RE:Hypermestra 1
| Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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| Tochter des Danaos | |||
| Band IX,1 (1914) S. 289–292 | |||
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Hypermestra. 1) [...] [290] [291] [292]
RE:Hypermestra 1
[Bearbeiten]Hypermestra θΥπερμήατρα, erst später fälschlich Ὕπβρμνηοτραι vgl. Namen wie Klytaimestra, Agamestor, Polymestor, Mestor, Mestra). 1) Tochter des Danaos, nach der bekannten Danaiden-Sage die einzige unter den 50 Töchtern, die dem Gebot ihres Vaters Danaos zum Trotz ihren Gatten Lyn-keus nicht ermordete. Über die im Epos (o. Bd. IV S. 2091 Danais Nr. 5), in der Tragödie und Komödie oft behandelte Sage vgl. die Art. Danaides und Danaos (o. Bd.IV S. 2087.2095); weiteres bei Gruppe Mytholog. Literatur aus den J. 1898 –1905,444n. Die eigentliche Danaiden-Sage hat in ihrem ältesten Kern zur Voraussetzung, daß die Schwestern ἄγαμοι bleiben, daß sie ihre Männer in der Brautnacht πρό τῆς μίξεως (Schol. Eurip. Hek. 886) töten, daß sie auch keine zweite Ehe eingehen, sondern als ἄγαμοι in der Unterwelt leiden (Rohde Psyche 292, 1). Diese Sage kannte ursprünglich keine Sonderstellung einer schuld Iosen glücklicheren Schwester. Aber in Argos galt die Sae zugleich für Geschichte: Danaos war der König des Landes, sein Geschlecht mußte sich fortpflanzen. So entstand dort die «historische* Sage von dem Liebesbund der H. und des Lynkeus, deren Kern die Dichter unverändert beibenielten, mochten sieauch die Einzelheiten poetisch variieren. Nach Apollod. II 16 waren H. und Gorgophone dem Danaos von der Elephantis (o. Bd. V S. 2324) geboren; während ihre Schwestern den Söhnen des Aigyptos zugelost wurden, waren die beiden ausgewählt für aie besten Aigyptos-Söhne, H. als die ältere für Lynkeus, Gorgophone für Proteus. Es ist bemerkenswert, daß gerade diese beiden Namen, H. und Gorgophone, in Argos noch einmal vorkommen, und zwar beide in Verbindung mit einer Grab-, bezw. Kultstätte, H. als Mutter des Amphiaraos (s. Nr. 2), Gorgophone als die «erste Witwe, die sich wieder verheiratete¹, als Tochter des Perseus (Paus. II 21, 7; o. Bd. VII S. 1657). Als man in Argos die für die Landesgeschichte notwendige Sage schuf, daß das Geschlecht des Danaos sich durch H. und Lynkeus fortgepflanzt habe, knüpfte man für den Namen Lynkeus an den bekannten alten Heros pelopon-nesischer Sagen an, für H., ebenso wie für Gor-gophone an argivische Heroinen. Gorgophone gehört in den Kreis des Athena-Kultes, H. dagegen, zu deren Namen Mestra. Agamede, Peri-mede, Medeia zu vergleichen sind; gehört vermutlich zum Kreise des Hera-Kultes. Wie Medeia in Korinth in engster Verbindung mit Hera steht, so wird H. in der Liste der Priesterinnen der Hera Argeia aufgeführt, Euseb. Chrom II 34 Schöne (Georg. Synkell. 296, 16: fr 4gy« θpd~ wtww Τπιθμφπρά Jowwöl In unserer sonstigen Überlieferung ist sie allerdings nur die Stammes-mutter. Als Danaos seinen 50 Töchtern gebot, Ihre jungen Gatten in der Brautnacht vor der ehelichen Gemeinschaft zu ermorden, war H. die «einzige, die das Schwert in der Scheide Heß* (Pind. Nem. X 6: oW’ Τηθμίβιρα χαοθάάγζθη, μονόψαφος fr Movlaÿ χατααχιΛαά [290] Hypermestra}}
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wollte lieber ἄναλαις gescholten werden als fuatφόνος (Aischyb Prom. 866). Da sie so ihren Gatten Lynkeus gerettet hatte und frei von Schuld geblieben war (in später Zeit erzählte man dasselbe von Bebryke, s. o. Bd. III S. 180), hatte sie auch keinen Anteil an dem späteren Geschick der blutbefleckten Schwestern, von dem Pind. Pyth. IX 118 übrigens noch eine zweite Schwester, nach Schob Pind. Pyth. IX 200 Amymone, aus-
