RE:Herakles/III

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III. Kapitel
Örtliche Verbreitung der H.-Kulte und -Sagen
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In das folgende Verzeichnis sind Weihungen einzelner, wenn sie nicht auf einen öffentlichen Kult schließen lassen, nur in dem Fall aufgenommen, daß sie religionsgeschichtlich bemerkenswert sind, z. B. einen sonst nicht oder nur selten bezeugten Kultnamen enthalten. Auch sind Münzen, namentlich der Kaiserzeit, wenn sie für die Geschichte der H.-Vorstellungen nichts ergeben, großenteils nicht erwähnt worden, weil ihre große Zahl den Umfang dieses Artikels ungebührlich vergrößert und überdies das Bild von der Verbreitung des H.-Dienstes mehr verfälscht als vervollständigt hätte.

Argolis,
wo nach dem weitaus größten Teil der Überlieferung H. gewohnt haben soll und das ursprünglich auch als sein Geburtsort galt, hatte auffallend wenig Erinnerungen an den Helden und ihm geweihte Kultstätten. Argos selbst, das auf seinen Münzen den H. erst spät – später z. B. als Diomedes – prägen ließ, bietet fast gar nichts. Im Heraion außerhalb der Stadt war auf einem Altarrelief H.’ Hochzeit mit Hebe dargestellt (Paus. II 17, 6), die hier – wohl als Heras Tochter – eine goldelfenbeinerne Statue des Naukydes besaß und wahrscheinlich eben wegen des Verhältnisses, das sie im Heraion zu der Götterkönigin hatte, Gattin des H. geworden ist. Denn H. muß einst in besonderen Beziehungen zu diesem Heiligtum gestanden haben; hier werden der kretische Stier (u. Abschn. VII 7), die Rosse des Diomedes (Diod. IV 15) geweiht und die Geryonesrinder (Apollod. II 112) geschlachtet, für die Herapriesterin Admeta holt H. den Gürtel der Hippolyte (Apollod. II 99). Freilich sind diese Sagen nur in einer späten Form überliefert, in der obenein H. hinter Eurystheus zurücktritt: dieser weiht den kretischen Stier und die Rosse, er opfert Geryones’ Rinder, Admeta ist seine Tochter, so daß also zunächst er als der Verehrer der Göttin erscheint, nicht H., zu dem die

[911] Göttin in der späteren Sage vielmehr in feindlichen Beziehungen steht. Allein diese Gegnerschaft ist erst nachträglich in die Sage hineingelegt worden (unten S. 1099), und der Überbringer der Weihegaben für die Göttin und ihre Priesterin, der Überwinder der mit ihrer Herbeischaffung verbundenen Gefahren, bleibt doch H., der in Wahrheit ,Heras Ruhm‘ gemehrt hat. Insofern stehen diese Angaben über das Heraion in innerem Widerspruch zu der späteren Auffassung von dem Verhältnis der Göttin zu dem Helden und konnten nicht aufkommen, nachdem diese allgemein anerkannt waren. Wahrscheinlich wurden sogar ursprünglich auch noch andere von dem Helden im Dienste des Eurystheus herbeigeschaffte Beutestücke im Heraion geweiht; und da jedenfalls keine andere Kultstätte in der Sage so wie diese in dem Mythos von der Knechtschaft des H. bei Eurystheus gefeiert wird, so ist diese Sage, die der Ausgangspunkt und der Keim der übrigen H.-Sagen gewesen ist, vermutlich eben zu Ehren des argivischen Heraion erdichtet worden. Wenn trotzdem in Argos H. so gut wie vergessen ist, so läßt dies zur Erklärung zunächst nur die Vermutung zu, daß die Verhältnisse, durch die das Heraion das größte Heiligtum des Landes und H. sein ruhmvollster Held geworden waren, frühe gewaltsam zerrissen wurden und daß zwar der Göttin ihre Stellung verblieb, H. aber, in dessen Taten sich der Ruhm der gestürzten Mächte spiegelte, wenigstens zeitweilig zurückgedrängt wurde. – Etwas mehr Erinnerungen hat H. in anderen Städten der Landschaft hinterlassen. In Epidauros, wo H. auf dem Wege zum Koryphon den Stamm eines Ölbaums umgedreht haben sollte (Paus. II 28, 2), ward H. als Ἀλεξίκακος (IG IV 1092) verehrt; ein ἱερόν wird ebd. 1299 erwähnt. Durch eine Erdschlucht bei Hermione sollte H. den Kerberos heraufgeholt haben (u. S. 1078, 66). – In Kleonai wurde das Grab der von H. getöteten Molioniden gezeigt (Paus. II 15, 1); die Kleonaier wollten mit großen Opfern dem Helden beigestanden haben (Aelian. var. hist. IV 5), der in der Stadt ein Heiligtum hatte (Paus. II 15, 1. Diod. IV 33) und dessen Kopf in polykletischem Stil (Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2163, 54) bereits im 5. Jhdt. auf den Münzen der Stadt erscheint.– In Methana erwähnt Paus. II 34, 1 ein ἄγαλμα des H. und vielleicht ein Heiligtum; einen Tempel hat Aurelius Trophimus erbaut (IG IV 856). In Nemea, wo er den Löwen bezwungen haben sollte, galt H. nach einer allerdings nicht unangezweifelten Überlieferung als Stifter der Spiele (vgl. Prob. Verg. Georg. III 19 nach Kallim. αἴτ. frg. 6 Schn.; s. aber S. 67. Schol. Luk. bis accus. II 137, 19; dial. deor. VII 270, 17). – In Tiryns, wo nach Friedländer Her. 164, 1 einst vielleicht an dem Grabe des Helden ἐναγίσματα dargebracht wurden, sollte er den Enyalioshain gestiftet haben (Jahn Bilderchron. 69. 220); die aus ihrer Stadt im 5. Jhdt. durch die Argiver nach Halike vertriebenen Tirynthier setzen im folgenden Jahrhundert den H.-Kopf auf ihre Münzen, auf denen sie sich mit ihrem alten Namen bezeichnen. Ein altes tirynthisches H.-Bild von der Hand des Skyllis und Dipoinos erwähnt Klem. προτρ. IV 47, 8. – Troizen war, wie sich [912] ergeben wird (S. 1025ff.), in der ursprünglichen argivischen Sage wahrscheinlich Herrschersitz des Eurystheus gewesen; das darin liegende feindliche Verhältnis zu dem Helden hat die Stadt nicht anerkannt; sie hat nie den Eurystheus sich als Herrscher in der Vorzeit aufdrängen, vielmehr gleichzeitig mit H. den Pittheus in Troizen herrschen lassen und diesen zum Gastfreund des H. (Paus. I 27, 7) gemacht. Dann adelte das Aufsteigen aus dem Hades, das die troizenische und wahrscheinlich schon die argivische Sage auf den Markt von Troizen verlegte (Paus. II 31, 2. Apollod. II 126. Pedias. XII 32. Tzetz. chil. II 406), die Stadt ebenso wie das Schneiden der Keule von dem wilden Ölbaum am Tempel der Artemis Saronis (oder am Saronischen Meerbusen?) und ihre Festwurzelung am Hermes Polygios (Paus. II 31, 10; vgl. Saintyves Rev. hist. litt. relig. 1912, 429ff.) oder die Heilquelle (Ἡράκλειος κρήνη), die H. beim Hippolytosheiligtum gefunden haben sollte (Paus. II 32, 4; vgl. Münzen der Kaiserzeit). In einer Inschrift vom Ausgang des 5. Jhdts. wird vom Orakel eine Weihung an H. und, wie es scheint, an Hālios befohlen (IG IV 760 = SIG² 792).

Lakonien.

Beide spartanische Königshäuser, die Agiaden und Eurypontiden, wollten von H. abstammen und spendeten bereits im 5. Jhdt. diesem als ihrem Ahnherrn (Ion bei Athen. XI 7 p. 463 b). Auffallenderweise machten sie ihre Eponymen Agis und Eurypon nicht zu Söhnen des ersten spartanischen Königs vom Herakleidenstamm, Aristodamos, sondern statt ihrer Eurysthenes und Prokles. Daraus wird mit Recht gefolgert, daß diese Abkömmlinge des H. aus einem andern Stammbaum hergenommmen und erst nachträglich der Ahnentafel der Agiaden und Eurypontiden vorangestellt sind, daß diese sich also ursprünglich so wenig von H. herleiteten, wie der übrige Spartiatenadel, der sich als dorisch bezeichnete und dadurch, seitdem die Zugehörigkeit der beiden Königshäuser zu den Herakleiden feststand, der Abstammung nach von diesen unterschied, wie es die Anekdote bei Herodot. V 72 hervorhebt. Da sich die Zugehörigkeit eines Heros zu einem Lande zuerst in den Stammtafeln zu bekunden pflegt, weist schon die nachträgliche Verbindung des H. mit dem spartanischen Königshaus darauf hin, daß der Held verhältnismäßig spät von außen, also wahrscheinlich von Argos her, nach Lakonien übernommen wurde. Später wollten auch andere spartanische γένη (z. B. Lysanders, Plut. Λυσ. 2. Keil Gött. Gel. Nachr. 1913, 19 A. vergleicht IG IV 940, 8) von H. abstammen (vgl. IG V 1. 471. 559. 614. 1174), der als Γενάρχας verehrt wurde (ebd. 608, 4 und 8), einen Priester (ebd. 497, 1) und eine Priesterin (589, 9) hatte. Da sich die Kinder der Könige dauernd mit den Spartiaten und diese nach dem Untergang des Adelsstaates mit den übrigen Bewohnern vermischt hatten, brauchen solche Herleitungen nicht auf späten Stammbaumfälschungen zu beruhen. Schon Tyrtaios frg. 11, 1 B.⁴ redet die Spartaner an Ἡραλέος ἀνικήτου γένος ἐστέ, als Ἡραλέος γενεά bezeichnet sie Isyllos E 5 bei v. Wilamowitz Is. 22, und nicht bloß der ruhmreichen Vergangenheit wegen kann Aristid. or. XL 17 K. [913] Sparta εἰκών τις Ἡηρακλέους nennen. – Seit dem 3. Jhdt. prägen die Spartaner H.’ Kopf und sein Abzeichen, die Keule, auf ihre Münzen. Ein Heiligtum besaß der Held nahe der (südlichen?) Stadtmauer; das Kultbild, das ihn bewaffnet darstellte (Paus. III 15, 3), vielleicht dasselbe, das vor der Schlacht bei Leuktra durch Schwitzen ein Unglück verkündendes Zeichen gab (Cic. div. I 34. 74; vgl. II 31. 67), hält Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2150, 21 für der Kasseler Bronzestatuette ähnlich. Eine zweite an der Rennbahn, wahrscheinlich auf dem östlichen Eurotasufer südlich von der Stadt gelegene Kultstätte wurde von den jungen Männern benutzt; hier befand sich ein archaisches Kultbild (Paus. III 14, 6); verschieden davon war, wie es scheint, eine H.-Statue auf einer der beiden Brücken, die zum Kampfplatz Platanistas führten (Paus. III 14, 8) und die wahrscheinlich den beiden Parteien, ἀμφ’ Ἡρακλέα und ἀμφὶ Λυκοῦργον, zum Einzug dienten (Luk. Ἀνάχ. 38). Was das ,Grab‘, d. h. wohl die Nachbildung eines Fingers, neben dem ein Löwe stand, eigentlich bedeutete, läßt sich nicht ausmachen; nach Ptolem. Heph. bei Phot. bibl. II 147 b, 3 (Westermann Myth. Gr. 184, 17), der bei seinen Schwindeleien an irgend etwas Tatsächliches anzuknüpfen pflegt, wurde es von einigen auf den vom Löwen abgebissenen Finger des H. bezogen, öfters werden noch gelegentliche Opfer, Weihungen u. dgl. an H. erwähnt; vgl. z. B. Pind. Nem. X 51 (mit Hermes). Ion bei Athen. XI 8 p. 463 b (wenn hier von einer spartanischen Spende gesprochen wird). Zwei lakonische Feste ἐργάτ(ε)ια und Ἠλακάτηα (diese angeblich genannt nach einem Lieblingsknaben des H.) erwähnt Hesych. s. v. Mehrere spartanische Kulte sollte H. gestiftet haben, so den Altar des Asklepios Κοτυλεύς (Paus. III 19, 7), als er von der in der ersten Hippokoontidenschlacht erlittenen Wunde in der Hüftpfanne (κοτύλη; vgl. VIII 53, 9 μηρός dagegen nennen Klem. προτρ. II 36,2 p. 31 Po. nach Sosibios und Arnob. IV 25 die Hand, die auch κοτύλη heißen kann) mit Hilfe des Asklepios genesen war, das Heiligtum der Athena Ἀξιόποινος nach der Niederwerfung der Hippokoontiden (Paus. III 15, 6) und bei derselben Gelegenheit das der Hera Αἰγοφάγος, die ihm beim Kampf nicht hinderlich gewesen war (ebd. 15, 9). Der angebliche lakonische Gebrauch von Siegeln aus wurmstichigem Holz wurde auf H. zurückgeführt (Hesych. θριπόβρωτος nach Philosteph.). Hohes Alter wird diesen Angaben niemand beimessen, die Kultlegenden erweisen sich überdies als nicht ursprünglich schon durch ihren Zusammenhang mit der Hippokoonsage, die mit ihnen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis steht. Bezeichnend hierfür ist, daß der Ausbruch des Krieges mit den Hippokoontiden damit begründet wird, daß diese H.’ Verwandten Oionos getötet hatten (Alkm. frg. 15. Apollod. II 143. Paus. III 15, 4. Diod. IV 33. Schol. Hom. Il. I 52 nach Andron FHG II 350, 8. Schol. Il. II 581; ebd. p. 293. Schol. Eurip. Ὀρ. 457 u. a.). Wahrscheinlich ist dies nur erfunden, weil Oionos’ μνῆμα beim Herakleion gezeigt wurde. Wide Lak. Kulte 19 hat freilich die Tötung des Hundes, wegen deren die Hippokoontiden den Oionos erschlagen, mit der Heraufholung [914] des Kerberos verglichen; s. jedoch v. Wilamowitz Her. I² 29. 54, der zwar die spartanischen Elemente der späteren Hippokoontidensage unterschätzt, aber mit Recht hervorhebt, daß diese zu einem ursprünglich fremden Kern hinzugetreten sind. Die Hippokoontidensage berührt sich nämlich darin, daß anfänglich H. unterliegt und kampfunfähig wird und daß Iphikles fällt, mit der Molionidensage; der Anfang ist dagegen der pylischen Heraklessage nachgebildet: nicht nur werden der pylische und der spartanische Krieg des H. auf gleiche Weise mit der Weigerung einer Blutsühne begründet: wie Neleus den H. nicht vom Morde des Iphitos, so will ihn Hippokoon nicht von dem der Megara und der Kinder reinigen (Hyg. fab. 31). Hippokoons Söhne sollten dem Neleus zu Hilfe gezogen sein (Apollod. II 143), und Hippokoon selbst trägt einen Neleidennamen (s. Bd. VIII S. 1776). Diese Nachbildung könnte gegen ein höheres Alter der Hippokoontidensage zu sprechen scheinen; indessen nimmt v. Wilamowitz Her. I² 29 wahrscheinlich mit Recht als Kern eine argivische Sage an, die gegen Sparta gerichtet war. Die Hippokoontidensage hat eine Parallele an der ursprünglich ebenfalls argivischen, daß der Hippokoontide Enarsphoros sich an Helena vergreifen wollte (Plut. Θης. 31): wie H. wenigstens nach einer Fassung der Sage (o. S. 913, 38) wird auch Kastor (Schol. Hom. Il. III 242) in dem Hippokoontidenkampf im Schenkel verwundet (vgl. Wide Lak. Kulte 187. 322). Die Verknüpfung beider Sagen wird dadurch noch enger, daß H. in Lakonien in Beziehung auch zu Helena zu stehen scheint (Wide Lak. Kulte 346), so daß Kaibel Herm. 1892, 258 vielleicht mit Recht eine Sage erschlossen hat, in der nicht die Dioskuren die Helena befreiten, sondern H. Auch diese Sage müßte in Argos entstanden sein. Die Helenasage legt aber den argivischen Ursprung auch des dieselben politischen Gegensätze spiegelnden Mythos von H.’ Sieg über die Hippokoontiden nahe. Allein da Sparta Helena und Tyndareos seiner eigenen Überlieferung eingefügt hatte, konnten sie auch zum Ruhm von Sparta dienen, denn H., der den Tyndareos (und vielleicht auch die Helena) zurückführte, erschien nun nicht mehr als Feind Spartas, sondern als der Wiederhersteller der hier gestörten Ordnung. Dagegen wurden in Tegea, das im 6. Jhdt. ebenfalls mit Sparta zu kämpfen hatte, die spartafeindlichen Züge der Sage verstärkt, dem erbarmungslosen Spartanerkönig wird der gütige Arkaderkönig Kapheus gegenübergestellt, der mit seinen Söhnen dem H. gegen den ungerechten Spartaner hilft (IG V 2, 78. Apollod. II 143), nachdem seine Tochter von diesem zum Schutz der Stadt die Gorgonenlocke empfangen hat (Paus. VIII 47, 5. Apostol. X 38). Vielleicht hängt es damit zusammen, daß der Amyklaier Deiphobos (Apollod. II 130; vgl. Diod. IV 31. Jahn (Bilderchron. 70 und o. Bd. IV S. 2406, 38), der den H. entsühnt, bei Schol. Hom. Il. V 392 zum Arkader geworden ist.

Von den lakonischen Landgemeinden hatte Geronthrai ein Heiligtum, wo H. als Heilgott oder Heros angerufen wurde (IG V 1, 1119). – In Gytheion standen auf dem Markt Statuen des H. und Apollon, welche die Stadt gegründet haben sollten, als sie sich nach dem [915] Dreifußraub versöhnt hatten (Paus. III 21, 8). – Halos suchte den Ruhm seines unter Asklepios’ Schutz stehenden Kurhauses (Curtius Pelop. II 250f.) durch die Sage zu steigern, daß H. sich hier während der Heilung seiner Wunden durch Asklepios verborgen habe (Paus. III 20, 5). – In Las, das in der Kaiserzeit den stehenden H. auf seine Münzen setzte, sah Pausanias (III 24, 6) vor den Mauern der in Trümmern liegenden Altstadt auf dem Asiaberg ein ἄγαλμα des Helden. – Bei Skotitas am Parnon, nahe dem Heiligtum des Zeus, erhob sich ein ἄγαλμα des H. und ein von ihm nach der Besiegung der Hippokoontiden errichtetes Tropaion; vgl. über die Lage Rhomaios Ἀθ. 1908, 401. – Durch Tainaron sollte H. zur Unterwelt hinabgestiegen sein (unten S. 1078, 57ff.); Euphemos, der nach der Argofahrt in Tainaron wohnte, galt als Gemahl von H.’ Schwester Laonome (Schol. Pind. Pyth. IV 79a).

Messenien.

Das Herakleion in Abia sollte die Eponyme der Stadt, die Amme von H.’ Sohn Glenos, errichtet haben (Paus. IV 30, 1). – Diejenigen, die Oichalia nach Messenien (Steph. Byz. 488, 2) und awar nach Andania (Strab. VIII 3, 6 p. 339 nach Demetr. Skeps.; 3, 25 p. 350. 4, 5 p. 360), genauer nach dem Hain Karnasion (Paus. IV 2, 2; 33, 4) verlegten, mußten natürlich den H. als Eroberer auch in diesen Gegenden feiern (zuerst Pherekyd. FHG I 80, 34 bei Schol. Soph. Τραχ. 354, der diese an der arkadischen Grenze gelegene Stätte ebenso wie Strab. IX 5, 17 p. 438. X 1, 10 p. 448 arkadisch nennt). – Im Asklepiostempel zu Messene werden neben Statuen des Gottes und seiner Söhne auch solche des Apollon, der Musen, des H., der Stadt Theben und des Epameinondas, der Tyche (von Messene?) und der Artemis Φωσφόρος erwähnt (Paus. IV 31, 10). Vielleicht war H. hier als Hauptheld der Thebaner neben seine Mutterstadt gestellt. Im Gymnasion stand er neben Hermes und Theseus (Paus. IV 32, 1) als Vorsteher der Palaistra. Außerhalb der Stadtmauer hatte Mantiklos ein Heiligtum dem nach ihm genannten H. errichtet, Paus. IV 23, 10. In der Kaiserzeit prägten die Messenier H. auf ihre Münzen. – Das messenische Pylos hatte sich den Ruhm der Neleiden angezogen, erzählte also von dem Siege des H. über den Vater und die Brüder Nestors. – Zu Stenyklaros am Κάπρου σῆμα sollte H. bei einem Eberopfer den Vertrag mit den Neleiden geschlossen haben (Paus. IV 15, 8). Keines dieser Zeugnisse läßt auf altmessenische H.-Sagen schließen.

Elis.

Der schwefelhaltige Anigrosfluß in Triphylien sollte deshalb so schlecht riechen, weil die von H.’ giftigen Pfeilen getroffenen Kentauren (Strab. VIII 3, 19 p. 346. Ovid. met. XV 281ff. – Paus. V 5, 10 nennt Chiron oder Pylenor) sich hier gewaschen. – Boinoa gilt nach Strab. VIII 3, 5 p. 338 für das Ephyra, aus dem H. die Astyoche, die Mutter des Tlepolemos, heimgeführt hatte (Hom. Il. II 659). – Gegen Elis sollte H. gezogen sein, als ihm Augeias den versprochenen Lohn weigerte (o. Bd. II S. 2308, 23ff.). Anfangs zurückgeschlagen, hatte er nach der Sage (Pherekyd. u. a. bei Schol. Plat. Φαίδ. 89 c) bei dem βαδὺ ὕδωρ auf dem Wege von Elis nach Dyme Erquickung gefunden [916] und später nach der Überwindung der Aktorionen Elis mit einem aus Argivern, Thebanern und Arkadern gebildeten Heer (Paus. V 3, 1) erobert und zerstört. Später sollte Iphitos die Elier überredet haben, dem H. zu opfern (ebd. 4, 6). Iphitos weist auf Herkunft aus Olympia; dazu stimmt, daß im Gymnasion zu Elis, wo H. Παραστάτης dem Ἰδαῖος von Olympia gleichgestellt wurde (ebd. VI 23, 3), Vorbereitungen für den olympischen Agon stattfanden (ebd. 23, 1). – Ein Herakleia lag etwa 10 km von Olympia am Kytheros (ebd. 22, 7. Steph. Byz. 303, 21; vgl. o. Bd. VIII S. 424, 9ff.). – Der Eponym von Lepreos, der mit H. im Diskoswurf, im Wassertragen und im Fressen gewettet hatte, wurde nach Zenod. bei Athen. X 2 p. 412 a auf allen diesen Gebieten und zuletzt auch im Waffengang besiegt. – Im triphylischen Makistos hatte H. als Μακίστιος (Strab. VIII 3, 21 p. 348) oder Μηκιστεύς (Schol. Lykophr. 652) ein Heiligtum. – Sehr bedeutende Erinnerungen an H. besaß Olympia. Ein Tempel zwar ist nicht bezeugt und auch nicht wahrscheinlich (Robert Athen. Mitt. 1893, 44), dagegen erwähnt Apollod. II 133 eine Statue des H., die Daidalos zum Dank dafür, daß der Held den Ikaros begraben hatte, errichtete, die aber H. unabsichtlich zerstörte, und Pausanias berichtet von zwei Altären. Der eine war dem Παραστάτης geweiht und irgendwie mit Altären des Epimedes, Idas, Paionios und Iasos verbunden (Paus. V 14, 7), die als Idaiische Daktylen oder Kureten und als Brüder des H. galten (ebd. 7, 6). Dieser H. hieß daher Idaios, und seinen Altar sollte einer seiner kretischen Nachkommen, Klymenos (ebd. 8, 1), errichtet haben. Von dem zweiten Altar, der sich im Nordosten der Altis, nicht weit vom Schatzhaus der Sikyonier befand, war es strittig, ob er dem Sohn Alkmenes oder dem Kureten gehöre (Paus. V 14, 9); die Richtung, die er nach den ihm zugeschriebenen Überresten gehabt hat, spricht dafür, daß H. als Gott verehrt wurde. Trotzdem ist H. wahrscheinlich durch Argiver nach Olympia gebracht worden; denn wenn auch Pheidon, der die Prostasie in Olympia erlangte (o. Bd. II S. 733, 28ff.) und vermutlich das Heraion baute, seinen Helden, soweit wir aus den dürftigen Überlieferungen Schlüsse ziehen dürfen, nie vergöttert hat, scheint er doch in Olympia dessen Apotheose insofern vorbereitet zu haben, als er ihn einem der vorher hier verehrten Idaioi, den er aber seiner göttlichen Würde entkleidet hatte, gleichsetzte. Nach der Abschüttelung der argivischen Herrschaft haben dann die Festordner von Olympia den alten Kult soweit wiederhergestellt, daß die Altertumsforschung diesen H. von dem argivisch-thebanischen trennen konnte. Die weitere Anerkennung dieser Sonderung wurde durch die bald darauf einsetzende Vorherrschaft Spartas verhindert, die den Heros wieder zu Ehren brachte. Nicht den Kureten (Paus. V 7, 6, der aber auch Spiele des thebanischen H. kennt, ebd. V 8, 3. VIII 48, 1) oder den Daktylen (Diod. V 64) oder den Idaiischen ,Finger‘ (Euseb. Armen. V p. 89, 30), sondern den Sohn des Zeus (Pind. Ol. II 5. III 11ff. X 25ff. Lys. bei Dion. Hal. iud. Lys. 30. Ps.-Aristot. πέπλ. frg. 594 S. 1574 b, 33; vgl. 1575, 9 nach Hellad. bei Phot. bibl. 533 b, 32. Kallim. αἶτ.. II p. 64 frg. 383 [Schol. Il. XI 700]. Thrasyllos bei Klem. [917] στρώμ. I 21, 137 p. 145 S. = FHG III 503, 3. Phlegon ebd. 603, 1. Alb. Taf. 263ff. bei Jahn Bilderchr. 71. Diod. IV 14. Apollod. II 141. Hyg. fab. 273. Ptolem. Heph. 151 b 8. Philostrat. v. Ap. VI 10. VIII 18 a. E. Plin. n. h. VII 205. Solin. I 28. Paus. VIII 48, 1. Schol. Luk. Ἰκαρομ. 24 p. 108 R.; rhet. praec. 9 p. 176, 24) betrachtete die weitaus größere Zahl der Zeugen als Stifter der Agone oder wenigstens eines Agons von Olympia; und zwar sollte er Spiele dem Pelops zu Ehren gefeiert haben (Dion. Hal. ἀρχ. V 17. Stat. Theb. VI 6), seinem Vorfahren, dem er nach der Sage auch ein Opfer darbrachte (Paus. V 13, 2). Auch erzählte man von einem Ringkampf zwischen H. und Zeus (Schol. Lykophr. 41), der freiwillig zu Boden gesunken sei (Nonn. Dion X 377), oder man ließ H. im Kampf mit Elatos und Pherandros unterliegen, worauf Duris das Sprichwort bezog πρὸς δύο οὐδ’ ὁ Ἡρακλῆς (Schol. Plat. Φαίδ. 89 c. FHG II 487, 76; vgl. Deinon bei Suid. οὐδὲ Ἡρ. πρὸς δύο FHG II 90, 4). Andere wußten zu berichten, daß H. kampflos gesiegt habe, weil niemand ihm gegenüber zu treten wagte (Diod. IV 14). H. sollte das Stadion nach 600 seiner Füße ausgemessen haben, woraus man die Größe seines Körpers berechnete (Plut. bei Gell. I 1 frg. 33). Er sollte auch aus dem. Hyperboreierland vom Istros die ἐλαία (Pind. Ol. III 14) oder den κότινος (Paus. V 7, 7) oder nach Aristot. θ. ἀ. 51 vom Ilissos aus dem Pantheion (Schol. Aristoph. πολ. 586, 1) den κότινος geholt haben, mit dessen Zweigen der Sieger und zuerst er selbst (Plin. n. h. XVI 240) bekränzt wurde. Auch andere Mirakel von Olympia wurden auf H. zurückgeführt, vor allem die Weißpappel, deren Holz – vielleicht als Ersatz für das eines ursprünglich hier angepflanzten aromatischen Styraxstrauches, der öfters durch die λεύκη ersetzt wird ( Gruppe Handb. 789, 2) – für die Zeusopfer verwendet wurde und die H. vom Thesproterland (Paus. V 4 14, 2) oder vom Acheron (Schol. Theokr. II 121 a. c. Intp. Serv. Aen. V 134; Ecl. VII 61; Georg. II 66; ἀχερωίς = λεύκη Hom. Il. XIII 389. XVI 482) geholt haben sollte (vgl. Wolters Arch. Jahrb. I 1886, 56. Graef Röm. Mitt. 1889, 189f.), und die Knochen des Geryones (Philostr. ἡρ. I 2 S. 140; 20 K.) und Antaios (Schol. Lykophr. 663). Auch mehrere Kulte sollte H. in Olympia gestiftet haben, so die Altäre der zwölf Götter (Pind. Ol. X 49. Herodor. bei Schol. Pind. Ol. V 10. FHG II 36, 29. Apollod. II 141) und den Dienst des Zeus Ἀπόμυιος (Paus. V 14, 1; vgl. Klem. προτρ. II 38 p. 33 Po.). Nach Tzetz. chil. XII 371f. hinterließ er den Agon bei seinem Tode dem Aitoler Oxylos. – Der argivische Ursprung des H. von Olympia läßt im voraus vermuten, daß auch die übrigen H.-Kulte und -Sagen der späteren Landschaft Elis, soweit sie nicht selbst von Olympia abhängen, durch Argiver eingeführt sind. Das gilt zunächst für Pylos. Älteren pylischen Geschlechtern zu Ehren, die sich auf Poseidon zurückführten, scheinen schon früh Heldenlieder von Neleus und Nestor erzählt zu haben; ein argivisches Lied nahm dies auf, ließ aber den H. die Pylier besiegen, das ganze Geschlecht bis auf Nestor vernichten (Hom. Il. XI 690; vgl. Apollod. II 141. Tzetz. chil. II 451 u. a.) und die für die feindliche Stadt eintretenden Götter, Hades, der sich mit seinen [918] Schatten aus der Unterwelt erhob (so muß meines Erachtens Hom. Il. V 395 verstanden werden) verwunden und vielleicht Poseidon, den andern Hauptgott der Stadt, wenigstens bekämpfen (Pind. Ol. IX 33). Früh wurde daraus ein großer Götterkampf, in dem H. sich auch gegen Hera (Panyas. frg. 20 bei Klem. προτρ. II 36. Arnob. IV 25; wahrscheinlich schon Hom. Il. V 392), Ares (Hesiod. ἀσπ. 360) und Phoibos (Pind. a. a. O.; vgl. Welcker AD III 286) wehren mußte. Welches Pylos H. erobert habe, war schon im Altertum strittig; Paus. VI 22, 5 entscheidet sich für das im oberen Peneiostal zwischen Elis und Olympia. – Nahe der arkadischen Grenze, an dem Berge Sauros, wo H. den gleichnamigen Frevler getötet haben sollte, lag ein Heiligtum des H. (Paus. VI 21, 3), ἐπὶ Σαυρῷ oder Ἐπισαύριος (? s. v. Wilamowitz Isyll. 184).

Arkadia.

Auf dem Wege von Heraia nach Pisa wird eine dem H. heilige Stätte von Dio Chrys. I 52 p. 60 R. erwähnt. Bei dem Hermaion auf der Straße, die Andania mit Megalopolis verband, standen an der messenisch-arkadischen Grenze Statuen der Demeter, Despoina, des H. und Hermes (Paus. VIII 35,1). – Am Despoinatempel zu Lykosura war der Dreifußraub des H. dargestellt (Paus. VIII 37, 1). – Auf dem Mainalos scheint nach einer von Prop. IV 9, 15 benutzten Sage H. die Keule (Maenalius ramus) gebrochen zu haben. – Dreißig Stadien von Mantineia auf dem Wege nach Methydrion lag die Ebene Alkimedon mit der Höhle des gleichnamigen Heros, der seine Tochter Phialo, die Eponyme von Phigaleia, ausgesetzt haben sollte, als sie mit H. den Aichmagoras gezeugt hatte, die aber H. später mit dem Kinde bei der Quelle Kissa fand (Paus. VIII 12, 2): die Geschichte ist wahrscheinlich nach dem Muster der Augesage, aber mit Benutzung auch örtlicher Überlieferungen von einem alexandrinischen Dichter (Hiller v. Gaertringen IG V 2, 46. 118ff.) erfunden worden. – Nach Megalopolis, wo eine Phyle Herakleia hieß (IG V 2, 451) und wo ein als idaiischer Daktyle aufgefaßter H. (Paus. VIII 31, 3) verehrt wurde, wo auch im heiligen Bezirk der großen Göttinnen ein Bild des, wie es nach der nicht ganz sicheren Überlieferung bei Pausanias (ebd. 31, 7) scheint, als Helios oder Soter bezeichneten H. und am Stadion ein dem H. und Hermes gemeinsamer Altar standen (ebd. 32, 3), kann H. teils von Tegea, teils aus Boiotien (s. u. S. 932, 20) gelangt sein. – Pheneos machte Amphitryons Mutter Laonome zu einer Tochter des Pheneaten Guneus (Paus. VIII 14, 2. Apollod. II 50), zeigte Iphikles’ Grab (Paus. a. a. O.) und behauptete, daß H. nach seiner Vertreibung aus Tiryns (Diod. IV 33) und nach dem Siege der Molioniden (Paus. VIII 14, 9) bei ihnen gewohnt, das Pythion gestiftet und den von ihm geraubten Dreifuß dort geweiht (Paus. VIII 15, 5. Plut. sera num. vind. 12), auch andere Heiligtümer mit Weihgaben geschmückt (Ps.-Aristot θ. ἀκ. 58. Zallim. fig. 100f. nr. 5. Antig. Kar. 131) und Abzugskanäle gebaut habe (Paus. VIII 14, 3. 19, 4). Diese Überlieferungen sollen teils die thebanischen ersetzen oder mit den pheneatischen Ansprüchen in Einklang bringen, teils sind sie der tegeatischen Hippokoontidensage nachgeahmt: wie der Tegeatenkönig [919] dem besiegten H. gegen Sparta, so helfen Arkader (d. h. Pheneaten) ihm gegen Augeias (Apollod. II 139), welchen Pheneos, obwohl es schwerlich alte Fehden mit Elis gehabt hat, doch wegen der Sagen des benachbarten Stymphalos (u. S. 1024, 29ff.) zu seinem mythischen Feinde machte. Laonome heißt wie ihre Enkelin in der lakonisch-kyrenaiischen Sage; vielleicht ist auch sie wie in diese so in die pheneatische Überlieferung von Tegea aus übernommen; doch bleibt trotz Malten Kyr. 134f. in diesem Stammbaum vieles unverständlich. – Phialo, die Eponyme von Phigaleia, wo der von H. getötete Lepreos begraben sein sollte, obwohl zu Pausanias’ Zeit (V 5, 4) ein Grab nicht gezeigt wurde, hatte nach der Sage mit H. den Aichmagoras gezeugt (Paus. VIII 12, 3; vgl. o. S. 918, 33). Der Fries von Phigaleia zeigt den kämpfenden unbärtigen H. – Auf die Pholoe wurde der Kentaurenkampf (u. S. 1045, 45ff.) verlegt. – Die Eponyme von Psophis, das in die Sage vom erymanthischen Eber verflochten war (Apollod. II 83), schenkte nach Paus. VIII 24, 2 und 7 dem H. die beiden Söhne Echephron und Promachos. – Stymphalos, wo H. die Vögel verscheucht oder getötet haben sollte (u. S. 1041ff.), prägte im 5. Jhdt. auf seine Münzen einen H.-Kopf, in dem Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2163, 52 polykletischen Stil erkennt. – In Tegea stand eine Statue des verwundeten H. (Paus. VIII 53, 9) neben der gemeinsamen Hestia der Arkader, die wahrscheinlich aus der Zeit stammt, da tegeatische Geschlechter über einen großen Teil von Arkadien geboten und mit vorübergehendem Erfolg auch nach dem Besitz der ihnen zunächst liegenden Küsten strebten, also spätestens aus dem 6. Jhdt. Geht auch die Vermutung Preuners Hestia-Vesta 122 zu weit, daß diese Hestia eigentlich dem H. geweiht war, so ist doch nicht unwahrscheinlich, daß die unter Tegeas Führung geeinigten arkadischen Mächte schon während der Blütezeit der Stadt den H. zu ihrem Bundesheros, zu ihrem Anführer in den Kriegen gemacht hatten, in denen sich ihre Kämpfe mit ihren westlichen und südlichen Nachbarn widerspiegelten. Neben der spartanischen Fassung der Hippokoontidensage (o. S. 914) steht eine tegeatische, in der Kepheus den H. gegen den spartanischen Tyrannen verteidigt und seine Tochter Sterope dafür die Medusenlocke zum Schutze Tegeas empfängt (Apollod. II 144). Wie gegen Sparta kämpfen die Tegeaten in der Sage auch gegen die Küstenbewohner der westlichen Peloponnes unter H., denn wahrscheinlich sind Tegeaten die Arkader, die mit ihm gegen Oichalia gezogen sein sollen (Apollod. II 156), und unter diesem ist, obgleich später die Arkader auch in die trachinischen Kämpfe des H. eingeführt werden (Diod. IV 36f.), vermutlich das im Karnasion bei Andania gemeint gewesen. Vielleicht ließ ein tegeatischer Dichter die Vorfahren seiner Landsleute unter H. auch gegen Pylos kämpfen, indem er den Eponym von Ereuthalia in Argolis (Pherekyd. FHG I 74, 22), der demnach wohl schon in dem argivischen Lied vorgekommen war, zum Arkader machte (Hom. Il. VII 134). In dem Stadttempel der Athena Polias stand H. neben der (Athena) Ϝασστύοχος (IG V 2, 77), und die Athenapriesterin Auge sollte an einem Quell nördlich vom Tempel der Athena Alea mit H. den Telephos [920] gezeugt haben (Paus. VIII 47, 4). Durch das Epos ist zwar nur der in Teuthrania spielende Teil der Telephossage bezeugt, allein die gewiß alte Auge ἐν γόνασι (Paus. VIII 48, 7) im tegeatischen Eileithyiatempel legt nahe, daß H.’ Verbindung mit Auge, die allerdings nur in einer durch die attischen Tragiker ausgebildeten Form überliefert ist (o. Bd. II S. 2301), schon am Ausgang des 7. Jhdts. in Tegea feststand und daß ein teuthranisches Fürstenhaus die angesehene Sage verwendete, um seinen Stammbaum zu schmücken. Es ist dies auch deshalb wahrscheinlich, weil nach der tegeatischen Ϝασστύοχος Telephos eine Gattin Astyocha erhalten hat, die demnach wohl erst in Teuthrania von Tegea gelöst ist. Außerdem ist in Tegea ein H. Θηροκτόνος (IG V 2, 91) und ein neben Poseidon, Hermes und den Charites stehender (ebd. 95 = GDI 1217; vgl. Hiller v. Gaertringen Herm. 1915, 473, 2) bezeugt. – In Thelpusa endlich soll H. von Onkos das Roß Areion zum Kampf gegen Elis erhalten haben, Paus. VIII 25, 10.

