RE:Χορικοὶ ἀγῶνες

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bezeichnung d. lyrischen Wettkämpfe
Band III,2 (1899) S. 24312438
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Χορικοὶ ἀγῶνες ist die Bezeichnung für die Wettkämpfe der lyrischen (kyklischen) Chöre, die als gesonderte Gattung von den dramatischen Agonen und von den Wettkämpfen musischer Einzelkünstler geschieden werden. Im Sprachgebrauchs der jüngeren Zeit versteht man darunter auch solche chorische Aufführungen, bei denen nicht ein wirklicher Wettkampf stattfindet, sofern sie als selbständige künstlerische Darbietungen bei Festvorstellungen statthaben. In diesem weiteren Sinne werden auch wir den Ausdruck schon deshalb fassen müssen, weil wir bei den ,Agonen‘ der jüngeren hellenistischen Zeit in der Regel nicht darüber unterrichtet sind, ob an den betreffenden musischen Festen nur ein einzelner Chor jeder Gattung auftrat oder ob wirklich mehrere Chöre in einen Wettbewerb eintraten. Über die hiebei vorgetragenen Gesangsdichtungen und über die Zusammensetzung der Chöre s. Chor.

Hervorgewachsen sind die chorischen Agone aus den unmittelbar an die Cultacte anknüpfenden Aufführungen mehrerer chorischer Cultgesänge, die nach ihren Vorzügen zu unterscheiden und zu belohnen nahe liegen musste. Wo die ersten Ansätze zu agonistischer Ordnung der Choraufführungen gegeben waren, lässt sich nicht entscheiden. In diesem Sinne gedeutete Wendungen in Alkmans Partheneion scheinen einen Wettkampf nicht erweisen zu können; auch für die Gymnopaedien in Sparta lässt sich wirklicher Wettkampf nicht erweisen, da die Bezeichnung des Festes als Agon sich nur in späteren Nachrichten findet, wo sie vermutlich im allgemeinen Sinn von ,Aufführung‘ zu verstehen ist. Für Athen wird man Dithyramben-Wettkämpfe schon für die Peisistratidenzeit annehmen dürfen; vgl. Aristoph. Vesp. 1401. Suid. s. Λᾶσος. Bergk Litt.-Gesch. II 377. Auch in Boiotien mögen die chorischen Agone noch in das 6. Jhdt. hinaufreichen, wenn auch die Nachrichten, die Pindar und Korinna an solchen Wettkämpfen teil nehmen lassen, begründete Bedenken erregen (Reisch Mus. cert. 56).

Eine feste Organisation hat der Wettkampf von Chören aber zuerst in Athen zur Zeit des Kleisthenes gewonnen, indem damals die chorischen Aufführungen auf Grund der neuen Phyleneinteilung geordnet wurden. Darauf bezieht sich die Nachricht des Marm. Par. ep. 46, dass Ol. 68, 1 (508/7 v. Chr.) der erste Wettkampf von Männerchören abgehalten worden sei. Ob man aus der Form dieser Nachricht schliessen darf, dass Wettkämpfe von Knabenchören schon früher eingeführt worden waren, mag unentschieden bleiben; jedenfalls sind damals auch die Knabenchöre nach derselben Weise wie die Männerchöre [2432] geregelt worden. Auch die gleichartige Organisation des Thargelienagons wird schon auf diese Epoche zurückgehen. An den Dionysien scheinen an den Agonen der Knaben- und der Männerchöre je fünf Chöre, die von den einzelnen Phylen gestellt wurden (Schol. Aeschin. I 10), aufgetreten zu sein; denn aus dem Zusammenhang der Argumentation bei Is. V 36 ergiebt sich, dass die vierte Stelle im Phylenkampf als eine der letzten galt; auch würde wohl die Aufführung von je zehn Männer- und Knabenchören an die Phylen und an die Zuhörer zu grosse Anforderungen gestellt haben. Es wird durch das Los bestimmt worden sein, welche Phylen einen Knabenchor und welche einen Männerchor zu stellen hatten. Wenn CIA II 971 d dieselbe Phyle mit einem Männer- und einem Knabenchor aufgetreten ist, so mag das in einer zufälligen Verschiebung seinen Grund haben (vgl. Brinck Diss. Hal. 86). Die Sorge, den Chor zusammenzubringen und zu ernähren, fällt dem Choregen (s. d.) zu; ihm wird im 5. Jhdt. einer der Dithyrambendichter, deren Werke der Archon zur Aufführung zugelassen hatte (Antiph. VI 11), im 4. Jhdt. aber ein Flötenspieler (Dem. XXI 13) zugelost.