10schließt. Als Grund, weshalb H. den Lynkeus schonte, wird znm Teil angegeben die Macht der Liebe (AischyL Prom. 863. Schob Eurip. Hekab. 886. Schob Pind. Pyth. IX 200), auf welche bei Aischyb Danaid. fig. 43 Aphrodite selbst hinweist, um H. zu rechtfertigen. Andere erzählten, Danaos habe seinen Töchtern bei Todesstrafe (Schob Eurip. Hek. 886) befohlen, ihre Männer zu töten, sobald sie in der Brautnacht ihre Jungfernschaft zu verletzen suchten; Lynkeus aber habe H. nicht}}
20 berührt und sei deshalb von H. nicht getötet worden (Apollod. II 21. Schob Hom. II. IV 171. Schot Pind. Nem. X 10; vgb auch Horat. carm. III 11, 35}}: in omne virgo nobilis aeoum, von Kießling auf diese Version bezogen). Wie Horaz, so schildert auch Ovid. heroid. XIV, wie die virgo (55) gebliebene H. den schlafenden Lynkeus weckt und ihm zur Flucht rät: dreimal hat sie schon das Schwert, das der Vater Danaos ihr gegeben hat, auf den Schlafenden gezückt (45), aber die pietas
30 hat sie von dem Verbrechen zurückgehalten. Auf einem kugelförmigem Glasbecher im Kölner Wall-raf-Richartz-Museum (abgeb. Bonner Jahrb. LXXIV 1882,65$ Taf. VI; die Inschriften IG XIV 2576, 1) verfolgt}} Ὑπορμήατρα mit gezücktem Schwert den von ihr fliehenden Awysvt aber ihnen tritt, wie ein Eros gebildet, die personifizierte Liebessehnsucht Πόθος entgegen; da die Namen beigeschrieben sind und die Sage allgemein bekannt ist, weiß jeder, daß Lynkeus dem gezückten Schwert ent-
40 rinnen wird wie bei Ovid. Ohne Angabe des Grundes, aus dem H. ihren Lynkeus rettet, wird von der Tat oft gesprochen, vgl. z. B. Nonn. Dionys. III 308. Hyg. fab. 168. 170. 273. Ps.-Acro Schob Horat. carm. III 11, 23. Schob Stat. Theb. I 324. II 222. Myth. Vat. I 134. II 103. Liban. narr. 22 bei Westermann Mythogr. 366. Eustath. Hom. II. 37, 30 in Ergänzung zu Schob Hom. H. I 42 (nach Apollodoros). Das weitere Schicksal der H. wird verschieden erzählt.}}
50 Nach einer Version tötet Lynkeus den Danaos und die blutbefleckten Töchter, wird auf diese Weise Nachfolger des Danaos in der argivischen Königswürde und zeugt mit H. den Abas (Archi-loch. frg. 150 bei Malab IV 68. Schob Eurip. Hek. 886. Serv. Aen. X 497. Schob Stat. Theb. VI 269. Myth. Vat. II 103). Nach anderer Version sperrt Danaos die H., da sie Lynkeus zur Flucht verhülfen hat, ein (vgb Horaz und Ovid. a. a. O.), läßt sie aber später wieder frei und erlaubt die}}
60 Heirat mit Lynkeus, der dann nach dem Tode des Danaos sein Nachfolger wird und mit H. den Abas zeugt (Apollod. II 21–24. Paus. II 16, 1). Die Sinnesänderung des Danaos bewirkt nach Aischyb Danaid. frg. 43 Aphrodite mit ihrer Verteidigung der II., wahrscheinlich vor dem Gericht}}, das nach arriyincher Sage Danaos selbst berufen hatte (Paui. Π19,6. 20, 7. 21, 1). Andere dürften den Freispruch dieses Gerichte damit begründet
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haben, daß Danaos die Ermordung der Gatten nur für den Fall, daß eie die Jungfrauen berührten, befohlen hatte; da Lynkeus dies nicht tat, sei H. berechtigt gewesen, ihn zu schonen. Von dem großen Gericht, das über den ganzen Streit zwischen Danaos und Aigyptos entschied (Eurip. Orest. 872 nebst SchoL), gab es im einzelnen verschiedene. Versionen, je nachdem man annahm, daß Aigyptos selbst nach Argos gekommen sei oder nicht; zumeist wird angenommen, Aigyptos sei mit einem 1( Heer nach Argos gekommen, um die Ermordung seiner Söhne zu rächen; schon sei die Schlacht zwischen Danaos und seinem Bruder Aigyptos entbrannt gewesen, als es Lynkeus gelang, die Streitenden zur Einsetzung jenes Schiedsgerichtes zu bewegen. Daß Danaos nach der Tat seiner Töchter noch längere Zeit am Leben blieb, daß aber zwischen ihm und Lynkeus kein freundschaftliches Verhältnis aufkam, ist die Voraussetzung der Sage, Abas habe seinem Vater Lyn-2( keus im Tempel der Hera Argeia die Nachricht vom Tode des Danaos überbracht: voll Freude über diese Nachricht nimmt Lynkeus den berühmten Schild, den Danaos in seiner Jugend getragen und dann der Hera geweiht hatte, von der Tempelwand, schenkt ihn seinem Sohn Abas und setzt den argivischen Agon}} ἄσπις ἐν Ἄργει ein (Hyg. fab. 170. 