Achaia.

In einem Gebäude in Aigion standen Erzstatuen des Poseidon, H., Zeus und der Athena, die θεοὶ ἐξ Ἄργους hießen (Paus. VII 23, 10f.); ein anderes, dem Ageladas zugeschriebenes Erzbild, das den bartlosen H. darstellte, hatte wie das Bild des jungen Zeus von Ageladas keinen eigenen Tempel, sondern verblieb im Hause des jährlich wechselnden Priesters, zu dem, wie man glaubte, ursprünglich der schönste Knabe der Stadt bestimmt wurde (Paus. X 24, 4). – In Bura gab H. Βουραϊκός in einer Höhle Orakel, indem die Fragenden mit ἀστράγαλοι würfelten (Paus. VII 25, 10). Das kleine Kultbild ist vielleicht auf Münzen der Kaiserzeit dargestellt, die den H. stehend, mit der Rechten die Keule schulternd, auf dem linken Arm das Fell, darstellen. – In Dyme wurde das Grab von H.’ Liebling Sostratos gezeigt, das der Held ihm errichtet und auf das er ihm seine abgeschnittenen Haare als Grabspende gelegt haben sollte (Paus. VII 17, 8). In der Inschrift bei Kaibel Ep. 790 heißt der Ephebe Polystratos. Aus Dyme ist eine Weihinschrift an Hermes und H. (GDI 1618) erhalten. – In Olenos sollte H. ein Mädchen von der unwillkommenen Ehe mit dem Kentauren Eurytion befreit haben. Im Gegensatz zu Escher (o. Bd. IV S. 2382) nimmt Friedländer Her. 67, 2 folgende Entwickelung der Sage an: ursprünglich will Eurytion das Mädchen, Hippolyte, bei ihrer Hochzeit mit Azan ergreifen (Diod. IV 33, ähnlich schon Bakchyl. frg. 44) oder er hat den Vater gezwungen, ihm die Tochter, hier Mnesimache genannt, zur Ehe zu geben (Apollod. II 91. Pedias. V 15, bei denen die Geschichte sich bei H.’ Rückkehr von Augeias ereignet). Erst ein Tragiker Iophon oder Kleophon hat diese Sage mit der aitolischen verbunden. Nach dieser Dichtung (vgl. Hyg. fab. 31. 33. Schol. Stat. Theb. V 263. Myth. Vat. II 162) hat H. der von ihm vergewaltigten Deianeira, Dexamenos’ Tochter, beim Scheiden die Ehe versprochen; ehe er zurückkehrt, wirbt Eurytion gewaltsam um die Verlobte, die aber H. nach Niedermetzelung der Kentauren befreit. Auffallend bei diesem Versuch, die Entwickelung der Sage festzustellen, ist, daß in allen [921] drei Fassungen das befreite Mädchen einen Amazonennamen trägt. Eine andere Sage von Olenos erzählte, daß Dexamenos’ Sohn Eurypylos mit H. gegen Troia gezogen sei und von diesem die heilige Kiste mit dem Bilde des Dionysos empfangen habe, die einst Zeus dem Dardanos geschenkt (Paus. VII 19, 6ff.). – In Patrai befand sich ein Tempel des Zeus und H. (Vitruv. II 8, 9; vgl. Plin. n. h. XXXV 172); Münzen der Stadt aus der Kaiserzeit zeigen H. ruhig stehend und die Keule. schräg mit beiden Händen vor den Körper haltend.

Isthmosstaaten.

Korinth führte seinen Landesheros Aletes, den zweiten Stadtgründer, auf H.’ und Medas Sohn Antiochos zurück (o. Bd. I S. 1369): H. galt als Stammvater der Korinther (Anton. Lib. 4), d. h. ursprünglich der Adelsgeschlechter, der Bakchiaden, die von Antiochos abstammen wollten (Paus. II 4, 4). Alexander d. Gr. gegenüber versichern die Korinther, daß sie bisher nur dem H. das Bürgerrecht gegeben haben (Sen. benef. I 13, 1). Nahe dem Tempel der Athena Χαλινῖτις am Theater stand ein dem Daidalos zugeschriebenes, also mutmaßlich archaisches ξόανον (Paus. II 4, 5) und in der Nähe der Propylaien ein ehernes Bild (Paus. II 3, 2). Ein korinthischer Kult des H. ist nicht bezeugt, aber doch wohl mit Odelberg Sacra Corinth. 157 anzunehmen, denn der Palaimon Melikertes des Isthmions scheint trotz Maass Griech. u. Semiten auf dem Isthm. von Kor. (Berl. 1903) irgendwie mit H. Παλαιμόνιος und H. Melkart zusammenzuhängen, obwohl eine künstliche Religionsvermischung wahrscheinlich unter den Kypseliden die Sonderung der verschiedenen hier zusammengeströmten und von hier aus weiter verbreiteten Vorstellungen unmöglich macht. Vielleicht hatten Argiver, als sie die Spiele in Verwaltung nahmen, H. Παλαιμόνιος an die Stelle des hier altverehrten Melikertes als Gott der Ringer eingeführt, und dieser wurde seinerseits unter den auch nach Phönizien und Ägypten schauenden Kypseliden dem ähnlich benannten Stadtgott von Tyros gleichgesetzt und wie dieser zum Seegott (zum Sohne Leukotheas) gemacht und neben Poseidon gestellt (vgl. dazu Tillyard Journ. Hell. Stud. 1913, 308). Der Typus des tyrischen Gottes scheint auf die Fahrt nach Erytheia bezogen zu sein (u. S. 933, 1), und gerade von dieser findet sich an der Westseite der Landschaft von Korinth, am Alkyonischen Meerbusen, eine Spur in der Sage von Alkyoneus. Daß dieser Riese am korinthischen Isthmos hauste, ist allerdings nur durch Schol. Pind. Nem. IV 43 bezeugt, das Mayer Gig. u. Tit. 179ff. mit beachtenswerten Gründen verdächtigt; aber Entscheidendes ist bisher nicht vorgebracht, und der Alkyonische Busen macht einen Alkyoneus an seiner Küste nicht unwahrscheinlich. Dazu kommt, daß nach Schol. Pind. Isthm. V (VI) 47 Alkyoneus die Rinder des Helios raubt; das läßt auf eine korinthische Sage schließen, in der H. die von Geryones geraubten Rinder des Helios diesem in sein Heiligtum zu Korinth zurückerstattet; vgl. Robert Herm. 1884, 479, der 483 bei Apollod. I 35 hinter Ἡλίου βόας einschiebt καὶ τὰς und so einen zweiten Zeugen für die Fortführung der Rinder des Helios durch Alkyoneus gewinnt. Ist dies richtig, [922] so gelangte die Alkyoneussage durch korinthische Kolonisten in Poteidaia nach dem Isthmos von Pallene, wohin sie gewöhnlich versetzt wird (u. S. 955, 7). Die Sage, nach der H. den schlafenden Riesen, wie es die Vasenbilder darstellen, überfällt und zwar, wie Robert vermutet, nachdem H. ihm die Rinder geraubt, ist schwerlich eine von den uransässigen Achaiern der dorischen Sage gegenübergestellte (o. Bd. I S. 1581, 62), sondern eher eine im Verlaufe der Kämpfe zwischen dem Bakchiadenadel und den Kypseliden entstandene Überlieferung; auch ohne ausdrückliches Zeugnis läßt sich vermuten, daß nur die eine der beiden Parteien sich von H. ableitete, so daß einer zu dessen Ruhm gedichteten Sage von der Gegenseite eine ihm abträgliche nachgeschickt wurde.

In Sikyon befand sich in der Paidize ein Heiligtum des H., wo nach der Legende der sikyonische König Phaistos, ein Sohn (Paus. II 6, 7) oder Enkel (Steph. Byz. 654, 18) des H., den Heroenkult zum Teil in einen Gottesdienst umgewandelt und angeordnet hatte, daß wenigstens ein Teil der Opferstücke gegessen werde (Paus. II 10, 1). Das archaische ξόανον wurde dem Phleiasier Laphaes (vgl. Paus. VII 26, 6) zugeschrieben. Auf dem Markt stand nicht fern von Hermes Agoraios ein Erzbild des Lysippos (Paus. II 9, 8); außerdem werden eine sikyonische H.-Statue des Skyllis und Dipoinos (Plin. XXXVI 10), eine Statue des Skopas im Gymnasion nahe am Markt (Paus. II 10, 1) und eine Herme in einem zweiten Gymnasion (ebd. 10, 7) erwähnt.

In Phleius befand sich in einem Gebäude neben dem Apollontempel eine Gruppe, bestehend aus H. und einem Knaben, der ihm den Becher reichte. Der Knabe wurde als der von H. getötete Oineus-Diener Kyathos gedeutet (Paus. II 13, 8); ob bloß auf Grund dieser Gruppe erzählt wurde, daß H. nach dem Hesperidenzug in Phleius wohnte und dort den Oineus bewirtete (oder von diesem bewirtet wurde), bleibt zweifelhaft. Die Münzen von Phleius zeigen in der Kaiserzeit den stehenden H.

Megaris besaß an der Ostküste zu Aigosthenai (IG VII 213, 16) ein Herakleion; in Pagai, das später H. auf seine Münzen setzt, wird (ebd. 192) eine ἱερὰ σύν[οδος] τῶν Ἡρακ[λεισ]τῶν erwähnt. In Megara selbst, das doch eine große Kolonie Herakleia mit gegründet haben soll, hat H. weder im Kult Bedeutung gehabt noch in der Sage, die zwar H.’ Freund Telamon zum Schwiegersohn ihres Alkathoos macht, aber nicht einmal bei der Besiegung des Löwen den Alkathoos, wie es nahe lag, durch H. ersetzte. In der Kaiserzeit zeigen Münzen den ruhenden H. – Vgl. über H. in Megara und seinen Kolonien Pareti St. sic. ed it. (Contr. alla sc. dell’ ant. I 235ff.).

Aigina hatte (von Troizen?) Telamon übernommen, der als Troias Eroberer und als Argonaut H.’ Freund geworden war. Als solchen kennt ihn Pindar (Nem. VII 87) in einem an den Aigineten Sogenes gerichteten Siegeslied. So findet sich denn auch auf Aigina ein Herakleion, wahrscheinlich an der Nord- oder Ostküste der Insel, da Chabrias auf der Fahrt von Athen nach Cypern dort landete (Xen. hell. V 1, 10). Über die Phyle der Hylleis s. Müller Aegin. lib. 139.

[923]
Attika.

Vgl. Dettmer De Hercule Attico, Bonn. Diss. 1869. In der Geschlechtsüberlieferung, die in Attika zwar dürftig, aber doch besser als in irgend einer andern Griechenstadt bekannt ist und auf die sonst gewöhnlich bei der Untersuchung altattischer Mythen die Hauptaufmerksamkeit zu richten ist, kommt H. nur wenig vor. Ob aus der Ἡρακλειδῶν ἐσχάρα (u. S. 929, 1) und dem ἱερεὺς τῶν Ἡρακλειδῶν (u. S. 929,16) auf ein von H. sich ableitendes attisches Geschlecht zu schließen sei und ob das der Demeter dienende Geschlecht der Poimenidai sich von H.’ und Dardanis’ Sohn Poimen herleitete (Töpffer Att. Gen. 311), ist zweifelhaft. Die Phyle Antiochis hatte H.’ Sohn von Phylas’ Tochter Meda zum Eponymos (Paus. I 5, 2); auf alte dryopische Ansiedlungen in Attika (Dettmer Herc. Att. 72. Toepffer Aus d. Anom. 44f.) läßt sich diese Stammtafel nicht zurückführen, aber daß am Ende des 6. Jhdts. 2 ein dieser Phyle zugeschriebenes Geschlecht sich durch Antiochos von H. ableitete, ist glaublich. Als eine stadtbekannte Geschichte erwähnt Platon Λυσ. 2, 205 c. d, daß der Ahnherr des Lysis, auch ein Sohn des Zeus, seinen Halbbruder H. gastlich bei sich aufgenommen habe. Die weitaus meisten attischen Sagen verknüpften H. mit Theseus, jedoch sind diese Sagen nicht aus Geschlechtsüberlieferungen hervorgegangen, sondern zum Ruhme des Tyrannen, der in Theseus verherrlicht wurde, und später des ganzen Volkes teils im Anschluß an ältere Sagen, teils aber auch ganz frei erfunden worden. Durch ihre göttlichen Väter waren die Helden Vettern (Eur. Ἡρ. μ. 1154. Isokr. XI 23), und auch ihre Mütter sollten Basen, Enkelinnen des Pelops, gewesen sein (Plut. Θησ. 7). Theseus hatte nach der Sage als siebenjähriges Kind zuerst den H. in Troizen gesehen und, während alle andern Knaben vor dem Löwenfell wegliefen, allein Mut bewiesen (Paus. I 27, 7), oder beide Helden sollten sich zuerst in Trachis getroffen haben (Herodor. FHG II 37, 34 bei Plut. Θησ. 30) und dann innig befreundete Genossen geworden sein (Aristid. XIII [παναθην.] S. 167 Dindf. ΧΧXVIII [συμμαχ.] S. 723 Dindf. Himer. or. XIV 29). Nach Plut. Θησ. 30 vermittelte Theseus die Zulassung des H. zur eleusinischen Weihe, und als Theseus durch den Freund aus der Unterwelt befreit war, weihte er nach Aelian. var. hist. IV 5 dem Retter einen Altar, nach Philoch. (Wellmann Istr. 34) bei Plut. Θησ. 35 alle ihm von den Athenern gestifteten τεμένη außer vier. (Nach Aristid. XL 11 K. nahmen die Athener die Umwandlung vor). Wenigstens die Grundlagen dieser Erzählungen hat schon das 5. Jhdt. gekannt; bei Eur. Ἡρ. μ. 1328 verspricht Theseus dem auf Selbstmord sinnenden Freund die ihm nach der Besiegung des Minotauros von den Athenern geschenkten Ehrengaben und nach dem Tode Opfer und Tempel; in den Herakleidai vergilt Theseus’ Sohn den Kindern des H. die Wohltat, die deren Vater dem ihren erwiesen. Das scheint freie Umbildung einer thebanischen Sage, s. Pind. Pyth. IX 79ff. (Schol. 137). Hat das Drama diese Beziehungen zum Teil erst geschaffen, so muß doch ein Teil erheblich älter sein. Der Behauptung, daß die Athener den H. zuerst als Gott verehrten (Diod. IV 39. Aristid. or. XXXIII 639 Ddf. Phot. [924] bibl. 400 b, 30), die namentlich von dem marathonischen H.-Kult oft wiederholt wird (u. S. 930, 63), liegt mindestens so viel zu Grunde, daß mehrere dem Gott H. geweihte Heiligtümer in Attika sehr alt waren; wenn sie auch wohl nicht in die Zeit hinaufreichen, in der die während der Blütezeit den Gottesdienst von der Heroenverehrung trennenden Unterschiede in Attika noch nicht fest ausgebildet waren, so sind sie doch wahrscheinlich im Anfang des 6. Jhdts. entstanden oder als Gotteshäuser umgeformt worden, als die im heiligen Krieg siegreichen Geschlechter den H. zum Gott erhoben hatten. Daß die Verehrung des Gottes H. in Athen auf Grund eines Orakels des (delphischen) Gottes eingeführt wurde, sagt Aristid. or. XL 10f, K.; und diese späte Nachricht erscheint glaubwürdig, weil die in historischer Zeit freilich nicht mehr gleichmäßig durchgeführte Verehrung des Gottes H. auf einen Staatsbeschluß hinweist, der vermutlich durch ein Orakel begründet war. Einzelne H.-Sagen scheinen in Attika sogar noch über das 6. Jhdt. hinauszugehen. Wie in fast allen altattischen Überlieferungen findet sich auch in denen von H. eine Schicht, die auf eine kurz befristete, aber nachhaltig wirkende Beeinflussung und wahrscheinlich auf eine Beherrschung Attikas durch Argos hinweist. So hat möglicherweise das argivische Lied von den Kämpfen für Eurystheus den Stier in Marathon besiegt werden lassen. Solchen alten Mythen gegenüber hatte Attika, als mit der Macht Athens der Vaterlandsstolz erwachte, nur die Wahl, ob der feindliche Held dem heimischen unterliegen oder dessen Freund werden sollte. Wie fast überall fiel in Athen die Entscheidung für das minder gewaltsame Verfahren. So konnten die Herakleien entstehen, deren große Zahl gegenüber der kleinen der Theseien auffallen und zu der Behauptung führen mußte, daß alte Theseien in Herakleien verwandelt seien. Wie dem auch sein mag, H. war in der geschichtlichen Zeit eine in Attika hochangesehene Gottheit; abgesehen von den später aufzuzählenden Kultstätten, die sich örtlich bestimmen lassen, seien hier vorläufig beispielsweise folgende Zeugnisse angeführt. An H. (die zwölf Götter und die Semnai) wendeten sich die Athener, als sie 362/1 eine Kolonie nach Poteidaia schickten (SIG² 104, 8); eine τράπεζα scheint ihm nach der allerdings unsicheren Ergänzung IG I 4, 18 errichtet zu werden. Es gab in Attika mehrere H.-Feste, außer denen, die im Kynosarges und in Marathon (u. S. 931, 5) gefeiert wurden, wird eine ἑορτὴ τοῦ Ἡρακλέους in der Inschrift der Mesogeioi (IG II 603) erwähnt. Opfer wurden dem H. z. B. nach einem Opferkalender unbekannten Fundortes in der Kaiserzeit am 29. Munychion dargebracht (IG III 77; vgl. v. Prott Fasti sacr. III 26f., der S. 12 die Vermutung von Boeckh, Dettmer und Brückner Athen. Mitt. 1891, 230 zurückweist, daß der neben H. genannte -θεῖος den Eurystheus bezeichnet). – Ein nicht unbeträchtliches Personal besorgte den Kult des Herosgottes; abgesehen von den zahlreichen Personen, die in der Inschrift der Mesogeioi erwähnt werden und die zum Teil wohl nur mittelbar bei dem H.-Kult beteiligt waren, und den einem bestimmten Heiligtum zuzuweisenden gottesdienstlichen Beamten werden erwähnt mehrere ἱερεῖς (z. B. Kaibel Ep. 952), [925] ἱεραποιοί (? Poll. VIII 107), ἱερομνάμονες (? Dettmer Herc. Att. 30), παράσιτοι (Kleidem. FHG I 361, 11 und Themison bei Athen. VI 26, 235a, s. u. S. 930, 67; nach Diodor bei Athen. VI 36 p. 238 d in allen Demen 12 Vollbürger, s. aber u. 927, 11). Auch Thiasoi des H. gab es (Isaios IX 30, auf den Kult im Kynosarges bezüglich, s. Mommsen Feste d. St. Ath. 165). – Von Heraklesheiligtümern, deren Stätte sich nicht bestimmen läßt, seien erwähnt das der Mesogeioi (vgl. u. S. 929, 19), das gegenüber von Salamis an der Küste gelegene (SIG² 42, 17; vgl. Diod. XI 18. Phanod. bei Plut. Θεμ. 13), sowie das, in dem die Δειταλεῖς des Aristophanes spielten (Meineke FCG II 2, 1021).

Stadtathenische Kultstätte des H.

Als ἐπιφανέστατον ἱερόν bezeichnet Schol. Aristoph. βάτρ. 501 das H.-Heiligtum in Melite. Pausanias erwähnt diese Kultstätte nicht, doch liegt weder darin noch in den Schlußworten des genannten Scholions ein Grund, ihre Bedeutung herabzusetzen. Ihre Lage steht nicht fest; früher dachte man zweifelnd an die Südseite der Pnyx, Frickenhaus Athen. Mitt. 1911, 113ff. sucht sie in dem von Dörpfeld dem Dionysos ἐν Λίμναις zugeschriebenen Heiligtum. Damit würde der H. von Melite in die Nähe des Eleusinion rücken, in dem H. in die Mysterien eingeweiht sein soll (Schol. Aristoph. βάτρ. 501). Ein Tempel ist nicht bezeugt, und Frickenhaus a. a. O. glaubt, daß H. in Melite bloß ein Heroon nach Art der von Paus. II 7, 2 beschriebenen Gräber hatte; mit diesen vergleicht er nämlich den auf einem stufenförmigen Postament von vier Säulen getragenen Bau, der bisweilen auf Reliefs und Vasenbildern des 5. und 4. Jhdts. erscheint, und zwar einmal mit der Aufschrift Ἡρακλέος ἀλξικάκο (Relief in Boston, ebd. Taf. II). So hieß in der Tat H. in Melite (s. u. Z. 64), und vielleicht bezieht sich wirklich die Abbildung auf das Heiligtum in Melite; von den andern Darstellungen dieser Art, die Frickenhaus gesammelt hat, ist dies jedoch, wie er selbst anerkennt, zum Teil unwahrscheinlich und nicht einmal sicher, daß der zugleich dargestellte Heros überall H. sein soll. Auch der Versuch, in den Funden von Limnai Reste eines derartigen Baues zu erweisen, gelangt nur zu einer Möglichkeit; bedenklich bleibt das hohe Altertum mehrerer an der Kultstätte gefundener und, wie es scheint, für sie bestimmter Gegenstände, die sie nach Frickenhaus selbst bis in das 8. Jhdt. hinaufzurücken nötigen. Auch kann aus dem Fehlen der Zeugnisse nicht mit Sicherheit geschlossen werden, daß dem Heiligtum ein Tempel fehlte. Das Kultbild sollte (A)gelades gefertigt haben (Tzetz. chil. VIII 325), und zwar nach der großen Pest (Schol. Aristoph. a. a. O.); da der berühmte Ageladas, der Lehrer des Pheidias, schwerlich bis in die Zeit des Peloponnesischen Krieges tätig war, pflegt man entweder (o. Bd. VII S. 2194) die Angabe auf einen jüngeren Ageladas zu beziehen oder eine Verwechselung des Apollon und des H. Ἀλεξίκακος (Dettmer Herc. Att. 7ff.) anzunehmen: diesen Kultnamen führte nämlich H. in Melite (Zenob. V 22 nach Apollod. περὶ θεῶν. Schol. Aristoph. βάτρ. 501; νεφ. 1371. Hesych, ἐκ Μελίτης μαστιγίας). Das Alter des [926] Heiligtums ist unbekannt, da die Statue des Ageladas z. B. bei einer Erneuerung nach der persischen Zerstörung oder auch noch später gestiftet worden sein kann. An eine phoinikische Stiftung hatte Wachsmuth Stadt Ath. II 249 gedacht, s. dagegen v. Wilamowitz Aus Kydath. 149ff., der aber nicht mit Recht behauptet, daß das Heiligtum den antiken Altertumsforschern als eine Stiftung des 5. Jhdts. gegolten habe. Nicht weit von dem H.-Heiligtum und wahrscheinlich gleich mit Beziehung auf den glücklichen Ringer, den Begründer der Kampfspiele von Olympia, wurde eine Ringschule erbaut; dadurch wurde es nahegelegt, daß die Mellepheben vor oder nach der Haarschur vor ihrer Aushebung dem H. eine Spende οἰνιστήρια (Pamphil. bei Athen. XI 88 p. 494 F. Poll. VI 22. Hesych. s. οἰνιστήρια. Eustath. Il. XII 311 p. 907, 18, wo οἰνιαστήρια überliefert ist) darbrachten und den Rest mit ihren Altersgenossen zu vertrinken pflegten. Allerdings ist nicht ausdrücklich Melite als Stätte dieser jugendlichen Gelage bezeugt. Knaben des Gymnasions waren es wahrscheinlich, von denen die Sitte ausging, diesem H. Äpfel, die durch eingesteckte Stäbchen Opfertieren ähnlich gemacht waren, darzubringen (Apollod. περὶ θεῶν bei Zenob. V 22. Hesych. s. Ἡρακλέους θυσία u. a.). H. sollte daher auch den Namen ήλειος (Suid.; app. proverb. III 93) oder Μήλων haben; aber diese Ableitung wäre auffällig; vielleicht ist Μήλων vielmehr ursprünglich Kurzform zu Μηλοφόρος gewesen, und die Knaben opferten ihm Äpfel, weil das Kultbild ihn mit dieser Frucht in der Hand oder im Füllhorn (Hartwig H. mit d. Füllhorn 56) darstellte und dadurch die Vermutung nahe legte, daß sie dem Gott besonders erwünscht sei. Daß dem Gott nur Äpfel dargebracht wurden, wird zwar behauptet, ist aber wahrscheinlich nur aus dem mißdeuteten Namen erschlossen. H.Μήλων wird nach Poll. I 30 auch περὶ Βοιωτίαν verehrt. Vielleicht ist es kein Zufall, daß ebd. auch H. Ἀπαλλαξίκακος (s. u. S. 931, 42) und, wie es nach Aristid. XXXVIII (σύμμ.) 730 Ddf. scheint, in Theben der Ἀλεξίκακος verehrt wurde: dann könnte der Kult von Melite einem thebanischen nachgebildet sein (vgl. Hartwig H. m. Füllhorn 41).

Nicht das vornehmste, aber eins der volkstümlichsten H.-Heiligtümer lag im Kynosarges in der nordöstlichen Vorstadt Diomeia, nach der auch das Fest Διόμεια (o. Bd. V S. 831) oder Διομιάς (Etym. M. 277, 24) hieß. Das Herakleion (IG I 66, 4f.; vgl. Z. 14. Herodot. V 63. VI 116. Athen. VI 26 p. 234 e. XIV 3 p. 614 d; vgl. Hegesandr. ebd. VI 76, 260 a. Schol. Aristoph. βάτρ. 651. Harpokr. ἐν Διομείοις. IG I 201. 214. 273 p. 148) oder ἱερὸν Ἡρακλέους (Suid. s. κυνόσ.) bestand aus einem Tempel (Suid. s. εἰς κυνόσ.. Liv. XXXI 24) und einem Altar (Paus. I 19, 3). Er war hier als Gott der Jugend gedacht, daher wurden dort außer Alkmene und Iolaos auch Athena und Hebe (Paus.), deren Kultpersonal nach CIA III 370. 374 Theaterplätze hatte, verehrt, und es befand sich dort ein Gymnasion (Liv. XXXI 24, 15. Steph. Byz. 393, 24. Göttling Ges. Abh. II 156ff.), das jedoch hauptsächlich für diejenigen bestimmt war, die nicht das volle Bürgerrecht besaßen (Plut. Θεμ. 1; [927] vgl. Dio Chrys. XV p. 445 R.). Überhaupt stand der ganze Bezirk in besonderer Beziehung zu diesen Minderberechtigten (Demosth. XXIII 213. Suid. s. κυνόσαργες und εἰς κυν.. Schol. Plat. Ἀξίοχ. 1 p. 364 a. Greg. Naz. contr. Iulian. I 135. XXXV p. 642 Mi.). Selbst die παράσιτοι des H., die sonst aus Vollbürgern bestanden haben sollen (o. S. 925, 2), waren hier nach dem bei Polemon (Athen. VI 26 p. 234 e) erhaltenen Psephisma νόθοι. Diese Beziehung der Nichtvollbürger zum Kynosarges wurde damit erklärt, daß H. selbst unter den Göttern ein Bastard war (Apostol. X 22), hängt aber vielleicht damit zusammen, daß Freigelassene an Stätten, die vom Hund ihren Namen haben wie die Kynadraquelle (Eustath. V 408 p. 1747, 10; vgl. auch H. Κυνάδης in Phylakai, s. u. S. 955, 19), gottesdienstliche Handlungen verrichten. Schon die alten Gelehrten kannten jedoch diesen Zusammenhang nicht mehr; nach dem Namen Kynosarges erfanden sie die Geschichte, von einem weißen Hund, der als Diomos, der Eponym von Diomeia, dem H. nach der Vergötterung ein Opfer darbringen wollte, das Fleisch nach dem Platze des späteren Herakleion verschleppte, worauf dann nach dem Geheiß des Orakels dessen Anlage erfolgt (Schol. Aristoph. βάτρ. 651. Steph. Byz. 394, 1ff. Hesych. s. Διομεῖς. Etym. M. 277, 24. Schol. Plat. Ἀξίοχ. 1 p. 364 a. Eustath. Od. II 11 p. 1430, 56. 408 p. 1747, 12. Suid. s. κυνόσ.; ἐς κυνός. – Suid. s. εἰς κυνόσ. erwähnt eine Fassung, in der ein Adler das Fleisch wegträgt. Kosmas zu Greg. Naz. bei Migne P. G. ΧΧXVIII 478 leitet den N. von κυνὸς σάρκες her; über die von Töpffer behauptete Vermischung der Buphonienlegende bei Porph. abst. II 10 s. o. Bd. V S. 831f.; über ein die Kynosargessage darstellendes sf. Vasenbild aus Vulci, s. Cecil Smith Journ. Hell. Stud. 1892/3, 115ff.). Diomos, der Eponym des Gaues, heißt vereinzelt auch Sohn (Meineke Anal. Al. 178) oder Vater (? Etym. M. 102, 45, wo aber Meineke a. a. O. für πατήρ vermutet παῖς) des H., gewöhnlich aber gilt er als Sohn des Eponymen von Diomeias Nachbargau Kollytos (Steph. Byz. 231, 13. Hesych. s. Διομεῖς): daraus ist nicht mit Mommsen Feste d. St. Ath. 160 zu folgern, daß das erste Opfer in diesem stattfand, daß also das Herakleion vom Kynosarges als die Abzweigung eines (nicht bezeugten) in Kollytos galt; eher könnte, worauf ebenfalls Mommsen (vgl. Frickenhaus Athen. Mitt. 1911, 142, 1) aufmerksam macht, aus Plut. de exil. 6 geschlossen werden, daß das Herakleion der Bastarde und Freigelassenen von dem vornehmeren in Melite hergeleitet wurde. In dieser Nachricht mag sogar etwas Wahres stecken. Es lag nahe, daß die Söhne der Vollbürger nicht zusammen mit den unebenbürtigen Altersgenossen die Ringschule besuchen wollten und daß für diese ein besonderes Gymnasion nahe dem Heiligtum und der natürlichen Versammlungsstätte der νόθοι (und Freigelassenen) angelegt wurde. Wie dem auch sei, was dem H.-Dienst im Kynosarges an Vornehmheit abging, wurde durch größere Ungezwungenheit und Lustigkeit ersetzt. Themistokles soll vornehme Jünglinge überredet haben, mit ihm dort zu ringen (Plut. Θεμ. 1); die Feste, die nach einer allerdings unsicheren Vermutung von Mommsen Feste d. St. Ath. 160 im Metageitnion gefeiert wurden, scheinen [928] sich großer Beliebtheit erfreut zu haben, namentlich die 60 γελωτοποιοί (Athen. XIV 3 p. 614 d). – Einen Altar besaß H. an der Akademie (Paus. I 30, 2). Unwahrscheinlich sind die Vermutungen von Svoronos Ath. Nationalm. I 408, daß der hier verehrte H. gleich sei dem in athenischen Übergabeurkunden des 5. Jhdts. verehrten H. ἐν Ἐλαιεῖ (s. o. Bd. V S. 2225, 23 und u. Z. 33ff.), und die daran anschließenden, daß H. hier, am Kolonos Hippios, an die Stelle des Theseus getreten, deshalb jugendlich als Idolino gebildet sei (ebd. 417), daß dieser H. ἐν Ἐλαιεῖ auf einem Relief (Arch. Ztg. 1871, 49 = Athen. Nat.-Mus. Taf. XCII) erscheine (ebd. I 567), endlich daß H. auf der ἀγέλαστος πέτρα (?) des Kolonos sitzend (ebd. I 57) dargestellt sei. Wahrscheinlich hat der Altar des H. in der Akademie überhaupt nicht an ältere Kulte angeknüpft, sondern wurde ebenso wie die des Hermes und der Musen errichtet mit Rücksicht auf ein in der Nähe zu vermutendes Gymnasion (o. Bd. I S. 1133, 27f.). – Mit einem Ringplatz (und Hippodrom? Hesych. s. ἐν Ἐχελιδῶν) war auch das τετράκωμον Ἡρακλεῖον ἐν ὧ τοὺς γυμνικοὺς ἀγῶνας ἐτιθεσαν τοῖς παναθηναίοις (Steph. Byz. 292, 1) verbunden. Nach Wilhelm Ἐφ. ἀρχ. 1902, 138f. ist dies Herakleion das in den Inschriften IG I 161, 4. 164, 4. 170, 4 und nach wahrscheinlicher Ergänzung (vgl. Wilhelm ebd. 1904, 105) in der nach Chalkis verschleppten (so Wilhelm; s. aber Farnell Cl. Rev. 1906, 28) Inschrift Ἐφ. ἀρχ. 1902, 35a, 10 genannte Herakleion ἐν Ἐλαιεῖ, das Svoronos in der Nähe der Akademie (o. Z. 5) sucht. Über die Lage dieses Heiligtums vgl. noch Rhediadis Ἐφ. ἀρχ. 1906, 241, der es nordöstlich vom Phaleron ansetzt und von dem bei Diod. XI 18 und Phanodem. bei Plut. Θεμ. 13 genannten trennt. – In Agrai hatte H. zwar keinen Kult, war aber auf doppelte Weise in die Überlieferung verflochten: einmal durch die Sage von seiner Einweihung in die kleinen Mysterien (u. S. 929, 41) und dann durch die Behauptung, daß er von einem Ölbaum am Pantheion nahe dem Ilissos einen Ableger gepflückt und in Olympia gepflanzt habe (Ps.-Aristot. θ. ἀ. 51. Schol. Theokr. IV 8 nach Wiederherstellung des Textes bei Maass DLZ 1895, 683). Wahrscheinlich hatte Peisistratos, als er nach dem Muster von Olympia sein Olympieion anlegte, in der Nähe einen Ableger von dem dortigen Baum anpflanzen lassen, die Athener aber haben, als der Ruhm ihrer Heiligtümer wuchs, das Verhältnis umgekehrt. Über ein im Ilissos gefundenes Relief, das H. und Hermes vor einem auf dem Haupt des Acheloos sitzenden Gott zeigt, s. Skias Ἐφ. ἀρχ. 1894, 137f. Taf. 7. Svoronos Journ. intern. d’arch. num. 1901, 305. – Endlich soll Sophokles (als ἑλληνοταμίας?) dem H. Μηνυτής (Hesych. s. v.; Hercules Index, Cic. div. I 54) ein Heiligtum errichtet haben, weil ihm der Gott im Schlaf den Sklaven anzeigte, der aus dem Tempel eine Schale entwendet hatte (v. Sophocl. 12, p. 129 W.). Vermutlich hat diese Stiftung und die mit ihr verbundene Sage dazu beigetragen, daß H. später oft als Gott der Traumorakel und als Gott der glücklichen Funde galt (u. S. 1015, 37). Die Lage ist unbekannt; gegen Watzingers (Athen. Mitt. 1904, 242) Vermutung, daß es das von Köhler (ebd. II 1877, 249) wegen der Inschriften IG II 1, [929] 1535. 1565 und der ἐσχάρα ebd. 1665 am Südfuß der Akropolis angenommene sei, wendet Frickenhaus (Athen. Mitt. 1911, 139, 1) ein, daß jene Inschriften verschleppt zu sein scheinen. Damit würde auch Watzingers (ebd. 237ff.) auf eine am Westabhang der Akropolis gefundene Replik gegründete Ansicht über das Kultbild fallen. Weihungen an H. sind ferner unterhalb der Propylaien (IG II 1, 1563), bei Hagia Triada (ebd. 1564) und an unbekannter Stelle (1565 b p. 351) gefunden worden.

