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RE:Kallisthenes 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
von Olynth, Verwandter des Aristoteles, Alexanderhistoriker, Philosoph
Band X,2 (1919) S. 16741726
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2) Kallisthenes von Olynth (Ὀöύνθιος Suid. s. v. Arrian. anab. IV 10, 1. Curtius VIII 8, 19. [1675] Plut. Sull. 86. Philostr. vit. Apoll. VII 2; vgl. auch Plut. Alex. 58; de Stoic. rep. 20 p. 1043 D), geboren also vor 848 (Schwartz 127). Genaueres läßt sich nicht sagen. Suidas hat keine Zeitangabe; Diodor (IV 1, 2f.) nennt ihn Zeitgenossen des Ephoros und Theopomp, was richtig ist, aber nicht zu näherer Bestimmung verhilft. Aber da er schon Mitte der 40er Jahre schriftstellerisch tätig ist, wird er eher um 370, als um 360 geboren sein. Verwandter des Aristoteles (iow/lov; οἰκείος Plut. Alex. 52; συγγενῆς Diog. Laert. V 4; propinqwus Ammian. Marcell. XVIII 3, 7); ἀνεψιαδοῦς, wie Suidas sagt, als Sohn der Hero, die Pint. Alex. 55 ἀνεψιά des Philosophen nennt. Ob das Base oder Nichte bedeutet - in letzterem Falle war sie wohl eine Tochter von Aristoteles’ (dann wesentlich älterer) Schwester Arimneste (vit. Aristot. Menag. p. 10, 4 Rose) -, ist mit Sicherheit nicht zu sagen. Wills Deduktion (S. 4, 3) ist Averties, da der Athenagoras Arimnesti (Ùb. de innnd. Nili p. 194, 3 Rose), vielleicht Leibarzt Artaxerxes’ III (Partsch Abh. Sächs. Ges. d. W. XXVII 1909$ 566), nicht, wie Partsch glaubt, Neffe des Philosophen gewesen sein kann. Denn dessen Bruder Arimnestoe ist kinderlos gestorben (Diog. Laert. V 15). Auch scheint das Verhältnis schon im Altertum zweifelhaft gewesen zu sein, da Suidas zwei Vatersnamen für K. nennt (Aημoτίμoυsubtλsub oi θὲ Καλλισθένους ; beide Namen kommen auch in Theophrasts Testament vor unter den Erben seines κθπος und περίπατος und nebeneinander unter seinen Testamentsvollstreckern).

Erzogen wurde K. bei und von seinem Oheim oder Großoheim (ôta τὴν συγγένειαν Plut. Alex. 55; Ἀριοτοτέλους τῶν λόγων διακηκοώς Anian. IV 10, 1; μαθητῆς Suid.; auditor Val. Max. VII 2 ext. 11; sectator Ammian. Marcell. a. O.); nach Iustin. XII 6, 17, dessen Nachrichten über K. ganz besonders schlecht sind, zusammen mit Alexander; nach einer Wanderanekdote (Diog. Laert. V 39; vgl. Cic. Tusc. III 21) zusammen mit Theophrast. Mit diesem scheint er durch eine Freundschaft verbunden gewesen zu sein, die ihren letzten Ausdruck, in einem Nachrufe Theophrasts (s. u.) fand. Vermutlich befand sich K. schon bei Aristoteles, als dieser in Atarneus lebte; denn er hat seinerseits einen Nachruf auf Hermias verfaßt (s. u.). Er wird dann den Oheim begleitet haben, als dieser im J. 343/2 nach Pella berufen wurde; und seine ganze Schriftstellere! (s. u.) spricht dafür, daß er hier geblieben ist und mit Beistimmung des Aristoteles auch blieb, als dieser selbst während der Vorbereitungen zum Perserkrieg im J. 335/4 den Hof verließ, um in Athen seine Schule zu eröffnen (Diog. laert. V 4 ἀπήρεν εἰς Ἀθήνας οὐστήσας αὐτῶ τὸν συγγενή K.; Suid. ὅν ἔδωκεν ἔπεσΦαι Ἀλεξάνδρω; vgl. noch Diog. Laert. V 10. Anders, wie es scheint, Iustin. XII 6, 17 ab ipso rege ad prodenda memoriae acta etus ao citus; Plut. de Stoic. rep. 20 Κ·εὶ τινές ἐγκαλοῦσιν, δτὶ πρὸς Ἀλέξανδρον ἔπλευσεν mit einem fast technischen Ausdruck, der kaum mehr bedeutet, als ,zu Hofe gehen*; Val. Max. a. O. und Ammian. a. O. Aristoteles... Callisthenem... ad Alexan-drum dimittens). Es unterliegt keinem Zweifel, daß der schon damals als Historiker bewährte [1676] Mann dem Gefolge des Königs angeschlossen wurde in der ausgesprochenen Absicht, die Taten des neuen Achill in einem Geschichtswerk vor das hellenische Publikum zu bringen, was er auch durchaus im Sinne Alexanders getan hat (s. u.). Wenn er selbst später als Grund seiner Teilnahme an Alexanders Zug den Wunsch angab, den Wiederaufbau seiner Vaterstadt zu erreichen, so ist das wohl nur eine Dublette zu der gleichartigen Geschichte von Aristoteles (Diog. Laert« V 4). Die Geschichtlichkeit der Äußerung vorausgesetzt, müßte man sie aus der Verstimmung gegen Alexander erklären, wie die prahlerischen Bemerkungen, οὐκουν eito; ἀφῖχθαι ἐξ Ἀλεξάνδρου δόξαν κτησόμενος, ἄλλα ἐκείνον εἰκλεὰ ἐς ἀνθρώπους ποίησῶν u. ä. (Arrian. IV 10. 2). Die Verbindung mit der Schule hielt K. natürlich aufrecht und beteiligte sich weiter an der Sammlung wissenschaftlichen Materials (Simplic. in Aristot. de coelo II 12. Comm. i. Aristot. gr. VII p. 506, 11 Heiberg).