Die Reihenfolge, in der beim Wettkampf selbst die einzelnen Chöre auftreten, ist vermutlich, wie beim skenischen Agon (Aristoph. Eccles. 1157) durch das Los bestimmt. Ein Collegium beeidigter Richter (Dem. XXI 17. 65) entschied über den Sieg und über die Rangfolge der wettkämpfenden Chöre; es gab, wie es scheint, gesonderte Richtercollegien für den Agon der Männer (Dem. XXI 18) und für den der Knaben, jedenfalls aber war das Collegium für die kyklischen Chöre (Aeschin. III 232) aus anderen Personen und in anderer Weise zusammengesetzt, als das für die skenischen Agone. Durch die Nichtbeachtung dieser Thatsache enthalten die älteren Untersuchungen über die dionysischen Preisrichter (vgl. A. Müller 369) viel Irrtümliches; vgl. Lipsius S.-Ber. Akad. Leipzig 1885, 415. Freilich erlauben die erhaltenen Nachrichten nicht überall eine bestimmte Scheidung; für die kyklischen Agone wurde, wie Lys. IV 3 zeigt, eine Anzahl von Männern durch die Choregen, andere, wenn Isokr. XVII 33 sich hieher bezieht, durch die Bule namhaft gemacht, aus deren Zahl dann erst durch das Los diejenigen (vermutlich fünf oder zehn) ausgewählt wurden, die den entscheidenden Spruch zu thun hatten.

Da die Chöre und Choregen von den einzelnen Phylen beigestellt werden, ist der chorische Agon der Dionysien eigentlich ein Wettkampf der Phylen, daher erscheint auch als eigentlicher Sieger und Preisträger die Phyle (Lys. IV 3. Dem. XXI 5). Wenn es bei den Rednern allgemein üblich ist, die Choregen als Sieger zu bezeichnen, so ist dies insofern berechtigt, als der Chorege an dem Fest der Vertreter – um nicht zu sagen, die Verkörperung – der Phyle ist. Daher wird auch sein Name im offiziellen Siegerverzeichnis (vgl. CIA II 971) neben dem der Phyle genannt, während der Dichter und Aulet, die vermutlich einen bestimmten Sold, aber keinen Siegeslohn erhielten, in jener Liste nicht verzeichnet, wohl aber auf den von der Phyle (d. h. von ihrem Choregen) errichteten Weihgeschenken namhaft gemacht werden; s. Χορηγία. [2433]

In ähnlicher Weise wie der chorische Wettkampf der Dionysien wird auch der der Thargelien geregelt gewesen sein; hier haben immer je zwei Phylen zusammen einen Chor gestellt (Aristot. Ἀθην. πολ. 56) in der Weise, dass dem Choregen der einen Phyle eine zweite zugelost wurde (Antiph. VI 11); auch hier traten Männer- und Knabenchöre auf (CIA II 553. Lys. ΧΧI 1. Dem. ΧΧI 10 Gesetz des Euegoros), vermutlich je fünf an der Zahl; auch hier erhielten die siegreichen Chöre einen Dreifuss als Preis; über die erhaltenen Inschriften vgl. Χορηγία.

Ausserdem sind chorische Agone (an denen die Phylen keinen Anteil hatten) für die jährlichen Panathenaeen bezeugt, Eur. Heracl. 779 (Bergk Litt.-Gesch. II 501). Xen. de rep. Athen. 3, 4. Lys. ΧΧI 2. CIA II 1286. In weiterem Sinne sind auch die panathenaeischen Wettkämpfe der in drei Altersklassen geschiedenen Pyrrhichisten (s. d.) zu den chorischen Agonen zu rechnen; vgl. Is. V 36.