Attische Landgemeinden.

Acharnai verehrte (zusammen?) den Apollon Agyieus und den H. (Paus. I 31, 6). – Ein ἱερεὺς τῶν Ἡρακλειδῶν ist aus Aixone inschriftlich bezeugt IG II 1, 581, 23.-–In dem vielleicht stadtathenischen (o. Bd. III S. 2367) Demos Cholargos werden gewisse Beschlüsse ἐν τῷ Ἡρακλείῳ τῷ ἐν κύκλῳ (IG ΙΙ 604) aufgestellt. – Nicht im Kult, aber doch in den Sagen des H. ist Eleusis wichtig. Sehr oft heißt der Held Myste (z. B. Plat. Ἀξίοχ. XIII p. 371 e. Lykophr. 1330. Hippokr. Ἐπ. 25 = Epistol. 311, 27 H. Kaibel Epigr. 863, 8. Aristid. XL 11 K. Malal. χρον. IV p. 86 Ddf. VIII p. 204 Ddf. u. viele a.); mit Hilfe der Mysterien besiegt nach Eurip. Ἡρ. μ. 613 H. den Kerberos; Spätere lassen ihn des Hadesabenteuers wegen in die Mysterien aufgenommen werden (Apollod. II 122. Diod. IV 24. Tzetz. chil. II 394 u. a.), und zwar als ersten Ausländer (Aristid. XXXIII Λευκτρικός 639 Ddf.) auf besonderes Betreiben des Theseus (Plut. Θησ. 30), nachdem Pylios den H. adoptiert hatte (Plut. Θησ. 33. Apollod. II 122, nach Heyne interpoliert. Socratic. epist. 30, 2), unter dem Hierophanten (? προεστηκότος τῆς τελετῆς) Musaios (Diod. IV 24) oder Eumolpos (Apollod. Pedias. XII 30. Tzetz. chil. 394), der ihn im Phorminxspiel unterwiesen haben soll (Theokr. XXIV 109; s. aber Apollod. II 63). Allerdings wird die Weihe öfters nach Agrai verlegt (Steph. Byz. 20, 17 u. a.), also auf die kleinen Mysterien bezogen, die eben des H. wegen eingerichtet sein sollen, sei es, weil dieser als Ausländer zu den eleusinischen Mysterien nicht zugelassen werden durfte und die Athener den hochverdienten Mann nicht ganz zurückweisen wollten (Schol. Aristoph. πλ. 845, 1013. Schol. Lykophr. 1328), sei es, um ihn, bevor er in die großen Mysterien aufgenommen würde, vom Kentaurenmord zu entsühnen (Diod. IV 14); aber beide Begründungen beruhen auf falschen Vorstellungen von den Mysteriengesetzen, die zweite enthält gerade einen versteckten Hinweis auf Eleusis, denn eben hier sollten die von Malea aus entkommenen Kentauren von Poseidon in einen Berg eingeschlossen sein (Apollod. II 86). Völlig aus der Luft gegriffen ist zwar die Angabe über Agrai wohl nicht; denn ebendort erzählte man wirklich von H. (s. S. 928, 43); aber H. wird ausdrücklich auch als in Eleusis eingeweiht bezeichnet (Diod. IV 24. Hist. aug. Hadr. 13); das athenische Bild eines knabenhaften eleusinischen Mysten sollte nach Dio Chrys. or. XXXI p. 615 R. den H. darstellen; und wer die älteren Stellen (z. B. Xen. hell. VI 3, 6) unbefangen liest, wird auch sie mit Furtwängler (zuletzt Griech. Vasenm. II 56) auf Eleusis beziehen und demnach die eleusinische Weihe des H. für [930] ebenso alt bezeugt halten. Dazu stimmen die Kunstdarstellungen, z. B. die Vasenbilder Stephani C. r. 1859 pl.² = Gerhard Ges. Abh. I 77. Panofka Cabin. Pourt. pl. 16 = Gerhard Ges. Abh. 71, 1. Furtwängler-Reichhold Gr. Vasenm. II T. 70, und Sarkophage (Rizzo Röm. Mitt. 1910, 89ff. Hauser ebd. 273ff.), die den H. entweder in dem Eleusis eigentümlichen Kreise (Demeter, Kore, Triptolemos usw.) oder doch mit den sonst von eleusinischen Mysten getragenen Abzeichen darstellen (anders urteilt Svoronos Journ. intern. d’arch. num. 1901, 279ff. u. ö.). Aus den Vasenbildern ergibt sich auch, daß die Sage von der Weihe des H. älter sein muß als ihre erste literarische Bezeugung (Eurip.); sie führen mindestens bis in den Anfang des 5. Jhdts. zurück (Boehm 76). Wahrscheinlich ist sie sogar noch älter, nämlich bald nachdem Eleusis von Attika unterworfen war, entstanden, als in der Nähe des H.-Tempels in Melite sich das Eleusinion erhob, in das auch die μύησις des Helden verlegt wurde (o. S. 925, 27). Außer der Nachbarschaft der beiden athenischen Heiligtümer legten übrigens auch die Hadesfahrt des Helden, die Gewinnung der Hesperidenäpfel, die wahrscheinlich an eine alte Mysterienvorstellung anknüpfte, und dann die in mehreren boiotischen und lokrischen Heiligtümern bestehende Paredrie von Demeter und H. (vgl. Furtwängler Myth. Lex. I 2185, 41f.) die Einfügung des H. in den eleusinischen Kreis nahe. Diese scheint ursprünglich mehr gewesen zu sein, als die Zeugnisse unmittelbar ergeben; wenn es ihr zuzuschreiben ist, daß H. das Füllhorn erhält (Furtwängler Myth.Lex. I 2185, 41f.), so muß eine Zeitlang der Versuch gemacht sein, den Heros zu einem Heiland von Eleusis zu erheben. Noch im 5. Jhdt. hat der eleusinischo H. weiter gewirkt, z. B. bei der Ausgestaltung der Legende von Thespiai (u. S. 934, 40), und wenn H. auf sepulkralen Darstellungen, z. B. auf Sarkophagen als geflügeltes Kind den seligen Verstorbenen vertritt (Furtwängler Bull. d. Inst. 1877, 125 und in Roschers Myth. Lex. I 2192), so mögen noch in diesen späten Werken letzte Ausläufer der eleusinischen Vorstellung erhalten sein. – In Gargettos pflegt der von Luk. θεῶν ἐκκλ. 7 genannte Tempel des H. wegen der dort hervorgehobenen Nähe des Eurystheusgrabes angesetzt zu werden, vgl. Dettmer Herc. Att. 45, s. aber u. – Eine ἱεροσύνη für H. scheint nach Demosth. LVII 46 in Halimus bestanden zu haben. – Ein Herakleion ἐν Ἴφιστιαδῶν wird im Testament Platons (Diog. Laert. III 41) erwähnt; über die Lage s. Löper Athen. Mitt. 1892, 395. – Über ein in Lamptrai gefundenes Relief s. Athen. Mitt. 1887, 118ff. Taf. III. –In Marathon, wohin die Überlieferung den kretischen Stier laufen läßt (Paus. I 27, 10. II 25. Apollod. bibl. II 95. Pedias. VII 19 u. a.), hat nach der ursprünglichen Sage H. das Untier vielleicht getötet (u. S. 1052, 2). H. hatte hier ein Heiligtum (Herodot. VI 116; τέμενος ebd. 108) nicht weit von dem Grabe des Eurystheus (? Luk. deor. conc. 7; vgl. Brückner Athen. Mitt. 1891, 230, 1); er sollte hier zuerst als Gott verehrt worden sein (Paus. I 15, 4. 32, 4). Daß es auch hier παράσιτοι (S. 925, 2) gab, ist zwar wahrscheinlich, wenn das allgemeine Zeugnis Diodors (S. 925, 4) ernst genommen werden darf, läßt sich aber daraus, daß Philochoros (FHG [931] I 410, 156 bei Athen. VI 27 p. 235 d) sie in der ,Tetrapolis‘ erwähnt, kaum (mit Mommsen Feste d. St. Ath. 1621.; vgl. Stengel o. Bd. VIII S. 439, 62) besonders folgern. Jedenfalls wurden aber in Marathon die Herakleia gefeiert (Schol. Pind. Ol. IX 134 d; vgl. Boeckh Explan. Pind. 193), auf die vielleicht auch (Dettmer Herc. Att. 47f.) Demosth. XIX 86 hinweist; darf auch Poll. VIII 107 auf die marathonischen Herakleia bezogen werden, so waren die schon von Pind. Ol. IX 89f. erwähnten Spiele, bei denen als Preise silberne Becher oder Schalen (Schol. ebd. 95) verteilt wurden, penteterisch. Mit den andern Hauptgöttern und Heroen von Marathon, Theseus, Athena und dem Ortseponymen, war H. auf dem die dortige Schlacht darstellenden Gemälde in der Stoa Poikile als Zuschauer oder Mitkämpfer (Liban. V 40 p. 235 R.) abgebildet (Paus. I 15, 3). Die Eponyme einer Quelle bei Marathon, Makaria (s. d.), galt als H.’ Tochter, die sich in dem Kriege mit Eurystheus, als das Orakel das Opfer eines Kindes des H. verlangte, selbst für das Vaterland hingegeben haben sollte. – Daß auch, in Oropos H. als Gott galt, scheint sich aus Paus. I 34, 3 zu ergeben, wo H. mit Zeus und Apollon Paion zusammen genannt, dagegen von den Heroen getrennt wird. Eine Weihinschrift ist dem H. wegen der Erwählung zum Epimeleten gesetzt worden (IG VII 436). Vgl. über H. in der Tetrapolis Pfister Reliquk. I 114. – Ein Herakleion in Plothea wird IG II 570 erwähnt. – Salamis, dessen Held Telamon den H. bei so vielen Abenteuern begleitet und ihn bewirtet haben sollte (Hesiod. frg. 140 Rz.² Pind. Isthm. VI 37ff.; vgl. Schol. Hom. Il. XXIII 821), empfing H. wahrscheinlich schon unter megarischer Herrschaft.

Boiotien.

a) Landgemeinden. In Akraiphiai wird ein Privatmann belobt, der dem Hermes, H. und den Augusti ein Rindsopfer dargebracht und einen ἀγὼν ὁπλιτικός eingerichtet habe (IG VII 2712). – Chaironeia verehrte den H. Ἀπαλλαξίκακος, IG VII 3416. – Kopreus, der König von Haliartos, sollte das Roß Ar(e)ion dem H. für den Zug gegen Kyknos gegeben haben (Schol. Hom. Il. XXIII 346; vgl. die ähnliche Sage von Thelpusa, s. o. S. 920, 21). – Ob die Gruppe des saugenden Telephos mit der Hindin, die auf dem Helikon stand (Paus. IX 31, 2), die Sage einer der umliegenden Gemeinden wiedergibt, ist zweifelhaft. – In Hyettos ist H., der in der Gestalt eines ἀγρὸς (unbehauenen? oder weißen?) λίθος verehrt wurde (Paus. IX 24, 3), wahrscheinlich an die Stelle eines älteren Heilgottes (v. Wilamowitz Her. I 34, 67) oder eher wie am Stein in Thespiai an die Stelle eines die männliche Fruchtbarkeit befördernden Gottes getreten. – Den Beinamen der Athena Itonia bei Koroneia – denn an diese weitaus berühmteste Kultstätte scheint trotz der verworrenen Ortsbezeichnung vicina Boeotiae gedacht zu sein – leitet Schol. Stat. Theb. II 721 (vgl. VII 330) von einem Ort Itone und einem König Itonos, dem Sohne des H. und der † Paphie (Pasiphae?) her. Wie nämlich das benachbarte Haliartos in seine Überlieferung den Rhadamanthys verwob, dessen Grab dort gezeigt wurde und der in Okaleia als Gatte von H.’ Mutter Alkmene gelebt haben sollte [932] (Apollod. II 70; vgl. III 6; nach Anth. Pal. III 13 führt H. im Elysion dem Rhadamanthys Alkmene als Gattin zu), so scheint Koroneia seinen H. an Minos angeschlossen zu haben, dessen Gemahlin Itone (Diod. IV 60) nach der Athena von Koroneia heißt. Dem H. weiht Koroneia ferner nach wahrscheinlicher Ergänzung einer Inschrift unter dem Namen Palaimon oder neben einem Heros dieses Namens eine Halle καὶ τὰ λοιπὰ πάντα (IG VII 2874). – In dem benachbarten Laphystion wurde H. Χάροψ verehrt, dessen Name mit dem Aufstieg aus der Unterwelt zusammengebracht wurde (Paus. IX 34, 5). – Der Tempel der Demeter bei Mykalessos sollte nachts von dem idaiischen H. geschlossen und (morgens) wieder geöffnet werden (Paus. IX 19, 4; vgl. 27, 8). Die Verbindung der Demeter mit H. findet sich auch in Megalopolis, wo sich Paus. VIII 31, 3 zum Beweise dafür, daß auch dieser H. der Idaios sei, auf Onomakritos beruft. Da ein unter Onomakritos’ Namen gehendes Gedicht Megalopolis nicht genannt haben kann, fand Pausanias in der ihm vorliegenden Überlieferung wohl nur ein Kennzeichen angegeben, das ihm auf das etwa ellenhohe Bild des H. zu passen schien und das sich wahrscheinlich auch bei dem mykalessischen Bild fand, da das unter dem Schutze von Theben gegründete Megalopolis wie viele andere boiotische Kulte so wohl auch den mykalessischen Dienst der Demeter und des H. übernommen hatte. Daß dies von Pausanias nicht angegebene Kennzeichen die Kleinheit der Statuette war (Blümner z. d. St.), ist nicht sehr wahrscheinlich; der Perieget kannte das Kultbild des H. Ἰδαῖος von Erythrai (IX 27, 8), das den Heros auf einem Floße stehend zeigte, und es ist wenigstens möglich, daß auch der Idaios von Olympia, der dorthin über das Meer von Kreta gekommen sein sollte, so dargestellt war und daß Onomakritos sich eben darauf bezog. Der Dienst von Olympia wird wohl nicht ohne Einfluß auf die von Mykalessos und Megalopolis gewesen sein, doch sind diese schwerlich ganz von dort abgeleitet, weil ihr Idaios wie der erythraiische von den übrigen Daktylen, neben denen er in Olympia stand, gelöst, dafür aber neben Demeter getreten ist. Pausanias’ Bemerkungen zu dem H. Ἰδαῖος von Olympia, Megalopolis, Mykalessos, Thespiai und Erythrai scheinen Trümmer einer dem Periegeten vorliegenden Untersuchung zu enthalten, die teils tatsächliche Feststellungen, teils – davon nicht mehr sicher zu scheiden – unkontrollierbare Vermutungen enthielt. Zu diesen scheint die Behauptung (IX 27, 8; vgl. VII 5, 5) zu gehören, daß auch die Tyrier den H. Idaios verehrten. Diese Vermutung, die ursprünglich in Verbindung mit der später freilich auf die Juden bezogenen (Tac. hist. V 2f.) Angabe steht, daß die Idaioi nach Palästina auswanderten, bestätigt zunächst, daß Pausanias unter H. Idaios eine über das Meer gekommene Gottheit verstand; denn der tyrische Gott fährt auf Münzen des 5. Jhdts. durch die Flut, allerdings auf einem Seeroß (Dussaud Rev. hist. rel. 1911², 134). Doch wird später auch in diesem Punkte Melkarts Kultbild dem griechischen Helden angeähnelt sein; vgl. das Schiff Arr. ἀν. II 24, 6 (Toutain Bull. soc. Fr. VIII¹, 154). Man setzte den tyrischen H. dem von Gadeira [933] gleich, also dem Sieger über Geryones. Diesen hat man also in dem H. auf dem Schiff gesehen. Obwohl die Schriftsteller, soweit sie nicht den Mythos in Geschichte zu verwandeln bestrebt sind, und auch die bildenden Künstler den H. im Becher des Helios zu Geryones kommen lassen, ist diese Vermutung eines hellenistischen Schriftstellers, wie sie auch begründet gewesen sein mag, nicht ganz unwahrscheinlich; ohne von ihr zu wissen, deutet Furtwängler (Roscher Myth. Lex. I 2137f.) den erythraiischen H. Ἰδαῖος auf den Besieger des Geryones. Eine Bestätigung dafür würde sich aus der allerdings sehr kühnen Vermutung Furtwänglers (Gemmen III S. 198) ergeben, der den auf etruskischen Skarabäen (bisweilen mit einem Silen) auf einem Floß fahrenden H. vergleicht und glaubt, daß der für das Floß eintretende Krug auf die Tonkrüge hinweise, in die vermutlich die Schwefelquellen von Cumae gefaßt gewesen seien; denn gerade auch hierher muß Geryones verlegt worden sein (s. u. S. 995, 38). Aber auch ganz abgesehen hiervon lag es nahe, den H., wenn Argo das erste Schiff gewesen sein sollte, sei es auf einem Floß, sei es in dem Fahrzeug oder Behälter des Helios nach Erytheia gelangen zu lassen. Der Weg, auf dem man – und zwar wahrscheinlich früh – dazu gelangte, den H. auf dem Floß dem Idaiischen gleichzusetzen, liegt zwar abseits der Entwicklung, die zu dem späteren H.-Bild geführt hat, läßt sich aber doch, wenigstens ungefähr verfolgen. Seitdem man in Olympia den H. Ἰδαῖος von dem Heros zu sondern versuchte (o. S. 916, 53), unterschied man zwei H.: einen Gott, den Idaios, und einen Menschen. Dann mußten die dem H. gleichgesetzten ausländischen Götter, der ägyptische, der göttliche Stadtkönig von Tyros und der von diesem abgeleitete Gott der phoinikischen Kolonien Spaniens, der als Besieger des Geryones galt, der Idaios sein. Diese Theokrasie, die später zu weiteren Folgerungen benutzt wurde, die aber im Kern schon Herodot. II 43ff. vorlag, hat wahrscheinlich dazu geführt, daß der H. von Mykalessos als Ἰδαῖος bezeichnet wurde, denn wahrscheinlich erzählte man auch hier wie in Erythrai (u. S. 966) von der Besiegung des Geryones. Die Demeter von Mykalessos war vermutlich die unterirdische Göttin, die Erdbeben und Brüllen in der Erdtiefe verursachen sollte: von dem Blöken einer Kuh wurde der Stadtname abgeleitet. Neben dieser Göttin der Erde stand häufig ein Gott, der selbst als Stier oder als Besitzer von Rinderherden gefaßt, unterirdisches oder unterseeisches Tosen veranlassen sollte. Später ist dieser altboiotische stiergestaltete Gott ebenso wie der roßgestaltige meist in Poseidon aufgegangen; es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß er in Mykalessos Geryones (über den Namen s. u. S. 1066, 48) hieß. Das Heiligtum liegt in geringer Entfernung Chalkis gegenüber und gehörte während der Blütezeit der chalkidischen Kolonisation wahrscheinlich zu den festländischen Besitzungen dieser Stadt; wenn nun in deren Pflanzstädten mehrfach von Geryones erzählt wurde, so kann dies sich aus dem Geryoneskult von Mykalessos erklären. Dieser aber mußte fast mit Notwendigkeit dazu führen, daß von der Bezwingung des Unholds durch H. auch hier erzählt wurde. – Gegen Orchomenos [934] sollte H. gekämpft haben, um seine Vaterstadt von lästigem Tribut zu befreien (o. Bd. VI S. 433ff.; vgl. Schol. Theokr. XVI 104f. Tzetz. chil. II 227): diese Sage stammt wohl aus der Zeit, als Theben, das den H. in seine Vorgeschichte aufgenommen hatte, die Vorherrschaft der alten Stadt am Kopaissee brach. Später hat auch diese als boiotische Bundesstadt dem H. ein Heiligtum mit einem kleinen Kultbild geweiht (Paus. IX 38, 6; Ausgrabungen de Ridders Bull. hell. 1895, 150ff.). – Der Eponym von Poloi Pyraichmu, das an einem Flusse Herakleios lag, sollte von H. an Rosse gebunden und von diesen zerrissen sein, Pferdegewieher sollte erschallen, sobald dort Pferde zur Tränke gingen. Die Geschichte ist zwar nur bei dem unzuverlässigen (Plut.) παραλλ. 7 bezeugt, hat aber an der Diomedes- und Glaukossage einen Anhalt. – Auf dem Teumessos soll der jugendliche H. einen Löwen besiegt haben (Stat. Theb. I 485ff., der dies nach Robert Oidip. II 75. 81 gut erfunden hat; Schol.; Myth. Vat. II 160); vielleicht hängt damit irgendwie die Verwechslung bei Serv. Aen. VIII 295 Nemea silva est vicina Thebis zusammen. – Große Bedeutung hatte für den boiotischen H.Kult Thespiai. Hier befand sich ein ἱερόν des H., dem eine jungfräuliche Priesterin vorstand (Paus. IX 27, 6); die Ländereien des Heiligtums wurden verpachtet (IG VII 1739 = GDI 802f.). Aus der Geschichte von der schönen Wirtin Amaltheia, bei der H. lange verweilte und aus deren Füllhorn H.’ Begleiter Iolaos die Kasse stahl, um den gemeinsamen Unterhalt zu bestreiten (Palaiph. 46. Apostol. II 53), ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit, daß es in Thespiai im 4. Jhdt. ein berühmtes Kunstwerk gab, das den H. mit dem Füllhorn darstellte. Dieser Typus begegnet zuerst in Athen in der ersten Hälfte des 5. Jhdts., wo auf den berühmtesten Mysten von Eleusis das Füllhorn des Plutos übertragen wurde; und dieser Zeit, in der zeitweilig nach dem Siege von Oinophytai Thespiai mit Athen nahe verbunden war, wird auch das vorauszusetzende Kultbild entstammen. Die Übertragung des Typus wird um so erklärlicher, wenn in Thespiai, wie Jamot Mélanges Perrot 195ff. vermutet, H. neben Demeter stand. Daß auch dieses oder ein späteres Kultwerk von Thespiai den H. auf dem Floß oder Schiff darstellte, würde an den bisher bekannten attischen Darstellungen des H. mit dem Füllhorn kein Analogon haben und darf aus der Bezeichnung Ἰδαῖος bei Pausanias deshalb nicht gefolgert werden, weil dieser hier ausdrücklich zwei andere Gründe für seine Vermutung angibt: die Verehrung des Idaios in Mykalessos, die für ihn oder seinen Gewährsmann besonders dann entscheidend sein mußte, wenn auch in Thespiai H. neben Demeter stand, und die Unwahrscheinlichkeit, daß der echte H., der Überwinder so vieler Frevler, alle 50 Töchter seines Gastfreundes Thespios (Thestios) geschwängert habe (u. S. 1090, 50). Diese Sage hängt wahrscheinlich mit dem Fruchtbarkeitszauber an dem Stein des Eros zusammen (Kaibel GGN 1901, 506ff.); Männer scheinen hier die Hilfe des H. zur Stärkung der Manneskraft angerufen zu haben. Da H. in Thespiai wahrscheinlich mit dem Füllhorn dargestellt war, dürfte aus dem dortigen Kultus sich die seltsame Bronzestatuette [935] erklären, die in dem Füllhorn des H. Phallen zeigt (Gaz. arch. 1877 Taf. XXVI). Der Gott oder Heros, der die Manneskraft wiederherstellen sollte, hieß aber in Thespiai ursprünglich nicht H., sondern Iphikles (Arch. f. Religionsw. 1912, 376), dessen Sohn Iolaos daher immer mit den Thespiaden verbunden geblieben und mit diesen infolge der engen Verbindung zwischen Thespiai und Athen während des ersten Abschnittes der Perikleischen Verwaltung und der auch später fortdauernden Zuneigung des Volkes von Thespiai zu Athen auch in das westliche Machtgebiet dieser Stadt gelangt ist. Da Iolaos sich in sizilischen Pflanzstädten von Chalkis mit Geryones zu treffen scheint, mag dieser übrigens auch in Thespiai einst verehrt worden sein. Durch die Einführung des H. in die thespische Sage war – vermutlich seit dem 6. Jhdt. – die Möglichkeit gegeben, H. an die Spitze boiotischer Geschlechter zu stellen, und davon haben noch in hellenistischer Zeit sieben thespische und zwei (Diod. IV 29) oder drei (Apollod. II 150) thebanische Geschlechter Gebrauch gemacht. Echte Erinnerung an die Einwanderung der Dörfer (v. Wilamowitz Her. I 29, 56) liegt nicht in diesen Stammtafeln. Von Thespiai aus verbreitete sich der H.-Kult in die umliegenden Dörfer, nach Thisbe bei Kreusis, wo ein ἱερόν und ein Fest Herakleia (Paus. IX 32, 2; vgl. auch die Widmung Ἑρμεῖ ἡρακλεῖ καὶ τῇ πόλει, IG VII 2235), nach Siphai, wo ein jährliches Fest erwähnt wird (Paus. IX 32, 4), und nach Leuktra (IG VII 1829). – Demnach sind die H.-Sagen und Kulte der boiotischen Landstädte zwar zum Teil sehr alt, aber doch nicht ursprünglich; entweder sind sie frei erfunden auf Grund eines bereits feststehenden Bildes von dem Helden, oder dieser ist nachträglich in alteinheimische Überlieferungen hineingetragen und hat andere Heroen oder Götter verdrängt.

b) Alle diese Sagen und Kulte flossen nun in Theben zusammen, seitdem dieses Vorort geworden war. Jedoch ist hier etwas dadurch hinzugekommen, daß H. wie in Athen Athene, die Gottheit (ἴδιος Θηβαίων ὁ θεός, Schol. Aristoph. ἱππ. 481) und zugleich der Heros der Stadt, wie in Athen Theseus, geworden ist, so daß die durch die Sage der bildenden Kunst überlieferte Zusammenstellung von Athene und H. später symbolisch ein Bündnis von Athen und Theben (vgl. z. B. das Weihgeschenk des Thrasybul, Paus. IX 11, 6; anderes bei Furtwängler in Roschers Myth. Lex. I 2184, 19, und gegen Übertreibungen Koerte Athen. Mitt. 1878, 401) andeutete und die Thebaner nach Kriegserfolgen H.-Statuen an den großen Heiligtümern, z. B. in Delphoi nach dem Sieg über die Phoker (Paus. X 13, 6; vgl. Pomtow Delph. II 28) aufstellten. Daß H. in Theben geboren sei, steht seit Hom. Il. XIX 99 in der Überlieferung ziemlich fest, wenngleich der Held oft Tirynthier genannt und seine Zeugung (Stat. silv. IV 6, 17) und Geburt (z. B. bei Diod. IV 9; vgl. v. Wilamowitz Her. I² 52, 88) bisweilen so erzählt werden, als sei er in Tiryns oder einer andern argolischen Stadt geboren. Schwerlich haben sich aber die Thebaner mit der Geburtssage, mit der sie allein durchgedrungen sind, begnügt. Sollte durch H. der Ruhm Thebens erhöht werden, so mußte dieses nicht nur der fast zufällige Ort [936] von Alkmenes Entbindung sein, der Held mußte überhaupt von Argos und Eurystheus getrennt werden, v. Wilamowitz Her. I² 50, 85 folgert aus Hesiod. Ἀσπ. 88ff. vielleicht mit Recht, daß die Dienstbarkeit bei Eurystheus auf H.’ Bruder Iphikles übertragen wurde, doch könnte der Dichter auch meinen, daß der verblendete Iphikles sich freiwillig dem Eurystheus unterordnete, H. dagegen gezwungen durch eine Gottheit. Das Bestreben, den argivischen Helden zum Thebaner zu machen, ist besonders dann begreiflich, wenn mehrere Athlen an der boiotischen Küste spielten (u. S. 1026, 40ff.), denn dann bewiesen diese die Berechtigung der Thebaner, in jenen Gebieten zu herrschen, erfüllten also denselben Zweck wie die später erfundene oder umgewandelte Sage von der Tötung des Orchomeniers Erginos, durch die H. seine Vaterstadt vom Tribut befreite (o. Bd. VI S. 433ff. Robert Oid. I 114). Zwei thebanische Sagen, die Besiegung des kithaironischen oder teumessischen (o. S. 934, 19) Löwen und die auch auf thebanischen Münzen des 5./4. Jhdts. dargestellte Würgung der von Hera gesendeten Schlangen, sehen geradezu aus wie zum Ersatz für die ähnliche nemeische und lernaiische bestimmt. Aber die Absicht, H. zum Thebaner zu machen, konnte gegenüber der argivischen Überlieferung nicht ganz durchgeführt werden; ja selbst wo es gelang, erscheint der Held in Theben als ein Fremdling. Mit dem thebanischen Königshaus der Labdakiden sind die Perseiden zwar verbunden, weil beide Geschlechter auf zwei Brüder, Belos und Agenor, zurückgeführt werden, aber diese Stammtafel ist nicht in Theben entstanden und auch für den Zweck, H. zum Thebaner zu machen, ungeeignet, da sie gerade umgekehrt seine Zugehörigkeit zu den Perseiden, also seine argolische Herkunft beglaubigt. So tritt denn auch während Labdakos’ und Laios’ Minderjährigkeit, nach Polyneikes’ Tod und nach dem Untergang der Labdakidenherrschaft kein Perseide ein; nur durch seine Gattin Megara, Kreons Tochter (Hom. Od. XI 269), und in vereinzelter Überlieferung (Apollod. II 50) durch seine Großmutter Hipponome, Kreons Schwester, ist H. in der thebanisehen Sage wenigstens mit einem Verwandten des Königshauses verbunden. Daran haben sich dann freilich später andere Sagen geknüpft, so bat H. den Kreon in der Ἀντιγόνη des Euripides, die zuletzt Robert Oidip. I 381ff. aus Hyg. fab. 72 und zwei Ruveser Vasenbildern (Mon. d. Inst. X Taf. 27 und Arch. Jahrb. 1914 Taf. XIII) wiederhergestellt hat, um Gnade für Haimon. Er erhält dann Megara zur Gemahlin; nach Diod. IV 10 vertraut Kreon dem H. wegen seines Heldenmutes im Kampf gegen Orchomenos mit der Tochter (Tzetz. chil. II 227) auch die Stadt an. Aber in einen inneren Zusammenhang mit der Königsgeschichte Thebens den H. zu setzen haben die thebanischen Sänger entweder nicht vermocht oder nicht versucht: weder steht eines der thebanischen Abenteuer des H. mit der Labdakidensage in Beziehung, noch haben die gewaltigen Ereignisse, von denen diese erzählt, irgend einen Einfluß auf das Leben des H. ausgeübt. Daß der berühmteste Held der Zeit nicht für die bedrohte und besiegte Vaterstadt eintritt, erklärt sich am einfachsten, wenn die Sage von den Zügen gegen Theben und die in [937] ihnen vorausgesetzte Reihe der thebanischen Könige bereits feststand, als H. zum Thebaner wurde. Übrigens befremdet das Fehlen des H. bis zu einem gewissen Grade auch in der argivischen Sage, namentlich wenn schon in ihr, nicht erst, wie gewöhnlich angenommen wird, in der rhodischen Sage die Verwandtschaft der Perseiden und der Labdakiden gegeben war, die doch wohl den Nachkommen des Perseus als rechtmäßigen Gebieter auch in dem von ihm eroberten Theben erweisen sollte. Aber auch wenn der argivische Dichter, der einmal die Sage von den beiden Zügen gegen Theben bearbeitet haben muß, diese Stammtafel nicht hatte, lag es für ihn sehr nahe, an dem Kampf gegen Theben wie alle andern argivischen Helden, so auch den berühmtesten, von allen, H., teilnehmen zu lassen, ja ihn, falls eine noch ältere (etwa sikyonische?) Überlieferung vorlag, frei hinzuzufügen und zum Führer des zweiten Zuges, zum Eroberer Thebens zu machen. Es erhebt sich also die Frage, ob dies nicht wirklich geschehen ist, worauf einzelne Spuren zu weisen scheinen (Gruppe Handb. I 513ff.), und ob nicht erst unter dem Einfluß der thebanischen Sage H. unter den Führern der Eroberer verschwunden ist. Der Mangel ausführlicher Mitteilungen über die Sage von der Eroberung Thebens, die sich vielleicht zum Teil daraus erklärt, daß die Sage nach der Ausscheidung ihres Haupthelden den Reiz verloren hatte, läßt diese Lösung, die freilich auch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt, wenigstens als möglich erscheinen. Jedenfalls ist der Thebaner H., obwohl schon in der Ilias bezeugt, jünger als der Argiver und auch als die Sage von den Zügen der Argiver gegen Theben. Bei der Ausbildung ihrer H.-Sage benutzten die thebanischen Dichter wahrscheinlich ältere boiotische Sagen. Alkmene war in Okaleia Rhadamanthys’ Gemahlin; von dort war sie nach Theben übernommen, wo sie in der Gestalt eines Steines verehrt wurde (o. Bd. I S. 1575). Sie scheint demnach die argivische Mutter des H. verdrängt zu haben. Auch ihr Vater Elektryon, nach dem sie Ἠλεκτρυώνη heißt (Hesiod. Ἀσπ. 16. 35. 38), kann aus boiotischer Sage entlehnt sein, wenn sein Name zu den thebanischen πύλαι Ἠλεκτρίδες und zu Alektryon, wie der Sohn des Eponymen von Eteonos, der Vater des nach späterer Überlieferung (Paus. IX 4, 3) in Plataiai begrabenen Boioters Leitos heißt (Hom. Il. XVII 601), gestellt werden darf; doch kommen ähnliche Namen auch sonst in Städten vor, in denen H.’ Stammbaum entstanden sein könnte, z. B. in Argos Elektra und in Ialysos, dessen mächtigstes Geschlecht (die Eratiden) sich von H. ableitete, der Name Alektrona, der in neuerer Zeit neben Elektryone gestellt und als alte Bezeichnung der H.-Mutter betrachtet zu werden pflegt. Amphitryons Grab wurde in Theben gezeigt (Pind. Pyth. IX 31), später auch die Stätte seines Wohnhauses (o. Bd. I S. 1969, 5); er soll den Fuchs von Teumessos gejagt haben, und nahe dieser Stadt (Paus. IX 19, 3; nach Plut. narr. am. 3 allerdings in Leuktra) sollte der chalkidische König Chalkodon begraben sein, durch dessen Überwindung H. nach der Sage von einem lästigen Tribut befreite. Die Überlieferung, daß Amphitryon in den Kämpfen um die Unabhängigkeit Thebens mit Erginos von Orchomenos seinen Tod fand (Apollod. II 69), erweckt [938] die Vermutung, daß er einst der Hauptheld dieses Zuges gewesen und erst durch seinen Sohn H. an die zweite Stelle gedrängt sei. Demnach scheint er in der Zeit, da Theben die Vorherrschaft in Boiotien errang, das Bild des Fürsten widergespiegelt zu haben, dem die Stadt diese Erfolge verdankte; eben deshalb wurde er Vater des Helden, der später dem Thebaner den Ruhm seiner Vaterstadt verkörperte. Welche religiösen oder politischen Umstände dazu führten, ihn an Stelle des Rhadamanthys zum Gemahl der Alkmene zu machen, entzieht sich unserer Kenntnis. Auch Amphitryons Vater Alkaios (zuerst Hesiod. Ἀσπ. 26) wird gewöhnlich (z. B. von v. Wilamowitz Her. I 49ff. 87.Usener Kl. Schr. IV 268ff.; s. dagegen Friedländer Her. 58, 4) auf eine boiotische Überlieferung zurückgeführt. Den Namen soll auch H. selbst in seiner Jugend getragen haben (o. Bd. I S. 1498, 30; vgl. noch Menekr. bei Schol. Lykophr. 663. Nach Pind. frg. 291 bei Prob. Verg. Ecl. VII 61. Apollod. II 73. Etym. M. s. Ἡρακλῆς 435, 15. Serv. Aen. VI 392 hieß H. ursprünglich Alkeidas, nach Ptolem. Heph. bei Phot. bibl. 147 b, 16 und Etym. M. 435, 10 Neilos, nach Kephalion FHG III 631, 8 bei Malal. VI 164, 13, wie es scheint, Polyphemos), bevor er der Hera gegen Porphyrion geholfen (Eustath. Il. VIII 324 p. 989, 44; vgl. Etym. M. a. a. O.) oder das delphische Orakel ihm die Umnennung empfohlen hatte (Aelian. var. hist. II 32. Schol. Lykophr. 663 u. a.); und so heißt es denn von einem Weihgeschenk in Theben, das den Alkaios darstellte, dieser sei H. gewesen (Dio Chrys. XXXI p. 615 R.), und Amphitryon soll dem Apollon den Dreifuß ὑπὲρ Ἀλκαίου geweiht haben (vgl. Jahn Bilderchron. 43). Endlich hießen die Heroen, denen am Abend vor den Herakleien Totenopfer dargebracht und die als die von H. getöteten Kinder dieses und der Megara gefaßt wurden, wie es scheint, Alkaidai (Menekr. bei Schol. Pind. Isthm. III 104). Es liegt näher, diesen Alkaios als einen boiotischen Heros zu fassen, der in Theben mit H. verschmolzen wurde und auch dessen Großvater den Namen gab, als anzunehmen, daß der Name von außen, etwa von Argos, her in Theben eindrang. Zwar ist ein boiotischer Alkaios nicht überliefert; aber vielleicht haben die Thebaner den Löwenkampf von Nemea durch den kithaironischen (Apollod. II 65. Tzetz. chil. II 215) zu ersetzen versucht, der von Alkathoos überliefert war; Alkathoos oder wie er in der Kurzform heißen konnte, Alkaios mußte dann dem H. gleichgesetzt werden. Iphikles ist H.’ Zwillingsbruder geworden, weil dies am leichtesten zu erklären schien, warum die Dienstbarkeit bei Eurystheus, statt von Iphikles wie in der jüngeren thebanischen Sage (o. S. 936, 4), vorher von H. und umgekehrt das thespische Abenteuer statt von H. von Iphikles erzählt worden war (o. S. 935, 4). Dieser stammt vermutlich aus Thespiai, wie sein Sohn Iolaos, der Führer der Thespiaden, der mit seinem Vater ebenso zusammengehört wie im thessalischen Stammbaum Iphiklos und Iolaos oder Protesilaos (Arch. f. Religionsw. 1912, 377). Von Iolaos ist endlich Megara nicht zu trennen; denn da H. in Boiotien ein Eindringling ist, läßt die Sage, daß er seine erste Gattin Megara dem Iolaos überließ [939] (Apollod. II 127. Diod. IV 31. Plut. am. 9 a. E.), darauf schließen, daß dieser in der älteren Sage ihr Gemahl gewesen war; und dazu stimmt, daß nahe bei Thespiai, in Onchestos ein Megareus ansässig ist. Die Heroine kann aber auch geradezu der thespischen Überlieferung entstammen, denn der Namen scheint an die μέγαρα angelehnt, die im Demeterkult des östlichen Mittelgriechenlands, z. B. in Potniai, wichtig waren; und eben in Thespiai scheint Demeter verehrt worden zu sein (o. S. 934, 46). – Diese Übersicht zeigt, daß die thebanischen Dichter, wenn es ihnen auch nicht gelungen ist, H. den Argivern ganz zu entreißen, doch auf die Ausbildung der H.-Sage einen starken Einfluß gehabt, ihm insbesondere fast die ganze Verwandtschaft gegeben haben. Dieser Bedeutung des H. in der thebanischen Sage entspricht es, daß er mit den Kulten seiner Vaterstadt eng verbunden ist. Natürlich ist auch hier vieles spät hinzuerfunden. Daß H. das Heiligtum der Galinthias gestiftet haben sollte (Anton. Lib. 29), ist wahrscheinlich, ebenso wie das damit zusammenhängende Eingreifen des (nach Eustath. Il. XIX 118. 1175, 45 darum dem H. heiligen) Wiesels in die Legende von Alkmenes Entbindung (Klem. προτρ. II 396. Aelian. var. hist. XII 5; über die Quellen vgl. Wellmann Herm. 1916, 28f.), aus der geringen Entfernung jenes Heiligtums von dem angeblichen Geburtshaus des H. zu erklären. Wenn er das alte, aus der Zeit ihrer Vermischung mit Kybele stammende Abzeichen der Artemis, den Löwen, vor dem Tempel der alten boiotischen Gerichtsgöttin Artemis Eukleia am Markt von Theben nach dem Sieg über die Orchomenier gestiftet haben sollte (Paus. IX 17, 2), so hängt dies damit zusammen, daß aus einem andern Namen der Göttin, Antipoinos, der Name eines Thebaners gebildet war, dessen beide Töchter Alkis und Androkleia sich in eben jenem Krieg für das Vaterland geopfert haben und im Heiligtum der Göttin begraben sein sollten (Paus. IX 17, 1). Der Grund für die Verknüpfung jenes Eukleiaheiligtums mit dem Zug gegen Erginos ist nicht mehr erkennbar; denkbar wäre z. B., daß nach der Niederwerfung von Orchomenos, deren mythisches Gegenbild jener Zug ist, die Thebaner ihren neuen Markt mit dem Heiligtum der Adelsgöttin für die Zusammenkünfte der boiotischen Fürsten einrichteten. Übrigens hatte der Zug gegen Erginos in der thebanischen Sage überhaupt große Bedeutung; so wurde der Kult des H. Ἱπποδέτης, der sich vielleicht ursprünglich auf die Bändigung der Diomedesrosse bezog (S. 1054, 33), an dem thebanischen Kabeirion nahe Onchestos (Paus. IX 26, 1; durch die falsche Sonderung bei Hesych. s. Ἱπποδ. ist Jessen o. Bd. VIII S. 1734 getäuscht worden) davon abgeleitet, daß H. nachts die Rosse an den Wagen der Orchomenier gebunden habe, und der H. Ῥινοκολούστης nahe dem Neistischen Tor sollte davon heißen, daß H. den Tribut fordernden Gesandten des Erginos die Nasen abschnitt (Paus. V 25, 4; Apollod. II 68 fügt die Ohren hinzu). Einen Dreifuß sollte Amphitryon dem Apollon Ismenios für die Daphnaphorie des H. gestiftet haben (Paus. IX 10, 4). Da hier Mantos Stein gezeigt wurde (ebd. 10, 3), die wahrscheinlich gleich ihrem Vater Teiresias ursprünglich am Tilphossion geweissagt haben sollte, [932] so wird dessen Überlieferung wenigstens teilweis nach Theben übernommen sein. Aus Hom. hymn. II 66ff. ergibt sich, daß die Orakelstätte am Tilphossion in der Zeit seiner Unabhängigkeit, spätestens am Ende des 7. Jhdts., eine lästige Nebenbuhlerin von Delphoi war; auf die Eifersüchteleien zwischen beiden Heiligtümern weist auch die Sage, daß Manto nach Delphoi als Gefangene fortgeführt wurde (Paus. IX 33, 2). Das Gegenstück dazu scheint die Sage gewesen zu sein, daß der echte delphische Dreifuß sich im Tilphossion befinde. Diese Sage übernahm (wie Pheneos, o. S. 918, 60) Theben mit den übrigen des Tilphossions auf sein Ismenion, machte aber den H. zum Dreifußräuber, als der er noch auf thebanischen Münzen (4./3. Jhdt.) erscheint. Später haben die Thebaner den Anspruch auf den Besitz des echten Dreifußes, der gegenüber der anerkannten Bedeutung von Delphoi keinen Sinn mehr hatte, fallen gelassen und den Dreifuß des Ismenions vielmehr für eine Weihgabe des Amphitryon für H. erklärt; schon im Anfang des 6. Jhdts. war es, wie die Inschrift auf dem Dreifuß des Echembrotos (Paus. X 7, 6) zeigt, üblich, dem H. Dreifüße zu weihen. Dies Weihgeschenk stand wohl nicht im Ismenion, sondern an der wichtigsten der mit H. in Verbindung stehenden thebanischen Kultstätten, dem alten, wahrscheinlich in der Zeit des Epameinondas mit Giebelfiguren des Praxiteles geschmückten Herakleion im Süden der Stadt vor dem Elektrischen Tor (Paus. IX 11, 4ff.), wo H. heroische Ehren empfing (Diod. IV 39); hier befand sich ein nach altem Schema gebildetes Bild des H., angeblich von Daidalos (ebd. 40, 3), und ein anderes, ,aus weißem Stein‘, der H. Πρόμαχος, von der Hand der Thebaner Xenokritos und Eubios (ebd. 11, 4); und hier spielt die List, die der Priester mit Epameinondas vor der Schlacht bei Leuktra verabredete (Polyaen. II 3, 8. Cic. de div. I 74). Hier fand wahrscheinlich der seit dem 6. Jhdt. nachweisbare, von Polemon (Schol. Pind. Ol. VII 153 b. FHG III 123, 26) behandelte Agon der Herakleia oder Iolaeia (Schol. Pind. Ol. VΙΙ 153 e; vgl. o. Bd. VΙΙI S. 440) statt. Der Doppelname wird gewöhnlich und vielleicht mit Recht so erklärt, daß die Spiele aus dem kleinen Gymnasion vor dem Elektrator am Herakleion in das geräumigere nahe dem Grabmal des Iolaos vor dem Proitidentor verlegt wurden (s. z. B. Nilsson Griech. Feste 447, 1); möglich ist aber auch, daß das Fest eigentlich dem Iolaos galt, den H. hier halb verdrängt haben könnte, wie in der Ehe mit Megara (vgl. Apollod. II 127. Diod. IV 31) und an Kultstätten, bei denen Iolaos der σύμβωμος seines Oheims war (Plut. frat. am. 21).