K.s Stellung im Hauptquartier war, wenn ihm auch die Verwandtschaft mit Aristoteles ein gewisses Relief gegeben haben mag, prinzipiell gewiß keine andere, als die eines Anaxarchos und der vielen anderen σοφισταί und ποιηταί, die sich um den König befanden und die von den Ma-kedonen mit schlecht verhehlter Geringschätzung angesehen wurden, während sie selbst wieder die 30 rohen Soldaten gleichzeitig verachteten und umschmeichelten. Gegenseitige Eifersüchteleien und Intrigen waren in diesem θιασος τῶν κολάκων an der Tagesordnung. Auch K. ist da hineingezogen (Plut. Alex. 52f.); eine schärfere Spannung soll zwischen ihm und Anaxarchos bestanden haben. Dieser war sein Hauptkonkurrent weniger in der Gunst Alexanders als in der allgemeinen Schätzung. Beide haben sie mit dem König Homer gelesen (Strab. XIII 1, 27); beide sind in ihrer 40 Eigenschaft als Philosophen von den Freunden Alexanders mit den Aufgaben des Seelsorgers und geistlichen Beraters betraut, um den König durch ethischen Zuspruch aus dem Depressionszustand zu erwecken, in den er nach Kleitos’ Tötung verfallen war (Plut. Alex. 52. Iustin. XII 6, 17. Curtius VIII 8, 22). ,Lehrer‘ des Königs ([‌Dio Chrys.] or. 64, 20; Sen. suas. I 5. Solin. 9, 18) war der eine so wenig wie der andere. Von besonders intimen Beziehungen des K. zu einzelnen hervor-50 ragenden Persönlichkeiten aus der Umgebung des Königs wird nichts berichtet. Nur der auch hier ganz ünglaubwürdige Iustin weiß von einem Schülerverhältnis des Lysimachos zu ihm (XV 3, 6 audire Callisihenem et praecepta ab eo virtutis aecipere solitue). Glaublich dagegen sind Vorträge vor den königlichen Pagen, von denen sich der eine oder andere - behauptet wird es naturgemäß vor allem von Hermolaos - auch näher an K. angeschlossen haben mag. Überhaupt 60 aber imponierte er den jüngeren durch die Kunst seiner improvisierten Rede (Plut. Alex. 53).

Daß K. besonders gut in das Milieu dieses soldatischen Hofes, zwischen diese Männer der Tat. die ja zum Teil wirkliche Achtung vor Wissen und Kunst hatten, die aber im ganzen diese Dinge eher unter- als überschätzten, die von einer oft überschäumenden Lebenskraft erfüllt waren und ihr in einer den gebildeten [1677] Griechen roh erscheinenden Weise Ausdruck gaben, gut gepaßt hätte, kann man nicht behaupten. Die Überlieferung, die im ganzen eher zu seinen Gunsten gefärbt ist, gibt uns das ziem* lieh scharf umrissene Bild einer übrigens wenig sympathischen Persönlichkeit. Er war nicht so biegsam, wie es sonst griechische Art ist. Statt wie die übrigen κόλακες das Treiben des Heerlagers mitzumachen, dem er sich doch aus freiem Willen angeschlossen hatte, war er ängstlich bestrebt, seine persönliche Würde als griechischer Philosoph hervorzukehren. Möglich, daß den Älteren die ernsthafte Art gefiel (Plut. Alex. 53 τοῖς πρεοβυτέροις ἀρέοκων διὰ τὸν βιον εὐτακτον ὄντα καὶ ὀεμνὸν καὶ αὐτάρκη κτλ.); im allgemeinen warf man ihm, und wohl nicht mit Unrecht, Überheblichkeit und Unliebenswürdigkeit vor (τὸν τρόπον ὑπαγροικότερος Arrian. IV 10, 1). Er lehnt die Einladungen zu den Trinkgelagen ab und zeigt, wenn er teilnahm, durch Schweigsamkeit und .philosophischen* Ernst, daß ihm das wilde Treiben nicht paßt (Plut. Alex. 53). Bezeichnend, wenn auch wohl aus der letzten Zeit seines Lebens am Hofe, ist die Ablehnung des Ehrenbechers mit ungemischtem Wein,, in dem die Gesundheit des Königs getrunken wurde: oiÖtr δέομαι Ἀλεξάνδρου πιῶν τοῦ Ἀοκληπιου δεῖαθαι (Chares, Aristobulos, Lynkeus von Samos bei Athenai. X 434 D. Plut. de coh. ira 3 p.454 E; quaest. conv. I 6, 1 p. 623 F). Durch dieses Verhalten hat er sich nicht nur die griechischen Kollegen zu Feinden gemacht, über die er sich sehr erhaben glaubte (prägnant gibt das wieder eine Anekdote Gnomol. Vatic. 