) lag. Die πύλαι Κισσίαι führten vielleicht nach Kisch hinein. Zwischen diesen beiden lagen wahrscheinlich die πύλαι Βηλίδες und Νινύων, dagegen im Süden der Gesamtstadt die πύλαι Χαλδαίων. In der Mauer der Altstadt oder Ostburg (kamâtu) lag am Nordende der Strasse Ai-ibur-schabû nach E. I. H. V 46 das êllu-Thor (10), am Südende derselben nach E. I. H. V 47f. das Thor Nanâ-sâkipat-têbîscha (14), im Osten ungefähr gegenüber der Stelle, wo die Verbindungsstrasse von Ê-sag(g)il(a) her in sie einmündete, nach E. I. H. V 17 das Beltisthor (13). Noch weniger sicher als die Thore vermögen wir andere in den Inschriften gelegentlich erwähnte Bauten zu localisieren. In der Nähe des Ischtarthores lag vermutlich der Tempel der Ischtar (11), in der Nähe des Beltisthores derjenige der Beltis (12), in der Nähe des Thores Nanâ-sâkipat-têbîscha ein gleichnamiges Heiligtum der Göttin Nanâ (15), an der Stelle der heutigen Sonnenmoschee ein Tempel des Sonnengottes (16) und vielleicht an der Spitze der Umfassungsmauer der Ostburg nach Osten der vermutlich mit dem zweiten Altare des Herodotos identische Altarbau Ê-sigischi (19). Die Lage der übrigen babylonischen Heiligtümer lässt sich bis jetzt nicht einmal vermutungsweise bestimmen.

F. Neuere Litteratur. Vgl. im allgemeinen die Artikel Babylon bezw. Babel von Schrader in Riehms Handwörterbuch der biblischen Altertümer, Kaulen im Freiburger (katholischen) [2699] Kirchenlexikon und Fr. Delitzsch im (Calwer) Biblischen Handwörterbuch, sowie Kaulen Assyrien und Babylonien⁴ Freiburg i/B. 1891, 72–87. 241–244. Eine eingehende Darstellung der babylonischen Stadtgeschichte fehlt noch. Bezüglich der Semiramissage vgl. Lenormant La légende de Semiramis, Mémoires de l’Académie Royal de Bruxelles 1873. J. Brüll Herodotos babylonische Nachrichten II. Zur Geschichte und Kultur von Babylon. 1. Semiramis und Nitokris. Leipzig 1885. Hommel Geschichte Babyloniens und Assyriens. Berlin 1885, 631f. Adler The legends of Semiramis and the Nimrod-Epic, Johns Hopkins University circulars, Baltimore 1887. Gilmore The origin of the Semiramis legend, English historical review 1887, 729ff. Jeremias Izdubar-Nimrod. Leipzig 1891, 68ff. Teloni Questioni intorno alla legenda di Semiramide, Giorn. della Societa Asiat. Ital. 1892, 187–207. Die wichtigsten Berichte über die Ruinen bezw. über Ausgrabungen geben Rich Memoirs on the Ruins of Babylon, London 1816; Second Memoir on Babylon, London 1816; Narrative of a Journey to the Site of Babylon in 1811, London 1839; Voyages aux ruines de Babylone traduit et enrichi d’observations par J. Raimond Paris 1818. Ker Porter Travels in Persia etc., London 1822. II 283ff. Layard Discoveries among the ruins of Nineweh and Babylon. New York 1853, 337–375. Loftus Travels and Researches in Chaldaea and Susiana, London 1858, 16–37. Oppert Expédition scientifique en Mésopotamie I, Paris 1862, 135–255. Ménant Babylone et la Chaldée, Paris 1875, 177–194. Rassam History of Assyrian and Babylonian Discoveries, Asiatic Quarterly Review, July 1894, 9–12. Über die Topographie B.s im allgemeinen vgl. Rennel bei Rich Narrative 107ff. Streber Denkschr. d. Münch. Akad. XXIV 1849, 131ff. Bähr in der Herodotausgabe², Leipzig 1856, I 346–364. Rawlinson On the topography of Babylon. Essay IV in The history of Herodotus by G. Rawlinson II London 1858, 569ff. Oppert a. a. O. G. Rawlinson The five great monarchies of the ancient Eastern World III, London 1865, 337–375. Duncker Geschichte des Altertums⁴, Leipzig 1874ff. I 219–222. II 407–418. Ménant a. a. O. 261–268. Brüll Herodots babylonische Nachrichten, I. Zur Geographie und Topographie von Babylon, Gymnasialprogramm, Aachen 1878. Fr. Delitzsch Ein Gang durch das alte Babylon, ,Daheim‘ September 1884, 782ff. Tiele Babylonisch-assyrische Geschichte II, Gotha 1888, 441–454. Hommel a. a. O. 766–771. Mc. Gee De topographia urbis Babylonis secundum inscriptiones Nabopalassaris et Nebucadnezaris atque relationes scriptorum classicorum, Breslau 1895, bezüglich des Umfanges der Stadt und der Stadtmauern Perrot-Chipiez Histoire de l’art dans l’antiquité II, Paris 1884, 469–474 und bezüglich der Haupttempel Tiele Over den Hoofdtempel en Babel en dien van Borsippa, Verslagen en Mededelingen d. k. Akad. d. Wetensch. te Amsterdam 1886, 103ff. Bemerkungen über Ê-sagila in Babel und Ê-zida in Borsippa Zeitschr. f. Assyriol. II 179–190.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 60
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Babylon

1) Mesopot. Hauptstadt. (K) (L) II. 2862.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. In dem Artikel Babylon Nr. 1 und Babylonia bezeichnet K. B. Keilschriftliche Bibliothek. Sammlung von assyrischen und babylonischen Texten in Umschrift und Übersetzung. Herausgegeben von Eb. Schrader. Berlin 1889. Bei der Zusammenstellung der Litteratur und der Ausführung der beigegebenen Planskizzen erfreute ich mich der liebenswürdigen Unterstützung meiner Freunde, der Herren Professor Dr. J. Ruska in Heidelberg und Lehramtspraktikant Eb. Einwächter in Keilhaue in Thüringen. Für einige Winke bin ich den Herren Professor Dr. Fr. Delitzsch in Breslau, meinem verehrten Lehrer, und Professor Dr. K. Bezold in Heidelberg zu Dank verpflichtet.
    A. B.