Lokris. Phokis. Malis.

In Opus sollte Menoitios dem H. als Heros ein jährliches Opfer von Eber, Stier und Widder eingerichtet haben (Diod. IV 39); in einer opuntischen Ephebeninschrift des 1. Jhdts. n. Chr. (IG IX 1, 285) steht H. neben Hermes. Die Lichadesinseln sollten nach Lichas heißen (Strab. IX 4, 4 p. 426), den H. hier ins Meer oder an einen Felsen geschmettert habe, weil er ihm das vergiftete Gewand überbracht hatte (Soph. Τρ. 780. Diod. IV 38. Apollod. II 158. Hyg. fab. 36. Ovid. met. IX 211. Plut. comm. not. VIII 5; vgl. Aischyl. frg. 30 N.²). Nach dem lokrischen Thronion [941] weist die Sage von H.’ Liebling Abderos (o. Bd. I S. 23, 60ff., s. u. S. 1054, 40ff.). Nahe bei den Thermopylen wurde der Μελάμπυγος λίθος und die Κερκώπων ἕδρα gezeigt (Herodot. VII 216); hier also sollte H. die Übeltäter bestraft haben, vgl. das dem Homer zugeschriebene Gedicht Κέρκωπες, Komödien des Eubulos (CAF III 181, 58ff.) und Hermippos (ebd. I 233, 35ff.); viele Kunstwerke, zum Teil aus dem Anfang des 6. Jhdts,, wie die selinuntische Metope, protokorinthische und einzelne sf. Vasenbilder (gesammelt z. B. bei Gerhard Ant. Vasenb. II p. 89, 45; vgl. Leroux Vas. gr. 51 nr. 74. Jacobsthal Abh. GGW 1912/13, 12), die bisweilen die Kerkopen als Affen zeigen. Die Sage wurde später von lydischen Hofdichtern aufgegriffen, aber sie gehört ohne Frage ursprünglich an den Malischen Meerbusen: dahin weist, daß Diotimos (Suid. s. Εὐρυβ.) die Kerkopen Οἰχαλιῆες nannte. Die warmen Quellen, nach denen die Thermopylen heißen, waren wie der neben ihnen errichtete Altar (Herodot. VII 176) dem H. heilig (Strab. IX 4, 13 p. 428); Athena (Peisandr. frg. 7) sollte sie für H. eröffnet oder dieser selbst sie mit der Keule (Anton. Lib. 4 nach Nikandr. u. Athanadas, wohl auf diese Thermen bezüglich) oder vielleicht ursprünglich mit dem Fuß herausgeschlagen haben. Der Name des über den Thermopylen sich erhebenden Phrikiongebirges wurde von einem Kentauren Phrikios hergeleitet, den H. getötet (Steph. Byz. 672, 7). Da in den Thermopylen wie in Erythrai und Mykalessos außer H. auch Demeter verehrt wurde, so war wahrscheinlich wie an den beiden letztgenannten Kultstätten auch an der phokischen H. als Sieger über Geryones gedacht, zumal da auch in den Thermopylen ein Erythrai lag (Curtius Anecd. Delph. nr. 69) und an Thermalquellen sich häufig die Geryonessage geheftet hat Die Vermutung des Plinius (n. h. IV 120), daß Gades, die Insel des Geryones, Erytheia hieß, weil ihre tyrischen Vorfahren ab Erythraeo mari gekommen seien, läßt in Verbindung mit der zu vermutenden Geryonessage im ionischen Erythrai (u. S. 966, 21) darauf schließen, daß neben der Benennung Erytheia auch Erythrai das Land des Geryones bezeichnet. Im Otagebiet hatte ein altes Gedicht, wenngleich wohl noch nicht schon das Lied von den Aufgaben des Eurystheus, den H. das Geryones-und das Hesperidenabenteuer, mit dem, wie es scheint, der κῆπος Ἡρακλήιος (Orakel bei Euseb. pr. ev. V 21, 4 = 22, 1) zusammenhängt, bestehen lassen. In der geschichtlichen Zeit war H. hier kaum weniger als in Argos oder Theben Landesheros. Die Oitaioi, deren Hauptstadt Herakleia Trachinia war (o. Bd. VIII S. 424ff.), setzten den H. seit dem 4. Jhdt. auf ihre Münzen und verehrten ihn als Κορνοπίων (Strab. XIII 1, 64 p. 613), woran die Erfindung anknüpft, daß an H.’ Scheiterhaufen sich eine Menge Heuschrecken verbrannte (Ptolem. Heph. bei Phot. bibl. 147 b, 7). Diese Sage von dem Scheiterhaufen des H. war das Wichtigste, was die Ötäer aus ihrer Landesgeschichte zu erzählen wußten. Nach ihm sollte die dortige Πυρά (Theophr. h. pl. IX 10, 2; wohl auch bei Hyg. fab. 30 herzustellen) genannt sein (Liv. XXXVI 80, 3); eine andere Stelle sollte Phrygia heißen ἀπὸ τοῦ ἐκεῖ πεφρύχθαι [942] 958 (SIG² 524, 6) und Zeus Ὀλύμπιος (Paspatis a. a. O. 410 nr. 24).

Mehrere Weihungen an H. finden sich unter den zahlreichen delischen Inschriften, z. B. SIG² 321 (Ἡρακλεῖ καὶ Ἰταλικοῖς); Compte rendu AIBL 1911, 857 (Apollon, Hermes, H.); Bull. hell. 1891, 251. 261 nr. 3. 263 nr. 4. 264 nr. 5. 265 nr. 6. 1909, 489ff. (Hermes, H.); religionsgeschichtlich wichtig ist nur die Verehrung des lyrischen H. (S. 982, 64).

Euboia hat seine H.-Überlieferungen teilweise der der gegenüberliegenden festländischen Küste nachgebildet oder ist in sie hineingezogen. Die Thermalquellen von Aidepsos galten wie die der Thermopylen als dem H. heilig (Strab. IX 4, 2 p. 425; vgl. o. Bd. I S. 940f.). Chalkis, dessen Ringschule später außer dem H. auch dem Flamininus geweiht war (Plut. Flam. 16), hatte in seinem Gebiet jenseits des Euripos zu Mykalessos, wie es scheint, ein Heiligtum des Geryones, mit dessen Kult auch die Sage von H.’ Zug nach Erytheia sich in die chalkidischen Pflanzstädte verbreitete. – Eretria hatte, und zwar wohl schon in den Tagen seiner Unabhängigkeit (v. Wilamowitz Her. I² 36. 69) ein Herakleion (Inschr. Ἐφημ. ἀρχ. 1911, 35 nr. 2), wo der δρόμος bei den H.–Spielen (Ἑρετριᾶθεν ἆθλον παρ’ Ἡρακλέος erwähnt die Vaseninschrift Πρακτ. 1890, 95; vgl. IG XII 9, 272 und 234, 20) begann (SIG² 935, 17); als Heros der Gymnastik stand H. auch in Eretria neben Hermes (Inschr. Papers Amer. School 1896, 176 nr. 17ff. 183. 1897, 198 m. 2. 14); man scheint dem H. [καλλίν]εικος geopfert zu haben, Bull. hell. 1880, 159, 8. Eine (Ruinen)stätte auf dem Gebiete der Stadt galt als das von H. zerstörte Oichalia (Hekataios bei Paus. IV 2, 3: ἐν Σκίφ μοίρᾳ τῆς Ἐρετριακῆς), sei es bloß infolge einer Mutmaßung, sei es, weil eine eretrische Überlieferung Oichalia, um dessen reiche Sagen verwerten zu können, auf das Gebiet von Eretria verlegt hatte und die Thebaner einen Sieg über die euboiische Stadt, die so lange auch auf dem Festlande geboten zu haben scheint, durch den Mythos von der Eroberung Oichalias verherrlichten. Daß die Boioter die Unabhängigkeitskämpfe mit den Euboiern gern auf H. übertrugen, zeigen die Sagen von Chalkodon (o. S. 937, 63) und Pyraichmes (o. S. 934, 11). Nach Melaneus, dem Gemahl der Eponyme vom messenischen Oichalia (Paus. IV 2, 2), heißt Eretria Μελανηίς (Strab. X 1, 10 p. 447 a. E.). – Karystos prägt den H. auf Münzen, deren Rückseite ein Rind zeigt. – Am Kenaion sollte H. dem Zeus nach der Eroberung von Oichalia geopfert haben (Soph. Τρ. 238. Bakchyl. 16. 17. Diod. IV 38. Apollod. II 157 u. a.; vgl. Smith Journ. Hell. Stud. 1898, 274f.).

Zwei Inseln Herakleia sind bezeugt, die eine bei Amorgos (o. Bd. VIII S. 429, 66), die andere im karpathischen Meer (ebd. 430, 26).

Auf Ikaria sollte H. den Ikaros begraben haben (Paus. IX 11, 5. Apollod. II 132), nach dem er die Insel umnannte.

Nach Kos haben wahrscheinlich argivische Ansiedler schon in der Blütezeit ihrer Mutterstadt die Überlieferung von deren Hauptheros gebracht. Schon die Ilias erzählt von dem Sturm, den Hera dem aus Troia heimkehrenden H. erregte (Hom. Il. XIV 249ff. XV 26). Nach der [959] späteren Sage war er bei Laketer gelandet (Plut. quaest. Gr. 58), hatte mit seinem Genossen Telamon (Pind. Nem. IV 25) die ihn an der Landung hindernden koischen Meroper besiegt, ihre Stadt zerstört (Schol. Hom. Il. I 590) und ihren König Eurypylos, Poseidons Sohn, getötet (Schol. Il. XIV 255 mit der subscr. Pherekydes. Apollod. II 137. Tzetz. chil. II 443ff.; vgl. o. Bd. VI S. 1347f.), mit dessen Tochter Chalkiope aber den Thessalos gezeugt (o. Bd. III S. 2078). Andere erzählten von einem Hirten Antagoras (o. Bd. I S. 2337), jener Chalkiope und des Chalko(do)n (o. Bd. III S. 2096) Bruder, den H. niedergerungen habe. Von den Einwohnern angegriffen, soll H. sich nach Pyxa (zum Apollonheiligtum) geflüchtet (Schol. Theokr. VII 130f. d. e), bei einer Thrakerin versteckt und mit der Tochter des Alkiopos, d. h. nach Maass Herm. 1891, 189 eben jener Thrakerin, vermählt haben (Plut. quaest. Gr. 58; vgl. o. Bd. I S. 1547f. und Nilsson Griech. Feste 451ff.) Diese Überlieferung knüpft an örtliche Kulte und an koische Sagen an, die sich zum Teil unserer Kenntnis entziehen; der Mythos von der Verkleidung (M. Mayer Apul. 396) soll die ,weibische‘ Kleidung (Plut. a. O.) erklären, die der H.-Priester (in Antimacheia?, vgl. über den Ort o. Bd. I S. 2432; Herzog S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 470) und die koischen Bräutigame trugen, die aber vielleicht in Wahrheit nur ein langer talarähnlicher Rock war. Die ,Thrakerin‘ erinnert an das Gebot von Erythrai, nach dem nur die Thrakerinnen den H.-Tempel betreten durften (Paus. VII 5, 8), und an die chiischen Thrakidai (s. u. S. 966, 38). Die beiden koischen Frauen des H., die vielleicht, aber keineswegs notwendig einander gleichzusetzen sind, sollen Stammbäume verbinden, die zwar offenbar aus verschiedenen Überlieferungen zusammengesetzt sind, sich aber nicht einfach in ihre Bestandteile auflösen lassen. Chalkiope und Chalkodon erscheinen zusammen auch in einem Geschlecht von Chalkis (o. Bd. III S. 2077), Thessalos und Eurypylos sollen koische Geschlechter (vgl. Schol. Theokr. VII 5–9f.) aus Thessalien herleiten. Man pflegt daher auf Kos vor der argivischen Ansiedlung eine thessalische und chalkidische anzusetzen und in dem Kampfe des H. mit Eurypylos, sowie in der Heirat mit dessen Tochter eine Erinnerung an den anfänglichen Gegensatz und die spätere Ausgleichung zwischen den eindringenden Doriern und vordorischen Ansiedlern zu sehen. Das kann zwar richtig sein, ist aber bei der Willkürlichkeit, mit der die griechischen Geschlechter ihre Stammtafeln aufstellten, sehr unsicher. In der Sage von der Besiegung des Räubers Termeros, der in Kos gelandet sein sollte (Schol. Eur. Ῥῆς. 509; vgl. Plut. Θῆς. 11), vertritt H. vielmehr die Griechen in ihrem Gegensatz gegen die eingeborenen Barbaren. Verehrt wurde H. in Kos, abgesehen von Antimacheia (s. o.), an verschiedenen Stellen. Mehrere Phylen opferten dem Apollon und H. in Halasarna, dem Hafen von Antimacheia (SIG² 614, 5. GDI 3705; über die Lage vgl. Herzog a. a. O.). In dem Opfergesetz bei v. Prott Leges sacr. p. 27 nr. 7. GDI 3638. SIG² 618 werden zwei oder drei Heiligtümer erwähnt; bei dem einen opferte der Priester der Phyle der Hylleis (vgl. Paton-Hicks Inscr. of Kos 341). An zwei andern Stellen der Inschrift ist der Name verstümmelt, gewöhnlich (vgl. [960] aber v. Prott) wird beidemal ἐς Κονίσαλον ergänzt und dieser Name mit dem ithyphallischen Dämon Konisalos (Phaon im Lex. Sabb., vgl. v. Wilamowitz Sappho u. Simonid. 35, 1) zusammengestellt. Eine Vereinigung von H.-Verehrern, welche ihren Heros bewirtete, scheint ein Koer Diomedon gestiftet zu haben, nach dem H. hier Διομεδόντειος hieß (Paton-Hicks 36. SIG² 734. GDI 3634). Außerdem erfahren wir, daß in Kos H. als Gemahl der Hebe galt (Korn. 31) und als Ἄλεξις (Aristod. or. XL 15 K. = I 60 Dind.) verehrt wurde; nicht sicher ist ein koisches Fest Herakleia (GDI 3705, 47), und der koische H. Ἰδαῖος beruht nur auf der von Lobeck Agl. 1173 zurückgewiesenen Änderung (für cui) oder Einfügung von Coi bei Cic. nat. deor. III 42, hat aber eine gewisse Stütze an dem gleichen Namen des H. in Erythrai, in dessen Kult ,Thrakerinnen‘ ebenso wie in Antimacheia (o. S. 959, 17) tätig gewesen zu sein scheinen. Ist diese Vermutung richtig, so stammt dieser Teil der koischen H.-Sage wahrscheinlich aus Mykalessos. Da dieses einst von Chalkis beherrscht worden zu sein scheint, erklären sich so zugleich die chalkidischen (o. S. 959, 40) Bestandteile in der Stammtafel der koischen Herakleiden (vgl. de Ridder Rev. arch. XXXVI 99ff.) doch nötigt auch diese Übereinstimmung des Kultus nicht zur Annahme chalkidischer Ansiedlungen auf der Insel, es kann eine einfache Kultübertragung stattgefunden haben, die obendrein nicht unmittelbar von Chalkis ausgegangen zu sein braucht, sondern z. B. auch von Erythrai aus erfolgt sein könnte.

Wenig wußte von H. Kreta. Doch erscheint auf einer Münze bei Eckhel Doctr. num. VII 443 die Legende Herculi Cretensi; ferner sollte der Held auf dem Zuge nach den Rindern des Geryones die Insel von Bären, Löwen, Schlangen und andern wilden Tieren gesäubert haben (Diod. IV 17; über den Typus derartiger Sagen vgl. Blinkenberg Herm. 1915, 289ff.), und vielleicht wurde der Garten der Hesperiden einmal auch auf Kreta gesucht (s. u. S. 1070, 30); der idaiische Daktyle H. sollte von dort nach Olympia gekommen sein (Paus. V 7, 6ff.), man erzählte auch von dem guten Schützen Alkon, dem Begleiter des H. (Serv. und Intp. Serv. Verg. Ecl. V 11; vgl. Anth. Pal. VI 331. Manil. V 305. Myth. Vat. I 160. II 191). – Von den einzelnen kretischen Gemeinden setzte Allaria den ausruhenden H. im 3./2. Jhdt. auf seine Münzen. Das kretische Herakleia (o. Bd. VIII S. 429, 61) ist vielleicht nicht verschieden von Herakleion (ebd. 499, 4), dem Hafen von Knossos, das überhaupt von den kretischen Städten die meisten Erinnerungen an H. bewahrt hat. Hier (Paus. V 10, 9) sollte der Stier das Land am Fluß Tethrin (ebd. I 27, 9) verwüstet haben, ehe H. das Untier bändigte. Nach Friedländer Her. 137 ist die Sage in Rhodos gedichtet worden, das so viele Beziehungen zu Kreta hatte, doch stand auch Argos zeitweilig mit Knossos und überhaupt mit Kreta in engem Verkehr (Vollgraff N. Jahrb. 1910, 312); übrigens spielte die Sage vermutlich ursprünglich nicht in Kreta, so daß die Rhodier, wenn sie wirklich bei der Bildung der Sage mitwirkten, vielleicht nur den von H. bezwungenen Stier dem des Minos gleichgesetzt haben (u. S. 1051, 51). Phaistos, das [961] schon im 5. und 4. Jhdt. verschiedene Kämpfe des H., z. B. den mit der Hydra, und auch den ausruhenden H. auf seine Münzen setzte, nannte seinen Eponym Sohn (Paus. II 6, 7; vgl. 10, 1 u. a.) oder Enkel (Steph. Byz. 654, 18) des H. Nach Ed. Meyer Alte Gesch. II 263 hat H. auf Kreta nur in Phaistos festen Fuß gefaßt. M. Mayer Apul. 379 bringt mit Phaistos H.’ Sohn Brentos in Verbindung.

Auf Lemnos gab es nahe Hephaistia im 4. Jhdt. v. Chr. ὀργειῶνες τοῦ Ἡραλ΄εους τοῦ ἐν Κόμει (IG XII 8, 19 Z. 4 und 12); das benachbarte kleine Eiland Neai, wo der Sage nach Philoktet von der Schlange gebissen war, hieß nach Steph. Byz. 470, 23 ἀπὸ τοῦ προσνήξασθαι τὸν Ἡρακλέα. Das Chryseheiligtum war nach Schol. Soph, Φιλ. 194 durch H. gestiftet.

In Lesbos sollte H. einen Löwen getötet haben (Schol. Theokr. XIII 6); in Mytilene werden ein Fest Herakleia (IG XII 2, 480), ein Acker Ἡρακλέους μερ . . . . genannt (IG XII 2, 76 k).

Auf Melos Weihinschriften Ἑρμᾷ καὶ Ἡρακλεῖ (GDI 4876; vgl. 4877. IG XII 3, 1090. 1091).

In Paros sollte H. mit Freiwilligen gelandet sein und, als Minos’ Söhne zwei seiner Gefährten getötet hatten, die Angreifer belagert und gezwungen haben, Androgeos’ Söhne Alkaios und Sthenelos als Ersatz zu stellen (Apollod. II 99ff.). Einen Altar für Apollon und Zeus baut er nach Pind. frg. 140 Schr.². Es gab auf der Insel einen ἱερεὺς τοῦ Διὸς Βασιλέως καὶ Ἡρακλέους Καλλινίκου (IG XII 5, 234); mit Hermes erhält H. eine Weihung, IG XII 5, 232, 4. 290, 10. Nach Friedländer Her. 159 bekam die Insel den H. von ihrer Kolonie Thasos.

Auf Rhodos hatten sich, wahrscheinlich ehe die Argiver das von ihnen besetzte Lindos zur mächtigsten Stadt der Insel erhoben, andere Griechen an der Westküste in Kamiros und Ialysos festgesetzt. Diesen mußte ursprünglich H. fehlen, aber natürlich drang er von Lindos her auch in ihre Stammtafeln und Kulte ein. Kamiros hat eine Zeitlang seinen Gründer Althaimenes, der als Kreter gegolten hatte, zum Herakleiden gemacht; doch setzte sich die Neuerung nicht durch, und später wurden zwei Althaimenes unterschieden (s. o. Bd. I S. 1696). Ialysos’ Mythen und Kulte stimmen so mit den ältesten von Sikyon überein, daß eine Ansiedlung aus dieser Stadt und dem mit ihr meist verbundenen Achaia mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Nach dem Muster der Kultstätte von Ephyra bei Sikyon (o. Bd. VI S. 20, 19), das so vielen griechischen Heiligtümern als Vorbild gedient hat, besaß Ialysos eine Stätte, wo der Sonnengott verehrt wurde. Auch sie war sehr angesehen und büßte selbst während der Vorherrschaft von Lindos ihren Ruhm nicht ein; ja als in ihrer Nähe Rhodos, die neue Hauptstadt der Insel, gegründet wurde, hat sie deren Kulte und Sagen maßgebend bestimmt. Denn die Helioskultstätte hatte aus der Überlieferung ihres Mutterheiligtums einen so reichen Sagenschatz übernommen, daß daraus nicht allein die Vorgeschichte von Ialysos geschöpft, sondern auch die anderer rhodischer Städte vervollständigt und verändert werden konnte. Es fanden früh Ausgleichungen statt, von denen einige für die H.-Sage wichtig wurden: die [962] Eratiden von Ialysos setzten ihrer Stammtafel den Ahnherrn der lindischen Herakleiden Tlepolemos vor (Pind. Ol. VII 20; vgl. Boeckh Expl. Pind. 165. v. Gelder Gesch. d. a. Rhodos 352, 13ff.), den Sohn des H. und der Astyoche(ia), die ursprünglich wahrscheinlich als Priesterin der stadthütenden Athena von Lindos gedacht war, aber von den Lindiern an den ialysischen Stammbaum angeschlossen wurde, indem sie Phyleus oder Phylas als Vater erhielt (Hom. Il. II 657). Zwar ist für Ialysos Phyleus oder Phylas nicht überliefert, und als Vater der Astyoche gilt später der König des thesprotischen Ephyra (Apollod. II 149 u. a.); da aber unabhängig davon auch der Sohn des Heliaden Augeias Phyleus heißt, der aus den Sagen des elischen Ephyra stammt, so muß schon im gemeinsamen Mutterheiligtum von Phyleus erzählt worden sein, und deshalb konnten die ialysischen Geschlechter, die ihren Stammbaum nach den Überlieferungen der sikyonischen Helioskultstätte gebildet hatten, ihn ebenso wie Phorbas, der an dem thesprotischen Heliaden (Steph. Byz. 225, 11; vgl. Anon. bei Westermann Myth. Gr. 347, 18f.) einen Namensvetter hat, unter ihren Ahnen aufführen. Später wurde das vergessene sikyonische Ephyra durch das thesprotische ersetzt. Vielleicht hat H. ferner die wahrscheinlich gleichfalls aus den Überlieferungen einer Helioskultstätte stammende ialysische Alektrona (s. über sie v. Wilamowitz Herm. 1899, 459, der sie für eine barbarische Göttin hält) zur Mutter und danach seinen mütterlichen Großvater Elektryon empfangen (s. jedoch o. S. 937, 42). – Trotz dieser Ausgleichungen blieb aber natürlich das argivische Lindos, das im 6. Jhdt. auch als Ausgangspunkt zahlreicher Pflanzstädte bedeutungsvoll war, die für H.-Kulte und Sagen wichtigste rhodische Stadt. Hauptstätte des Kultus war hier einer der Häfen, Thermydrai (-dros, -dron; über die Lage vgl. Hiller v. Gaertringen Athen. Mitt. 1892, 317). Hier spielte die Sage, welche das eigentümliche H.-Fest von Lindos (Herakleia?, vgl. SIG² 679, 6 mit Anmerkung von Dittenberger und im allgemeinen Nilsson Gr. Feste 450f.) und das unter Verfluchungen vollzogene (Zenob. IV 95. Diogen. VI 15. VII 96. Apostol. X 71. XV 19. Greg. Κύπρ. III 57. Kosm. ad carm. S. Greg. 64, 278 = Migne PG XXXVIII 511 u. a.) Stieropfer erklären sollte, wegen dessen das Fest von Hiller v. Gaertringen (o. Bd. III S. 1017ff.) den am Nord- und Nordostabhang der Akropolis meist von ganzen Familienverbänden begangenen βοκόπια Θευδαίσια (vgl. IG XII 1, 791ff. p. 124) gleichgesetzt wird, während Gelder Gesch. d. a. Rhodos 328 und Nilsson Griech. Feste 279f. diese des zweiten Namens wegen vielmehr für ein Dionysosfest halten. Begründet wurde das H.-Fest mit der Legende von dem Ackermann, dessen Stier (oder Stiere) H. vom Pfluge ausgespannt und verzehrt habe, wie es wahrscheinlich nach Apoll. Rhod. Ῥόδου κτίσις (Knaack Herm. 1888, 139ff.), Kon. f. 11 (vgl. Hoefer Kon. 52), Apollod. II 118, Tzetz. chil. II 388, Lact. I 21, Diogen. ep. 36 (p. 250 23 H.), Ammian. Marc. XXII 12, 4 (Crusius Philol. Suppl. VI 1891–1893, 287) erzählen. Diese Legende, die den Kultnamen Βουθοίνας (Βουζύγης? u. S. 1001, 49) erklären soll, berührt sich nahe mit der vom Dryoperkönig [963] Theiomenes oder Theiodamas (o. S. 943, 9ff.); doch ist die Übereinstimmung schwerlich mit Knaack aus einem alten Volkszusammenhang, sondern eher aus einer literarischen Übertragung zu erklären, die vielleicht mit anderen malischen und thessalischen Bestandteilen westkleinasiatischer Sagen in die Mitte des 6. Jhdts. zu rücken ist, aber auch viel jünger sein kann. Das Stieropfer pflegt mit dem der athenischen Buphonien verglichen zu werden. Genau ist die Übereinstimmung nicht, denn in Athen wurde ursprünglich wahrscheinlich der opfernde Butade verurteilt, während in Lindos der Priester den mythischen ersten Opferer, H., verfluchte (Usener Kl. Schr. IV 139f., der Parallelen anführt); und die vorhandenen Ähnlichkeiten vermindern sich, wenn der Name Bokopia für das Fest in Lindos und der Name Βουζύγης für den dortigen H. wegfallen. Hängen trotzdem beide Riten zusammen, so gehört auch der rhodische unter diejenigen, bei denen ein Mitglied des Fürstenhauses bei eintretender Dürre verflucht wird. In der Tat wird Kleobulos, der sich auf H. zurückführte (Diog. Laert. I 89), also mutmaßlich zu dem das Opfer darbringenden Geschlecht gehörte, als Tyrann von Lindos bezeichnet. Dieser Bedeutung des H. entspricht es, daß H. in Lindos später einen prächtigen, mit Gemälden des Parrasios geschmückten Tempel hatte (Athen. XII 62 p. 543f. Plin. n. h. XXXV 71) und daß die Sagen, in denen sich damals die siegreichen Kämpfe lindischer Fürsten mit den in ihren Pflanzstädten vorgefundenen Bewohnern spiegeln, die Sagen von Antaios, Buseiris, Emathion, Geryones und der wahrscheinlich der Andromeda nachgebildeten (Friedländer Her. 19. Vürtheim De Aiacis orig. cultu patria 50f.), oder ihr als Vorbild dienenden Hesione, den H. verherrlichen; nach der lindischen Tempelchronik (B 25ff.; Blinkenberg Overs. Vidensk. Selsk. Forh. 1912, 361f.) sollte er zwei geflochtene Schilde (γέρρα) gestiftet haben, den einen nach der Besiegung des Meroperkönigs Eurypylos, den andern aus der troischen Beute nach der Bestrafung des Laomedon. Als gegen Ende des 5. Jhdts. im Norden der Insel, nicht fern dem alten Ialysos, die neue Hauptstadt der Insel, Rhodos, gegründet wurde, trat H. etwas zurück, doch hat Alkon wahrscheinlich für ein Heiligtum eine Statue aus Eisen laborum dei patientia inductus (Plin. n. h. XXXIV 141) geschaffen, und inschriftlich werden Vereine der Herakleotai (GDI 3839, 1; vgl. auch 4280 und besonders Hiller v. Gaertringen Athen. Mitt. 1893, 386) und der Herakleïstai (GDI 3843; vgl. o. Bd. VIII S. 503) erwähnt.