368 K. ἐρωτωντὸς τίνος διὰ τὶ ου μετήγαγεν Ἀλέξανδρον ἀπὸ τοῦ τύφου ,δτι* εἶπεν ,ἐμου ἐνὸς οἰκοδομοῦντος πολλοὶ ἤσαν οἱ καταβάλλοιτεςθ und bei denen es ihn dann doch ärgerte, wenn sie ihn in des Königs Gunst ausstachen, weil sic weniger auf ihre ,Würde¹ hielten und nicht glaubten, die Erzieher Alexanders und seiner Marschälle spielen zu müssen. Dazu hindert ihn eine große persönliche Eitelkeit, sich vor dem Genie zu beugen. Er besitzt den seit der Sophistenzeit häufigen Bil-dungsdünkel des griechischen Literaten und die Überschätzung der Redekunst in einem Grade, der cs ihm ganz unmöglich machte, sich in die gewohnte untergeordnete Stellung solcher Leute an einem Hofe, und noch dazu an einem Hofe, wie der Alexanders es nun einmal war, zu schicken. Eine Äußerung aus der Zeit der Verstimmung καὶ τοῦ θειου τὴν μετουοίαν Ἀλεξάνδρω οὐκ ἐξ ὄν Ὀλυμπίας ὑπὲρ τῆς γενέοεως αὐτὸν ψεύδεται ἀνηρτήσθαι, ἄλλα ἐξ ὧν αὐτὸς ὑπὲρ Ἀλεξάνδρου ξυγγράψας ἐξενέγκη ἐς ἀνθρώπους (Arrian. IV 10, 2) mag apokryph sein, sie gibt doch gut wieder, wie K. seine Stellung ansah und wie maßlos er seine Bedeutung Überschätzte. Dazu war er bei aller Begabung von Natur ungeschickt und unüberlegt; er vermochte nicht, seine abweichenden Ansichten, wenn sie richtig waren und ausgesprochen werden mußten, in die höfische oder wenigstens ehrerbietige Form zu kleiden, die Alexander zu verlangen ein Recht hatte. Das alles ergibt sich aus den Berichten über die Katastrophe (vor allem Arrian. IV lOff. Plut. Alex. 53Æ), die ja viel Anekdotisches enthalten, aber in den Hanptzügen Übereinstimmendes geben. [1678] Sie variieren eigentlich weniger in den Tatsachen (abgesehen von der Katastrophe selbst), als in dem Urteil und der Tendenz der Berichterstatter, die je nach ihrer Stellung zu Alexander dem törichten Verhalten des Philosophen oder der Maßlosigkeit des Königs die größere Schuld beimessen. Es wird auch bestätigt durch die Urteile des Aristoteles Über seinen Neffen, an deren Echtheit meines Erachtens kein Zweifel bestehen kann 10 (E. Meyer bei Erseh-Gruber a. O. 160 nennt sie allerdings eine ,ex eventu fabrizierte Angabe* - dagegen ist die Anekdote, die Theophrasts und K.s Fähigkeiten vergleicht, Diog. Laert. V 39. wieder eine Dublette nach dem Urteil Platons über Aristoteles und Xcnokrates, Diog. Laert. IV 6): Johann. Lyd. de mens. IV 77 p. 131, 8 Wünsch δτὶ ὁ Ἀριστοτέλης τὸν Καλλισθένην ἀπέσκωψε εἰπῶν τὸν μὲν περιττὸν νουν ἔχειν, τὸν δὲ ἀνθρώ~ πινον ἀποβεβληκέναι und Plut. Alex. 54 ὅτι K, 2ῦλόγῳ μὲν ἤν δυνατὸς καὶ μεγας, νουν δὲ οὐκ εἰχεν. Das sind zweiürteile, nicht zwei Fassungen. Das erste konnte jederzeit ausgesprochen sein; es ist nicht einmal wahrscheinlich, daß es gerade auf K.s Verhalten an Alexanders Hof geht, über das ja natürlich Berichte nach Hause kamen. Das zweite aber ist ein abschließendes Urteil, ein Nachruf, der beweist, daß auch der Tod des Neffen die Unparteilichkeit des Aristoteles nicht getrübt hat. Das Urteil besagt übrigens 30 in seinem zweiten Teile ganz dasselbe wie der Euripidesvers, den Alexander dem K. zugerufen haben soll, als er wieder einmal beim Gelage den Spielverderber machte: μισω σοφιστήν f δστις ὄνδ' αὐτῶ σοφός (Plut. Alex. 53).