Zu der Zeit des peloponnesischen Krieges wurden ferner auch an den Prometheia und Hephaisteia Agone abgehalten (Xen. de rep. Athen. 3, 4; vgl. R. Schöll S.-Ber. Akad. München 1887, 2), an denen, wie CIA II 553 lehrt, auch die Phylen beteiligt waren. Wenn in dem Beschlusse der Phyle CIA II 553 angeordnet wird, es sollten die mit Männer- oder Knabenchören siegreichen Choregen dieser Feste verzeichnet werden, ohne dass auf dem Steine eine solche Liste sich fände, so erklärt sich das wohl daraus, dass kurz nach 400 die betreffenden Agone bereits wieder eingegangen waren. Aus der Thatsache, dass in der Inschrift des Kitharöden Nikokles, CIA II 1376 (um 300 oder später; vgl. A. Körte Rh. Mus. LII 174), ein Dithyrambensieg an den Lenaeen verzeichnet ist, wird man chorische Agone für die Lenaeen der älteren Zeit nicht erschliessen dürfen; es handelte sich dabei wohl um die Wiederaufführung einer älteren Dichtung (s. u.). Im Peiraieus hat der Redner Lykurgos einen chorischen Agon eingerichtet, mit der Bestimmung, dass daran nicht weniger als drei kyklische Chöre teilnehmen sollten, und dass der erste mindestens zehn, der zweite acht, der dritte sechs Minen erhalten sollte (Vit. X orat. 842 A).

Auch an attischen Demenfesten fanden vielfach chorische Aufführungen statt. Bezeugt ist ein Wettkampf von Knabenchören auf Salamis durch die choregische Inschrift Bull. hell. VI 521. CIA II 1248 (aus der ersten Hälfte des 4. Jhdts.); einen Demen-Agon von Knabenchören in Rhamnus wird man aus CIA IV 2, 1233 c (Ende des 4. Jhdts.) erschliessen dürfen; auf einen Dithyrambenagon in Ikaria bezieht sich vielleicht CIA IV 2, 1281 b. Grosse Bedeutung haben die chorischen Agone auch in Boiotien, wo sie seit alters heimisch gewesen sein dürften (s. o.). Für Thespiai lässt sie schon das alte Epigramm Athen. XIV 629 A erschliessen, für Theben werden sie in der Zeit des Epaminondas bezeugt durch Plut. Alk. 1, aus Orchomenos sind choregische Inschriften IGS I 3210. 3211. 3212 (um 200 v. Chr.), ein ähnliches Inschriftbruchstück auch aus Chaironeia (IGS I 3408) erhalten. Einen Agon von Knabenchören auf Eretria erweist für die zweite Hälfte des 4. Jhdts. das Inschriftfragment Ἀθηνᾶ 1893, 348. In Delphi [2434] erwähnt der Paian des Philodamos, Bull. hell. XIX 391f. (um 330) Z. 131 Πυθίασιν δὲ πενθετήροισι τροπαῖς ... Βάκχου θυσίαν χορῶν τε πο(λλῶν) κυκλίαν ἅμιλλαν; über chorische Aufführungen an den Soterien und den Pythien der späteren Zeit s. u. Auch in Arkadien traten noch zur Zeit des Polybios Männer- und Knabenchöre in Wettbewerb (IV 20, 8).

Nach dem Vorbild Athens sind im 5. und 4. Jhdt. zahlreiche chorische Agone insbesondere auf den Inseln und in Kleinasien eingerichtet worden, die teilweise bis in die spätere hellenistische Zeit hinein fortbestanden; Alexander d. Gr. ist selbst ein Freund solcher Veranstaltungen gewesen, Plut. Alex. 67. Athen. XII 538 E. Unsere Nachrichten darüber beruhen meist nur auf zufälligen inschriftlichen Zeugnissen über Choregen, Kranzverkündigungen an Festtagen sowie auf agonistischen Sieges- oder Teilnehmerlisten. In älterer Zeit sind hier wohl überall die Chöre aus freien Bürgersöhnen zusammengestellt worden, bis sie in hellenistischer Zeit vielfach durch Technitenchöre ersetzt wurden.

Auf Delos kennen wir Agone von Knabenchören an den Apollonien, wie an den Dionysien; vgl. Bull. hell. IV 351 u. ö. VII 114f. IX 147; aus der Gruppierung der Choregen ergiebt sich, dass im 3. Jhdt. immer nur zwei Chöre gegeneinander auftraten. Glänzender waren ohne Zweifel in älterer Zeit die chorischen Agone an dem grossen Delienfest; die Rechenschaftsurkunde der Amphiktyonen CIA II 814 a A Z. 31 aus 375/4 verzeichnet unter den Ausgaben zur Festfeier τρίποδες νικητήρια τοῖς χοροῖς, vgl. auch Aristot. Ἀθην. πολ. 56, 3.