Samos prägte im 4. Jhdt. den schlangenwürgenden H. auf seine Münzen; von einer Gruppe des Myron, die den Zeus, H. und Athena darstellte, standen die beiden letzten Gestalten später im Hofe des Heraion (Strab. XIV 1, 14 p. 637).

Auf Samothrake erwähnt ein Herakleia Etym. M. s. Μαγνῆτις 573, 18 (vgl. Reitzenstein Gesch. d. griech. Etymol. 63).

Auf Seriphos nennt eine Weihinschrift Augustus neben H. (IG XII 5, 512).

Auf Syme werden Herakleia gefeiert (IG XII 3, 1269, 13. 1270 B 5), ebenso auf Syros, wo eine πομπή dieses Festes erwähnt wird (IG XII 5, 653, 49).

[964] In Tenos, wo H. als Ephebengott mit Hermes verehrt wurde (IG XII 5, 911), gab es eine Phyle der Herakleidai (ebd. 876 u. ö.); H. sollte hier die Boreaden getötet haben (Apollod. III 199; vgl. Hyg. fab. 14 p. 43 B.), weil sie verhindert hatten, daß die Argonauten umkehrten, um den in Mysien Zurückgebliebenen abzuholen (Apoll. Rhod. I 1300ff.), oder aus Zorn über den von Boreas bei Kos erregten Sturm (Nikandr. p. 29 frg. 15 Schn. = Schol Apoll. Rhod. I 1300. 1304), oder wegen eines tückischen Anschlags auf den von ihnen bewirteten Helden (Aenesid. ebd. 1800), oder weil sie diesen im Lauf überholt hatten (Semos ebd. 1304), oder wegen eines Streites um die von Iason ausgesetzten Geschenke (Stesimbrot. ebd.). Nach Friedländer Her. 159f. gab es auf Tenos einen alten Grab- oder eigentlich Erdkultus der Winde (vgl. die Beschreibung des Grabes bei Apoll. Rhod. I 1304ff.), an den sich die Sage von Dikaia (s. o. S. 956, 30) angelehnt habe.

Sehr bedeutend war der H.-Kult bei den Thasiern, die Dionysos und ihn, als φύλαγοι der Stadt, GDI IV 858 nr. 28, auf ihre Münzen setzten, beide Götter auf dem von Picard (Compte rendu AIBL 1912, 200; vgl. Mon. mém. Piot XX 1913, 55ff.) ausgegrabenen Tor darstellten und eine von Onatas gefertigte H.-Statue, ca. 470 in Olympia weihten (Paus. V 25, 12). Wir hören von einem Tempel (Herodot. II 44, ἱερόν IG XII 8, 264, 14, Ἡρακλεῖον Hippokr. ἐπιδ I 108 = III p. 418 K ) und einem κῆπος (IG XII 8, 265, 2; vgl. auch p. 687 add. ad 627) des H. Ein lebenslänglicher Priester verwaltete das Heiligtum (ebd. nr. 351, 3; vgl. Paus. VI 11, 2). Auf thasischen Münzen erscheint H. schon im 5. Jhdt.; im 2./1. Jhdt. führt er öfters den Namen Σωτήρ (Head HN² 266, über thrakische Nachbildungen ebd. 286). Als thasischer Beiname ist, abgesehen von dem H. Εὐτυχής eines Euploiagelübdes (IG XII 8, 581, 2), der wohl nicht als Kultname zu betrachten ist, noch überliefert Πατρῶος (ἱερόν bei Polyaen. I 45, 4). Der thrakische H. ist nach Herodot. II 44 (Paus. V 25, 12) nicht der griechische Heros gewesen, sondern der tyrische Gott; man erkennt nicht, ob dies thasische Lehre oder nur eine Vermutung des Herodot oder seiner Quelle war, geschöpft aus dem vermeintlich phoinikischen Stil des thasischen Bauwerks oder aus dem mit Recht (Furtwängler Myth. Lex. I 2142, 43) oder auch mit Unrecht auf Thasos bezogenen H. Θάσιος in Tyros. H. sollte auf der Rückfahrt von Troia die Insel erobert (Apollod. II 105) und an seine parischen Begleiter (Sthene)los und Alkaios, die Söhne des Androgeos, gegeben haben (Alb. Taf. 284 p. 71 in Jahns Bilderchron.). Die Entstehung dieser Sagen ist nicht aufgeklärt, wahrscheinlich ist H. nicht von Paros mitgebracht (o. S. 961, 33), sondern erst in Thasos, wohin er ebenso wie nach der thrakischen Küste möglicherweise im 7. Jhdt. unmittelbar von Argos her gelangt war, von den parischen Kolonisten aufgenommen worden.

In einer Weihinschrift von Thera empfängt H. eine δεκάτα (IG XII 3, 431); oft wird er als Gott der Ringschule neben Hermes genannt (IG XII 3, 331, 21. 339f. 390f. 393. 395. 3 Suppl. 1314).

[965]
Karien.

Alinda bevorzugt auf seinen Münzen, die mit dem 2. Jhdt. v. Chr. beginnen, H.-Typen; von einzelnen Abenteuern wird in der Kaiserzeit die Gewinnung der Hindin dargestellt. – Aphrodisias, ἱερεύς Rev. ét. gr.XIX 242 nr. 141, 11.– Bargasa macht seinen Eponym zu einem Sohn der Barge und des H.; Lamos, H.’ und Omphales Sohn, sollte ihn verfolgt haben (Apoll. Aphr. FHG IV 311, 2 = Steph. Byz. 158, 16). – In Bargylia hatte H. einen Altar (SIG² 216, 41); vielleicht aus dem Gymnasion stammt eine ihm und dem Hermes gesetzte Inschrift (Le Bas Asie min. 488). – Halikarnassos hatte einen Monat Herakleios (o. Bd. VIII S. 501, 33). – Über Herakleia Salbake s. o. Bd. VIII S. 432, 55, über Herakleia (Bolbai) s. o. Bd. III S. 668, 50f., über ein Herakleion der Insel Samos gegenüber o. Bd. VIII S. 499, 51. – Iasos stellt im 4. Jhdt., wie die meisten der mit ihm durch Münzvertrag verbundenen Städte, die Schlangenwürgung des H. auf seinen Münzen dar und feiert Heraklea (GDI 3660, 9). – Die Akropolis von Kaunos hieß Herakleion (o. Bd. VIII S. 499, 56). – Knidos’ Bundesmünzen zeigen, wie die von Iasos, die Schlangenwürgung. – Stratonikeia hatte einen Monat Herakleios (o. Bd. VIII S. 511). – Über Kyrnos s. u. S. 1094, 19. – Dem räuberischen Termeros, dem Eponymen von Termerion, zwischen Halikarnassos und Myndos, sollte H. den Schädel zerschmettert haben (Plut. Θησ. 11. Schol. Eurip. Ῥῆσ. 509). – Weihung an H. und Hermes im heutigen Moughla, Bull. hell. 1886 p. 491 nr. 4. 5.

Ionien.

Die religiöse Vereinigung der 13 Städte setzte auf ihre Festmünzen in der Kaiserzeit u. a. H. und Iolaos sich die Hand gebend; der Typus wurde vielleicht nicht allein, aber wahrscheinlich doch auch wegen der zahlreichen ionischen H.-Kulte und Sagen gewählt, die wenigstens zum Teil den lydischen gleichartig und wahrscheinlich wie diese im 6. Jhdt. entstanden sind. – Der H.-Kult von Chios, dessen Priester auf einer Inschrift des 4. Jhdts. (SIG² 599) erwähnt wird, ist nach Friedländer Her. 158 aus Erythrai übernommen. – Das Artemisheiligtum von Ephesos sollte H. erweitert (Tac. ann. III 61) und den Amazonen überlassen haben (Herakl. Pont. FHG II 222, 34); die von H. besiegten Kerkopen wohnten nach lydischer Sage in Ephesos (Apollod. II 132. Diogen. I 3 L.). Als Mitglied des Münzbundes vom Anfang des 4. Jhdts. hat auch Ephesos damals auf seine Münzen den jungen, die Schlange würgenden H. gesetzt; über eine ephesische Statue des H. s. Athen. Mitt. 1891, 251. Als Beinamen des H. sind für Ephesos bezeugt Ἀποτρόπαιος (am Theater, Philostr. v. Ap. IV 10. VIII 7 p. 314, 32 K., wo Apollonios ein schädliches Gespenst steinigen ließ) und Ἐπινείκιος auf Münzen der Kaiserzeit. Die Altarinschrift bei (Herakl.) ἐπ. 4 (Hercher Epist. 281f.) ist nach Weinreich De dis ignot. 18f. zu lesen Ἡρακλεῖτῳ Ἐφεσίῳ) (nicht Ἡρακλεῖ τῷ Ἐφεσίῳ. – In Erythrai galt H. als der Heros der Stadt, die schon im Anfang des 4. Jhdts. den bisweilen bärtigen Kopf des H. auf Münzen prägte und deren eponymer Beamter ἱεροποιὸς Ἡρακλεώτης (SIG² [966] 600 Z. 120) hieß. Die Lage des Haupttempels, des Herakleions (o. Bd. VIII S. 499, 43ff.), dessen Altertümlichkeit Paus. VII 5, 5 hervorhebt, ist bisher noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen (o. Bd. VI S. 577, 57. 580, 10). Späte Münzen zeigen den nackten, mit der Rechten die Keule schwingenden, mit der Linken die Lanze haltenden, steif dastehenden Gott; Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2138, der auf diesen Münzen das von Pausanias beschriebene Kunstwerk erblickt, glaubt, daß Pausanias lediglich aus der steifen Beinstellung auf ägyptischen Ursprung geschlossen habe. Ist dies richtig, so hat der Münzschneider gerade das merkwürdigste Attribut des erythraiischen H., die σχεδία ξύλων fortgelassen, auf welcher das Gottesbild stand und das von Pausanias auf doppelte (aber von ihm nicht unterschiedene) Weise erklärt wird. Nach der einen Deutung war der Gott selbst von Tyros auf dem Schiff oder Floß ausgezogen, etwa nach Gades zur Gewinnung der Rinder des Geryones, nach der andern war das Kultbild herangeschwommen, aber, wie das Kybelebild auf dem Tiber, nicht fortzubewegen gewesen, bis Thrakerinnen aus ihren abgeschorenen Haaren ein Seil verfertigten. Spätere Münzen von Erythrai zeigen H. und Demeter die Gesichter einander zukehrend; diese Kultvereinigung findet sich in Mykalessos wieder, dessen H. Paus. IX 27, 8 als Idaios (o. S. 932, 18ff.) neben den erythraiischen stellt, und ist nach Kleinasien vielleicht durch Chalkidier verpflanzt worden, die einst über das ihrer Stadt gegenüberliegende Mykalessos geboten und, wie das erythraiische Städtchen Chalkis und die Chiliastys der Chalkideis (s. o. Bd. III S. 2090) wahrscheinlich machen, auch in Erythrai sich angesiedelt haben. Hieraus würden sich auch die rätselhaften Thrakerinnen des Kultus von Erythrai (vgl. die chiischen Θραικίδαι, Bull, hell. 1879, 323) und die Thrakerin in der Sage von Kos (o. S. 959, 17) erklären, denn die Abanten, von denen sich ein Geschlecht oder Geschlechter von Chalkis herleiteten, werden von Aristoteles – gewiß nicht aus ethnographischen Erwägungen, sondern auf Grund irgendwelcher Geschlechtsüberlieferungen – für Thraker erklärt; und es steht nichts der Annahme im Wege, daß ein derartiges Geschlecht das weibliche Kultpersonal in dem wahrscheinlich von Chalkis aus verwalteten Heiligtum von Mykalessos und dann auch in dessen Abzweigungen stiftete. Sehr alt könnte diese Kultübertragung, die in diesem Fall wahrscheinlich die Folge der Kolonisation war, nicht gewesen sein, da H. Ἰδαῖος nach Mykalessos erst von Argos aus gelangte. – Übrigens sind wir nicht berechtigt, alle Nachrichten über den H. von Erythrai auf dasselbe Heiligtum zu beziehen; außer als Ἰδαῖος wurde der Heros hier auch als Ἐπινίκιος (Münzen der Kaiserzeit),Καλλίνικος (Inschr. herausg. von v. Wilamowitz Abh. Akad. Berl. 1909, 48 Z. 4; vgl. 51 Z. 66), Ἰποκτόνος (Strab. XIII 1, 6 p. 613) verehrt; und außer mit Demeter wird er auch mit Helios, Ge und andern Gottheiten (Inschr. Österr. Jahresh. 1910 Beibl. S. 35) oder auch – worin v. Wilamowitz a. a. O. 55 eine umgedeutete barbarische Trias vermutet – mit Arete und Aphrodite Strateia gepaart. – Herakleia am Latmos prägte, als es nach der Schlacht bei Magnesia a. S. zu einiger Macht gekommen war [967] (o. Bd. VIII S. 431, 55), die Keule des H. in Eichen- oder Lorbeerkranz auf die Rückseite von Münzen, deren Vorderseite den Athenakopf trägt; andere Münzen zeigen den nackten stehenden H. – In einer Inschrift von Klaros werden οἱ ἀπὸ Ἄρθυος Ἡρακλεῖδαι erwähnt, Österr. Jahresh. 1912 S. 47 nr. 6. – Die späteren Milesier behaupteten, daß der Altar in Didyma, also doch wohl der große Apollonaltar, zuerst von H. angelegt sei (Paus V 13, 11; vgl. Wiegand Abh. Akad. Berl. 1911, 42f.). H. Σωτήρ Abh. Akad. Berl. 1908 Anh. I 27. Über eine zu erschließende milesische Hesperidensage s. u. S. 1068, 61. – In Priene finden wir H. mit den ägyptischen Gottheiten zusammen genannt (Inschr. von Priene 194); auf dem Gebiet der Stadt lag, etwa im Norden des Mykalekammes, ein Herakleion (ebd. 42, 64 mit Anm.). – In Smyrna erscheint auf Münzen H. Πρόφυλαξ, Ὁπλόφυλαξ. – In Teos werden gewisse Strafgelder an Hermes, H. und die Musen gezahlt (SIG² 523, 57), die demnach an einem gemeinsamen Heiligtum von den Epheben verehrt worden zu sein scheinen, außerdem werden ein Altar des H. (SIG² 216, 41) und schon im 5. Jhdt. ein H.-Fest (IGA 497, 33) erwähnt; vom Berg Pagos stammt eine Weihinschrift an H. Καλλίνικος, Μουσ. καὶ βιβλ. 1885/6 p. 93 nr. 267. – In Tralles stand H. neben Hermes (Pappakonstantinos Τράλλ. nr. 77); die Stadt feierte ein Fest Herakleia (CIG 2936. Athen. Mitt. VIII 1883, 330f. nr. 11).

Mysien (mit Aiolis, Teuthrania). Troas.

Da Himer. or. XXVIII 2 die Myser als ἐξ Ἡρακλέους φῦντες bezeichnet, müssen sich vornehme mysische Geschlechter von dem Heros abgeleitet haben. Außer Pionis, dem Eponymen von Pionia in Troas (Paus. IX 18, 4), ist in Mysien nur ein Heraklide überliefert, Telephos, der Sohn, den Auge dem H. geboren, der König von Teuthrania. Diese Stammtafel, die später dazu führte, daß den Tegeaten in Pergamon Ehrenrechte eingeräumt wurden (Inschr. von Perg. 156), scheint den wahrscheinlich von Chalkidiern mitgebrachten Telephos nachträglich dem Sohne der Tegeatin Auge gleichgesetzt zu haben, sei es bloß infolge der Namensgleichheit, sei es infolge unmittelbarer oder auch irgendwie, z. B. durch Koer oder Samier (Friedländer Her. 161) vermittelter Beziehungen zu Tegea. – Ein Herakleia lag bei Kyme (o. Bd. VIII S. 430, 48), wo zur Zeit der Perserkriege ein angesehener Bürger Herakleides heißt (Herodot. I 158. V 37), vielleicht weil sein Vater die Abstammung seines Geschlechtes von dem Helden zum Ausdruck bringen wollte, ein anderes gegenüber Lesbos (o. Bd. VIII S. 430, 30); über den Heracleotes tractus s. o. Bd. VIII S. 515. Die Attaliden nahmen die älteren Überlieferungen der Landschaft auf und führten sich auf H. zurück (Nik. frg. 104 p. 129; vgl. Schneider Nic. 1ff.). Von Eumenes ist eine Weihung an H., P(oseidon?, Athen)a und Zeus erhalten (Inschr. von Perg. 185); eine Weihinschrift im Gymnasion zu Pergamon war dem Hermes und H. gesetzt (ebd. 323, 9). Das pergamenische Spielfest für H. (Milet, Erg. d. Ausgrab. III 164, 1 S. 386) war schwerlich sehr angesehen. – In Parion endlich stand eine Statue des H. von Hagesias (Plin. n. h. XXXIV 78).

[968] Ähnlich schwierig wie über die H.-Sagen Mysiens ist das Urteil über die der Troas. Sicher sind sie teilweise sehr alt; die Eroberung Ilions durch den Helden kennt schon Hom. Il. V 640. Nachdem H. als Befreier Hesiones an Telamons Stelle getreten war (u. S. 969, 9), wurde danach die argivisch-rhodische Sage von Perseus und Andromeda umgeformt. Diese Nachahmung braucht zwar nicht notwendig politische Zwecke verfolgt zu haben, kann vielmehr der Schönheit des Stoffes wegen überall vorgenommen sein, wo der epische Gesang blühte; allein diese Möglichkeit verringert sich dadurch, daß erstens die Übertragung in der älteren Zeit der Heldendichtung erfolgt sein muß, als diese noch nicht so weit verbreitet war wie im 6. Jhdt., und zweitens später bezeugte, aber von der Hesionesage schwerlich zu trennende troische Sagen ebenfalls mit argivisch-rhodischen Sagen in Beziehung stehen, so daß der Gesamtumfang dieser Beziehungen, namentlich bei dem Fehlen von Übereinstimmungen mit andern Sagenkreisen, weit eher auf eine bestimmte Tendenz, als auf bloß literarische Nachahmung schließen läßt. Zweifelhaft aber ist, ob es rhodische oder schon argivische Ansiedler waren, die ihre Erfolge in der Troas in den Heldentaten ihres Heros verherrlichten. Die Entscheidung ist hier wie meistens deshalb so schwer, weil die Rhodier, die sich auch später als Argiver betrachteten, in älterer Zeit die nur wenig früher entstandenen argivischen Sagen wie ihre eigenen behandelten und kein Bedenken trugen, auf argivische Helden rhodische Siege zurückstrahlen zu lassen. So ist z. B. Likymnios, dessen Sohn Argeios im Kampf mit Laomedon fällt (Schol. Hom. Il. I 52; subscr. Andron), ebenso in der tirynthisch-argivischen wie in der rhodischen Sage wichtig. Da argivische Niederlassungen in der Troas nicht bezeugt sind, wohl aber rhodische, so pflegen die troischen H.-Sagen rhodischen Dichtern zugeschrieben zu werden. Entscheidend ist dies nicht. Die Nachricht von der Gründung Byzantions durch Argiver (o. Bd. III S. 1129, 24) unterliegt zwar, so lange sie vereinzelt steht, dem Verdacht, aus der Iosage erschlossen zu sein; wird aber aus andern Gründen eine argivische Niederlassung in Troia wahrscheinlich, so stützen sich die Folgerung, die Überlieferung und auch die Sage gegenseitig. An sich sind argivische Niederlassungen am Hellespont keineswegs unmöglich. Schon vor der Zeit, in die sie fallen müßten, hatten, wie es scheint, verschiedene Kolonialmächte, darunter auch Troizen versucht, sich an der den Hellespont beherrschenden, für die Durchfahrt zum Schwarzen Meer wichtigen troischen Küste festzusetzen, und es war ebenso natürlich, daß nach ihrer Niederwerfung Argos sich auch ihrer Pflanzstädte zu bemächtigen und mit Hilfe seiner übrigen kleinasiatischen Kolonien, also auch der rhodischen, in Troas Pflanzstädte anzulegen versuchte, wie, daß nach dem Zusammenbruch der argivischen Macht die Rhodier sich in ihnen als die Herren gebärdeten, und daß so die geschichtliche Besetzung troischer Plätze aus dem Gedächtnis schwand, während ihre mythische Spiegelung, die Eroberung Ilions durch H., darin erhalten blieb. Außerdem ist die erste Zerstörung durch den Perseiden kaum davon zu trennen, daß der zweite Zerstörer, Agamemnon, König in der Perseusstadt [969] Mykene ist; das zu erfinden hatten die Rhodier weniger Anlaß als die Argiver, deren Fürsten ihre Herrschaft als die legitime Fortsetzung der mykenischen betrachtet wissen wollten. Es muß also dahingestellt bleiben, ist aber auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob die alten troischen H.-Sagen von rhodischen oder wenig früher von argivischen Sängern gedichtet sind. Ursprünglich wurde übrigens Hesione wahrscheinlich durch Telamon befreit, von dem sich mindestens ein milesisches Geschlecht abgeleitet haben muß: das legt die Frage nahe, ob nicht milesische Sänger die Sage erfunden oder wenigstens zum Ruhm ihrer Vaterstadt, die in Troas Pflanzstädte anlegte, verwertet haben. – Außer Ilion, wo H. Ἀλεξίκακος vielleicht wirklich in Hinblick auf die Bezwingung des Ungeheuers einen Altar hatte, dessen Errichtung wenigstens auf Telamon zurückgeführt und mit jenem Zug verknüpft wurde (Hellan. FHG I 64, 138), hatte namentlich Kyzikos den H. in seine Vorgeschichte verwoben. Die Sage, daß H. unabsichtlich den gütigen Gastfreund der Argonauten getötet habe (Orph. Ἀργ. 523), was sonst von Iason erzählt wird, ist wohl in der Weise entstanden, daß zunächst der Gegensatz zwischen den griechischen Ansiedlern und den Einheimischen zur Sage von dem Kampf der Argonauten mit Kyzikos führte, der dann, als sich das Verhältnis gebessert hatte, zu einem unbeabsichtigten abgeschwächt wurde. Wichtiger ist die Sage von der Bezwingung der kyzikenischen Gegeneis (Herodor. FHG II 38, 45 bei Schol. Apoll. Rhod. I 943), die Hera zum Kampf mit H. erzogen haben sollte. Sie sind nicht zu trennen von den Giganten, die dieser nach Agathokl. bei Steph. Byz. 166, 4 teils getötet, teils mit Persephone unter der Insel Besbikos unsichtbar gemacht hatte, und von den Encheirogastores (o. Bd. V S. 2547), denen sie Dei(l)ochos (Schol. Apoll. Rhod. I 989) gleichsetzt. Diese werden zwar als Thessaler bezeichnet, lassen sich aber nicht lösen von den Cheirogastores oder Encheirogastores (o. Bd. III S. 2221), die Mykenai und Tiryns ummauert haben sollen. Am einfachsten erklärt sich dieser Zusammenhang, wenn argivische Ansiedler eine heimische Sage nach Kyzikos verpflanzten. Hier ist H. auch später viel verehrt worden (vgl. Diog. ep. XXXVI 249 Herch.; vieles andere bieten Hasluck Cyzicus 238. Weinreich De dis ign. 9, 2); die späteren milesischen Zuwanderer scheinen auch hier, wie vielleicht in Ilion, an ältere argivische Sagen angeknüpft zu haben. Dagegen sind die östlich von Kyzikos im Mygdonerland an der Rhyndakosmündung spielenden Sagen durch Milesier, die hier Miletupolis anlegten und vielleicht auch Daskylion nach Gyges’ Vater benannten, oder durch Sänger am Hofe der lydischen Könige, der Schutzherren der milesischen Pflanzstädte im Nordwesten, geformt worden. Die Sagen sind eng mit denen von Herakleia Pontika verflochten, wo der König Lykos Sohn des Eponymen von Daskylion heißt und dessen Vater die von H. bezwungenen Mygdoner oder Phryger als Untertanen empfangen haben soll (Apoll. Rhod. II 786, Schol.); der gewaltige Titias, den H. der Sage nach im Faustkampf niederstreckte, ist durch Maiandrios bei Schol. Apoll. Rhod. 1 1126 als in Milet im Dienst [970] der Rheia verehrt bezeugt, wobei es für den milesischen Ursprung dieses Teiles der H.-Sage gleichgültig ist, ob die Milesier den Titias in ihre Kolonie verpflanzten oder aus ihr empfingen. – Ebenso hängt die Angabe, daß H. das hypoplakische Theben gründete, nachdem er im Kampfspiel Thebe gewonnen (Dikaiarch. FHG II 238, 11 = Schol. Townl. Il. VI 397), wahrscheinlich mit dem Vordringen der lydischen Herakliden und der mit ihnen verbündeten Milesier zusammen. Thebes Vater heißt Adramys, ist also Eponym der von Kroisos’ Bruder Adramys gegründeten Stadt Adramyttion, und in der Θήβας πέδιον genannten Ebene lag Ardynion, die nach Gyges’ Sohn Ardys heißt. Die lydischen H.-Sagen haben überhaupt in der Troas lange fortgelebt; noch in der Kaiserzeit hat Lampsakos H. und Omphale auf seine Münzen gesetzt. Eine dem Zeus So(ter und) H. geweihte Inschrift ist zwischen Hadrianu Therai und Miletupolis gefunden (Athen. Mitt. 1904, 301).

Bithynien.

In Chalkedon hatte H. einen ἱερεύς und erhielt gewisse Strafgelder (SIG² 596). – An den Acheron von Herakleia Pontika und an die Höhle in dem nördlich von der Stadt steil vorspringenden Acherusion knüpfte sich natürlich die Sage von der Heraufholung des Kerberos (Xen. an. V 10, 2. Herodor. FHG II 35. 25 und Euphor. bei Meineke Anal. Alex. 63, 28 = Schol. Apoll. Rhod. II 354. Diod. XIV 31. Dionys. perieg. 788ff. Schol. Theophr. h. pl. IX 16, 4, Pomp. Mela I 103. Plin. n. h. VI 4. XXVII 4. Ovid. met. VII 408ff. Schol. Nik. Alexiph. 13), die deshalb die Herakleoten neben einigen anderen Athlen des H. auf Weihgeschenken in Olympia darstellten (Paus. V 26, 7). Die Münzen der Stadt zeigen seit dem 5. Jhdt. oft ihren Eponymen, den sie auch als κτίστης; bezeichnen. Man erzählte, daß H. selbst die beiden Eichen an den Altären des Zeus Στράτιος gepflanzt (Plin. n. h. XVI 239), daß er seinem Gastfreund Lykos gegen den Bebrykerkönig geholfen, diesen getötet und dessen Land dem Lykos geschenkt habe (Apollod. II 100. Tzetz. chil. II 314); auch eine Geliebte des H. Dardanis, Acherons Tochter, wird genannt, die dem H. den Poimen (Schol. Apoll. Rhod. II 354 nach Andron), wohl den Ahnherrn eines herakleotischen Geschlechtes geboren habe. Auch andere Geschlechter der Stadt werden sich der Abstammung von H. gerühmt haben: so konnte Himer. or. VII 10 sagen, daß dessen Heldentaten der Stadt zum Ruhme gereichten. H. genoß daselbst mannigfache Ehren; seine teilweise vergoldete Statue stand auf dem Markt (Memnon FHG III 554, 52 bei Phot. bibl. 237 b 15), in der Kaiserzeit wurde hier ein Agon Ἀδριάνειον Ἡράκλειον ἰσάκτιον gefeiert (Bull. hell. 1885, 68, 19), und Ptolemaios, der sich selbst ein Nachkomme des Helden zu sein rühmte, glaubte Herakleia nicht besser ehren zu können, als indem er einen Tempel des H. auf der Burg erbauen ließ (Memnon ebd. 538, 25 bei Phot. bibl. 229 a 7). Vielleicht wurde die Stadt dem Ahnherrn der lydischen Könige zu Ehren genannt. Daß diese hier geboten, ist zwar nicht überliefert, aber die milesische Ansiedlung (Strab. XII 3, 4 p. 542), die zu bestreiten kein genügender Grund vorliegt, könnte wie die Anlage anderer milesischer Pflanzstädte unter lydischer [971] Schutzherrschaft erfolgt sein. Eine gewisse Bestätigung dieser Entstehung der herakleotischen Sage liegt in ihrer engen Verknüpfung mit der sehr wahrscheinlich lydisch-milesischen von Daskylion an der Rhyndakosmündung (o. S. 969, 62). Ferner spricht dafür auch die Sage, daß H. am Sagaris (Sangarios) eine Menschen und Früchten gefährliche Schlange getötet habe (Hyg. p. a. II 14. Myth. Vat. II 155). Der Fluß wird lydisch genannt, aber wohl nur, weil Omphale, die den Helden belohnt und ihm wohl auch den Auftrag gegeben haben sollte, als lydische Königin bekannt war; gemeint ist vermutlich der im Mythos wichtige, westlich von Herakleia mündende Fluß, an dessen Mündung die Milesier vielleicht auch eine Handelsniederlassung angelegt hatten. Möglicherweise ist die Sage von der Tötung der gefährlichen Schlange die Umformung einer hier spielenden Fassung der Hesperidensage, wenn die Milesier sich mit dieser befaßten; s. u. S. 1068, 61. Spricht dies für den milesisch-lydischen Ursprung auch der benachbarten herakleotischen Sage, so ist doch auch die andere Annahme zulässig, daß der älteste Bestandteil der herakleotischen H.-Sagen und H.-Kulte durch megarische Ansiedler ebenso hierher wie nach Chalkedon verpflanzt wurde, obwohl in Megara selbst nur wenig von H. gemeldet wird; die Neigung, ihn in Herakleia zu feiern, wurde wahrscheinlich unterstützt durch ein vorgefundenes Nekromanteion. – Chalkidier oder Ionier, die aus dem Mutterland chalkidische Kulte mitgebracht hatten, scheinen nach dem zwischen Chalkedon und Herakleia gelegenen Kalpe den Kult des Geryones gebracht zu haben, der natürlich die Sage von der Gewinnung der Rinder durch H. nach sich zog; vgl. über den Geryoneskult von Mykalessos bei Chalkis o. S. 932f. So kam es, daß eine der Säulen des H., die dieser vor der Bezwingung des Geryones errichtet haben sollte (Diod IV 18), Kalpe oder mit anderem bithynischen Namen Alybe (Eustath. zu Dionys. perieg. 64) hieß; denn diese Namensübertragung ist kaum anders zu erklären, als aus der Vermischung einer in Bithynien spielenden mit einer spanischen Sagenform der Geryonessage. Es stimmt dazu, daß in der Nähe, im Mariandynerland, ein See Anthemus bezeugt wird (Etym. M. 108, 50), der denselben Namen führt wie der Fluß, an dem Geryones gefallen sein sollte (Apollod. II 108). Wenn Palaiphatoe am Pontos Euxeinos eine Stadt Trikarenia kennt, in der H. den deshalb dreiköpfig genannten Geryones (25) und auch den Kerberos (40) tötete, so ist er also vielleicht, abgesehen von der Etymologie, auch durch Überlieferungen geleitet worden. Nach Hiller v. Gaertringen Herm. 1915, 470 hat freilich Palaiphatos die Stadt Trikarenia frei erfunden. – Als Milet, wie es scheint, unter lydischer Schutzherrschaft Kios besiedelte, wurde der mythische Ahnherr der lydischen Könige, H., zum Oikisten gemacht (Münzen der Kaiserzeit), der den Polyphem zum König eingesetzt haben sollte (Alb. Taf. 212 bei Jahn Bilderchron. 69), oder es galt doch wenigstens der milesische Gründer der Stadt Kios, zugleich deren Eponym, als Begleiter des Helden (Strab. XII 4, 3 p. 564), nach dem auch ein Monat Herakleios hieß (o. Bd. VIII S. 501, 36ff.). Wie die lydische H.-Sage überhaupt, [972] so knüpfte auch die von Kios an die malische an. H.’ Begleiter Hylas, den Sohn des Dryoperkönigs Theiodamas (o. S. 943, 7), ließ die Sage in Kios von Nymphen geraubt werden; damit aber auch dieser Sagenzug das Anrecht Lydiens erwiese, scheint Theiodamas kurzweg zum Lyder gemacht worden zu sein (vgl. Quint. Smyrn. I 292). Diese Sage ist nicht durchgedrungen; aber die seltsame Erfindung, wonach die räuberischen Kylikranes, die H. auf dem Gebiete des späteren Trachis bezwang, eigentlich Lyder gewesen seien (Skythin. von Teos FHG IV 491 b bei Athen. XI 5 p. 461f.), vereinigt die Überlieferung von dem lydischen Ursprung und der trachinischen Heimat des Theiodamas. Wahrscheinlich gehörte Theiodamas, vielleicht auch Hylas ursprünglich nach dem Malischen Meerbusen, obgleich die Dichter am Hofe von Sardes nicht verfehlt haben werden, sie an ältere einheimische Kulte und Sagen anzuknüpfen. Vermutlich wurde im Gebiet von Kios schon vor der milesischen Kolonisation ein Jüngling gesucht und beklagt, und wahrscheinlich hatten schon vormilesische Kolonisten den Verschwundenen zum Geliebten ihres mythischen Archegeten Polyphemos oder Euphemos (o. Bd. IX S. 114) gemacht, so daß also H. nur an dessen Stelle zu treten brauchte. – Wie in Kios wurde H. auch in dem benachbarten Nikaia, dem alten Ankora am Askanischen See, als κτίστης betrachtet (Münzen).

Lydien.

Die Stadt Akele (o. Bd. I S. 1162) nannte ihren Eponymos einen Sohn des H., von einer Sklavin der Omphale, Malis (Hellan. bei Steph. Byz. 58, 13ff.). Da Panyas. frg. 17 bei Schol. Townl. Il. XXIV 616 von Ἀχελήτιδες νύμφαι so spricht, daß wahrscheinlich der erkrankte H. bei ihnen gesundete, so scheint hier ein Heilquell bestanden zu haben, dessen Entstehung mit einem H.-Abenteuer, vielleicht der Bezwingung des Geryones, zusammengebracht wurde; gerade diese zu vermuten liegt nahe, da sie 1. oft mit der Erschließung von Thermalquellen verknüpft (u. S. 1064, 12) und 2. auf den Münzen mehrerer lydischer Städte, z. B. denen von Blayndos dargestellt ist. Da der Fluß von Akele Acheles und von Dichtern Acheloos genannt wird, ist vielleicht auch der Kampf des H. mit dem Stromgott hierher übertragen worden (u. S. 976, 54). – Das im Kaïkostal gelegene Germe prägte in der Kaiserzeit verschiedene Taten des H. auf seine Münzen, stellte auch den ruhenden Helden dar, wie er einen kleinen Eros trägt. – Ein Herakleia in Lydien erwähnt Eustath. Il. II 756ff. p. 338, 27; vgl. Steph. Byz. 303, 18, wo aber Meineke für ἐν τῷ Λυδίῳ Ταύρῳ zweifelnd Λυκίῳ einsetzt, und o. Bd. VIII S. 430, 66. – Die Münzen von Maionia zeigen H. und Omphale, die von Nysa H. und Hermes gegenüber (v. Diest Nysa 87), die von Saitta H. und Geryones, dessen Besiegung wahrscheinlich an den bei der Stadt vorbeifließenden Strom gesetzt wurde. Dieser hieß nämlich wahrscheinlich Hyllos (vgl. o. Bd. IX S. 122) und war derselbe, in dem H. sich gesund gebadet und nach dem er zwei seiner Söhne genannt haben soll (Paus. I 35, 8; Schol. Apoll. Rhod. IV 449; vgl. Schol. Townl. Il. XXIV 615); an solche Heilbäder pflegt sich die Sage von der Überwindung des Geryones zu heften [973] (S. 1064,11), und in der Tat rühmte sich das an demselben Fluß gelegene Temenuthyrai im Besitz der Knochen des Geryones zu sein (Paus. I 35, 7; vgl. u. S. 977, 64f.). Daß das Geryonesabenteuer nach Lydien verlegt wurde, ergibt sich auch daraus, daß H. dabei Proteus’ Sohn, Tmolos, den Eponymos des lydischen Berges, samt seinem Bruder Telegonos, die also nach Lydien gesetzt sein müssen, getötet haben sollte (s. o. S. 955, 36). – Sardes endlich stellt auf den Münzen H. und Omphale dar.