So mag es recht früh kleine Verstimmungen gegeben haben, denen aber wenigstens von Alexanders Seite kein Wert beigelegt wurde. Sicher ist das überhaupt nicht. Denn aus dem Werke des K. (s. u.) geht mit absoluter Sicherheit her-40 vor, daß der Konflikt zwischen ihm und Alexander sich sehr schnell entwickelt und seinen tragischen Abschluß gefunden hat. Noch das letzte Buch, das er publizieren konnte und an dem er noch im J. 329 arbeitete, läßt nicht die geringste Trübung des Verhältnisses erkennen. Die in ihm vorkommende Beurteilung Parmenions zeigt, wie sehr K. noch ganz für Alexander und in seinem Sinne schreiben wollte, woraus man Übrigens auch abnehmen kann, daß von Beziehungen des K. zur 50 makedonischen Opposition in Alexanders Umgebung nicht gesprochen werden darf. Aber auch noch 328 nach der Tötung des Kleitos wäre schwerlich gerade K. von den Freunden zur Tröstung Alexanders eingeführt - an der Richtigkeit der Tatsache wird man nicht zweifeln -, wenn sein Anblick schon dem Könige ärgerlich gewesen wäre. Alles weist also darauf hin, daß ein ganz bestimmtes Ereignis von einer Bedeutung, die über den Moment hinausging, den Anlaß zum 60 Konflikt gegeben haben muß; und das kann nicht etwa die Verurteilung der Phiiotas gewesen sein, wie Droysen 379 denkt - das ist durch die erwähnte Behandlung Parmenions in dem Geschichtswerk ganz ausgeschlossen -, sondern allein die Frage der Proskynese. In der Opposition, die K. hier den Wünschen des Königs machte, sieht unsere Überlieferung einstimmig den letzten und eigentlichen Grund für Alexanders [1679] Groll (Plut. Alex. 54. Arrian. IV 10. Curtius Vin 5ff. Iustin. XII 7, 1. XV 3, 3. VaL Max. VII 2 ext. 11 = Ammian. Marc. XVIII S, 7. Tatian. πρ. Ἔλλ. 2 p. 2, 25 Schwartz). Die Einzelheiten werden hier, wie das bei einer nicht offiriell behandelten Sache natürlich ist, verschieden Überliefert. Die Erörterung in Rede und Gegenrede beim Symposion (Arrian. IV 10, 5ff. Curtius VIII 5, 5n.; angedeutet auch bei Plut. Alex. 54), wobei die Befürworter in den Berich-10 ten wechseln (Anaxarch bei Arrian; Kleon der Sizilier bei Curtius) und der König bald anwesend zu sein scheint (Arrian), bald nicht (Curtius Vin 5, 9, wo er hinter einem Vorhang die Reden und ihren Eindruck belauscht), während die ganze Sache als ein Versuch erscheint, den Alexander mit den σοφ total (= κόλακες) verabredet (Arrian. a. O. 10, 5, der ganz unnütz auch noch die vornehmen Meder und Perser als Teilnehmer der Verabredung nennt; Curtins a.20 O. 5, 7f,), scheint mir allerdings reine Mache zu sein, deren Tendenz ja durchsichtig ist. Jedenfalls verträgt sich dieser λόγος nicht mit dem Berichte des Cliares (Plut. Alex. 54; anonym bei Arrian. IV 12, 3ff.), dessen Verfasser Ober derartiges gut unterrichtet sein mußte und der auch an sich, wenigstens in der Hauptsache, einen recht vertrauenerweckenden Eindruck macht. Danach wird durch Hephaistion in Vereinbarung mit Alexander der Versuch gemacht, die Proskynese 30 gleich praktisch einzuführen, indem bestimmte Männer, die sich vorher verpflichtet hatten, das Beispiel gaben und dadurch die anderen gewissermaßen zwingen sollten, es ihnen nachzutun. K. versucht sich unauffällig - der König sprach gerade mit Hephaistion - der Zeremonie zu entziehen. Aber Alexander wird von einem der Anwesenden darauf aufmerksam gemacht und weigert nun K. den Kuß, worauf dieser mit der ungezogenen Bemerkung quittiert: φιλήματι tolvw 40 ἔλασοον ἔχων ἄπειμι. Sie ist ihm wohl zuzutrauen, schließlich auch verständlich, da die Situation ihn überraschte. Der Bericht ist sonst, was auch für ihn spricht, nicht direkt ungünstig für K., der, in die Verabredung Hephmstions natürlich nicht eingeweiht (denn nicht auf die ὀοφισταί, die in dem ersten schlechten Bericht als Protagonisten auftreten, sondern nur auf die Haltung der Mäkedonen kam es an), sich ohne seine Schuld in eine Lage versetzt sah, in der 50 er ohne Aufgabe seiner Überzeugung Alexander nicht zu Willen sein konnte. Ob er sich nicht geschickter hätte benehmen können, ist eine Frage für sich. Daß er sich aber gegen die .barbarische Form der Verehrung* (Hoffmann Das literar. Porträt Alexanders d. Groß. 1907, 5) auflehnte, ist verständlich auch bei jemand, der die göttliche Natur Alexanders literarisch vertrat und ihrer Verehrung in der bei den Griechen üblichen Weise wohl nicht widerstrebt haben 60 würde. Anders würde die Sache allerdings liegen, wenn wirklich K. vor dem Symposion dem He-phaistion versprochen hätte, sich an der Proskynese zu beteiligen, wie dieser behauptete (Plut. Alex. 55 in.); denn dann hätte K. den Hephaistion absichtlich getauscht, nur um seine Opposition gegen die Ehrung in aller Öffentlichkeit machen zu können. Aber das ist an sich nach allem, [1680] was wir von K.s bisheriger Haltung wiesen, in sich unglaublich; es widerspricht auch dem Bericht des Chares, der keinen Grund hat, K. besonders zu entschuldigen; denn nach diesem Bericht hat K. gerade umgekehrt die offene Opposition vermieden. So wird die Behauptung eine Unwahrheit Hephaistions sein, der sich für die verunglückte Inszenierung - denn durch das Publikwerden von K.s Weigerung noch während des Symposions wurde aus der geplanten Aktion ein Skandal - eine Entschuldigung suchen mußte (s. auch Kaerst Gesch. d. hell. Zeitalters I 432). Es ist charakteristisch, daß er das auf K.s Kosten tat, wie es für die Stellung und Schätzung der griechischen Literaten am Hofe charakteristisch ist, daß man ihre Ansicht und Zustimmung vorher einzuholen oder sich nur ihrer zu vergewissern für unnötig hielt.