Für Karthaia auf Keos sind Männer- und Knabenchöre durch die Inschriften Mus. ital. di antich. class. I 2, 207f. aus dem Ende des 4. Jhdts. (vgl. Athen. X 456 F und CIG 2363), für Chios Knabenchöre durch Bull. hell. V 300 im 3. Jhdt. (aber vgl. schon Herod. VI 27) bezeugt. Zu Samos traten (in der Zeit um 200 v. Chr.) je zwei Männer- und zwei Knabenchöre in den Wettkampf, M.-Ber. Akad. Berlin 1859, 754f. Brinck 207. Auf Rhodos erwähnt Aristides or. XLIV 570 Dind. die Dreifüsse τῶν χορῶν μαχομένων, vgl. IGIns. I 68. In Kalymna werden χορικοὶ ἀγῶνες (im 2. Jhdt. v. Chr.) erwähnt, Inscr. of the Brit. Mus. II 231, ebenso in Minoa auf Amorgos, Rhangabé Ant. hell. 750 (vgl. Athen. Mitt. I 337). In Teos begegnen uns Choregen für Pyrrhiche und Knabenchor sowie für Männerchor im 3. Jhdt. v. Chr. CIG 3089. 3090 (über Dithyrambenagone in Teos vgl. Le Bas-Waddington 93. Bull. hell. IV 170), ebenso in Milet für Männer- und Knabenchöre, CIG 2868. Rev. arch. XXVIII (1874) 108. In Halikarnass wurden noch im 3. Jhdt. v. Chr. mehrtägige chorische Agone abgehalten, wie Bull. hell. V 212 lehrt (ὅταν ἡ πόλις πρῶτον ἄγῃ χορικοὺς ἀγῶνας τῇ δεύτερον ἡμέρᾳ τῶν κυκλίων), ebenso in Iasos (CIG 2671 Διονυσίοις κυκλίων τῇ πρώτῃ, Zeit Alexanders). Für Alexandreia bezeugt Agone von Knaben- und Männerchören Athen. V 198 C. Diesen ausdrücklichen Zeugnissen lassen sich aber noch andere hinzufügen, in denen nur Agone von Flötenspielern ohne Erwähnung der Chöre verzeichnet sind, s. u.

Infolge der mannigfachen Veränderungen, welche [2435] im Laufe der Zeit die chorischen Dichtungen, insbesondere der Dithyrambos durchgemacht haben, haben auch die χορικοὶ ἀγῶνες in der hellenistischen Zeit einen Charakter angenommen, der wesentlich verschieden ist von dem der älteren Zeit.

Schon seit der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. hat im Dithyrambos die Flöte eine immer steigende Bedeutung gewonnen (vgl. Plut. de mus. 30), im 4. Jhdt. tritt der Didaskalos immer mehr hinter dem Flötenspieler zurück, s. Χορηγία; der Text erscheint, wie bei unserer Spieloper, als Nebensache, und wenn selbst bei den Dionysien in Athen schon im 4. Jhdt. ältere Stücke des Timotheos von Milet zur Wiederaufführung gebracht werden konnten (CIA II 1246), so wird es um so mehr bei den chorischen Aufführungen ausserhalb Athens üblich geworden sein, berühmte ältere Dithyramben zu wiederholen, wobei das Hauptinteresse dem Vortrag des Flötenspielers und seiner mimetischen ,Programmmusik‘ sich zuwandte.