Daß H. an der Spitze mehrerer lydischer Stammtafeln stand, läßt sich aus den Kindern schließen, die ihm Lyderinnen geboren haben sollen. Nach Herodot. I 7 stammt das von Gyges entthronte Haus, dessen letzter König Kandaules war, von Alkaios, einem Sohn des H. und einer Sklavin des Iardanos, ab; nach Diod. IV 31 heißt der Sohn der Sklavin Kleolaos, über Akeles vgl. o. S. 972, 32f. Alkaios (vielleicht eine griechische Umformung desselben lydischen Namens?) ist nach Suid. s. v. Sohn der Omphale. Die Kinder, die diese dem H. geboren haben soll, heißen bei anderen Acheles (Schol. Townl. Il. XXIV 616), dessen Name natürlich von Akeles nicht zu trennen ist, oder Agelaos (Apollod. II 165), dessen Name vielleicht ebenfalls griechische Umformung desselben Namens ist (Kaibel Gött. Gel. Nachr. 1901, 508), oder Lamos (Apollon. Aphrod. FHG IV 311, 2 bei Steph. Byz. 158, 17. Diod. IV 31: vgl. Ovid. her. IX 54. Steph. Byz. 409, 5) oder Melas (Schol. Townl. Il. XVIII 219) oder Tyrrenos (Dion. Hal. ant. I 28; vgl. Hyg. fab. 284) oder Laomedes (Palaiph. 45). Vermutungsweise darf diesen Namen vielleicht noch der des Hyllos hinzugefügt werden, weil dieser Sohn des H. erstens in der malischen Sage, die der lydischen als Vorbild gedient hat, wichtig ist, zweitens die Angabe, daß H. seinen Sohn (oder seine Söhne) nach dem gleichnamigen lydischen Fluß nannte, erst dann rechte Bedeutung erhält, wenn Hyllos ein lydischer Sohn des Helden war, endlich weil ein freilich von dem Sohne des H. getrennter (Paus. I 35, 8) lydischer Hyllos überliefert ist, der in Hylluala (Apollon. Aphr. bei Steph. Byz. 648, 18, in Phrygien Philostr. her. I 2 p. 289) begraben sein sollte. – Die verwickelte und offenbar mannigfach durchkreuzte Überlieferung über die lydische Nachkommenschaft des H. auf einzelne Geschlechter zu verteilen, ist natürlich unmöglich. Drei Herrschergeschlechter sind für Lydien bezeugt (Herodot. I 7): 1. die Nachkommen des Lydos; 2. die Herakleiden, die sich auf H.’ Sohn Alkaios zurückführten, und 3. die Mermnaden, das Geschlecht des Kroisos, das nach der Absetzung des letzten Herakleiden Kandaules mit Gyges auf den Thron gelangte. Obwohl demnach Herodot ausdrücklich das mittlere dieser Geschlechter als heraklidisch von den beiden andern unterscheidet, werden doch auch diese bisweilen von H. abgeleitet. Atys heißt bei Strab. V 2, 2 p. 219 ein Nachkomme des H. und der Omphale. Daß auch die Mermnaden sich auf H. und Omphale zurückführten, beruht zunächst nur auf einer Vermutung bei Apollod. II 165, wo seit langer Zeit allgemein für Κρησίου γένος eingesetzt wird Κροίσου γένος; diese Änderung wird aber durch andere Erwägungen gesichert. Erstens erscheint in der makedonischen [974] Herakleidenstammtafel, die der lydischen nachgebildet ist, Kroisos (o. S. 952, 40ff.), dessen Name also von dem Verfertiger der Geschlechtstafel einem seiner Ahnen beigelegt ist. Zweitens verlangt Herodots Angabe, daß der Ahn der ,Herakleiden‘, d. h. des um 650 gestürzten Herrscherhauses, von H. mit einer Sklavin erzeugt wurde, als Ergänzung und Gegensatz die andere, daß die glücklichen Überwinder dieses Geschlechtes von H. und der rechtmäßigen Königin des Landes abstammten; als solche erscheint aber Omphale. Es ist nicht angängig, diese, die allerdings nympha Iardanis (Ovid. her. LX 103), Ἰαρδανίη νύμφη (Mus. 151) heißt, der Sklavin des Iardanos gleichzusetzen; sie heißt vielmehr nach ihrem Vater (Apollod. II 131. Diod. IV 31), dessen Sklavin die Stammmutter des entthronten Köriigsgeschlechtes gewesen sein sollte. Vor allem aber beweisen die lydischen H.-Sagen selbst, in denen sich die Taten der letzten Mermnaden spiegeln, daß diese in H. verherrlicht wurden, ihn also vermutlich als Stammvater betrachteten. Es ist sogar zweifelhaft, ob schon vor 650 die H.-Sage so verbreitet war, daß ein lydischer König seinen Stammbaum auf ihn zurückführen konnte. Zwar wurde Kandaules (Hesych. s. v.), der lydische Hermes, dessen Namen der letzte ,Heraklide‘ Herodots führt und von dem er sich vermutlich ableitete, von einigen dem H. gleichgesetzt; aber dies ist schwerlich alt. Eher haben die Mermnaden dem abgesetzten Geschlecht, das auch später noch Anhänger haben mochte, als Scheinrecht die Abstammung von H. und einer Sklavin angedichtet.

Die lydische H.-Sage knüpft, wie allgemein anerkannt wird (Wernicke Aus der Anomia 72f. Cauer Rh. Mus. 1891, 244f. Tümpel Philol. 1891, 607f. v. Wilamowitz Herm. I² 71ff. u. a.), an die malische an, die im Anfang des 6. Jhdts., nach der Niederwerfung des krisaiischen Tempeladels von Delphoi und seines Anhangs gedichtet ist. Von den lydischen Frauen des H. ist die Μᾶλις παῖς wohl nicht von den Maliern, Omphale nicht vom delphischen Omphalos (o. S. 947, 32) zu trennen; von den Kindern gehört Lamos zu Lamia (weitere Vermutungen von Friedländer Her. 79 sind abzulehnen), Melas (v. Wilamowitz Her. I² 75, 137) wohl zu den Maliern. Von den Kämpfen, die H. im Dienst der Omphale besteht (Diod. IV 31. Tzetz. chil. ΙΙ 434; vgl. Apollod. II 132f.), gehören die mit Syleus (Gruppe Handb. 488, 2), den Itonern und den Kerkopen in das beim heiligen Krieg beteiligte Gebiet, und wie in den Thermopylen (Peisandr. frg. 7) ließ Athena in Lydien (Panyas. frg. 17) Wasser zur Erquickung für H. emporquellen. Schwerlich hat erst Panyasis diese Sagen aus dem delphischen Kreis nach Lydien (Friedländer Her. 77, 1) übertragen; eher ist anzunehmen, daß sie unter den letzten Mermnaden, die sich so eng mit Delphoi verknüpften, nach Lydien verpflanzt wurden. Zwei von den ephesischen (Apollod. Tzetz. chil. II 434. Diogen. I 3) Kerkopen heißen später Kandulos (Suid. s. Κέρκωπες; Κανδῶλος Hesych. s. v.; Ὦλος Diotim. bei Suid. a. Εὐρύβ.; Ἄνδουλος; Aisch. Sard. bei Apost. IX 64) und Eurybatos (Diotim. bei Suid. B. Εὐρύβ., der aber beide Kerkopen nach Oichalia versetzt); in dem zweiten Namen ist der Ephesier [975] Eurybatos nicht zu verkennen, der den Kroisos verriet und den also ein Hofdichter in Sardes als betrügerischen Kerkopen gebrandmarkt hat; unter Kandolos ist wahrscheinlich ein wirklicher oder angeblicher Abkömmling des um 650 abgesetzten Königs zu verstehen, der sich wie dieser Kandaules nannte. Demnach kann die lydische Sage der delphisch-thessalischen nicht erst im 5. Jhdt. nachgebildet sein. Daß beide gleichzeitig entstanden, wäre nur in dem Fall glaublich, wenn die Mermnaden sich an der Neuordnung des delphischen Heiligtums beteiligt hätten, etwa wie der koische Asklepiade Nebros. Undenkbar ist dies nicht, eine Entscheidung könnten nur die Gedichte selbst bringen, die damals in Kleinasien gedichtet wurden und die, falls sie den H. von Delphoi lösten und zu einem lydisch-ionischen Helden machten, beweisen würden, daß sie nicht unmittelbar mit der Neuordnung des delphischen Heiligtums zusammenhängen können. Soweit jetzt ein Urteil möglich ist, läßt die Vergleichung der lydischen und der delphisch-thessalischen Sage jene eher als eine jüngere freie Nachbildung dieser erscheinen. Rein erhalten ist wahrscheinlich keine der beiden Sagenfassungen; die Überlieferung scheint, soweit sie überhaupt einen Schluß zuläßt, auf ein Gedicht zurückzugehen, das lediglich nach ihrer dichterischen Verwertbarkeit Züge beider Sagen verband und das dank seiner Schönheit und Beliebtheit die spätere Entwicklung der Sage bestimmt hat. Dies Gedicht kann die dem Kreophylos von Samos zugeschriebene Οἰχαλίας ἅλωσις gewesen sein (Wernicke a. a. O. 84), die dann aber bis in die zweite Hälfte des 6. Jhdts. herabgerückt werden muß.

Verstünde es sich nicht von selbst, so würden schon diese Erfindungen beweisen, daß die griechischen Dichter in Sardes nicht einfach die delphischen Sagen übernahmen, sie vielmehr den lydischen Verhältnissen anpaßten. Wenn sie schon kein Bedenken trugen, entgegen der damals bei den griechischen Fürsten herrschenden Sitte, Namen Lebender in den Mythos zu verflechten, so scheuten sie sich noch viel weniger, mythische oder örtliche lydische Namen wie Tmolos einzuführen oder sie, wie Agelaos, Acheloos (Akeles), Hyllos und Temenos (Temnos), griechischen gleichlautend zu machen; auch benützten sie natürlich die Sage, um lydische Gebräuche zu erklären. So kann der Zug, daß H. bei Omphale Weiberkleider getragen habe (s. u.), an einen – vielleicht mißverstandenen – auf Kos bezeugten, wahrscheinlich aber auch anderwärts geübten Kultgebrauch anknüpfen. Freilich scheint in dieser Beziehung spätere Zeit vieles hinzu erfunden haben, so namentlich die Verweichlichung des H. Sein Verhältnis zu Omphale wird ins Wollüstige umgedeutet (z. B. Arnob. IV 25; vgl. Klem. προτρ. II 85, 1). Der Held trägt die Sandyx (den κροκωτός, Dio Chrys. XXXII 699 R.), den krokosfarbenen Rock der Buhldirnen (Plut. an seni sit resp. ger. 4. Luk. quomodo hist. sit conscrib. 10. Io. Lyd. mag. III 64), oder die πορφυρις der Königin (Luk. deor. dial.13); er lernt Wolle krempeln (Sext. Emp. Π. ὑ. I 157) und verrichtet andere weibische Arbeiten, wie es seit dem 5. Jhdt., besonders aber in hellenistischer Zeit (v. Wilamowitz Her. I² 71) Schriftsteller und Künstler unzähligemal, [976] oft mit komischer Übertreibung des Gegensatzes zwischen dem männlichsten Helden und seiner weibischen Beschäftigung dargestellt haben. Wieviel von diesen Zügen alt ist, läßt sich nicht feststellen. Es ist möglich, aber nicht sicher, daß schon im 6. Jhdt. dem ursprünglich wahrscheinlich kilikischen Sandan auch in Lydien ein Scheiterhaufen errichtet und daß deshalb H., von dessen Verbrennung auf dem Oita man schon im Kreis der malischen und thessalischen Sieger erzählt hatte, ihm gleichgestellt wurde. (Geistvolle, aber im einzelnen vielfach unsichere Vermutungen bei O. Müller Kl. Schr. II 100ff.; Frazer Ad. Att. Osir. = Golden Bough³ IV 1. 182ff.). Darin lag zwar ein Anreiz, den H. als weibisch darzustellen, aber die Ausmalung und Hervorhebung dieses Sagenzuges fehlt noch bei den Tragikern (Aisch. Ἀγ. 1040. Soph. Τρ. 69. 252. 274. 356 u. a.), die mehr das Unglück von H.’ Knechtschaft hervorheben, und kann schon deshalb schwerlich alt sein, weil er den Heldentaten widerspricht, die H. im Dienst Omphales verrichtet haben sollte. Dazu gehören wahrscheinlich, auch wenn es nicht ausdrücklich überliefert ist, die meisten der Abenteuer, die in den zur Zeit der Lyderherrschaft gegründeten ionischen Kolonien spielen. Zweifelhaft bleiben freilich H.’ Teilnahme an der Argonautenfahrt (u. S. 978, 60ff.) und auch die Amazonensage; doch haben sich die griechischen Sänger in Sardes schwerlich die Gelegenheit entgehen lassen, in diesem Abenteuer die wirklichen oder vermeintlichen Erfolge ihres Königs in Nordkleinasien zu verherrlichen. Erst recht scheinen die übrigen bithynischen, troischen und mysischen Heldentaten, namentlich die zu erschließenden Formen des Geryones-, Hesperiden- und Kerberos-Abenteuers und der Stymphalidensage im lydisch-ionischen Kulturkreis erfunden zu sein, und zwar hat wahrscheinlich in ihnen Omphale dem Helden den Auftrag gegeben. Dazu kommen dann die Kämpfe, die ausdrücklich als für Omphale bestanden bezeugt sind: die Besiegung des Syleus (vgl. o. S. 953, 34), der Itoner (vgl. o. S. 948, 68), der Kerkopen, der Maioner (? Alb. Taf. 220 S. 69 bei Jahn Bilderchron. 69) und einer Schlange, wegen deren Tötung Omphale den Helden mit vielen Geschenken nach Haus geschickt haben soll (Hyg. p. a. II 14; o. S. 971, 7), vielleicht auch die Eroberung Troias. Die Entstehung dieser Sagen darf zwar nicht dem ionisch-lydischen Kreis zugeschrieben werden, konnte aber doch leicht im Interesse der lydischen Politik verwertet werden. Endlich hatte Acheloos (o. S. 972, 47) vielleicht in der lydischen Sage Omphale ebenso umworben, wie in dem die malisch-thessalischen Sagen sammelnden Gedicht die Deianeira. Bleibt demnach auch vieles einzelne in diesen Sagen zweifelhaft, so muß doch den ihnen gemeinsamen Grundzug schon die lydische Sage des 6. Jhdts. enthalten haben. Außerdem ist dieser aber das weichliche Leben des H. auch deshalb abzusprechen, weil es sich mit der Begründung der ein- (Soph. Τρ. 253) oder dreijährigen (Herodor. im Schol. z. d. St. FHG II 35, 26. Apollod. II 131. Tzetz. chil. II 427) Dienstbarkeit bei Omphale schwer verträgt, die gewöhnlich als eine von Zeus (Soph. Τρ. 274. Intp. Serv. Aen. VIII 299 u. a.) oder dem (delphischen?) Orakel (Apollod. II 131. Diod. IV 31) [277] auferlegte oder von dem Helden freiwillig übernommene (Plut. Θησ. 6) Sühne für Iphitos’ Ermordung (Schol. Hom. Od. XXI 22 mit der subscr. Pherek. Soph. Τρ. 247ff.) oder wegen des Dreifußraubes (Hyg. fab. 32. Intp. Serv. Aen. VIII 299) bezeichnet wird. Wenn H. durch Hermes zum Verkauf ausgeboten wird (Apollod., Hyg., Mus. Her. et Leandr. 151), so bedarf diese Erfindung zwar keines besonderen Anlasses, gewinnt aber eine hübsche Beziehung, wenn Hermes hier den lydischen Kandaules und dieser das von ihm vermutlich abgeleitete Geschlecht, das abgesetzte Königshaus, vertritt, dem Kroisos’ Haus bis auf Gyges dienstbar gewesen war. Nach Apollod. II 131 (Tzetz. chil. II 430) war Omphale das Weib des Tmolos gewesen; nach Schol. Lykophr. 115 tötete H. den Tmolos, den Sohn des Proteus, nebst seinem Bruder Telegonos. Dürfen beide Angaben verbunden werden, so tötet H. seinen Gebieter und heiratet dessen Witwe. Das ist eine Geschichte ganz ähnlich der, welche von dem Untergang des vorletzten lydischen Königshauses erzählt wurde: auch Gyges sollte seinen König Kandaules getötet und sich mit dessen Weib verheiratet haben.

Phrygien.

Die Einwohner von Dorylaion’ müssen ihren Eponymos irgendwie mit H. verknüpft haben; vgl. die Inschrift Athen. Mitt. 1895, 17ff. Über H. Ἀν(ε)ίκητος das. vgl. CIG III 38, 17. Österr. Mitt. 1883, 177 nr. 25. Journ. Hell. Stud. 1887, 505 nr. 79; neben ihm stand Papias Zeus Soter. – In Hierapolis wird H. κρατερόφρων verehrt (Altert. von Hierapolis Arch. Jahrb. Ergänzungsh. IV S. 89 nr. 46, 6). Den H.-Tempel der Stadt stellen Münzen dar (ebd. S. 44). – In Kelainai (Sositheos TGF² 823 bei Anon. misc. p. 346 in Westermanns Myth. Gr. Schol. Theokr. X 41/42 e) tötet (Schol. Luk. Iupp. Trag. 21) H. den Lityerses, Midas’ Sohn, der die Vorübergehenden zwang zu mähen und ihnen dann den Kopf abschlug, entweder auf dieselbe Weise (Intp. Serv. Ecl. VIII 68), oder indem er ihn in den Maiandros warf (Schol. Theokr.). Die Daphnissage, die Sositheos mit der Lityersessage verknüpft hat, ist dieser ursprünglich wahrscheinlich fremd gewesen, aber vielleicht ist auch H. erst spät hinzugetreten. Von den beiden Fassungen der Sage, die Pollux on. IV 54 bietet, nennt die zuerst berichtete statt des Helden einen unbenannten βιαιότερος ἀμήτης. Die Sage ist allerdings sehr ähnlich der von Syleus, der die Fremden zwingt, in seinem Weinberg zu arbeiten; aber eben diese in die Augen springende Verwandtschaft kann mit dazu beigetragen haben, daß H. auch als Bezwinger des Lityerses gefaßt wurde. – Münzen von Keretapa zeigen H. als Kind mit um den Arm gewundenen Schlangen. – Nakoleia nennt auf seinen Münzen H. τὸν κτίσστην. – Temenuthyrai stellte die Gewinnung der Hesperidenäpfel und mehrere noch nicht sicher gedeutete Sagen des H. auf seinen Münzen dar, behauptete auch, die Leiche des Geryones sei auf seinem Gebiet gefunden (Paus. I 35, 7). Die Fundstelle lag wahrscheinlich bei den Heilbädern am Hyllos, wo wahrscheinlich schon im 4. Jhdt. Geryones getötet sein sollte (o. S. 978, 1ff.). – In Themisonion endlich wurden H., Hermes und Apollon als Σπηλαῖται verehrt, weil sie beim [278] Galatereinfall den Beamten eine Zufluchtshöhle für die Bürger gezeigt hatten (Paus. X 32, 4); vielleicht ist diese Götterdreiheit auf Münzen der Stadt dargestellt, wenn in einem dem Sozon ähnlichen, neben seinem Rosse stehenden Gott Apollon erkannt werden darf.

Paphlagonien.

Daß H. die Paphlagonier dem Lykos unterwarf, erzählten Dein. FHG III 24, 1 und Asklep. FHG III 300, 2 nach Schol. Apoll. Rhod. II 789. Apollonios bringt dieselbe Angabe, läßt aber die Paphlagonier am Billaios wohnen, der großenteils in Bithynien fließt, scheint also gemeint zu haben, daß in Bithynien, auf das auch die Unterwerfung unter Lykos besser paßt, oder wenigstens in diesem Grenzland einst Paphlagonier wohnten. Paphlagonien selbst hat außer bedeutungslosen Münztypen einzelner Städte (z. B. Germanikopolis, das in der Kaiserzeit die Überwindung der Hydra darstellte), Erinnerungen an H. nur in der milesischen Pflanzstadt Sinope bewahrt, wo der Held an Stelle der vertriebenen Amazonen (Alb. Taf. 301 bei Jahn Bilderchron. 72) Hellenen angesiedelt haben sollte, oder wo wenigstens der Oikist Autolykos (o. Bd. II S. 2601, 46ff.; vgl. Ps.-Skymn. 944. Anon. περ. πόντ. Εὐξ. GGM I 407, 22) zu einem Begleiter des H. auf der Amazonenfahrt gemacht wurde (vgl. noch Appian. Μιθρ. 83).

Pontos. Kolchis.
Schon im 7. Jhdt. hatten Milesier die Amazonen in Pontos wohnen lassen, wo später Themiskyra und Thermodon berühmte Namen aus der Sage von den reisigen Weibern führen. Diese Ansetzung ist die herrschende geworden und hat das Abenteuer des H. nach sich gezogen. Ein Vorgebirge in der Nähe von Themiskyra hieß Herakleion (o. Bd. VIII S. 500, 12), weiter nach Osten lag die Aresinsel, wo vielleicht außer den Stymphalides auch die Amazonen angesetzt wurden, die hier dem Ares geopfert haben sollen. Nach einem allerdings unklar überlieferten Zusatz, den Hyg. fab. 14 p. 49, 2 Schm. zu seiner Hauptquelle macht, läßt H. hier die Söhne des Phrixos zurück, die er zum Zuge gegen die Amazonen entboten hat. Auch die zahlreichen andern Amazonensagen an dieser kleinasiatischen Nordküste sind wahrscheinlich, auch wenn es nicht ausdrücklich überliefert ist, wie von der der Thibais, die nach einer von H. getöteten Amazone heißen sollte (Steph. Byz. 314, 1; vgl. Arrian. bei Eustath. Dion. perieg. 828), mit H. in Verbindung gesetzt worden. – Sehr schwierig ist die Entscheidung über eine zweite, ebenfalls in milesischem Gebiet, aber am anderen Ende des pontischen Reiches spielende H.-Sage: die Sage von H. in Kolchis. Vollständig war sie erst bei Dionysios Lederarm, dem Gewährsmann Diodors (FHG II 7, 11. Bethe Quaest. Diod. 12), überliefert, der das Hesioneabenteuer (Diod. IV 15f.) und den Argonautenzug (Diod. IV 42) damit verband, den H. sogar zum Führer der Argonauten machte (vgl. Apollod. I 118) und wie auch Demaratos (FHG IV 380, 6) ihn bis nach Kolchis mitziehen ließ (Schol. Apoll. Rhod. I 1289). Robert Herm. 1909, 390 erschließt aus dem bekannten Vasenbild ,Iason des Drachen Beute‘ eine auch von Euripides in der Hypsipyle vorausgesetzte Sagenform, in der H. den kolchischen Drachen tötete, nachdem dieser den Iason

[979] verschlungen. Ist diese zweifelhafte Vermutung richtig, so muß die Mitwirkung des H. bei den Abenteuern in Kolchis bis in den Anfang des 5. Jhdts. hinaufreichen. Dagegen war es nach v. Wilamowitz Her. I² 31 die Willkür von Romandichtern, frühestens aus Alexanders Zeit, die es wagte, den vornehmsten Helden nach Kolchis zu führen und endlich sogar an Iasons Stelle zu setzen. In der Tat stellen die älteren Quellen entweder jede Teilnahme des H. an dem Argonautenzug in Abrede (Herodor. FHG II 35, 27. 37, 38; vgl. Schol. Apoll. Rhod. I 1289), oder sie lassen den Helden in Thessalien zurückbleiben (Κήυκος γάμος, Kinkel EGF 147. 169. Ew. Meier Quaest. Arg. 9ff. Herodot. VII 193), weil er ausgegangen war, um Wasser zu holen, oder (Pherekyd. FHG I 88, 67; vgl. Antim. PLG II⁴ 290 bei Schol. Apoll. Rhod. I 1289) weil Argo den H. als für sie zu schwer verkündigte, oder sie melden, daß H. in Kleinasien, als er Wasser holen wollte (Pind. bei Schol. Pind. Pyth. IV 303. Diod. IV 44) oder den Hylas suchte oder die Omphale aufsuchte (Ephor. FHG I 235, 9), von den Argonauten zurückgelassen wurde oder freiwillig zurückblieb. Nach Aristot. pol. III 13 p. 1284 a 23 haben die Argonauten den H. gewissermaßen ostrakisiert, weil er zu stark war. Aus diesen Sagenfassungen, die übrigens mehrfach durchkreuzt sind, z. B. so, daß H. zwar des Hylas wegen zurückbleibt, aber zu Fuß den Argonauten nachzieht (Theokr. XIII 75), läßt sich ein sicheres Urteil über das Alter der Sage von der Teilnahme des H. an dem kolchischen Abenteuer schwerlich gewinnen; es bleibt ein Spielraum von der Blütezeit des argivischen Heldenliedes bis zur hellenistischen Dichtung. Dafür, daß auch am lydischen Hofe von H. dem Argofahrer gesungen wurde, scheint zu sprechen, daß er in Kios und Kyzikos in dieser Eigenschaft Abenteuer besteht, die zur Verherrlichung der ionisch-lydischen Kolonisation bestimmt sind, dagegen, daß seine Dienstbarkeit bei Omptale mit diesen, wie sie wenigstens später erzählt wurde, sich schwer vereinigen läßt; aber es können verschiedene Fassungen nebeneinander bestanden haben, ja es ist sogar unwahrscheinlich, daß die einzelnen der lydischen Politik dienenden Sagenerfindungen und Sagenänderungen in einem zusammenhängenden Gedicht dargestellt waren, und außerdem ist der Inhalt jener Dichtungen nicht rein erhalten, sondern vermischt mit Zügen anderer Sagenfassungen, durch die alte Zusammenhänge zerrissen sein können. – Die übrigen Spuren von H. in diesen fernen Ostländern sind spärlich und jung. – Herakleia Sebaste (Sebastopolis, Herakleopolis) am Iris prägt auf den Münzen in der Kaiserzeit eine Statue ihres Eponymos in einem Tempel und verschiedene Athlen. – An der kaukasischen Küste des Pontos lagen zwei Vorgebirge Herakleion (o. Bd. VIII S. 500, 38ff.).

Die Südküste Kleinasiens.

Lykien, das vielleicht schon von Troizen und Argos aus, dann aber aus Rhodos und Ionien Ansiedler empfangen hatte, kann aus der zuerst genannten Stadt einzelne Bestandteile der späteren H.-Sagen, aus den drei anderen aber vollständige Sagen von H. geerbt haben; doch sind diese verschollen; nur die Münzen des Landes zeigen H. öfters (z. B. Journ. Hell. Stud. 1914, 41 nr. 34); [980] Patara prägt H. und Antaios, Phaselis vielleicht schon im 5. Jhdt. den Kampf des H. mit einem menschenköpfigen Stier. – Auch pisidische und pamphylische Münzen stellen Abenteuer des Helden dar, z.B. Sagalassos und Seleukeia den Hydrakampf. – Selge am Eurymedon, das zwar von Sparta gegründet sein wollte, aber ebenso wie das an dem gleichen Fluß gelegene Aspendos durch den argivisch-rhodischen Kulturkreis beeinflußt zu sein scheint, da der Eurymedon wahrscheinlich nach Perseus (o. Bd. VI S. 1335, 16) heißt, muß den H. mit der in der Gegend reichlich wachsenden Styraxpflanze in Verbindung gebracht haben, da die Münzen der Stadt ihn mit dieser Pflanze bekränzt oder auch H.’ Attribute neben ihr darstellen; vielleicht hängt dies mit der (S. 917, 35) erschlossenen Sage zusammen, wonach H. ursprünglich einen heiligen aromatischen Styraxstrauch für die Opfer in Olympia gepflanzt hatte. Auch das pamphylische Aspendos zeigt wenigstens in hellenistischer und römischer Zeit auf den Münzen H. und sein Attribut, die Keule.

In Kilikien haftet H. besonders in Tarsos fest, dessen Münzen im 4. Jhdt. den Löwenkampf, in der Kaiserzeit H. im Tempel und einen Teil des Dodekathlos (Löwe, Hydra, Stymphalides, Stier, Hesperiden) und die Antaiossage darstellen, Sagen, die in Argos und Rhodos entstanden sind, von wo aus Tarsos gegründet sein soll. H. wurde hier mit einem einheimischen, Ähren und Trauben spendenden (? Meyer Gesch. d. Altert. I² II 641; s. aber Böhlig Geisteskultur von Tarsos 22, der den mit Früchten behangenen Zeus Τέρσιος von H. sondert) Gott Sandes (Agath. hist. II 24, der allerdings von einem persischen Gott spricht; H. Σάνδης Μορρεύς, Nonn. Dionys. XXXIV 192; in den Eusebiosexzerpten und Übersetzungen ist der Name zu Desandas, Desandus, Desanaus, Disandan entstellt; nach Böhlig a. a. O. S. 30 steckt in Dē[i] ein hettitisches Adjektivum ,herrlich‘) oder Sandon (Joh. Lyd. mag. III 64, der den Namen mit der fleischfarbenen σάνδυξ, der Tracht des H. bei Omphale, zusammenbringt) ausgeglichen, der vielleicht auch als Sohn des H. galt (Basil. v. Thecl. II 15 bei Migne LXXXV 592; vielleicht soll Sandes vielmehr Beiname des H. sein). Gleich Sandon (Ammian. Marc. XIV 8, 3, wo Meyer Gesch. d. Altert. I² II 644 für ex Aethio liest et Aegis) wurde H. als Gründer von Tarsos betrachtet (Dio Chrys. or. XXXIII p. 408 R.) und erscheint auf den Münzen der Stadt seit dem 4. Jhdt., und zwar den Löwen würgend, also ganz griechisch, während der kilikische Sandon vom 2. Jhdt. abwärts in einem, wie es scheint, hettitischen Typus, meist in langem Gewande, auf einem (gehörnten, manchmal geflügelten) Löwen stehend mit Doppelbeil und Köcher auf Münzen dargestellt wird. Im 2. Jhdt. n. Chr. tritt nach Böhlig a. a. O. 51 an Sandons Stelle Antinoos Σωτήρ. H. hatte in der Stadt einen Tempel, in dem ihn spätere Münzen darstellen; sein Priester hieß στεφανηφόρος (Athen. V 54 p. 215 c). Über die πυρά, das Fest des tarsischen H,, das vielleicht die (übrigens, von Böhlig S. 41 sehr eingeschränkte) Gleichsetzung des H. mit Sandon veranlaßte (E. Meyer Reich u. Kult. d. Chet. 118), s. Dio Chrys. XXXIII p. 498 R. O. Müller Kl. Schr. II 102ff., der die Sardanapalsage vergleicht. [981] – Vgl. über H. in Tarsos Frazer Golden Bough IV³ 1, 172ff. Nach der benachbarten Stadt Anchiale erhielt H. eine gleichnamige Mutter, was auf den H. Ἰδαῖος (o. Bd. I S. 2104, 6ff.) übertragen ist. – Issos zeigt H. auf seinen Münzen im Anfang des 4. Jhdts. – Aus Soloi ist eine Weihung an H. und Hermes erhalten (OGIS 230). – Münzen aus Irenopolis und Diokaisareia. – Über Aigai s. A. Reinach Rev. ét. gr. XXVI 368, 2.

Auf Kypros, wo H. mit einem phoinikischen Gott verschmolzen ist, finden wir H. Μάλιξ (oder Μᾶλιξ, Hesych. s. Μάλικα) in Amathus, dessen Eponymos ein Sohn des H. heißt (Steph. Byz. 82, 11); der Malix pflegt trotz der ungewöhnlichen Bildung als Melech gedeutet zu werden; Welcker Griech. Götterl. II 787, 131 leitet den Namen von μᾶλον = Apfel ab und vergleicht den athenischen H. Μήλων. Die phoinikischen Könige von Kition stellen im 5./4. Jhdt. den H. in einem zum Teil noch an den phoinikischen Besa erinnernden Typus auf ihren Münzen dar, während die griechischen Tyrannen, z. B. Euagoras I. von Salamis, natürlich das rein griechische H.-Bild prägen lassen.

Syrien.

Daß bereits im 6. Jhdt. ein orientalischer Gott mit H. ausgeglichen war, beweisen zahlreiche in Syrien und Cypern gefundene Kunstwerke, die einen bärtigen oder unbärtigen, öfters mit einem Löwenfell bekleideten Mann darstellen. Er trägt in der Rechten eine Keule und hebt mit der Linken einen Löwen an den Hinterpranken empor. Diese zum Teil auch noch dem 5. Jhdt. angehörigen Werke sind mit Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2146 so zu erklären, daß der bereits feststehende Typus des griechischen H. auf einen orientalischen (ursprünglich hettitischen?) Gott übertragen ist. Über die Vermischung des H. mit dem von den Phoinikern übernommenen Besatypus s. Furtwängler ebd. 2144f.

In Pieria wird ein Herakleia (o. Bd. VIII S. 434, 22) erwähnt. Daphne (früher angeblich Herakleis genannt) wird als Gründung des H. bezeichnet, der dort der Sage nach auch die ersten Zypressen gepflanzt hatte (Malal. 204. 9 N. nach Paus. Damask., vgl. Hist. min. I 161 Dind.). Dem Orontes soll H. seinem Freund Archippos von Pella zu liebe einen Durchbruch bewirkt (Opp. κυν. II 115) und so die Entstehung des πέδον Ἡρακλῆπς (ebd. 149) herbeigeführt haben. Gewisse syrische Kühe sollten von den Rindern der Geryones abstammen (ebd. 100). – Eine Weihinschrift aus Nedjran (Cagnat Inscr. III 1172) nennt H. πατρικὸς θεός.