Es ist möglich, daß unsere Überlieferung die Bedeutung des K. in der Proskynesefrage etwas übertreibt (Kaerst a. O.352; etwas anders 432f.). Wenn Alexander den Gedanken fallen ließ, so war das sicherlich nicht Folge der (apokryphenjßede des K., wie der schlechte Bericht (Arrian. IV 12r 1) uns glauben machen will, sondern es entschied der Widerstand des makedonischen Adels in seiner Mehrheit. Daß diese Männer K.s Opposition gern sahen, daß er ihnen nach dem Herzen redete oder tat (denn es ist fraglich, ob er Gelegenheit hatte, die Sache öfter zu berühren), ist möglich; übrigens nicht mehr als möglich; die Gefühle und Argumente dieser adligen Herren waren in dieser Frage ganz andere als die des Philosophen. Aber daß K. in Verbindung mit ihnen handelte, daß er ,Alexander opponierte als Genosse des makedonischen Adels, weil er die Chancen des Konflikts zwischen diesem und dem König falsch berechnete* (Schwartz 127), das ist sicher unrichtig, weil K. in den Πράξεις 'Ἀλεξάνδρου bis zum Ende Partei nimmt für den König gegen den makedonischen Adel. Die Überlieferung bietet also ganz richtig keinerlei Anhalt für eine solche Annahme, die K.s Bedeutung viel zu hoch veranschlagt; sie schließt sie im Gegenteil in dem schlechten Bericht wie in dem des Chares geradezu aus. K. war weder ein Werkzeug der altmakedonischen Partei noch gar ihr Führer (die ,Seele der Opposition* E. Meyer bei Ersch-Gruber a. O. 160), nicht einmal ihr Wortführer. Daß Alexander trotzdem seinen Zorn auf K. warf, ist durchaus begreiflich. Er mochte sich gerade von ihm eines solchen Widerstandes nicht versehen haben, da er doch literarisch so eifrig auf die vom König gewünschte Verkündigung Alexandere als Zeussohn eingegangen war; er wird auch wohl dem griechischen Sophisten am wenigsten das Becht zur Opposition zugestanden haben. Von nun an schieden sich ihre Wege. Was von Zusammenstößen zwischen beiden berichtet wird, muß, soweit es wahr ist, in diese Zeit fallen, jene Beweise für das, was Arrian. IV 12, 7 (s. auch Diog. Laert. V 4) ἄκαιρος παρρησία καὶ ὑπέρογκος ἀβελτερία nennt, die Bewunderer des K. die gravitai et prompt# libertär (Curtius VIII 5, 13); jene Äußerungen übertriebenen Selbstbewußtseins, die mit Herabsetzung Alexanders verbunden «waren (Arrian. IV 10,1-2); die Beden über Tyrannen und Tyrannenmord. So soll er [1681] vor Philotas (!) die Tyrannenfeindechaft Athens gerühmt (Arrian. IV 10, 3 M H ol καὶ τάδε ἀνύγραψαν), ror den königlichen Pagen ähnliche und noch unvorsichtigere Beden geführt haben (Plut. Alex. S5, hier im Munde seiner Gegner). Dürfte man der Überlieferung trauen, so hätte er in einer Art von perverser Eitelkeit auch den König geradezu absichtlich gereizt: denn wenn er mehrfach heim Fortgehen den Hiasvers XXI 107 κάτῦανε καὶ Πάτροκλος (Plut. Alex. 54) ihm ' zugeworfen hat, so klingt das wie eine Antwort auf Alexanders noch halb gutmütige Drohung mit XVIII 95 Ὠκύμορος δὴ μοί, τίκος, ἔοαεαι οἱ ἀγορεύεις. Ein Duell in Homerversen! Aber alle diese Dinge haben wenig Gewähr; zum Teil sind sie offensichtlich erfunden, wie die Szene mit Phiiotas; zum Teil waren es Zwischentrâgé-reien und Klatschereien. Nur ein Vorgang, der jetzt auch in diese Zeit gesetzt werden muß, ist gut bezeugt durch K.s eigenen Vorleser