So sinkt der Chor allmählich zu einem Gehülfen der Auleten herab. Während den Chören dort, wo sie aus Bürgern bestehen (wie z. B. in Athen bis ins 3. Jhdt.), wenigstens officiell noch eine grössere Rücksicht gewahrt bleibt, erscheinen sie anderswo, wo sie aus berufsmässigen und besoldeten Sängern zusammengesetzt werden, nur noch als untergeordnete Mitwirkende des Flötenspielers, vgl. das Witzwort des Stratonikos (um 400 v. Chr.) bei Athen. VIII 350 C. Bei der Hochzeit Alexanders in Susa 324 v. Chr. blasen die Flötenspieler zuerst den pythischen Nomos, dann treten sie ein zweitesmal μετὰ χοροῦ auf (Chares bei Ath. XII 538 E). Das Gleiche wird man für die delphischen Soterien annehmen dürfen, auf die sich die inschriftlichen Verzeichnisse der Techniten bei Wescher und Foucart Inscr. de Delphes 3–6 (aus der Zeit um 270; vgl. Reisch 101) beziehen. Dort werden neben zwei (einmal drei) Flötenspielern die Mitglieder je eines Männer- und eines Knabenchores nebst ihren Lehrern genannt, wobei die Unterordnung der Chöre in der Thatsache sich ausspricht, dass ihre Lehrer einmal als διδάσκαλοι αὐλητῶν bezeichnet werden. Dass dieses Verhältnis späterhin selbst dort Platz griff, wo die Chöre aus freiwillig mitwirkenden Bürgern sich zusammensetzten, beweist der Ausdruck des Polybios IV 20, 8 χορεύουσι (die arkadischen Jünglinge) κατ’ ἐνιαυτὸν τοῖς Διονυσιακοῖς αὐληταῖς. So erklärt es sich, dass in Inschriften des 2. Jhdts. v. Chr. von Choregen gesagt wird, sie hätten die Choregie geleistet παίδῶν oder ἀνδρῶν αὐληταῖς (in Samos CIG 3091. M.-Ber. Akad. Berlin 1859. 754, ähnlich in Teos CIG 3089).

Der Flötenspieler tritt eben jetzt auch bei dem Wettkampf in den Vordergrund, und für die agonistische Beurteilung kommt seine Leistung allein oder doch in erster Linie in Betracht; er bringt, wie es in einer delphischen Inschrift (Bull. hell. XVIII 86) um 100 v. Chr. heisst, ein ᾆσμα μετὰ χοροῦ zum Vortrag, er tritt als αὐλητὴς μετὰ χοροῦ (Inschr. von Delos aus 172 v. Chr., Bull. hell IX 47), als κύκλιος αὐλητής oder χοραύλης (s. d.) auf. In der Regel bringt sich der Flötenspieler diesen Chor, der aus berufsmässigen Sängern besteht, selbst mit, und es ist begreiflich, dass man dafür die Zahl der Choreuten möglichst verringerte; [2436] nach Hyg. fab. 273 wurde der Choraules von sieben Sängern begleitet, womit das Zeugnis des kyrenaeischen Wandgemäldes (Wieseler Theatergebäude T. XIII) übereinstimmt. Vielleicht hat dort, wo ein Technitenverein den Agon besorgte, auch ein und derselbe Chor verschiedenen Flötenspielern gedient, wie dies Polyb. XXX 13 vorauszusetzen scheint, wenn er, den Unverstand des Anikios schildernd, erzählt: τούτους (die Auleten) ... μετὰ τοῦ χοροῦ αὐλεῖν ἐκέλευσεν ἅμα πάντας.

Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, dass in Inschriften mehrfach blos von Auleten-Agonen die Rede ist, wo sicher an chorische (dithyrambische) Aufführungen gedacht werden muss; vgl. Ath. Mitt. I 337 τῷ ἀγῶνι τῶν αὐλητῶν τοῖς Ἑκατομβίοις (Zeit des Ptolemaios Euergetes). Papers of the amer. school 1885 I 11: τοῖς Διονυσίοις αὐλητῶν τῇ πρώτῃ ἡμέρᾳ (Decret einer kleinasiatischen Stadt um 200 v. Chr.), womit die vorher erwähnten Wendungen τῇ δεύτερον ἡμέρᾳ τῶν κυκλίων, χορηγοὶ παίδων αὐληταῖς u. ä. zu vergleichen sind. Man mietet die Flötenspieler zur Aufführung eines Dithyrambos, wie man den Protagonisten mietet zur Aufführung eines älteren Dramas, und setzt als selbstverständlich voraus, dass die Künstler Chor und Statisten mitbringen werden; so sollen nach den Festsetzungen in der Inschrift von Kerkyra CIG 1845 Z. 9 drei Flötenspieler, drei Tragoeden, drei Komoeden, d. h. also die nötigen Techniten zur Aufführung von je drei Dithyramben, Tragoedien und Komoedien gemietet werden, und in der gleichen Weise ist es zu verstehen, wenn die teische Synodos nach Iasos zwei Flötenspieler, zwei Tragoeden und zwei Komoeden schickt, ὅπως συνάγωσι τῷ θεῷ χορούς (Le Bas-Waddington 281). Dank der Beliebtheit, deren sich die dithyrambische Flötenmusik erfreute, haben sich chorische Aufführungen bei den musischen Festen bis in die römische Zeit, ja bis in die Zeit der letzten Antonine erhalten; sie werden aber nicht als χ. ἀ., sondern als Agone der χοραῦλαι oder κύκλιοι αὐληταί verzeichnet. Der letzte Ptolemaios Auletes hat selbst an den Wettkämpfen der χοραῦλαι teilgenommen (Strab. XVIII 796), Antonius ihnen seine Gunst geschenkt (Plut. Ant. 24). Als Belege für das späte Nachleben der Gattung mag auf die Inschriften von Theben IGS I 2449, Thespiai IGS I 1773. 1776, Akraiphia IGS I 2726. 4151, Delphi Bull. hell. XVIII 98, Aphrodisias CIG 2758. 2759 verwiesen werden, s. Choraules.