In Ake in Phoinikien war H. nach Claud. Iul. bei Steph. Byz. 59, 14 (538, 8) durch den Saft des Kolokasions von den Wunden geheilt worden, die ihm die Hydra beigebracht (u. S. 1035, 17). Ein Herakleia lag nach Steph. Byz. 303, 20 in Phoinike. Bei weitem die wichtigste phoinikische Kultstätte des H. war Tyros. Zu Herodots (II 44) Zeit gab es zwei Heiligtümer des Gottes; das eine, überaus reich ausgestattete sollte 2300 Jahre vor dem Berichterstatter gleich bei der Gründung der Stadt erbaut sein, es befanden sich zwei Säulen darin, die eine von geläutertem Gold, die andere von Smaragd (vgl. Plin. XXXVII 75). Wahrscheinlich lag dies Heiligtum in der Altstadt [982] (Iustin. hist. XI 10, 10); es ist dasselbe, das nach Menander FHG IV 446, 1 (bei Joseph. ant. VIII 5, 3; contra Ap. I 18) von Hirom gegründet sein sollte und dessen Weihgeschenke Iulius Caesar (Cass. Dio XLII 49) wegführte. Das zweite Heiligtum sollte von Thasiern erbaut und ebenfalls, wie aus dem phoinikischen H.-Heiligtum in Thasos und aus der Erbauungszeit – fünf Geschlechter vor der Geburt des griechischen H. – gefolgert wird, dem tyrischen Gott geweiht gewesen sein, der demnach von dem griechischen ganz zu trennen, dagegen einem der zwölf ägyptischen Götter gleichzusetzen sei. Nun wurde an einer der größten Kultstätten in Olympia ebenfalls ein H. verehrt, der von dem Heros gesondert und als göttliches Wesen betrachtet wurde und der überdies älter als der thebanisch-argivische H. gewesen sein sollte: der H. Ἰδαῖος. Die Folgerung lag sehr nahe, und nach der Wendung δοκέουσί μοι οὗτοι ὀρθότατα Ἑλλήνων ποιέειν usw. hat sie Herodot selbst schon gezogen oder auch vorgefunden, daß der Idaios eben jener tyrisch-ägyptische Gott sei, nach dem der Thebaner genannt wurde. Die Trennung dieses von dem Tyrier wird dann von vielen Späteren aufgenommen (z. B. von Luk. d. S. 3; Arrian. anab. II 16, 1). Oft wird der tyrische Philosoph H. (Palaiph. 52. Malal. chron. II 32 Dind. u. a.), der Erfinder der Purpurfärberei (Palaiph. 52. Io. Antioch. FHG IV 544, 6 § 16. Malal. a. a. O. Nonn. Dionys. XL 305. Poll. ὀν. I 45), auf die ihn ein Hund gebracht haben sollte, genannt. Die Sage ließ ihn nicht nur in die angeblichen oder wirklichen phoinikischen Kolonien, nach Thasos und in die Westländer, sondern auch nach Delphoi (Klearch. FHG II 320, 56 bei Zenob. V 48) gelangen. Da an die spanischen Kultstätten des phoinikischen H. die Sage von der Besiegung des Geryones verlegt wurde, mußten auch diese dem tyrisch-ägyptischen H. oder dem Idaios zugeschrieben werden. Diese Ansicht hat den Geschichtsforschern des Altertums Anlaß zu weiteren Vermutungen gegeben, von denen sich weit zerstreut Spuren finden (o. S. 932, 18 und 966, 18ff.); durchgedrungen aber ist sie nicht. Der Sieg über Geryones wurzelte zu fest im Dodekathlos, und auch die Sonderung des tyrischen H. von dem Heros hat außerhalb der gelehrten Kreise nicht viel Anklang gefunden. Ariatid. XL 10 K. entscheidet sich nicht; aber Alexander hat den tyrischen Gott, wie die Behandlung von dessen Heiligtum zeigt (Stellen bei Baege De Macedon. sacris 184f. Vgl. auch A. Reinach Rev. ét. gr. XXVI 370 A), für seinen Ahnherrn, also den griechischen H. gehalten, und offenbar als solchem wurde ihm ein penteterischer Agon (2. Makk. IV 19; vgl. die späteren Herakleia Kommodeia CIG 4472) gefeiert. Die Alexandergeschichte ergibt zugleich, was auch sonst vielfach bestätigt wird (z. B. Strab. XVI 2, 23 p. 757. Curt. IV 15. Aristid. XL 10 K. Macrob. Sat. I 20, 7), daß H., den bisher nur eine tyrische Inschrift (Dussaud Rev. hist. rel. LXIII 331ff.) nennt, in Tyros Hauptgott war. Unter seinen Schutz stellten sich tyrische Landsmannschaften im Ausland, wie die Herakleistai in Delos, die um 150 v. Chr. darum bitten, ihrem Schutzherrn ein τέμενος errichten zu dürfen (CIG 2271, 13ff.; vgl. o. Bd. ΙΙΙ S. 503, 53ff.). Auch sonst bezeichneten [983] mehrere Kultstätten ihren H. als den tyrischen (u. S. 1004, 26); die Karthager schickten dem H. ihrer Mutterstadt Zehnten (Iustin. hist. XVIII 7, 7), der Priester hatte nach dem Könige die höchste Ehrenstelle im Staat (ebd. 4, 5). Das Fest hieß Ἡρακλέους ἔγερσις (Menandr. bei Joseph. ant. VIII 5, 3. Abel Rev. bibl. 1908, 377ff. v. Baudissin Arch. f. Rel.-Wiss. XVI 411); die Festlegende, wie sie zu Anfang des 4. Jhdts. unter griechischem Einfluß erzählt wurde, enthielt wahrscheinlich die Geschichte von der Tötung des H. durch Typhon und seine Wiederbelebung durch Iolaos, der ihn an einer Wachtel riechen ließ (Eudox. bei Athen. IX 47 p. 392 d. Eustath. Od. XI 600. 1702, 52. Stark S.-Ber. Akad. Leipzig 1856, 132. Gruppe Gr. Kulte u. Myth. I 380f.). Die Eltern dieses wiederauflebenden H., als Eltern des tyrischen H. auch im Götterkatalog (Cic. nat. deor. III 42) bezeichnet, heißen Zeus und Asteria. Diese Ableitung beruht auf einer um die Wende des 5./4. Jhdts. erfolgten Ausgleichung delischer und tyrischer Legenden (Gruppe Handb. 242f.). Der phoinikische Name des ,Zeus‘ ist durch Philon Byblios (Euseb. praep. evang. I 10, 31 = 21) überliefert Ζεὺς Δημαροῦς [ὁ?] καὶ Ἄδωδος βασιλεὺς θεῶν; neben ihm steht als Königin Astarte. Da diese leicht der delischen Asteria gleichgesetzt werden konnte, dürfen wahrscheinlich beide Stammtafeln, die griechische und die phoinikische, als miteinander ausgeglichen, also auch Zeus als dem Demarus-Adod entsprechend betrachtet werden, zumal Demarus’ Sohn Μέλκαρθος (Hss. Μέλκαρθος) ὁ καὶ Ἡρακλῆς (ebd. 22 = 19) heißt. In der Tat ist Melkarth ,der Stadtkönig‘ oberster Gott oder wenigstens einer der obersten Götter von Tyros gewesen, wie dies von H. bezeugt ist; die Münzen der Stadt, die in hellenistischer Zeit seinen Kopf im Typus des lorbeergeschmückten H. mit Bartflaum an der Wange darstellen, zeigen ihn im 5. Jhdt. mit dem Bogen auf dem Seeroß über die Meere reitend. Er scheint daher der Schützer der tyrischen Kolonisation, ein Gott der Schiffahrt gewesen zu sein, womit wahrscheinlich die Angabe, daß Karthago seine Tochter sei (Cic. nat. deor. III 42), sein Grab in finibus Hispaniae (Arnob. I 36), die Legende von der Gewinnung der Purpurschnecke (o. S. 982, 29) und auch die Gleichsetzung mit dem H. Ἰδαῖος, dem Uberwinder des Geryones (o. S. 982, 21 ff.), zusammenhängen. Als Gott der Schiffffahrt gibt der tyrische H. bei Nonn. Dionys. XL 443ff. Anweisung zum Bau des ersten Schiffes; daß Nonnos ihn vorher im Gebet des Dionysos (369ff.) zum Sonnen- oder richtiger zum Allgott gemacht und ihn (392ff.) allen möglichen anderen Göttern gleichgesetzt hat, gehört dem Synkretismus der Kaiserzeit an und muß natürlich bei der Beurteilung des tyrischen Gottes außer Betracht bleiben; aber das Sternenkleid (ἀστροχιτών ebd. 408. 413. 416; vgl. 577f.; s. Dussaud Rev. hist. rel. LXIII 335f.), d. h. ein mit Sternen geschmücktes Gewand scheint das Kultbild wirklich getragen zu haben (Fr. Braun Hymnen bei Nonnos von Panop., Diss. Königsb. 1915, 12). Als Meergott ist Melkart am korinthischen Isthmos durch eine sehr künstliche Kultausgleichung, etwa um 600 v. Chr., dem Poseidon, zugleich aber des Namens wegen dem einheimischen Melikertes gleichgesetzt worden, der nun vom Delphin getragen [984] wird wie der tyrische Gott vom Seeroß; in Nachahmung von Olympia, dessen Spiele durch H. begründet sein sollten, erhielt aber auch Melikertes-Melkart Züge des H. Die damals geschaffene Legende muß später sehr verändert sein und läßt sich nicht wiederherstellen; aber der Name Palaimon, der von H. Palaimon (u. S. 1003, 44) nicht zu trennen ist, zeigt, daß auch Melikertes einmal als Ringer die isthmischen Spiele begründet haben muß. Die Kypseliden, die nachweislich Beziehungen zum barbarischen Orient unterhielten, haben die Gleichsetzung des Melkart und H. entweder geschaffen oder bereits vorgefunden.

Auch mit der jüdischen Überlieferung ist H. verknüpft worden; natürlich nur in Schriftwerken, ohne irgendwo festzuwurzeln. Nur weil der sonst unbekannte Gnostiker Iustinus in keinem andern Lande unterzubringen ist, muß seine Lehre hier erwähnt werden, daß der Vater alles Gewordenen, Elohim, den H. aussandte, um die 12 bösen Engel der Edem zu besiegen. Nachdem ihm dies gelungen, woraus die Griechen den Dodekathloe gemacht haben, erliegt H. zuletzt der Omphale oder Babel, Aphrodite (Hippol. ref. V 26 p. 226, 10; vgl. X 15 p. 518, 32Du.-Schn., Hilgenfeld Ketzergesch. 1884, 274).

Auch in Philistaia scheint H. dem in den semitischen Küstenländern verehrten Waseergott gleichgesetzt zu sein, der hier wie wahrscheinlich auch in Assyrien und wohl auch in phoinikischen Städten Dagon (o. Bd. IV S. 1985) hieß und in älterer Zeit vielleicht (trotz Dussaud Rev. arch. 1904, 211) mit einem Fischschwanz, später aber auf Münzen von Askalon (Dussaud a. a. O.) dem H. angeähnelt mit Harpe, Helm, Schild und Palme dargestellt wird. Ein Askalonit setzt dem H. Βῆλος eine Statue in Abukir in Ägypten, Arch. f. Papyrusf. II 450. – Gaza machte seinen Eponymos Azon zu einem Sohn des H. (Steph. Byz. 193, 20). Wenn die hebräische Simsonlegende Nachbildung und Verdrehung eines Mythos von Gaza ist (Gruppe Handb. 248f.), so scheint dessen Held von den Griechen nachträglich ihrem H. angeglichen zu sein. – In Iope, wo der Aithiopenkönig Kepheus geherrscht haben sollte, scheint einmal die Sage von dem Aithiopen (Diod. IV 27; vgl. Hesiod. θεογ. 984) oder Araber (Apollod. II 119) Emathion gespielt zu haben, den H. auf dem Zuge zu den Hesperiden (Pherek. FHG I 80, 339 bei Schol. Hesiod. θεογ. 984), oder weil er ihn am Brechen der Äpfel hinderte (Schol. Hom. Il. XI 5), getötet haben sollte. Die Verbindung Emathions mit Kepheus scheint alt; vgl. den Kephenen Emathion (o. Bd. V S. 2481, 11) und zu Kepheus’ Tochter Aerope (o. Bd. I S. 678) den Sohn Emathions Aeropos (Melisseus bei Schol. Hesiod. ἐ. κ. ἡ. p. 33 Gaisf.). Daß die Sage erst infolge einer Namensähnlichkeit nach der philistäischen Küste verlegt wurde, ist nicht anzunehmen, vielmehr haben wahrscheinlich Rhodier (Friedländer Her. 35, 2), Milesier oder Argiver die ursprünglich peloponnesischen Namen und vielleicht auch schon die damit zusammengebrachte Hesperidensage nach Iope gebracht, nachdem Emathion vielleicht schon in die makedonische (o. S. 954, 33) und in die troische Stammtafel eingeführt war.

Im inneren Syrien, und zwar in der Kyrrestika lagen ein Herakleion (o. Bd. VIII [985] S. 500, 21) und eine Stadt Herakleia (o. Bd. VIII S. 434, 26; vielleicht von Steph. Byz. 303, 20 mit Herakleia in Syrien gemeint). – Münzen von Leukas am Chrysoroas stellen in der Kaiserzeit H. dar. – Im Transjordanland hieß die alte Stadt Rabbat Ammon in hellenistischer Zeit Philadelpheia; Münzen zeigen in der Kaiserzeit ein Viergespann (Ἡρακλέῖον ἅρμα), das ohne Frage bei einer wichtigen Prozession dazu diente, Gegenstände des Kultus zu fahren. Das Herakleion war wahrscheinlich an die Stelle eines Tempels des ammonitischen Milkom getreten, vgl. Clermont-Ganneau Rev. arch. 1905², 209ff.; c. r. AIBL 1905, 584. S. auch über H. in Amman Jalabert Mél. fac. or. St. Jos. III 2, 749. – In Mesopotamien lag eine Stadt (Ἡρακλέους βωμοί (o. Bd. VIII S. 516); in der ,babylonischen Stadt‘ Enneapolis scheint H. dem Gott der ,Zeit‘ gleichgesetzt worden zu sein, womit erklärt wurde, daß ihm die Pappel als Symbol von Tag und Nacht heilig sei (Schol. Verg. Georg. II 66 bei Thilo-Hagen III 2 p. 287; s. u. S. 1105, 21). In Assyrien wurden dem H. an seinem Tempel am Berg Sanbulos, auf ein Traumorakel hin, das die Priester erhalten hatten, Jagdpferde und Köcher mit Pfeilen zur Verfügung gestellt; der Gott sollte damit im Waldgebirge viel Wild erlegen, dessen Stätte er in einem zweiten Traumgesicht zeigte (Tac. ann. XII 13). Der hier dem H. gleichgesetzte Gott ist vielleicht Verethragna (v. Gutschmid bei Ersch-Gruber I LXXV 51), der auf Inschriften von Kommagene (OGIS I 383, 55. 386, 7. 404, 21) als Ἀρτάγνης oder Ἄρταγνος dem H. Ἄρης gleichgesetzt wird.

Innerasien.

Bei Rhagai in Medien lag ein Herakleia (Apollod. Artemit. FHG IV 308, 4; vgl. o. Bd. VIII S. 436, 30). – Alexandreia in Sogdiana, die Stadt Alexanders d. Gr., wollte trotzdem zwei von H. und Dionysos gestiftete Altäre besitzen (Plin. n. h. VI 49). – Der Flußgott Araxes galt als Vater der Echidna, mit der H. den Agathyrsos zeugte (Alb. Taf. 293, bei Jahn Bildchron. 72; o. S. 957, 40).- Die Albaner wollten dem H., als er mit den Rindern des Geryones bei Alba Longa vorbeizog, gefolgt sein (Iustin. hist. XLII 3, 2). H. erscheint hier als morgenländischer König (ebd. XLIV 4, 15). Über Verehrung des H. im Kaukasus s. Duris FHG II 474, 19 bei Schol. Apoll. Rhod. II 1249.

Daß H. auch nach Indien gelangt sei (Plin. n. h. IV 39), scheint schon Alexander angenommen zu haben (Strab. III 5, 5 p. 171); doch erkannte das spätere Altertum, daß diese Sage jung sei (Strab. XI 5, 5 p. 505); wenn Strab. XV 1, 9 p. 688 sagen will, daß der indische Zug in dem unter Peisandros’ Namen umlaufenden Epos gestanden habe, so scheint er dessen Dichter für einen τῶν κολακευόντων Ἀλέξανδρον gehalten zu haben. In der Tat können die indischen H.-Sagen meist erst nach Alexanders Zug entstanden sein. Herakleia ἐν Σίβαις (= μεταξὺ Σκυθίας καὶ Ἰνδικῆς; Steph. Byz. 303, 19), wahrscheinlich eine Gründung des makedonischen Eroberers (o. Bd. VIII S. 436, 18), galt dennoch als von H. erbaut (Alban. Taf. 312 S. 73 bei Jahn Bilderchronik); die aus Tierhäuten bestehende Kleidung, [986] die Bewaffnung mit Keulen und die Sitte, den Rindern und Mauleseln Keulen einzubrennen, die in dem Lande herrschten, wurden mit der Abstammung der Sibai von H. erklärt (Strab. XV 1, 8 p. 688). Einen vom Indos bespülten Felsen Aornos, den Alexander gleich erobert, sollte H. dreimal vergeblich bestürmt haben (ebd.; vgl. Iustin. hist. XII 7, 12. Oros. adv. pag. III 19, 2 und 6). Dies ist wohl frei zum Ruhm Alexanders erfunden; in andern Berichten scheint ein orientalischer Gott oder Heros (Hesych. s. Δο[ρ]σάνης ὁἩρακλῆς παρ’ Ἰνδοῖς. Vgl. aber Gruppe Handbuch 1517, 4 Hoefer Myth. Lex. IV 325, 51ff.; vgl. u. S. 1103, 23. Nach Cic. nat. deor. III 42 ist der fünfte H. in India, qui Belus dicitur) dem H. gleichgestellt worden zu sein. Durch Stärke und Tapferkeit soll dieser indische H., der als Gründer von Palibothra und anderer Städte galt und von dem sich in Alexanders Zeit indische Fürsten ableiteten, alle Menschen übertroffen haben und deshalb göttlicher Ehren teilhaft geworden sein; seine Tracht war das Löwenfell, seine Waffe die Keule (Megasth. FHG II 404 bei Diod. II 39; vgl. FHG II 418, 23 bei Arrian. Ind. 8). Demnach scheint unter oder bald nach Alexander eine Ausgleichung des indischen Gottes mit dem griechischen Heros eingetreten zu sein, die aber nur so weit durchdrang, daß später neben dem griechischen auch ein indischer H. angenommen wurde. Als Tochter dieses galt Pandaia (Polyaen. I 3, 4. Megasth. FHG II 418, 23), die mythische Herrscherin über das Amazonenvolk der Pandai (Plin. n. h. VI 76). – Endlich soll H. auch auf Taprobane verehrt (Plin. n. h. VI 89) gewesen sein.

Selbst das abgelegene Arabien hatte seine H.-Sage. Die sonst ungastlichen Einwohner von Dedebai nahmen die Peloponnesier und Boioter freundlich auf διά τινα μυθικὴν ἀφ’ Ἡρακλέους ἱστορίαν (Agatharch. bei Phot. bibl. 458 a, 5). Apollod. II 119 verlegte Emathion nach Arabien.

Ägypten.

Nach Herodot. II 43 (Arrian. anab. II 16, 2) galt H. in Ägypten als einer der zwölf Götter; vgl. Aristid. or. XL 10; als ägyptischen König bezeichnet ihn Manetho FHG II 531 a, als ägyptischen Vizekönig zur Zeit des Osiris Diod. 1, 17 (vgl. 19), als uralten Eingeborenen Tac. ann. II 60. Cic. nat. deor. III 42 nennt den zweiten H., den ägyptischen Verfasser der Φρύγια γράμματα, einen Sohn des Nil. – Die Griechen haben verschiedene altägyptische Götter ihrem H. gleichgesetzt. Die Münzen, die H. mit den Widderhörnern des Ammon darstellen, beziehen sich zwar auf Alexandros, der von dem griechischen Heros und dem ägyptischen Gott abstammen wollte, jedoch ist Ammon mit Chnum verschmolzen und dieser wird andrerseits auch dem Har-schef, dem Gott von Groß-Herakleopolis, angeglichen, der wegen des griechischen Namens seiner Stadt von Neueren (z. B. Brugsch Rel. und Myth. d. alten Ägypt. 303ff. Wilcken Arch. f. Papyrusf. II 312. 317) gewöhnlich dem H. gleichgesetzt wird, und den deshalb Reitzenstein Poim. 164f. auch in dem von Cic. a. a. O. genannten Verfasser der Φρύγια γράμματα erkennt. Freilich bezeichnet Plut. Is. 37 den offenbar dem Har-schef entsprechenden Arsaphes vielmehr als Dionysos (danach zu berichtigen o. [987] Bd. VIII S. 515, 34). Chon nennt den ägyptischen H. Etym. M. 816, 27; das ißt wahrscheinlich Chonsu (Spiegelberg Recueil trav. rel. à. la phil. et à l’archaeol. ég. et ass. XXVIII 181), den Reitzenstein Zwei religionsgeschichtl. Fragen 95, gestützt auf eine schlechte Konjektur (Parmentier Rech. sur le traité d’Is. et d’Osir. 15ff.) zu Plut, Is. 29 die er für Überlieferung hielt in dem zweiten Hercules Ciceros sah. Das ist ganz unsicher, dagegen ist in Theben Diospolis Chonsu wirklich dem H. gleichgesetzt worden, da sein Tempel oder dessen Vorhof Herakleion oder Ἡρακλέους δρόμος (o. Bd. III S. 2371, 34ff.) heißt. Vgl. über die Verbindung des Hermes mit H. Chonsu Milne Journ. Hell. Stud. 1901, 281ff. Arch. f. Papyrusf. II 5. 35 nr. 35. – Gignon (Γιγνῶν) oder Gigon heißt der ägyptische H. nach Hesychios. Auch dem Harpokrates wird H. vielleicht gleichgesetzt, da jener auf Münzen des Nomos Prosopites mit der Keule dargestellt wird; vgl. die Inschrift von Priene 194 und dazu Rusch De Ser. et Iside in Graec. cult. 1907, 46. A. Reinach Rev. ét. gr. XXII 326 (s. auch u. Z. 40). Nach Paus. X 17, 2 (u. S. 990, 25) haben Ägypter und Lyder den Makēris, dessen Sohn Sardos Libyer nach Sardinien führte, nach Manetho im armenischen Eusebios (V p. 68, 24) den tomitischen König Osorthon (Osthoron), H. zubenannt. H. Harpokrates wird von Eratosth. bei Georg. Syncell. p. 109 (= 205 ed. Bonn.) als Semphrukrates bezeichnet, wofür Semphukrates vermutet ist. Endlich nennt Plut. Is. 41 den in der Sonnenbarke herumkreisenden Gott H. Vgl. zum ägyptischen H., der nach Herodots (II 43ff.) Vorgang oft dem tyrischen gleichgesetzt wird, Diod. I 24. Philostr. v. Ap. V 4. Macrob. Sat. I 20, 4. Eustath. Il. V 638ff. p. 589, 42.

Von den einzelnen Kultstätten lag eine der berühmtesten nahe Alexandreia an dem nach Osten zu auf den Kanobos folgenden Nilarm (Strab. XVII 1, 18 p. 801), der deshalb als dem H. geweiht galt (Tac. ann. II 60; Ἡρακλεῖον στόμα, Schol. Od. IV 228 nach Hellan.). Jeder Flüchtling, der sich durch ein Stigma dem Gott zu eigen gab, war geschützt (Herodot. II 113. Eustath. Od. IV 228 p. 1494, 1). An diesen, wahrscheinlich schon im 6. Jhdt. von Rhodiern oder Ioniern angelegten Kult knüpften natürlich später die Alexandriner an, die viele Abenteuer des H. auf ihre Münzen setzten, und auch ebenso wie die Antinoupoliten (o. Bd. VIII S. 503, 3) einen Demos Herakleios hatten (Bull. soc. arch. Al. II 2 S. 183). Einen nach H. genannten ägyptischen Nomos erwähnt Aelian. hist. an. IV 54. – Über mehrere Städte des Namens Herakleopolis, von denen eine dem H. Arsaphes (o. S. 986, 67) heilig war, s. Strab. XVII 1, 39 p. 815. Joseph. bell. Iud. IV 11, 5. Plin. n. h. V 50, vgl. 61. Arch. f. Papyrforsch. II 317. – Nach Memphis (Schol. Apoll. Rhod. IV 1396 mit der subscr. Pherekyd.) verlegt die Sage die Tötung des Busiris, des Sohnes von Poseidon und Lysianassa, und seines Sohnes Amphidamas (Apollod. II 116) oder Iphidamas sowie des Heroldes Chalbes (Schol. Apoll. Rhod. IV 1396). Die literarische Überlieferung der Sage, die bei Tzetz. chil. XII 137 (vgl. II 260) auf den ägyptischen H., einen Anführer im [988] Dienst des Osiris-Dionysos, übertragen wird, ist o. Bd. III S. 1074ff. gesammelt (Nachträge bei Gruppe Handb. 492, 6), von den Kunstwerken ist das älteste ein altionisches Vasenbild aus Caere, das den Busiris erschlagen auf der Prothysis des Altars zeigt, während H. zugleich sechs Ägyptern mit Händen und Füßen den Garaus macht (Furtwängler-Reichhold Griech. Vasenm. I Taf. 51). Von jüngeren Vasenbildern vgl. die Hydria in München, ebd. II Taf. 73 b und die Hydria Epiktets im Brit. Mus. (ebd. II Taf. 73 a). Die Sage ist wahrscheinlich durch milesische oder karische Söldner im 7. oder 6. Jhdt. gedichtet, die spöttisch auf die verachteten Einheimischen herabsahen; den Namen Busiris führen mehrere ägyptische Örter, darunter ein nicht fern von Memphis gelegener; doch haftete die Sage vielleicht nicht gerade hier. Über einen σύνοδος τοῦ Ἡ.. in Philai s. Arch. f. Papyrf. III 359f. 363.

Das übrige Afrika.

Nach Agatharchides bei Phot. bibl. 443 a, 38 durchwanderte H. allein Afrika, vielleicht ist er es, den Hesych. Λιβυφοίτην (vgl. FHG III 475, 38) nennt. Er soll das Land von wilden Tieren und Räubern gesäubert (Schol. Apoll. Rhod. IV 1396 mit der subscr. Pherekyd. Diod. IV 17), daselbst im Innern die Stadt Hekatompylos (ebd. 18; vgl. o. Bd. VII S. 2797) gegründet und eine Quelle gefunden haben (Apoll. Rhod. IV 1445ff.). Eine libysche Stadt soll (Steph. Byz. 303, 17) Herakleia, eine andere nach einem Lieblingsknaben des H. Phrix (Schol. Apoll. Rhod. I 1207) geheißen haben. Das Ammonion besuchte H. nach Arr. ἀν. III 3, 1. Eustath. Dion. II 11. In Irasa (Schol. Pind. Pyth. IX 185 a nach Pherekyd., vgl. FHG I 80, 33 c und d) wurde (der ursprünglich rhodische? Blinkenberg Herm. L 284f.) Antaios (= ägypt. Entajje? Sethe Ztschr. f. äg. Spr. u.Altt. XLVII 58. Oder = Set? Roeder ebd. L 86; vgl. Myth. Lex. IV 731, 21) von H. überwunden, vgl. o. Bd. I S. 2339, Callim. epigr. inc. 10 Schn. Alban. Taf. 357. Plut, Thes. 11. Luc. Phars. IV 597ff. Philostr. εἰκ. II 21. Intp. Serv. Aen. VIII 299. Tzetz. chil. V 265 (rationalistische Umdeutung); das Vasenbild des Euphronios ist jetzt am besten veröffentlicht bei Furtwängler-Reichhold Griech. Vasenm. II 92; ebd. II S. 174 nr. 59 eine der Schalen des Brit. Mus. Die Vasenbilder sind am vollständigsten gesammelt bei Klein Euphr.² 122ff., die Münzen (z.B. von Patara und Tarsos) bei Bräuer Ztschr. für Numism. 1910, 98ff. H. ist, nach Euseb. praep. evang. IX 20, 5 von Afer und Afra begleitet, auf dem Zuge nach den goldenen Äpfeln (Pherekyd. FHG I 78, 33. Apollod. II 116. Diod. IV 27 u. a.) oder gegen Geryones (Diod. IV 17) nach Libyen gekommen. Als er mit Antaios gerungen, versinkt H. in Schlaf und wird von den Pygmaien angegriffen (Philostr. εἰκ. II 22; vgl. Jahn Arch. Beitr. 427f.); den Diskos des Antaios erhält nach der Eroberung Troias Telamon (Quint. Smyrn. IV 445ff.), die Knochen des Riesen kommen nach Olympia (Schol. Lykophr. 663). Daß H. mit dem Weib des Erschlagenen, Tinge, einen Sohn zeugt (o. Bd. I S. 2340, 40), soll dessen Nachkommen, die mauretanischen Könige, zugleich als Erben des alteinheimischen Fürstenhauses erscheinen lassen und die Verwandtschaft mit den vornehmen Geschlechtern [989] herstellen, die sich von H. ableiteten. Eine merkwürdige Abwandlung der Antaiossage bietet Didym. p. 361 frg. 3 Schm. bei Mal. IV 86, 17 N.). H. sowohl wie Anteon – so heißt der Riese hier – sind μυστικοί, d. h. wahrscheinlich Zauberer, und zwar macht er γήινά τινα, damit ist wohl gemeint, daß er irgendwie mit Hilfe der Erdkraft zauberte (?). Er wird von H. besiegt, aber dieser verfällt in eine Krankheit und stürzt sich selbst ins Feuer, wo er stirbt. Anteon ist sonst nur als Sohn des H. und Vorfahr von Didymos’ Zeitgenossen Antonius bekannt (Plut. Ant. 4); aber beide Gestalten sind schwerlich gleichzusetzen, vielmehr ist wahrscheinlich der H. Sohn der Enkel des Riesen, geboren von dessen Tochter, die sich dem H. ergeben haben sollte. Diese Tochter des Antaios begegnet schon in der älteren Sage; aber hier ist es Alexidamos, der Ahn des Kyrenaiers Telesikrates, der sie gewinnt (Pind. Pyth. IX 120) und dessen Nachkommen deshalb rechtmäßige Erben der einheimischen Fürsten sind. Als Antonius in Ägypten gebot, wurde diese Sage auf ihn (Caspari Cl. Rev. XXV 11) übertragen, nur trat statt des unbekannten Alexidamos der berühmteste griechische Held, zugleich der Ahnherr der Kleopatra, ein, der auch den Antaios oder, wie der Name jetzt umgeformt wurde, den Anteon besiegt hatte. Der Schluß der Sage, die Verbrennung, scheint zugleich zwischen der von Eudoxos bezeugten phoinikischen (o. S. 983, 12) und der oitaischen Sage vermitteln zu sollen. – In Kyrene wollte das Königshaus der Battiaden von H.’ Schwester Laonome, der Gattin des Euphemos, abstammen (Schol. Lykophr. 886. Schol. Pind. Pyth. IV 15 a. 79 a). Seit dem 6. Jhdt. wurde das Hesperidenabenteuer des H. in die Kyrenaika verlegt. – Einen Altar des H. an der afrikanischen Küste erwähnt Strab. XVII 3, 3 p. 826. – Kapsa war nach Sallust. Iug. 89, 4 von dem libyschen, nach Oros. ad pag. V 15, 8 von dem phoinikischen H. gegründet – Karthago, dessen Eponym als Tochter des (tyrischen) H. galt (o. S. 983, 41) und das später den H. der ältern Alexandermünzen nachprägte, hatte wahrscheinlich den Melkart dem griechischen H. gleichgesetzt; einen sacerdos Herculis erwähnt Oros. adv. pag. IV 6, 8. – In der numidischen Stadt Simithu sollte H. den Antaios überwunden haben (Schol. Stat. Th. VI 869 (894). – Die Pharusier galten als Nachkommen der Perser, die den H. auf dem Hesperidenzug begleitet hatten, Plin. n. h. V 46. In Mauretania hatte das Vorgebirge Ampelusia an der Straße von Gibraltar eine dem H. heilige Höhle (Pomp. Mel. I 5); vielleicht lag hier πρὸς ταῖς Ἡρανκλέους στήλαις Melos oder Belos, von wo H. ἐκ τῆς Λιβύης die goldenen Äpfel geholt haben sollte (Steph. Byz. 166, 22ff.). An der Westküste wollte Tingis (Tanger) von Antaios gegründet sein (Plin. n. h. V 2); mit Antaios’ Gattin Tinge sollte H. den Sophax gezeugt haben (Plut. Sert. 9 nach Iuba FHG III 471, 19). – Auch in Lixos (Lynx) wurde von Antaios erzählt, den H. hier niedergerungen habe (Plin. n. h. V 3); man zeigte dort sein Grabmal und sein Skelett (Strab. XVII 3, 8 p. 829; vgl. Mela III 10); der Hesperidengarten wurde ebenfalls hierher verlegt (Plin. a. a. O. XIX 63); H. hatte hier einen Altar und ein Heiligtum, das noch [990] älter sein sollte, als das von Gades. – Endlich ist an dieser Küste noch das Ἡρακλέους ἄκρον (o. Bd. VIII S. 516) zu erwähnen.

Inseln im westlichen Mittelmeer.

Auf den Balearen sollte sich H.’ Sohn Tlepolemos angesiedelt haben, Apollod. ep. VI 15; offenbar suchten Rhodier damit ihr Anrecht auf die Insel zu begründen. Daß eine örtliche Überlieferung dort den Geryones wohnen ließ, der ebenfalls mit den Rhodiern nach dem Westen verpflanzt ist, folgt aus der Erklärung von dessen Dreigestalt, die den drei Baleareninseln entsprechen sollte (Serv. Aen. VII 662).

Über eine liparische Insel Herakleia vgl. o. Bd. VIII S. 439.

In Malta ist H. Ἀρχηγέτης, wie die zweisprachige Inschrift IG XIV 600 zeigt, [,unserm Herrn Melkart Baʿal‘] von Tyros gleichgesetzt worden; vgl. dazu A. Mayr Die Insel Malta im Altertum 1909, 121. Ein Heiligtum des H. bezeugt daselbst Ptolem. geogr. IV 3, 37. Münzen zeigen den Kopf des H. (als Agonalgott?) neben dem Caduceus.

Auf Sardinien, dessen Eponym Sardos als Sohn des libysch-ägyptiscHen H. Makēris galt (Paus. X 17, 2), lag ein Hafen des H. (o. Bd. VIII S. 613, 65) und eine Stadt Herakleia (Steph. Byz. 303, 17). H.’ Söhne von den Thespiaden sollten mit ihrem Vetter Iolaos, der auf der Insel verehrt wurde (v. Baudissin Adonis und Esmun 287) und ein Grabmal hatte (Paus. IX 23, 1. Solin. 14, 12 M.²), nach Sardinien gekommen sein (Diod. IV 29. V 15. Strab. V 2, 7 p. 225. Ps.-Aristot. θ. ἀ. 100. Paus. VII 2, 2. X 17, 4). Da Iolaos einen Kult auch in Athen hatte (Paus. I 19, 3) und da die Thespiadensage in den Westländern der perikleischen Kolonial- u. Handelspolitik folgt, da ferner Athener Ogryle in Sardinien nach dem attischen Demos Agryle genannt haben sollen und da endlich die Teilnahme der Athener an dem Zuge des Iolaos ausdrücklich hervorgehoben wird, so ist wahrscheinlich dieser Teil der sardinischen Sage von athenischen Ansiedlern im 5. Jhdt. geschaffen worden, die ihren Iolaos einem einheimischen Gott oder Heros mit einem vielleicht ähnlich klingenden Namen gleichgesetzt haben mögen (v. Baudissin Adon. Esm. 294ff.). Während Iolaos Olbia im Norden der Insel angelegt haben soll (Paus. X 17, 5), scheinen an der Südküste in Nora sich Spuren älterer chalkidischer Niederlassungen zu finden, auf die auch die sardinische Aristaiossage (Paus. X 17, 3) zurückgehen mag; denn wenn die Einwohner ihren Eponym Norax zu einem Sohn des Hermes und der Erytheia, einer Tochter des Geryones, machten (Paus. X 17. 5. Steph. Byz. 279, 7), so weist dies vielleicht darauf hin, daß in Nora wie in andern chalkidischen Pflanzstätten das Land Erytheia wiedergefunden wurde.