Stroibos, ' der ihn Aristoteles mitgeteilt hat (Hermipp. bei Plut. Alex. 54; ich kann Kaerst a. O. 431 nicht beistimmen, wenn er die Sache ,an sich nicht gerade sehr wahrscheinlich* nennt); und gerade dieser Vorgang scheint mir zu beweisen, daß K. weit entfernt, den Märtyrertod zu erstreben oder auch nur von jetzt ab als Vertreter griechischen Freiheitssinnes sich zu gerieren oder endlich der makedonischen Opposition sich anzuschließen, vielmehr in glücklicher Ahnungslosigkeit sich befand, wie tief sein Verhalten in der Proskynesefrage den König gekränkt hatte. Die eitle Freude über seine Rolle, die gewisse Borniertheit, wie sie Aristoteles an ihm gefunden hatte (τὸν ἀνθρώπινον νουν ἀποβεβληκέναι), ließen ihn die Verhältnisse in ganz falschem Uchte sehen. So ließ er sich also, nachdem er erst in einer Epideixe beim Trünke die Makedonen so reichlich und mit solchem Flusse der Bede gepriesen hatte, daß ein wilder Beifallslänn ausbrach, durch eine recht doppelsinnige Äußerung des allein kühl gebliebenen Königs verleiten, nun auch einen rhetorischen ψόγος τῶν Μακεδονίαν vorzutragen. Es ist bezeichnend für seinen Mangel an Menschenkenntnis, daß er dabei allein an die Bewunderung dachte, die seine Kunst erregen würde. Aber er hatte keine gebildeten Griechen vor sich, denen der Stoff nichts, die Kunst der Behandlung alles sein konnte. Die makedonischen Hörer waren entrüstet, und der König urteilte, K. habe nicht einen Beweis seiner δεινότης, sondern nur einen seiner Abneigung gegen die Makedonen gegeben. Die Geschichte ist, wie gesagt, gut bezeugt. Dann beweist sie aber auch, wie gespannt die von K. verkannte Situation war; wie tief Alexanders Ärger sich eingefressen hatte, wenn er in einer wenig würdigen Weise dem Genossen, dessen Schwächen er doch sicher kannte, eine Falle stellte.

So erklärt sich die Katastrophe ohne weiteres. K. war in Ungnade beim König; bei den κόλακες war er immer unbeliebt gewesen. Eine Gelegenheit, ihren Haß gegen den eitlen und überheblichen Mann zu stillen, bot eich zu K.s Unglück nur zu bald, als im Frühjahr 327 die Pagenverschwörung des Hermolaos entdeckt wurde. Hatte man schon vorher dem Könige ins Ohr geraunt, daß K. ini καταλάβει τυραννίδας μύγα φρονῶν umherginge und diese Anschauungen [1682] auch den Jüngeren einpflanze (Plut. Alex. 55; vgl. auch Arrian. IV 10,3-4) - Verdrehungen, zu denen er durch unvorsichtige Äußerungen selbst Anlaß und Handhabe geboten haben mag-, so hieß es jetzt, der Philosoph habe durch Ant* Worten, ja durch direkte Mahnungen anHermolaos diesen zum Entschluß des ,Tyrannenmördes‘ getrieben (Plut. Alex. 55. Curtius VIII 6, 24f.; vgl. Arrian. IV 13, 2). Daß diese Anklagen bei 10 Alexander Glauben fanden, ist sicher und begreiflich. Die Untersuchung wurde auch auf die Teilnahme des K. erstreckt, der natürlich nicht selbst verhört wurde (Curtius VIII 8, 19 gibt eine Erklärung für diese selbstverständliche Tatsache). Ein Ergebnis hatte die Untersuchung offenbar nicht. Wenn Plut Alex. 55 (Curtius VIII 6, 24) berichtet, daß auch auf der Folterbank keiner der Verschworenen den K. beschuldigt habe, und dies durch unmittelbar nachher an Krateros, Atta-20 Ios und Alketas geschriebene Briefe belegt (τοὺς παίδας βασανιζόμενους ὀμολογεί?, ὡς afaol ταῦτα