RE:Dertosa

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt in Hispania citerior
Band V,1 (1903) S. 246248
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Dertosa, Stadt der Ilercavonen im diesseitigen Hispanien am Hiberus, wo die hispanische Hauptstrasse über diesen Strom führte, wird zuerst unter dem Namen Hibera, der ihr auch später erhalten blieb – Flüsse und Städte an ihrer Mündung führen häufig auch in Hispanien den gleichen Namen, vgl. Malaca, Sucro u. a. – in den Feldzügen der Scipionen gegen Hasdrubal erwähnt, die seinen Marsch nach Italien aufhalten sollten [247] (Liv. XXIII 26-28, bes. 28, 10 Hibera urbs, wo sie die Erzählung fälschlich auf das rechte statt auf das linke Ufer setzt). Als Colonie wird sie zuerst bei Strabon – wohl nach Poseidonios – bezeichnet (III 195 ἐπ’ αὐτῇ τῇ διαβάσει τοῦ Ἴβηρος Δέρτωσσα κατοικία, vgl. 160 ἐπὶ τὸν πόρον τοῦ Ἴβηρος . . . Δέρτωσσα πόλις; doch steht κατοικία bei Strabon öfter im allgemeinen Sinn von römischer Niederlassung). Auch in der Küstenbeschreibung des Varro wird sie erwähnt (Mela II 90 ingens Hiberus Dertosam attingit; Plinius übergeht sie hier). Es scheint darnach nur eine Furt, keine Brücke über den Fluss geführt zu haben. Die Listen des Agrippa und Augustus stellten die Dertosani an die Spitze der oppida civium Romanorum des Bezirks von Tarraco (Plin. III 23), ohne die Stadt ausdrücklich als colonia zu bezeichnen, zusammen mit dem oppidum c. R. Biscargi, während die drei übrigen Colonien des Bezirks hier übergangen sind. Ebenso wird Bilbilis (s. d.), obgleich es nur ein oppidum c. R. war, mit der Colonie Celsa (s. d.) in dem Bezirk von Caesaraugusta zusammengestellt (Plin. III 24). Die älteren, wohl noch unter Caesar geschlagenen Münzen (Mon. ling. Iber. nr. 31 a), die der Bedeutung der Stadt und ihrer Lage an der Hiberusmündung entsprechend ein Schiff zeigen, führen die Aufschrift mun(icipium) Hibera Iulia Ilercavonia, die jüngeren mit dem Kopf des Divus Iulius und demselben Schiffsbild aber zeigen die Namen zweier römischer Magistrate, offenbar der Duovirn, wenn auch die Amtsbezeichnung fehlt, und die Aufschrift col(onia) Dertosa. Für die Folgezeit beweisen Inschriften ihre Eigenschaft als Colonie (CIL II 4058. 4060). Mag auch die römische Gründung sich vielleicht nicht genau mit der alten Stadt gedeckt haben, wie in Emporiae und manchen italischen Städten (Mommsen St.-R. III 796, 1), es gab sicher nur den einen Ort an der Hiberusmündung, der den alten Namen Tortosa bewahrt hat (CIL II p. 535). Freilich giebt es auch Münzen mit dem Kopf des als Augustus bezeichneten Tiberius und der Aufschrift m(unicipium) H(ibera) I(ulia) Ilercavonia Dert(osa) und solche mit den Köpfen des Augustus und des Tiberius als Caesar und des Augustus allein mit den Namen von Quinquennalen – einer von ihnen. C. Iulius Tancinus, führt einen echt iberischen Beinamen – und c(olonia) I(ulia) D(ertosa). Diese letztgenannten haben die spanischen Numismatiker (Delgado Nuevo método I p. XXVI. L und Heiss 131) für anderen Ursprungs erklärt, da der Name nicht ausgeschrieben und die Arbeit von der der andern etwas verschieden ist: Borghesi erklärte ihre Zugehörigkeit zu dem hispanischen D. für höchst wahrscheinlich (Oeuvres I 53ff.). Auch ist es bisher nicht möglich gewesen, sie einer anderen Stadt, etwa Dertona in Italien, zuzuteilen. So muss entweder das alte Municipium neben der Colonie fortbestanden haben, etwa auf dem anderen Ufer des Flusses, oder die Erhebung zur Colonie erfolgte erst in dem letzten Jahr des Augustus, als schon Stempel mit dem Namen des Tiberius geschnitten waren (vgl. auch Mommsen St.-R. III 791. 794. 2); wofür vielleicht die Listen des Agrippa sprechen. Denn dass sie den Titel colonia verloren und wieder Municipium geworden [248] sei, ist unwahrscheinlich. Wo die Stadt später erwähnt wird (Suet. Galb. 10. Ptolem. II 6, 63 unter den πόλεις μεσόγειοι der Ilercavonen, Itin. von Vicarello. CIL II 6239. Itin. Ant. 339, 4. Geogr. Rav. 304, 2. 342, 9), fehlt die staatsrechtliche Bezeichnung. D. wird in dem Chronic. Caesaraug. zum J. 506 und als Bischofssitz in zahlreichen Concilienunterschriften seit der Mitte des 6. bis zum Ende des 7. Jhdts. oft (z. B. Mansi IX c. 109) und auf westgothischen Münzen (Heiss Monn. Wis. 50) genannt. Die Inschriften zeigen die übliche Verfassung der römischen Gemeinden (CIL II Index p. 1144). Eine dreisprachige Inschrift, hebräisch, lateinisch, griechisch, aus dem Ende des 6. Jhdts. (Inscr. Hisp. christ. 186) zeigt das Fortbestehen der Stadt im frühen Mittelalter.