Wichtiger als die genannten Inseln ist für die H.-Überlieferung Sizilien (vgl. Ciaceri Culti e miti nella antica Sic. 275ff.), über die namentlich Diod. IV 23f. (nach Timaioes Geffcken Tim. 108) ausführlich berichtet. Bloß literarische Verbreitung dieser Sagen (Friedländer Her. 145) ist nicht anzunehmen, am wenigsten von der wichtigsten, der Geryonessage, deren durch zahlreiche Spuren erwiesene Ansetzung in Sizilien sehr alt sein muß, da sie Stesichoros [991] schon aufgegeben hat. Andrerseits geht aber Maass Österr. Jahresh. 1906, 164, 67 zu weit, wenn er Sizilien für die eigentliche Heimat der Geryonessage hält (s. dagegen Friedländer Her. 136, 1); vielmehr ist Geryones als Gott – nicht als das von H. überwundene Ungeheuer – wahrscheinlich durch Chalkidier wie in viele andere Pflanzstädte so auch in die des nordöstlichen Siziliens übertragen worden, hat dann freilich wie gewöhnlich den H. nach sich gezogen und schließlich, nachdem durch Rhodier die spanische Ansetzung von Erytheia zur Herrschaft gebracht war, fast überall nur den H. als Zeugen seiner einstigen Verehrung auf Sizilien zurückgelassen. Mit Geryones war vielleicht Iolaos, der ebenfalls in vielen sizilischen Städten verehrt ward (Diod. IV 30), verbunden. H. selbst konnte natürlich auf verschiedene Weise nach der Insel gelangen, u. a. auch durch rhodische Ansiedler an der Südküste der Insel; aber daß nur sie und die sehr unsicheren kretischen Zuwanderer den Mythos auf der Insel verbreiteten (Maass a. a. O. 145), ist wenig wahrscheinlich. – Von den einzelnen Gemeinden Siziliens hat Agyrion im Gebiet von Leontinoi den Kult des Geryones, der hier ein angeblich von H. selbst geweihtes τέμενος besaß (Diod. IV 24) und dem einst wohl auch der (zu Heilungen benützte?) Teich vor der Stadt heilig gewesen ist, ebenso wie den des Iolaos, der auf Münzen des 4./3. Jhdts. erscheint, wahrscheinlich von Chalkis empfangen, von wo die Leontiner ihre Vorfahren gekommen sein ließen; natürlich wurde auch H. dort verehrt, nach dem später jener Teich und auch ein Stadttor genannt war und dem ein jährlicher ἀγὼν γυμνικὸς καὶ ἱππικός gefeiert wurde (Diod.). Vielleicht gehört in diese Gegend auch Pediokrates (Pediakrates Diod. IV 23), der dem H. die Rinder des Geryones nehmen wollte (Xenag. bei Macrob. Sat. V 19. 30). – Akragas hatte nicht weit vom Markt einen berühmten H.-Tempel, dessen Statue durch die Küsse der Verehrer schon etwas gelitten hatte (Cic. Verr. II IV 43, 94); die gewöhnlich auf diesen Tempel bezogenen Trümmer eines Baus aus dem Ende des 6. Jhdts. gehören nach Koldewey-Puchstein Griech. Temp. in Unteritalien 139 vielleicht einem Apollonheiligtum an. – In Egesta sollen die Nymphen Thermen zur Erholung für H. haben strömen lassen. Vielleicht lagen diese Quellen an den Abhängen des zum Gebiet von Egesta gehörigen Eryx, dessen Eponym mit H. um den Besitz der Rinder des Geryones gestritten haben sollte (o. Bd. VI S. 604ff.; zum Ἔρυκος πεδίον, o. Bd. VI S. 605, 30, vgl. jetzt Eitrem Opferrit. u. Voropfer 312): dann ist Geryones wahrscheinlich durch Eryx ersetzt worden und hat ursprünglich auch an den Thermalquellen gewaltet. Später versuchte Dorieus im Gebiete des Berges eine Stadt Herakleia anzulegen (o. Bd. VIII S. 436, 59. Pareti Stud. sic ed ital. 1ff.); ein zweites Herakleia erstand, als die spartanischen Kolonisten um 500 Minoa umnannten (s. Bd. VIII S. 437, 50ff.). – Die heißen Quellen von Himera hatten nach der Sage die Nymphen auf Athenas Wunsch für H. strömen lassen (Diod. IV 23. V 3. Schol. Pind. Ol. XII 27 b. c); vielleicht galten auch diese Thermen ursprünglich als dem Geryones heilig, doch hat schon im 6. (?) Jhdt. ein [992] Dichter von Himera, Stesichoros, den Unhold nach Tartessos verlegt. – Das Vorgebirge Inykon nennt Vib. Sequ. VI 9 gratum Herculi. – Kamarina prägte vielleicht in der Zeit der karthagischen Herrschaft Melkarts Kopf als den des bärtigen H. mit dem Löwenfell auf die Münzen (Soltmann Num. Chron. 1910³, 232); die Griechen haben ihn hier schon im 5. Jhdt. auch unbärtig dargestellt (Münze des Münzschneiders Exakestidas). – Kephaloidion, auf punischen Münzen des 4. Jhdts., wie es scheint, רשמלקרח‎ genannt, weil man den Namen der Stadt auf den Kopf ihres Hauptheros bezog, hat auch in griechischer Zeit oft den H. auf die Münzen gesetzt; eine Weihung an ihn enthält IG XIV 349. – In Leontinoi sollte H. freundlich aufgenommen sein (Diod. IV 24) und die Laistrygones, die ihm die Rinder des Geryones entwenden wollten, niedergeschossen haben (Schol. Lykophr. 662). Die Ähnlichkeit dieser Sage mit der von den Gegeneis in Kyzikos ist bemerkenswert, weil schon bei Hom. Od. X 107ff. in der Laistrygonensage kyzikenische Namen auftreten und jene mysischen Unholde den Laistrygonen auch wesensverwandt sind (Mayer Gig. u. Tit. 126); doch scheint H. unabhängig in beide Sagen eingeführt zu sein. – In Messana galt H. neben Poseidon als Retter aus Seegefahr (Aristid. XL 12). Dazu stimmt, daß er das den Schiffen gefährliche Ungeheuer Skylla (Lykophr. 44. Schol. Od. XII 85 verweist auf Dionys. FHG II 10, 8) tötete, weil sie ihm einige der Geryonesrinder geraubt hatte, worauf sie dann freilich durch ihren Vater wieder lebendig gemacht sein mußte, weil sie den Odysseus bedrohen sollte. Andere übertrugen den Rinderraub auf Charybdis (Serv. Aen. III 420. Myth. Vat. II 170. Schol. Vindob. Hor. a. p. 145; vgl. o. Bd. III S. 2195, 9. Baehrens Stud. Serv. I 50) und ließen diese durch Zeus’ Blitz ins Meer gestürzt und zum Ungeheuer werden. – Motye sollte nach Hekataios (FHG I 3, 47 bei Steph. Byz. 457, 8) den Namen einer Frau verdanken, die dem H. die Räuber seiner Rinder nannte. – Auf den Münzen von Selinus wird H. mit dem Stier dargestellt (Ztschr. f. Numism. 1910 Taf. III 2), auf einer Inschrift aus der Mitte des 5. Jhdts. (IG XIV 268) erscheint H. unter den Göttern, denen der Sieg der Stadt zugeschrieben wird. – Solus sollte nach einem ungastlichen Eingeborenen heißen, den H. tötete (Steph. Byz. 581, 20). Von diesem zeigen auch viele Münzen der Stadt den Kopf mit oder ohne Bart, immer aber ganz griechisch, wie auch der Stierkampf des griechischen H. im 5. Jhdt. geprägt wird; dieser scheint also auch hier, da die Stadt meist in den Händen der Phoiniker war, an die Stelle des Melkart getreten zu sein. – In Syrakus sollte H. an der Kyanequelle den Dienst der Demeter und Kore eingerichtet haben (Diod. IV 23. V 4); wegen der Verehrung der Kore war er nach Plut. Nik. 1 den Syrakusanern besonders freundlich. Diese stifteten ihm ein Herakleion (Plut. Nik. 24, 5), ehrten ihn als [κ]ρατε[ρό](φρων (SIG² 219, 7) und setzten seit dem 5. Jhdt. seinen Kopf auf ihre Münzen. – Aus Tauromenion ist eine Weihinschrift an H. und Hermes (IG XIV 432, 7) erhalten. – An den Thybrisfluß (die Lesart ist zweifelhaft; vgl. auch Eustath. Dionys. perieg. 350 a. E.) sollte [993] H. mit den Rindern des Geryones gekommen sein.

Italien.

Über H. in Italien vgl. Dion. ant. I 39ff., über die Herculessagen und Kulte s. o. Bd. VIII S. 550ff. – Das Land sollte von der δάμαλις {vitula) heißen, die dem H. entlaufen (Dion. I 35. Tzetz. chil. II 344 u. a.).

Calabria. Brentesion machte seinen Eponymos Brentos zum Sohn des H. (Steph. Byz. 185, 13). – Am Iapygischen Vorgebirge hatte nach Ps.-Aristot. θ. ἀ. 97 H. gegen die Giganten gekämpft; von deren ἰχώρ sollte das Meer stinken (ebd.); nach Strab. VI 3, 5 p. 281 (vgl. M. Mayer Apul. 393) waren die aus Phlegra in Kampanien vertriebenen Leuternioi oder Giganten hier bei Leuka unter der Erde verborgen, und eine Quelle war davon übelriechend geworden. Einen Stein, so groß, daß zu seiner Fortschaffung ein Wagen erforderlich war, hatte der Held, wie die Eingeborenen behaupteten, mit einem Finger bewegt (ebd. 98). Die Münzen von Uzentum zeigen H. mit dem Füllhorn. – Baletias Eponyme sollte dem H. den Brettos geboren haben, Steph. Byz. 186, 7. – Tarent nennt Verg. Aen. III 551 Herculeum, nach Interpol. Serv., weil der Eponym ein Sohn des H. war; nach einem unsinnigen Scholion bei Thilo-Hagen III 2, 299, weil der Held von dort stammte; nach Servius, weil die Könige von Tarents Mutterstadt Sparta sich von ihm ableiteten, in Wahrheit vielleicht, weil eine dem Dichter vorliegende Sage den H. zum Gründer der Stadt machte. Die Tarentiner verehrten H. Ἐριδανάτας (? Hesych. s. v.; s. u. S. 1002, 17). Vgl. über H. in Tarent o. Bd. VIII S. 585, 50}}. Die Münzen der Stadt stellen ihn öfters dar, z. B. im Kampf mit den Rossen des Diomedes (Ztschr. f. Numism. 1910 Taf. III 17). Berühmt war die tarentinische H.-Statue des Lysippos, die Fabius Maximus nach Rom brachte (Strab. VI 3, 1 p. 278. Plin. n. h. XXXIV 40. Plut. Fab. 22; anderes bei Overbeck Schriftqu. 278 no. 1468ff.).

Lucanien. Die Statere von Metapont zeigen am Ende des 5. Jhdts. den Kopf des H. im Löwenfell. – An der Sirismündung gründeten die Tarentiner um 432 als Bollwerk gegen die vordringenden Lucaner Herakleia (o. Bd. VIII S. 404). Hier sollte der Held einen Seher (Kalchas ist vielleicht nur Berufsbezeichnung) getötet haben, der ihn verspottet hatte (Lykophr. 978; Schol. 980). Die Münzen zeigen natürlich oft den Stadteponymen, und zwar von seinen Taten besonders den Löwenkampf; eine Statue, deren Abbildung sich auf Münzen zu finden scheint, stellte H., wie man meint, im attischen Typus mit dem Füllhorn dar (Hartwig H. mit dem Füllh. 38. 68). – In Pandosia zeigte man Fußspuren des H., auf die niemand treten durfte, Ps.-Aristot. θ. ἀ. 97. Der Kylistarnos sollte von den Windungen einer Schlange heißen, die H. getötet (Parthax Meineke An. Al. 139, 1 bei Etym. M. 544, 30).

Zahlreich waren die Sagen und Verehrungsstätten des H. im Bruttierland. Der Name Chonia wurde seltsamerweise von dem ägyptischen des H. Chon abgeleitet (Etym. M. 816, 2; o. S. 987,1). In Thurioi, wo H.’ Pfeile im Apollontempel gezeigt wurden (Iustin. hist. XX 1, 16), hatte er den [994] Beinamen Ἐπιβολεύς (Hesych.). – In Kroton erscheint er auf Münzen des 5. Jhdts. als Oikistas; als er von Kroton bewirtet war, hatte er nach der Sage diesem eine Stadtgründung versprochen und den Spartaner Myskelos im Traum zur Auswanderung bestimmt, ihn auch vor Gericht beschützt (Ovid. met. XV 15ff.). Man pflegt deshalb den H.-Kult von Kroton aus Sparta herzuleiten (z. B. Pais Stor. d’Ital. I 1. 195). Daß die Frauen der Stadt nicht (öffentlich) Wein trinken durften, wurde damit begründet, daß eine Frau dem H. einen Trank Wein verweigert hatte (Alkim. FHG IV 296, 4 bei Athen. X 56 p. 441 a). Wie zu Thurioi wurden zu Kroton im Apollontempel angebliche Pfeile des H. aufbewahrt: Philoktet sollte sie in Makalla niedergelegt haben, von wo sie nach Kroton geschafft wurden, Ps.-Aristot. θ. ἀ. 107. Die Münzen der Stadt zeigen oft die Abzeichen und den Kopf des H., auch den (jugendlich) sitzenden Helden (5. Jhdt.) und einzelne seiner Taten, z. B. die Schlangenwürgung (4. Jhdt.); neben dem jugendlichen Kopf erscheint die Beischrift Λύκων, vielleicht ein Kultname des Heros. – Merkwürdig ist die H.-Sage vom Vorgebirge Lakinion}}. Sie ist in zwei Fassungen überliefert, die nicht miteinander ausgeglichen werden dürfen, von denen vielmehr die eine im Gegensatz zur anderen gedichtet ist. Beiden Sagenformen ist gemeinsam, daß H. von einem gütigen Eingeborenen gastfrei bewirtet, von dessen Schwiegervater aber einiger Rinder des Geryones beraubt wird, und daß der Gastfreund des H. diesem zu Hilfe kommen will, aber von ihm für einen Feind gehalten und erschlagen wird. Dieser gastliche Ureinwohner heißt in der einen Fassung der Sage (Diod. IV 24) Kroton, in der anderen Lokros (Kon. 3); jene Sage gibt also die krotoniatische Überlieferung, diese die von Lokroi Epizephyrioi. Ebenso sind die Namen des Räubers und seiner Tochter verschieden: die Krotoniaten nannten ihn nach dem Vorgebirge, das den berühmten Tempel der dem H. feindlichen Göttin trug, wie den Stifter dieses Heiligtums (Intp. Serv. Aen. III 552), Lakinios und seine Tochter Laurete (Lykophr. 1007) oder Laure (Schol. ebd.); für diese ist in der lokrischen Fassung bei Konon Laurine, für den Vater fünfmal Latinos überliefert. Wer sich nicht entschließen kann, mit Hoefer Kon. 87f. in der zweiten Sagenform eine gelehrte Spielerei oder mit M. Mayer Apul. 375 eine durch den Sieg der Lokrer über die Krotoniaten sich erklärende Umgestaltung des Mythos und in dem Namen Latinos die Änderung eines ungelehrten Lesers zu sehen, ist genötigt (vgl. Berl. philol. Wochenschr. 1911, 1003), anzunehmen, daß die krotoniatische Sage zunächst nach Campanien übertragen wurde (vgl. die lakinische Hera in Neapel), wo Latinos den Lakinios ersetzte, und daß die so umgeformte Sage durch campanische Söldner 280 nach Bruttium zurückgelangte (S. 996). – Auch die Südspitze von Bruttium hatte H.-Sagen. Die Umgegend von Rhegion und Lokroi sollte der Held durch ein Gebet von Ungeziefer gereinigt haben (Diod. IV 22); der Name Rhegion wurde damit erklärt, daß ein Kalb von der Herde des Geryones sich losgerissen {ἀπορρήγνυσι Apollod. II 110) habe und nach Sizilien hinübergeschwommen sei, worauf denn H. selbst sich an dem Horn eines Stiers festhaltend die übrige Herde hinüberführte [995] (oder fuhr), Diod. IV 22. – Die äußerste Südspitze Italiens bildete das Vorgebirge des H. (o. Bd. VIII S. 614, 14). An der Westküste des Bruttierlandes lag unweit Medma der Hafen des H. (o. Bd. VIII S. 613, 61).

Campanien ist das für die Entwicklung der H.-Sage wichtigste Land Italiens. An den Is, d. h. an Campaniens südlichen Grenzstrom, den Silaros oder einen seiner Nebenflüsse – denn einen von diesen meint Lykophr. 724 mit Is – soll der Held gekommen sein, vgl. Parthax (Meineke Anal. Al. 139, 1; nicht Charax FHG III 641, 21) bei Herodian. π. μον. λέξ. XIX 6. Am Golf von Neapel erwähnt Plin. n. h. XXXII 17 eine petra Herculis in agro Stabiano. In Pompeii, das nach Serv. Aen. VII 662 (vgl. Myth. Vat. II 152) seinen Namen davon empfangen hatte, daß H. hier pompam triumphi sui exhibuit, erwähnt Vitruv. III 2, 5 einen Tempel des H. (Pompeianus). – Herculanum, die Herculea urbs (Ovid. met. XV 711), war nach Dion. ant. I 44 von H. gegründet; vgl. o. Bd. VIII S. 532ff. – Nach Neapel ist der Kult des H. (IG XIV 718) durch rhodische Ansiedler (Friedländer Her. 142) gleich aus der Heimat oder wahrscheinlicher über die rhodischen Niederlassungen am Traeis gekommen. Von hier aus gelangte H. in die Sagen, die am Nordwestrand des Golfes spielten und die, weil sie aus der Überlieferung der Chalkidier von Kyme stammten, teilweise schon vorher die Bestandteile enthalten hatten, an die bereits anderswo H.-Sagen geknüpft waren und sich daher auch hier leicht knüpfen ließen. H. sollte den Aornossee vom Meere abgedämmt, die ὁδὸς Ἡράκλεια am Ufer gebaut (Diod. IV 22) und nördlich davon, weiter landeinwärts auf den phlegraiischen Gefilden die Giganten besiegt haben (ebd. 21). Der Villenort Bauli südlich von Baiae wurde als aus Βοαύλια zusammengezogen erklärt und auf die Unterbringung der dem Geryones entführten Rinder bezogen (o. Bd. III S. 154, 39ff. und Serv. Aen. VI 107. Myth. Vat. II 152): eine Sage, die wahrscheinlich mit den benachbarten heißen Schwefelquellen von Baiae zusammenhängt. Da die Geryonessage mehrfach in der Nähe von Thermalbädern auftritt (u. S. 1064, 12), kann auch hier ursprünglich Geryones wohnhaft gedacht gewesen sein, wie wahrscheinlich zu Mykalessos, im Gebiet von Kymes Mutterstadt Chalkis; doch kann gleich die spätere Sagenform hierher übertragen worden sein, nach der dem H. auf der Heimreise durch einen italischen Räuber die Rinder entwendet sein sollten. Vielleicht hängt die Einführung dieser Sage in die Überlieferung von Kyme damit zusammen, daß ein aus Chonien stammender Unternehmer, der sich in Parthenope niedergelassen hatte, die Heilbäder errichtete. Der Räuber scheint nämlich auch hier den Namen Lakinios geführt zu haben (S. 996) Als das benachbarte Kyme (vgl. über dessen H.-Sagen auch o. Bd. VIII S. 613, 49ff.) Parthenope unterwarf, das inzwischen sich um die Mitte des 5. Jhdts. an Athen angeschlossen und seine Vorgeschichte dort angeknüpft hatte, kam natürlich auch diese Heilstätte in seinen Besitz, und damit ging auch dessen aus rhodisch-krotoniatischen und athenischen Bestandteilen gemischte Überlieferung in die Vorgeschichte von Kyme über, wo man nun auch von H. erzählte, z. B. im Apollontempel die [996] Zähne des erymanthischen Ebers zeigte (Paus. VIII 24, 5) und wo das Kunstgewerbe schon im 5. Jhdt. auch die Wegführung der Rinder darstellte (vgl. z. B. den Bronzedinos von S. Maria di Capua, Mon. d. Inst. V 25. Minervini Ann. d. Inst. XXIII 36). In Kyme ist wahrscheinlich auch, als die Stadt mit ihren nördlichen latinischen und etruskischen Nachbarn in Fehde geriet, die Überlieferung entstanden, die der römischen Cacussage zugrunde liegt. Diese Sage ist als Ganzes nicht erhalten; aber Diod. IV 21 (aus Timaios?) und vielleicht der Compositor Cumanae historiae bei Fest. ep. 266 b 26 (vgl. o. Bd. VIII S. 607, 57ff.), wo freilich der Name verderbt ist, haben aus ihr in die römische Sage einzelne Namen und Züge übernommen, und auch in ihr Vorbild, die Überlieferung von Kroton (Diod. IV 24. Lykophr. 1005. Schol.), und die ihr nachgebildete von Lokroi Epizephyrioi (Kon. 3) sind aus ihr einzelne Namen eingedrungen; ferner hat eine etruskische Überlieferung, die auf bildlichen Darstellungen (Etrusk. Sp. V Taf. 127. Körte ebd. S. 166ff.; ders. Ril delle urne etr. II 254ff. Petersen Arch. Jahrb. 1899, 43ff. Münzer Cac. 113; Rh. Mus. 1898, 598ff.) und, teilweise mit römischen Berichten ausgeglichen, bei dem Annalisten Gellius (Solin. I 7f. M.) erhalten ist, frei an die kymaiische Sage angeknüpft, und endlich ist diese in der römischen Cacussage, für die auch Verg. Aen. VIII 103 in Betracht kommt, weil er eine nicht mehr nachweisbare Quelle gehabt haben muß, zwar stark umgeändert, ja fast in ihr Gegenteil verkehrt, aber doch auch benützt worden. Aus diesen unabhängigen Quellen läßt sich die kymaiische bis zu einem gewissen Grad wiederherstellen und das jetzt herrschende Urteil über die Cacussage (Winter The Myth of Hercules at Rome, Michig.-Univ. ser. IV 217. Münzer Cacus der Rinderdieb 112ff. Ferrabino Kalypso 418ff.) berichtigen (vgl. Berl. philol. Wochenschr. 1911, 999ff.). Kakias (Diod.) ist ein campanischer König (Gell.), Sohn des Hephaistos (Verg.; vgl. Caeculus und Caca), des Gottes der vulkanischen Erscheinungen an den Thermalbädern von Bauloi, und wie Kroton, den er ersetzt, wahrscheinlich Vertreter eines Ortes. An die Stelle des Räubers Lakinios trat mit leichter Namensänderung Latinos (Kon.), der Eponym des feindlichen Volkes; seine Tochter – vielleicht auch hier mit H.’ Gastfreund vermählt – erhielt nach den latinischen Laurentern den Namen Laurete (Lykophr.), Laure (Schol. Lykophr.) oder Laurine (Kon.).

In Etrurien war der Lacus Ciminius nach Serv. Aen. VII 697 durch das Herausziehen einer Stange entstanden, die H. in den Boden gestoßen hatte. Über Herculis portus am Mons Argentarius s. o. Bd. VIII S. 614. Anziani Mél. d’arch. et d’hist. XXX 373ff.

Mantuas Eponyme Manto sollte H.’ Tochter sein (Serv. Aen. X 199).

In Patavium gab es ein Orakel des Geryones (Suet. Tib. 14); eine Quelle Ἄπονος sollte aus der von H. gezogenen Furche entstanden sein (Claud. id. VI 25). Auch hier haftet die Geryonessage wahrscheinlich an einer Thermalquelle. Nymphen des Eridanos raten H., wegen der Hesperidenäpfel Nereus zu befragen (Pherek. FHG IV 78, 33 bei Schol. Apoll. Rhod. IV 1396): vielleicht rhodische Sage.

[997]

Die Alpenländer. Gallien.

Von Italien führte die ὁδὸς Ἡράκλεια ἕως τῆς Κελτικῆς καὶ Κελτολιγύων καὶ Ἰβήρων, auf der eine Art Gottesfriede geherrscht haben soll: jeder auf ihr an einem Fremden verübte Frevel wurde von den Umwohnern geahndet, Ps.-Aristot. θ. ἀ. 85. An Italiens Grenze lag der Hafen des H. Μόνοικος (o. Bd. VIII S. 613, 38 und u. S. 1003, 33). Viel wurde von der Überschreitung der Alpen durch H. gefabelt; vgl. z. B. Iustin. hist. XXIV 4, 4. Die Lepontier sollten Nachkommen von seinen Genossen sein, die mit erfrorenen Gliedern zurückgeblieben waren (Plin. n. h. III 134). Gewöhnlich ließ man den Helden aber über die Grajischen Alpen, die nach dem Griechen den Namen haben sollten (Aristot. θ. ἀ. 85. Sil. Ital. III 496. Plin. n. h. III 123 u. a.), oder auch durch das Land der Taurisker (Tauriner) ziehen, wo er den grimmen Tyrannen Tauriskos getötet und mit vornehmen Frauen Kinder gezeugt habe (Timagen. FHG III 323, 7 bei Ammian. Marc. XV 9, 6). An der Küste folgte nach Westen ein zweiter Hafen des H. bei Nizza (o. Bd. VIII S. 613, 52) und dann Herakleia Caccabaras zwischen Toulon und Cannes (o. Bd. VIII S. 405, 25). An dieser Küste soll H. die Ligyer bekämpft haben (vgl. Luetke Pherec. 45. Geffcken Tim. 151). Poseidons Söhne Ialebion (so cod. Paris, bei Apollod. II 109; Alebion Tzetz. Lykophr. 649; chil. II 341; Albion bei Mela II 5. 78; vgl. die gleichnamige Stadt bei Strab. IV 6, 2 p. 202) und Derkynos (o. Bd. V S. 243) hinderten nach der Sage den H. beim Zug gegen Geryones, und zwar nach Schol. Lykophr. a. a. O. auf dem Hinweg wie der Λίγυς ἀνήρ bei Eustath. Dionys. perieg. 76. Falls Strabon IV 1, 7 p. 183 nicht irrt, ordnete Aischyl. frg. 199 N.² anscheinend im Gegensatz dazu und zu Dion. Hal. ant. I 41. Hyg. p. a. II 6, die sich beide trotzdem auf ihn berufen, den Ligyerkampf in den Hesperidenzug ein; der Widerspruch würde sich lösen, wenn Aischylos beide im fernen Westen spielende, obendrein mit gleichartigen Einzelzügen ausgestattete Abenteuer miteinander verband (vgl. auch u. S. 1062, 10). Viel wird von den Steinen erzählt, die Zeus habe regnen lassen, damit sich H. der Unholde erwehren könne, und für die man sich auf die Steinwüste Crau berief (Strab. IV 1, 7 p. 182f. Eustath. Dion. perieg. 76, beide nach Maass Österr. Jahresh. 1906, 156 unabhängig aus Poseidonios; vgl. auch Plin. n. h. III 34). In der Camargue lag ebenfalls ein Herakleia (CIL XII p. 500; vgl. Plin. III 33. Steph. Byz. 303, 17). – Sind die bisher erwähnten Erinnerungen an H. griechische Überlieferungen, deren Kern wahrscheinlich durch Rhodier, die Besiedler dieser Gegenden, noch vor den Phokaiern, hierher verpflanzt ist (vgl. Maass Österr. Jahresh. 1906, 140ff. 1907, 103), so haben doch die im Binnenland wohnenden Kelten, wie sich schon bei den Alpenvölkern zeigte, den griechischen H. sich angeeignet und ihn an die Spitze ihrer Geschichte und ihrer Stammbäume gestellt. Die schöne Keltine (oder Kelto, Etym. M. s. Κελτοί 502, 45) soll sich in den durchziehenden H. verliebt und, um ihn zur Befriedigung ihres Gelüstes zu zwingen, Rinder des Geryones geraubt haben: sie gebar von H. den Keltos (Galates Diod. V 24), den Stammvater der Kelten (Parthen. 30), dem [998] sie den von H. ihr hinterlassenen Bogen übergab (Etym. M.). Nach Maass Österr. Jahresh. 1906, 160 muß Keltine, da sie sich eines so gewaltsamen Mittels zu bedienen genötigt ist, ein Scheusal gewesen sein wie die skythische Echidna (s. o. S. 957, 47); er schließt aus der Verbindung mit der Geryonessage, daß die gallische Sage das Vorbild für die skythische von Herodot berichtete sei, und setzt sie daher (159) in das 6. Jhdt. Ob Q. Fabius Maximus Aemilianus auch auf diese Sage Bezug nahm und einen Vereinigungspunkt für Römer und Gallier schaffen wollte, als er nach seinem Siege über diese an der Isèremündung einen Tempel des H. baute (Strab. IV 1, 11 p. 185), ist zweifelhaft, aber in der Tat scheint die Abstammung der Kelten von H. in ihrer damaligen Volksüberlieferung wichtig gewesen zu sein; ihre ἑστία und μητρόπολις Alesia war nach ihrer Sage von H. gegründet und ἀπὸ τῆς ἄλης (Diod. IV 19; vgl. V 24 nach Poseidonios) genannt; Nemausos sollte den Namen von einem Herakleiden (oder von Nemausos dem Sohn des Herakleides?) tragen (Steph. Byz. 472, 4). Der dem H. angeglichene einheimische Gott oder Heros wurde früher dem Ogma oder Ogmé der irischen Mythologie gleichgesetzt; vgl. den gallischen H. *Ὄγμιος, Luk. προςλαλ. ἢ Ἡρ. 1ff. (o. Bd. VIII S. 611, 66ff., wo auf die Inschrift aus Salins in der Tartaraise, Rev. arch. 1902², 356 nr. 90, auf Herakleia Ὀγμοῦ [o. Bd. VIII S. 432, 49] und auf die seltsamen von Lukians Beschreibung ganz abweichenden Darstellungen der altgallischen Münzen bei Roscher Myth. Lex. III 682 zu verweisen war, in denen man den Ogmios zu erkennen pflegt). Vgl. aber u. S. 1103, 37. – Über den besonders in den Pyrenäen verehrten Hercules Andossus s. o. Bd. I S. 2130, über den in derselben Gegend haftenden, ihm vielleicht gleichgesetzten Ilunnis oder Ilunnus o. Bd. IX S. 1091.

Spanien

sollte H. wegen des Reichtums seiner Bewohner aufgesucht haben (Ps.-Aristot. θ. ἀ. 88): das ist eine Umdeutung der Sage von der Erbeutung der Rinder des Geryones, der später überwiegend in Spanien, und zwar an verschiedenen Stellen angesetzt wird. Von den Gefährten des H. sollen manche auf der Pyrenäenhalbinsel zurückgeblieben sein (Asklep. Myrl. FHG III 301, 5 bei Strab. III 4, 3 p. 157); diejenigen, die den Helden dort sterben (Arnob. I 36) und in Gades (u. S. 999, 10) begraben sein ließen, glaubten, daß sein Heer sich nach seinem Untergang verlaufen habe (Sall. Iug. XVIII 3). Dies wird als Lehre der Afri bezeichnet; der in Spanien begrabene H. gilt als der tyrische (Arnob.). Erytheia, die Insel des Geryones, sollte ihren Namen davon haben, daß die Tyrier, die als ihre ersten Besiedler galten, vom Roten Meer gekommen waren (Plin. n. h. IV 120). – Von einzelnen Städten ist Gades für den H.-Kult die wichtigste (Strab. III 5, 3 p. 169. 172. Dion. per. 453ff. mit Eustath. Avien. or. mar. 273. Prisc. 462. Diod. V 20. Liv. XXI 21, 9. Mela III 6. Plin. n. h. II 219. Sil. Ital. III 14ff. Paus. X 4. 6. Philostr. v. Ap. V 4f. Aman. anab. II 16, 4ff. Aristid. or. XL 12. Macrob. Sat. I 20. 12). Unter den ihm liebsten Kultstätten nennt H. bei Stat. s. III 1. 182 Gades. Das Herakleion, eine phoinikische Gründung (Dionys. Avien. usw.), [999] angeblich aus der Zeit des troischen Krieges (Mela), lag auf dem der Stadt entgegengesetzten, von dieser etwa ¼ Meile entfernten östlichen, also dem Festland zugekehrten Ende der Insel (Strab. Mela; vgl. o. Bd. VII S. 448ff.) und war durch seine Weihgeschenke berühmt (Mela. Cass. Dio XLIII 39 u. a.). Noch in der Kaiserzeit blühte der Kult, dessen phoinikische Gebräuche Diodor hervorhebt; der Altar wurde täglich mit Blut bespritzt (Porph. abst. I 25). Avien findet in der Stadt nichts Merkwürdiges praeter Herculaneam sollemnitatem. Die Gaditaner rühmten sich, das Grab des H. zu besitzen, der deshalb als ägyptischer (Mela. Philostr. u. a.) oder tyrischer (Appian. I b. 2, wenn die Stelle sich auf Gades bezieht; Arrian. anab. II 16, 5) von dem griechischen unterschieden wurde; doch hatte neben jenem auch dieser einen Altar (Philostr. Phot. bibl. 328 b 19), und Pherekydes (bei Strab. III 5, 4 p. 169; vgl. Apollod. II 106. Pedias. X 25. Tzetz. chil. II 331. Philostr. v. Ap. V 5, der zwei bluttriefende Bäume auf dem Grabe des Geryones in Gades wachsen läßt) setzt Gades gleich Erytheia, brachte also den dortigen H.-Kult mit der Überwindung des Geryones in Zusammenhang. Dagegen nennen Herodot. IV 8 und Strab. III 5, 4 p. 169 Erytheia eine Insel bei Gadeira, und andere begnügen sich, das Land des Geryones unbestimmt Tartessos zu nennen (Stesich. frg. 5 bei Strab. III 2, 11 p. 148; vgl. Serv. Aen. VII 662), was die ganze Südwestecke Spaniens bis zur Baetismündung umfassen kann, oder suchen sie in größerer Entfernung, in Lusitania (Mela III 6. Plin. IV 120) oder gar auf Ebusus (Serv. Aen. VII 662; o. S. 990, 10). - Heilige Inseln des H. werden vor Baetica und auch vor Neukarthago genannt, s. o. Bd. VIII S. 613. – Nächst Gades hatte die Südspitze Spaniens sich H. in Sage und Kult am meisten zu eigen gemacht. Auf dem ἱερὸν ἀκρωτήριον hatte, wie es scheint, Ephoros von seinem Heiligtum gesprochen, doch bestritt Artemid. bei Strab. III 1, 4 p. 138 dessen Vorhandensein. Kartēia sollte H. gegründet haben (Timosthen. bei Strab. III 1, 7 p. 140); die Straße von Gibraltar galt als von H. durchgebrochen (Mela I 5. Plin. n. h. III 4. Sen. Herc. Oet. 1240) oder verengert (Diod. IV 18). Hier wurden von den meisten Schriftstellern des Altertums die Säulen des H. angesetzt, und zwar sollte auf der europäischen Seite Kalpe, griechisch Alybe genannt, in Afrika Abinna, griechisch Kynegetike genannt, liegen, Charax bei Schol. Dion. per. 64. Abyla und Calpe nennt Plin. n. h. III 4; nach Eratosthenes bei Strab. III 5, 5 p. 170 hießen sie Kalpe und Abilyx, nach Solin. XXXIII 13 Calpe und Abinna, Ἀλίβη und Ἀβίννη werden bei Tzetz. chil. II 339 von Kiessling gegeben, ein Κάλπιον ὄρος (in Spanien?), zu dem H. gelangt sei, erwähnt die Alb. Taf. 320 (bei Jahn Bilderchron. 73). Jedoch war die Lage nicht unbestritten; aus Strabon a. a. O. scheint sich zu ergeben, daß manche sie auf einer Insel Onoba suchten, andere in Gadeira, wo die im Herakleion aufgestellten acht Ellen hohen ehernen Säulen mit dem Verzeichnis der Baukosten – Malal. VI p. 161 Ddf. nennt στήλας χρυσᾶς καὶ προφυρᾶς, welche die von H. abstammenden Könige Italiens ἐν τοῖς ἐσχάτοις τῆς δύσεως μέρεσι aufgestellt haben sollen – als Säulen des H. galten (dagegen Strab. [1000] III 5, 6 p. 172). Oft wird erzählt, daß H. selbst die Säulen errichtet habe (Apollod. II 107. Pedias. X 26 u. a.) oder bis zu ihnen oder über sie hinaus vorgedrungen sei (z. B. Aristid. XL 9. Him. or. XXIII 5 u. a.). Überhaupt werden die Säulen oft erwähnt (z. B. Pind. Ol. III 44; Nem. III 21; Isthm. IV 12. Herodot. II 33. IV 8. 42f. 181. 185. Plat Tim. 3 p. 25 c. Isokr. XII 250. Aristot. π. κόσμου 393 a 18. 24. b 10. 23; π. τῆς καθ’ ὕπν. μαντ. 1, 462 b 24; ῥητ. II 10, 1388 a 10; μετ. II 1, 354 a 12. II 5, 362 b 21; π. οὐρανοῦ II 14, 298 a 10. Theophr. h. pl. IV 7, 1; vgl. Athen. II 59 p. 61f. Dorion bei Athen. VII 97 p. 315 c. Ps.-Aristot. θ. ἀ. 37. 84. 136. Dion. ant. I 3. XIV 1. Liv. XXI 43, 13. Plin. n. h. II 167. 242. V 2. VI 212. XIII 138. XIX 4. XXVII 2. XXIX 18. Plut. Nik. 12; Tim. 20. Apul. mund. 6. 9. Orph. Arg. 1243. Ββλ. γενέσ. in Chron. min. ed. Frick 21. Nonn. Abb. bei Westermann Myth. Gr. S. 371 nr. 28, 7; oft bei Steph. Byz.), gewöhnlich so, daß sie als am Weltrande oder diesem nahe vorgestellt werden (vgl. noch Joseph. bell. Iud. II 16, 4. Philostr. v. Ap. V 1). Doch suchte man die Säulen des H. auch im Norden (Tac. Germ. 34; vgl. den Κάλπιος αὐχήν Orph. Arg. 1128 und die στήλη Βόρειος Ps.-Skymn. 188), im Pontos (Serv. Aen. XI 262) und, wie es scheint, auch in Bithynien (o. S. 971, 40); man sprach auch von Säulen nicht bloß des H., sondern auch des Aigaion (Schol. Pind. Nem. III 38 nach unbekanntem Epiker) oder Briareos (Aristot. frg. 628 R. bei Aelian. var. hist. V 3. Klearchos? FHG II 320, 56 bei Zenob. V 48. Euphor. bei Schol, Dion. per. 64; s. Meineke Anal. Al. 157. Hesych. s. Βριάρεω στῆλαι u. a.), auch von Säulen des Kronos und setzte diese denen des H. gleich, in der Weise, daß sie zuerst nach Kronos, dann nach Aigaion oder Briareos, zuletzt nach H. genannt gewesen seien (Schol. Dion. per. 64). Warum die Säulen dem H. zugeeignet wurden, ist bisher nicht aufgeklärt; nicht unmöglich ist es, daß in der Legende von Gaza (o. S. 984, 38), die mit dem H.-Mythos vermischt zu sein scheint, die Errichtung der Säulen vorkam, wie in der hebräischen Umkehrung der Sage deren Umsturz. – Viel weniger als in der Südwestecke Spaniens wußte man in der Mitte und im Norden von H. zu melden; nur Sagunt wollte von ihm gegründet und nach Zakynthos, einem von einer Schlange gebissenen Begleiter auf dem Zuge nach Erytheia, genannt sein (Sil. Ital. I 273ff. 505f.). Mit der Eponyme der Pyrenäen, Bebryx’ Tochter Pyrene, sollte der trunkene H. eine Schlange gezeugt und die Mutter, als sie von wilden Tieren in der Einöde zerfleischt war, begraben haben (Sil. Ital. III 420ff.; vgl. Plin. n. h. III 8. Geffcken Tim. 81).

West- und Mitteleuropa.

Im fernen Westen von Britannien sollen Begleiter des H. zurückgelassen sein, sich mit den dort wohnenden Völkern des Kronos vermischt und das dort fast schon erloschene Hellenentum wieder aufgefrischt haben (Plut. fac. in orbe lun. XXVI 6). – In Corbridge ist eine Weihung an den H. Τύριος gefunden (IG XIV 2554). – Über den germanischen H. s. o. Bd. VIII S. 609.