πράξειαν, ἄλλος δὲ οὐδεις συνειδείη), so muß man das glauben, auch wenn Alexander bei den ‘Uo vielleicht zuerst mehr an die altmakedonische Opposition, als an den griechischen Philosophen gedacht hat Der genau das Gegenteil behauptende Bericht des Ptolemaios, dem Aristobulos sich anschloß (Arrian. IV 14, 1 καὶ Καλλισθένη? ἐπάραι σφας ἔφασαν ἐς τὸ τόλμημα), muß zur 30 Entschuldigung des Königs erfunden sein. Das wird auch nicht durch einen späteren Brief Alexanders an Antipatros widerlegt (Plut. Alex. 55), in dem er Mitteilung von der erfplgten Bestrafung der Pagen machte und Drohungen aussprach, nun nicht nur gegen K. (τὸν 5ὲ σοφιστὴν ἔγω κολάσω), sondern auch gegen seine übrigen Feinde (xat τοὺς ἐκπέμψαντας αὐτὸν - worunter man natürlich Aristoteles verstand; ob mit Becht, ist sehr fraglich - καὶ τοὺς ὑποδεχόμενους ταίς ΪΟαόλεσι τοὺς ἔμοι ἐπιβουλεύοντας). Aus den Worten des Briefes möchte man übrigens schließen, daß K. bereite verhaftet war. Es ist psychologisch ganz begreiflich, daß der alte Zorn und die beständigen Einbläsereien anderer trotz des negativen Ergebnisses der Untersuchung den einmal gefaßten Verdacht nicht schwinden Ließen, zumal wenn die Bewunderung des Hermolaos für K. erwiesen war; wie es die πολλοί bei Arrian. IV 14, 1 ganz richtig begründen δω τὸ μίσος τὸ ἤδη ὅν πρὸς Κ. καὶ ὅτι δ Ἐρμόλαος ἐς τό μάλιστα ἐπιτήδειος ἤν τῷ K. (vgl. IV 12, 7). K. war noch in Haft (die Verhaftung war nach Strab. XI 11, 4 in der baktrischen Stadt Kariatai erfolgt; vgl. Arrian. IV 22, 2). Jetzt gab der König, vielleicht in einem seiner plötzlichen Wutanfälle, den Befehl, ihn zu foltern und aufzuhängen. So Ptolemaios (Arrian. IV 14, 3 στ$εβλωθέντα καὶ κρεμασθέντα ἀποθανεῖν; Curtius Vin 8, 21 tortus interiit, Plut. Alex. 55 ἄπο6θüaw Ἰπὸ 'Ἀλεξάνδρου κρεμασθέντα; Suid. s. Καλλισθένης, s. Νεόφρων) unzweifelhaft richtig (Beloch Gr. Gesch. ἼΙΪ 1, 27, 1). Wenn Chares (Plut. Alex. 55) und Aristobul (Arrian. IV 14, 3; vgl. Strab. XI 11, 4) dagegen behaupten, er sei in Fesseln gelegt und schließlich (nach 7 Monaten: Chares) an Krankheit gestorben (κσφ Aristobul; θπέρπαχυν γενομενον καὶ φθειριάοαντα Chares), so ist das sicher, namentlich in der Fassung des [1683] Chares (φυλάττεοΦαι ὀεόεμενον, ὡς er τῷ atWgλφ κριθείη παρόντος Ἀρωτοτέλους) zur Entschuldigung Alexanders erfunden. Nur eine absichtliche Verdunkelung in den offiziösen Darstellungen kann es erklären, daß oMf οἱ πάνυ πιστοὶ ἐς τὴν ὀφήγηοιν καὶ ξνγγενόμενοι ἐν τῶ τότε Ἀλεξάνδρῳ ὑπὲρ τῶν γνωρίμων te καὶ ὅν λαθόντων σφάς ὅπως ἔπραχθη ξύμφωνα ἀνέγραψαν (Arrian. IV 14, 3). Übrigens ist die Verdunkelung recht durchsichtig: Ptolemaios leugnete die Schuldlosigkeit, Chares die Hinrichtung, Aristobul (charakteristisch für ihn) vereinigte beides und entlastete damit den König allerdings vollständig. In*der Tradition hat die Version des Chares am meisten Glück gehabt, allerdings gelegentlich mit der des Ptolemaios verschmolzen; aber nur weil die Gefangenschaft sich so hübsch romanhaft ausmalen ließ. Die blutige Phantasie hat dabei ihre Orgien gefeiert (Plut. Sulla 36. Ovid. Ibis 519. Tatian. a. 0, - Diog. Laert. V 4. Suid. s. v. Schol. Lukian. p. 258, 4 Rabe. - Iustin. XV 3, 4; vgl. Arrian. IV 14, 4 ποΑΖά di καὶ ἄλλα ὑπὲρ τούτων αὐτῶν ἄλλοι ἄλλως ἀφηγήσαντο).

