RE:Concordia 5

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Personifikation mit Kult
Band IV,1 (1900) S. 831835
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5) Als Göttin eine der frühesten im Cult gefeierten Personificationen der römischen Religion, verkörpert nach ältester Auffassung die Eintracht zwischen den bürgerlichen Parteien; die Stiftung ihrer Heiligtümer fällt in die Zeiten tiefgehender politischer Erregung (s. u.). Später wird C. zur Vertreterin der Eintracht in des Wortes weitester Bedeutung.

Cultstätten in Rom: 1) Den ersten Tempel der C. gelobte im J. 367 v. Chr. der Dictator M. Furius Camillus, der Eroberer von Veii, zum Andenken an die wiederhergestellte Eintracht der Stände nach dem Kampfe um die Licinischen Gesetze; er wurde auf Senatsbeschluss erbaut (Ovid. fast. I 641f. Plut. Cam. 42; vgl. Liv. VI 42, 4f.) und zwar an der Nordwestecke des Forums auf einer der ältesten Cultstätten Roms, der [832] area Volcani (Jordan Topogr. I 2, 192. 336f. Richter in Müllers Handbuch III 786. Gilbert Gesch. und Topogr. Roms III 63f.; vgl. Hülsens Skizze des Comitiums, Röm. Mitt. VIII 1893, 91). Die Prodigien der Jahre 211 (Liv. XXVI 23, 4: die Victoria auf dem Giebel des Tempels wird vom Blitz getroffen), 183 und 181 (Liv. XXXIX 56, 6. XL 19, 2 = Iul. Obs. 4. 59: Blutregen in area Concordiae) werden nach griechischem Ritus durch die decemviri s. f. gesühnt. Nach der Ermordung des jüngeren Gracchus im J. 121 v. Chr. wurde der Tempel durch den Consul L. Opimius in grösserem Massstab wiederhergestellt und daneben eine Basilica errichtet (Varro de l. l. V 156. Cic. pro Sest. 140. Plut. C. Gracch. 17. Appian. bell. civ. I 26. Fest. p. 347. Aug. c. d. III 25). Der Tempel des Opimius (erwähnt noch bei Cic. in Cat. III 21 [vgl. Sall. Cat. XLVI 5. XLIX 4]; pro Sest. 26. 28; de dom. 11; Phil. II 19. 112. III 30. V 18. Val. Max. IX 7, 4. Cass. Dio XLVII 2. XLIX 18. L 8. LIV 35) erfuhr unter Augustus eine grossartige Umgestaltung und Erweiterung (vielleicht eine Ausführung des Senatsbeschlusses vom J. 44, Dio XLIV 4; vgl. Gilbert a. a. O. 65, 2). Die Kosten aus dem Erlös der germanischen Beute bestreitend, nahm Tiberius den Neubau im J. 7 n. Chr. in Angriff und weihte ihn nach der Niederwerfung des pannonischen Aufstands im J. 10 n. Chr. (das J. 12 nennt Suet. Tib. 20) am 16. Januar in seinem und seines Bruders Drusus Namen als aedes Concordiae Augustae (Ovid. fast. I 645f. Cass. Dio LV 8. LVI 24. Fast. Praen. 16. Jan., CIL I² p. 231). Wie Stücke des Stadtplans und der in den Jahren 1817 und 1830 aufgedeckte, noch Spuren kostbaren Marmorpavimentes zeigende Unterbau deutlich erkennen lassen, hatte der Tempel einen eigentümlichen Grundriss: die Cella war fast doppelt so breit als tief und der vorliegende Pronaos, zu dem eine Treppe hinaufführte, nahm etwa nur die Hälfte von der Breitseite der Cella ein, die Front war dem Forum zugekehrt, die Rückseite verdeckte zum grossen Teil das Tabularium, rechts vom Forum aus führten die Stufen zur Arx empor, links erstand später die aedes divi Vespasiani (Ovid. fast. I 638f. Stat. silv. I 1, 22f. Iuven. I 116. Hyg. fab. 261. Serv. Aen. II 116. Notit. und Curios. urbis reg. VIII Jordan Form. urb. III 22 und S. 25. Richter a. a. O. Plan des Forums nach S. 802). Senatssitzungen im Tempel der C. waren nicht selten (Cass. Dio LVIII 11. LXXVII 1. Hist. Aug. Alex. Sev. 6; Max. et Balb. 1 [doch vgl. Herod. VII 10]; Prob. 11; vgl. Willems Le sénat Rom. II 159), die Arvalen opferten daselbst unter Claudius (Henzen Act. fratr. Arv. LVI = CIL VI 2203 p. 474), ihr magister verkündete hier das Opfer an dea Dia (Henzen CXVII und S. 5 = CIL VI 2165, 51 p. 514. Ephem. epigr. VIII p. 332, 13). Nach der Verschwörung des Libo im J. 16 n. Chr. wurden neben Iuppiter und Mars der C. reiche Geschenke dargebracht (Tac. ann. II 32). Auf den gleichen Anlass gehen die in der Ruine oder in ihrer Nähe gefundenen Widmungen pro incolumitate oder salute Tiberii zurück (CIL VI 91–93. 3675, wahrscheinlich auch 90. 94. 3675 a). Der Tempel ward zu einer Art Museum und füllte sich mit den herrlichsten Werken [833] der Malerei und Bildhauerkunst (Cass. Dio LV 9, 6. Plin. n. h. XXXIV 73. 77. 89. 90. XXXV 66. 131. 144. XXXVI 196. XXXVII 4). Aeditui des Heiligtums sind auf drei Inschriften genannt (CIL VI 2204. 2205. 8703). Der Tempel, in später, aber nicht genau feststellbarer Zeit noch einmal restauriert (CIL VI 89), überdauerte den Untergang des Reiches und sank erst im 14. Jhdt. in Trümmer (Jordan Top. II 444. 455). 2) Um die durch die Veröffentlichung des amtlichen Kalenders erbitterten Patricier mit dem Volke zu versöhnen, weihte im J. 304 der Aedil Cn. Flavius der C. eine kleine eherne Capelle in area Vulcani (Liv. IX 46, 6) in Graecostasi (Plin. n. h. XXXIII 19), also in unmittelbarer Nähe des älteren Heiligtums; sie ist vielleicht schon bei dem Neubau des Opimius verschwunden, sicher aber bei dem des Tiberius. 3) Im ersten Jahre des zweiten punischen Krieges hatte der Praetor L. Manlius bei einer Meuterei des Heeres in Gallien der C. einen Tempel gelobt, der Bau wurde im J. 217 in arce begonnen (Liv. XXII 3, 7f.; vgl XXI 25, 8f.) und am 5. Februar des nächsten Jahres geweiht (Liv. XXIII 21, 7. Fast. Praen. 5. Febr., CIL I² p. 233). Auch er lag wohl nicht weit von der alten Cultstätte. 4) In dem auf der Höhe des Oppius gelegenen porticus Liviae (Richter a. a. O. 908) stiftete Livia zum Andenken an ihre einträchtige Ehe mit Augustus der C. ein Heiligtum am 11. Juni (Ovid. fast. VI 637ff.). Über die verschiedenen Cultstätten vgl. noch Mommsen Herm. IX (1875) 287ff. Jordan Top. I 2, 192. 332f. 5) Nach dem Sprachgebrauch des Kalenders setzt auch die Notiz zum 22. Juli Concor(diae) aiilim (= militum, wie O. Hirschfeld mit Beziehung auf den Frieden von Misenum im J. 39 v. Chr. vermutet, Mommsen CIL I² p. 323) in den fast. Tusc. CIL I² p. 219 eine aedes sacra voraus.