Erscheinen demnach die Dithyrambenagone seit der hellenistischen Zeit nicht sowohl als chorische Agone, denn als Agone der Flötenspieler, so bleibt doch, dank der eigentümlichen Beschaffenheit des jüngeren mimetisch-dramatischen Dithyrambos, wenigstens jenen gesanglichen Partien, die der Chorführer oder ἡγεμών vorträgt, eine gewisse Bedeutung gesichert. Schon in den Dithyramben des Timotheos von Milet erscheint der Koryphaios als Vertreter einer bestimmten Rolle vom Chore gewissermassen losgelöst, vgl. Aristot. Poet. 26. Gomperz Jahrb. f. Philol. 1886, 771f. So kommt es, dass diesem ,Vorsänger‘ auch im Agon eine besondere Stellung eingeräumt wird, und dass er als selbständiger Künstler neben dem Flötenspieler genannt wird, wohl auch einen Anteil am Siegespreis hat. Von einem der Männer, [2437] der als Vorsänger bei dem Männerchor des Soterienfestes mitgewirkt hat (Pythokles von Hermione, Wescher-Foucart 4 v. 29), besitzen wir noch ein in Versen abgefasstes Siegesverzeichnis (Kaibel Epigramm. gr. 926. Reisch 102), in dem nebst nemeischen, pythischen, isthmischen Siegen, die er als αὐλῳδός davongetragen hatte, auch solche ἐν κυκλίοισι χοροῖσιν verzeichnet sind. So wird auch der Sieg aufzufassen sein, den der Kitharode Nikokles Λήναια διθυράμβῳ errungen hat, CIA II 1367, vgl. die teischen Inschriften Le Bas-Waddington 93, wo neben dem Dithyrambendichter der Kitharoede verzeichnet ist, und Bull. hell. IV 170, wo derselbe Kitharoede als Sieger mit einem Dithyrambos (d. h. also mit der Wiederaufführung eines älteren Werkes) genannt wird. Ebenso wird in den choregischen Inschriften von Orchomenos IGS I 3210. 3211 (um 200 v. Chr.) neben dem Flötenspieler des Männerchores der ,Sänger‘ genannt. In dem Technitenverzeichnis der ,winterlichen‘ Soterien (um 150 v. Chr.) Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 161 (1884, 218) wird neben je zwei Choreuten der ἡγεμὼν παῖς, d. h. der Vorsänger des Knabenchores, und der ἡγεμὼν ἀνδρῶν – ein Kitharoede – aufgeführt. Unter den Siegern der Homoloia von Orchomenos (um 80 v. Chr.) IGS I 3196. 3197 (Reisch 110. 117) werden neben den Auleten der Männer- und Knabenchöre auch die παῖδες ἡγεμόνες und ἄνδρες ἡγεμόνες, d. h. die Vorsänger der beiden Chöre, namhaft gemacht, von denen der eine in denselben Inschriften noch einmal als Kitharoede, der andere als Auloede erscheint. IGS I 3196 siegt derselbe Mann παῖδας und ἄνδρας ἡγεμόνας, trat also bei einem Männer- wie bei einem Knabenchor als Vorsänger auf; παῖδες ἡγεμόνες ist hier für παίδων ἡγεμόνες in derselben Weise gesagt, wie παῖδες αὐληταί für παίδων αὐληταί gesagt wird, vgl. Reisch 59. 110. So ist auch der αὐλῳδὸς μετὰ χοροῦ an den delphischen Pythien Plut. Qu. conviv. VII 5 p. 704 C zu verstehen. Noch in einer thespischen Inschrift der späteren Kaiserzeit IGS I 1776 wird unter den mitwirkenden Künstlern der Sänger πολειτικοῦ χοροῦ besonders namhaft gemacht.