273; weiteres über den Schild des Abas s. o. Bd. I S. 18). Ein ähnliches Verhältnis zwischen Danaos und Lynkeus scheint 30 Theodektes in seiner Tragödie Lynkeus vorauszu-setzen, deren Inhalt O. Jahn Bonner Jahrb. IX 1846, 1248. zum Teil im Anschluß an O. Müller Graecorum de Lynceis fabulae (Göttingen 1837) 11 dahin auffäßt: H. und Lynkeus sind heimlich vermählt, ihr Kind ist Abas, Danaos entdeckt das Geheimnis, will Abas töten, wird aber selbst getötet in Gwen wart des Abas, der dann seinem Vater den Tod meldet; gesichert sind allerdings nur die von Aristot. poet. 11 bezw. 18 betonten 40 Punkte: ἡ τὸν παιδίον λήψι; – ἡ αἰτίααι; τὸν θανάτου – δ μὲν ἀγόμενο; ω; ἄποθανονμενο;, δ δὲ Δαναό; ἀκοίονδῶν ω; ἄποκτενων · τὸν μὲν συνέβη ἐκ τῶν πεπραγμένων ἀποθανεῖν, τὸν δὲ σωδήναι, und es bleibt zweifelhaft, ob δ μὲν Ἀγόμενο; ω; ἀποθανούμενο; Lynkeus oder Abas ist Für Argos ist bei allen Versionen über H. und Lynkens das Wesentlichste, daß Abas ihr Sohn ist und daß sie damit die Stanuneltern argivischer Helden sind (e. o. Bd. I S. 18): σφαγά; 50 δὲ Δαναου παρθένων Λυγκεν; φυγῶν Nauck TGF adesp. 378: Schol. Pind. Pyth. VEÎI 73). Das Weihgeschenk der Argiver nach Delphi (Paus. X 10, 5) mit den Statuen der zehn Heroen, deren Baseninschriften bis auf Danaos und H. wiederaufgefunden sind, beweist am besten das Festhalten an der alten Tradition: Danaos, H, Lynkeus, Abas, Akrisios, Sohn des Abas, Danae, Tochter des Akrisios, Perseus, Sohn der Danae, Elektryon, 60 Sohn des Perseus, Alkmene, Tochter des Elektryon, Herakles, Sohn der Alkmene. Es ist dies dieselbe Reihe von Heroen, die auch SchoL Eurip. Hek. 886 an die Geschichte von H. und Lynkeus anknüpft; vgl. die Genealogien bei Apollod. II 24ff. Paus. II16,28. X 35, 1. Mit Stolz blickten die Argiver auf diese Vorzeit; χαίρετε Λυγκθος γτνεὴ τηίεκίεΣτοΙο sagt Hesiod. scut. 827, und [292] Hyperocha 292-}}
Herodor, der übrigens auch Elektryon als Sohn des Perseus bezeichnet (Schot Apoll. Rhod. 1747), erwähnt, wie gern sich die Bewohner von Argos jetzt Herakliden, vor Herakles Persiden, vor Perseus Lynkiden und Danaiden* nannten (Steph. Byz. e. ’Jeyof). Auch der Vater des Adrastos, Talaos, dessen Grab in Argos lag (Paus. II 21, 2), wird gelegentlich als Sohn desLynkiden Abas bezeichnet (Schol. Pind. Pyth. VIII 73). Dieser) Stolz der Argiver bekundet sich auch in den zahl* reichen Anknüpfungen des Lokalkaltes von Argos an die landesgeschichtliche Sage. Paus. II 19, 6 erzählt: Danaos fürchtete, daß die Errettung des Lynkeus für ihn gefährlich werde und daß die gute Tat der H. die schlechte Tat der übrigen Töchter und seine eigene Anstiftung zu dieser Freveltat nur noch schlimmer erscheinen lasse; deshalb stellte er H vor das Gericht der Argiver; als H. von diesem Gericht freigeeprochen war,) stiftete sie (da Aphrodite die Entscheidung zu ihren Gunsten herbeigeführt hatte) das Kultbild der Aphrodite Nikephoros im Heiligtum des Apollon Lykios, ferner (Paus. H 2, 1) das Heiligtum der Aphrodite Peitho. Die Stätte des Gerichtes aber hieß noch später das Kriterion (Paus. II 20, 7. Über den Platz vgl. Hitzig-Blümner Paus. I 581 f.). Auch das Fest πυρσῶν ἔορτη,}} bei dem Feuer auf der Burg Larisa von Argos und in Lyrkeia angezündet wurden, führte die * Legende auf Fackelgrüße zurück, die Lynkeus nach seiner glücklichen Flucht von Lyrkeia aus mit H. ausgetauscht haben sollte (Paus. II 25, 4. Nilsson Griech. Feste 470), und im Anschluß daran erzählte man von einem Lyrkos als Sohn des Lynkeus (Hesych s. Λυρκείου δῆμος) Oder des Abas (Paus. II 25, 5). Endlich zeigte man das Grab der H. und des Lynkeus, Paus. II 21, 2; vgl. Hyg. fob. 168: Hypermistrae et Lynceo fanum factum est,