Am Altar der Friedensgöttin, den Augustus im J. 745 = 9 auf dem Marsfeld errichtete, wurde am 30. März neben Pax, Ianus und Salus auch der C. geopfert (Ovid. fast. III 881f. Cass. Dio LIV 35). Eine Statue der C. war vom Censor Q. Marcius im J. 590 = 164 aufgestellt (Cic. de dom. 130. 136).

Cultstätten ausserhalb Roms: Altar zu Syrakus (Liv. XXIV 22, 1), Altar und Bild zu Casinum (CIL X 5159, 40 v. Chr.), Chalcidicum zu Pompeii der C. Augusta und Pietas geweiht (CIL X 810, daselbst eine Statue der C. (?) mit Füllhorn gefunden, der Kopf fehlt, Overbeck Pompeii⁴ 131ff.), Tempel der C. Augusta zu Patavium, in der die Priesterschaft der Concordiales den Dienst versah (CIL V 2307. 2525. 2843. 2865. 2869. 2872. 2874. 3130, dazu Mommsen p. 268), ara cum signo der C. Augusta zu Anaunium (CIL V 5058), aedes curialis Concordiae zu Gales (CIL VIII 757).

Wie die Inschriften bezeugen, wurde C. besonders in Spanien, im cisalpinischen Gallien und in Africa gefeiert; ganze Gemeinden, die verschiedensten Berufsklassen und Verbände stellen sich unter ihren Schutz C. Agrigentinorum (CIL X 7192), coloniarum Cirtensium (CIL VIII 6942), populi et ordinis Thamugadi (ebd. 2342), decurionum (CIL II 3424), curatorum arcae collegii fabrum et centonariorum (CIL V 5612), collegii [834] fabrum hastensium (CIL V 7555), brattiariorum inauratorum (CIL VI 95). Zahlreich sind die Inschriften, die die Göttin als C. Augusta, Augusti, Augustorum d. h. Schützerin des Kaiserhauses feiern (CIL II 465. 3090. 3349. 4270. V 5058. VIII 8300. 8301. 14686. 17829. X 810, 811. Cohen Méd. imp. Néron 66 etc.). Auf Münzen erscheint die C. felix (Cohen a. a. O. Lucille 13), aeterna (Caracalla, Septime Sévère et Julie 1–5), perpetua (Maximien Hercule 18), praetorianorum (Galba 359), provinciarum (Galba 360), populi Romani (Vitellius), exercituum (Vespasien 70), senatui (Vespasien 76), militum (Septime Sévère 75), legionum (Valérien 44), equitum (Gallien 119), imperii (Galère Maximien 18).