Noch mehr wie bei den Dithyrambenaufführungen tritt der Anteil der Chöre in der hellenistischen Zeit bei andern musikalisch-poetischen Agonen zurück, an denen Chöre mitwirken. Ähnlich wie die Flötenspieler haben auch die Kitharvirtuosen vielfach einen Sängerchor zur Unterstützung ihrer Vorträge verwendet. Philochoros FHG I 395 (bei Athen. XIV 638 A) berichtet vom Kitharisten Lysandros: καὶ τὸ πρᾶγμα αὐξήσας χορὸν περιεστήσατο πρῶτος. So finden wir in Delos 172 v. Chr. unter den Mitwirkenden an den Dionysien κιθαρισταὶ μετὰ χοροῦ verzeichnet (Bull. hell. IX 147), eine χοροψάλτρια hat im 2. Jhdt. v. Chr. an den Pythien teilgenommen (Bull. hell. XVIII 83), eine andere ist um 170 v. Chr. in Iasos aufgetreten (Le Bas-Waddington 257), auf einem kyrenaeischen Wandgemälde (Wieseler Theatergebäude T. XIII) sehen wir die Kitharvirtuosen von ihrem Chore begleitet, und noch um 200 n. Chr. finden wir bei dem Agon von Aphrodisias zwei Preise für χοροκιτθαρεῖς und einen, wie es scheint, für einen χοροκιθαρεὺς τραγικός verzeichnet, CIG 2759, vgl oben S. 2436. [2438]

Zweifelhaft ist, ob wir an chorische Aufführungen zu denken haben, wenn an den Museia von Thespiai ein ποιητὴς προσοδίου unter den Agonisten verzeichnet ist, Bull. hell. XIX 336. 338 (2. Jhdt. v. Chr.). IGS I 1760 (um 90 v. Chr.). 1773. Bull. hell. XIX 342. 344 (späte Kaiserzeit). Möglich ist, dass als ,Prosodien‘ in diesen hellenistischen Inschriften Einzelvorträge bezeichnet worden sind. Ausdrücklich wird aber auch noch in einer thespischen Inschrift des 2. Jhdts. n. Chr. ein ποιητὴς χορῶν (zwischen gymnischen und hippischen Siegern) genannt, IGS I 1772.

Eine Wiedereinführung der chorischen Agone auf der Grundlage der Phyleneinteilung in ihrer alten Form ist während der römischen Kaiserzeit in Athen versucht worden. Einen Sieg der Leontis bezeugt für seine Zeit Plutarch qu. conv. I 10 p. 628 A, einen dionysischen Chorsieg der Oineis CIA III 78 (zwischen 90 und 100 n. Chr.), vgl. CIA III 79. Kaibel Epigr. gr. 929. Vier Phylen erscheinen zu einem Chor vereinigt CIA III 81 (Brinck 161), sechs CIA III 82, vgl. 82 a. Auf einen von allen Phylen gemeinsam aufgestellten Siegesdreifuss bezieht sich CIA III 80. Auch der Rhetor Aristides hat einmal nach Analogie des alten Phylenagons zehn Chöre τοὺς μὲν παίδων τοὺς δὲ ἀνδρῶν beigestellt (Or. sacr. II 331).

Bei den Römern sind Choraufführungen durch die mit Chorbegleitung auftretenden Musikvirtuosen bekannt geworden. Chorische Agone im eigentlichen Sinne des Wortes sind wohl nur ausnahmsweise (bei Domitians capitolinischem Agon ?) abgehalten worden, vgl. Friedländer Sitt.-Gesch. ΙΙ⁶ 627. 630.

Litteratur. Reisch De musicis Graecorum certaminibus (Wien 1885) 25ff. Brinck Inscriptiones ad choregiam pertinentes, Diss. Hal. VII (1886) 71ff.