Darstellung. Die Münzen der republicanischen Zeit mit der Umschrift C. zeigen den nach rechts gewandten Kopf der Göttin mit Diadem und Schleier (Cohen Méd. cons. pl. I Aemilia nr. 10 = Babelon Monn. de la republ. Rom. I 122f. nr. 10. 11. Cohen pl. XVIII Fonteia nr. 10 = Babelon I 455 nr. 1. Cohen XXIX Mussidia nr. 4. 5 = Babelon II 242f. nr. 5. 6; ohne Namen Babelon Antonia I 173 nr. 42; die andere Seite zeigt öfter als Symbol der Eintracht verschlungene Hände) oder lorbeerbekränzt und mit Perlenhalsband (Cohen pl. XLII Vinicia nr. 1 = Babelon II 551 nr. 1); vgl. Kluegmann Ztschr. f. Numismat. VII (1880) 64ff. Auf Münzen der Kaiserzeit erscheint die Göttin durch die Beischrift kenntlich zuerst unter Nero und zwar als C. Augusta: in lang herabwallendem Gewande thront sie nach links gewendet auf einem Sessel und trägt in der vorgestreckten Rechten eine Opferschale, während die Linke ein Füllhorn hält (Cohen Méd. imp.² Néron 66. 67; Vitellius 13–16; Vespasien 62. 63. 71–74 etc.). Dieser Typus ist der vorherrschende geblieben, daneben treten vielfache Variationen auf. Die Göttin erscheint en face (Faustine mère 157), stehend nach links (Vespasien 70; Lucille 11; Sept. Sévère 72ff.), nach rechts (Antonin 135; Faustine mère 156ff.), an Stelle der Opferschale tritt ein Ölzweig (Galba 2. 3) oder Ähren (Vespasien 64–69; Titus 38–39; Domitien 37–38) oder eine Blume (Faustine jeune 53–58); das Füllhorn verdoppelt sich (Vitellius 17–21; Sabine 2; Antonin 136–137ff.) oder liegt unter ihrem Sitze (Antonin 131–132ff.) oder dient ihr als Stütze (Adrien 266; Aelius 1–14ff.) oder wird durch ein Scepter ersetzt (Sabine 24–26; Commode 42. 43ff.) oder fehlt gänzlich (M. Aurèle 29; Gordien 57ff.), hinter C. erscheint eine Statuette der Hoffnung (Adrien 247–255), oder die Göttin stützt sich darauf (Adrien 256. 257; Sabine 10–23; Antonin 128–130ff.), bald ruht die Linke auf der Brust (M. Aurèle 38), bald hebt die Rechte das Gewand (Faustine jeune 43–52), die Göttin lehnt sich an eine Säule (Adrien 267; Sabine 3–9; Aelius 14–15), zu ihren Füssen steht ein Altar (M. Aurèle 63. 65; Septime Sévère 71), an dem sie opfert (Mammée 4; Gordien le pieux 58–60); durch die stetig wechselnde Verbindung dieser einzelnen Abweichungen entsteht eine Fülle von Typen, wie sie kaum bei einer andern Gottheit sich findet; die Kaiserinnen, durch die Beischrift kenntlich, zeigen den Typus der C. Augusta (Caligula 4; Claudia 1) oder C. wird unter dem Bilde der Kaiserinnen [835] dargestellt (Galba 43). Ein zweiter Haupttypus zeigt die C. (meist mit dem Zusatz Augustorum, felix, aeterna) stehend zwischen zwei Mitgliedern des Kaiserhauses, die sich die Hände reichen (Adrien 258f.; Aelius 16; Caracalla 22; Iulia Paula 13–15), sie breitet das Gewand über ihre Schützlinge aus (Marc Aurèle 67. 68), zuweilen hält sie eine Statuette der Hoffnung (Adrien; dasselbe Bild ohne die Göttin Antonin 145–146. 158–161; Marc Aurèle 45–59ff.). Ein dritter häufig wiederkehrender Typus zeigt die C. exercituum oder militum stehend, in jeder Hand ein militärisches Feldzeichen (Adrien 268–269; Marc Aurèle 66; Septime Sévère 76–78), statt des einen die Victoria (Antonin 139–143) oder umgeben von sechs Fahnen, ein Scepter (Lanze?) haltend (Septime Sévère 75; Géta 19–20ff.; militärische Zeichen, mit dem Namen aber ohne das Bild der C., Vespasien 75; Caracalla 25ff.). Bei den wechselnden Formen der Typen, die sich vielfach mit denen anderer Göttinnen berühren und kreuzen, bleibt es immer ein unsicherer Versuch, statuarische und sonstige Darstellungen lediglich auf ihre Attribute hin als C. zu bezeichnen; vgl. noch R. Peter in Roschers Mythol. Wörterbuch I 914ff.

[Aust.]