So starb K. wahrscheinlich noch im Frühjahr 327, initi consili in caput régis innoxius, sed haudquaquam aulae et adsentantium aceomo-datus ingenio (Curtius VIII 8, 21 mit sehr glücklicher Formulierung, die man auffassen kann, wie man will). Natürlich hat dieser Untergang eines bekannten Schriftstellers in Hellas nicht nur im Peripatos Aufsehen erregt Das beweist das Eintreten des Ptolemaios und Chares für den König. In der Alexanderhistorie ist seitdem ein ausführlicher Exkurs über K. üblich, der an den Tod des Kleitos angeschlossen zu werden pflegte und in dem je nach der Stellung des Betreffenden zu Alexander ein Schlußurteil gefällt wurde. Die Gegner und die Philosophen demonstrierten daran meist die schädlichen Wirkungen des zu großen Glückes oder auch die Gefährlichkeit des Zornes und ergehen sich in zum Teil maßlosen Anklagen gegen den König, während K, zur Lichtgestalt des philosophischen Märtyrers wird (Sen. nat. quaest. VI 23, 2. Plut. de coh. ira 9 p. 458 B. Val. Max. IX 3 ext. 1: Curtius VIII 8, 22. Themist. or. VII 94 A p. 112, 13 Dind. XIII 176 A p. 215, 31). Doch finden sich auch ab-weichende Ansichten. Timaios, der freilich über alles schilt, urteilte, daß K. sein Schicksal verdient habe, weil er selbst duch seine κολακεία Alexanders Seele verdorben habe (Polyb. XII 12 b. 23, 3–5), eine ungerechte Übertreibung, gegen die Polyb Einspruch erhebt. Aber auch Philodem π. κολακ. 12 4 (Gomperz Comm. Momms. 480; vgl. Croenert Kolotes u« Menedemos 1906, 191) will ihm den Ehrennamen eines παρρησιαοτης φιλόσοφος und eines συντονως φίλος absprechen und hebt den Widerspruch hervor, daß K. ἐν ταλς Ἰοτορίαις ἀπεΦέου τὸν Ἀλέξανόρον, ἀντέκοψε θ αὐτοῦ τως προσκυνησεσιν. Auch im Peripatos war das Urteil geteilt. Aristoteles, der sich von K.s ἀναγνώστης Bericht erstatten ließ, behielt seine Ruhe. Er war mit K.s Verhalten nicht zufrieden und maß ihm einen Teil der Schuld an der Katastrophe zu, wenn er auch das Verfahren ohne Recht und Gericht sicher nicht ge-billigt hat. Es ist wohl möglich, daß der Tod des K. eine Entfremdung auch zwischen Aristoteles [1684] und dem Könige verursachte (Dior. Laert. V 10). Doch scheint sie mehr auf selten des Königs eingetreten zu sein, dessen Brief an Antipatros (Plut. Alex. 55) Mißtrauen auch gegen Aristoteles zu bekunden scheint, als auf der des Philosophen. Denn die Gerüchte von seiner Beihilfe zur Vergiftung Alexanders (Arrian. VII 27, 1. Plin. n. h. XXX 149) sind unsinnig. Dagegen griff Theophrast zur Feder und, wie einst K, 10 selbst den Märtyrer der Treue Hermias verherrlicht hatte, so schrieb er dem Freunde einen Nachruf, Καλλισθένης ἡ περὶ πένθους (Diog. Laert. V 44), in dem er nun wieder mit einiger Ungerechtigkeit gegen den König diesen bezeichnete als hominem summa potentia summaque for· tuna, sed ignarum quemadmodum rebus secun-dis uti conveniret (Cic. Tusc. III 21. V 25). Diese Anschauung von dem durch das Übermaß des Glückes wahnsinnig gewordenen Despoten hat tiefe Spuren in der Alexanderliteratur hinterlassen.

Eine berühmte Marmorstatue des K. gab es von dem wohl sicherlich zeitgenössischen Am-phistratos. Sie dürfte ein Weihgeschenk des Mannes selbst gewesen sein (in Delphi oder, wie Gorgias, in Olympia). Später war sie in Born in hortis Servilianis (Plin. n. h. XXXVI 36).

K. wird ebenso häufig als φιλόσοφος bezeichnet (Plut. Alex. 52. Iustin. XII 6, 17. XV 3, 3. SOItin. Alex. 41. Sen. suas. I 5. Suid. s. Νεόφρων. Schol. Lukian. 258, 4 Rabe, σοφιστῆς Alexanders Brief bei Plut. Alex. 55. Lynkeus von 8amos bei Athen. X 434 D. Περιπατητικός: Lyd. de mens. IV 107) wie als Historiker (Diod. IV 1, 2. XIV 117, 8. Gnomol. Vat. 367. Athen. Meehan, p. 10 Schneider. Anonym. Flor; Περὶ τῆς τοῦ Νείλον ἄναβ. Plin. n. h. XXXVI 36. Ovid. Ibis 519; vgl. Cic. de or. II 58); ersteres begreiflicherweise ausschließlich in der Alexanderhistorio. Aber 40 seine Schriftstellerei ist rein historisch. Sie war ziemlich umfangreich, ist jedoch in den Äußerlichkeiten wenig kenntlich, da bei Suidas jede Angabe über die literarische Tätigkeit fehlt und da die Zahl der Zitate mit Buchtitel ungewöhnlich gering ist. Es ist durchaus nicht sicher, daß wir alles kennen, was er geschrieben hat: wenigstens sind uns zwei Spezialwerke erst neuerdings aus einer delphischen Inschrift und aus dem Didymospapyrus bekannt geworden. Eine weitere 50 Spezialschrirt scheint Sen. na,t quaest. VI 23, 4 C. in libris quibus describit, quemadmodum Helice Burisque mersae sunt zu kennen. Doch sind hier wohl nur die Hellenika gemeint. Auch besondere Bücher De natura oculi und De plantis (Westermann) bleiben zweifelhaft. Wenn er als Quellenschriftateller in Plinius’ Baumbüchero (XII. XIII) aufgeführt wird und Epiphan. adv. haeres. I 1, 3 (Migne Gr. XLI 173) ihn geradezu unter den Botanikern nennt, so erklärt 60 sich das doch wohl aus botanischen Exkursen in den Πράξεις. Lassen wir die Schwindelzitate der Μεταμορφώσεις, Μακεδονικά, θρρκικά, Κυνηγετικά (Ps.-Plut, Paraît 5. 8. 31; de fluv, 4, 2. s. u. Kallisthenes von Sybaris) bei seife, so sind ans der Zahl der Schriften zunächst noch die Περσικά zu streichen, die in dem Aristophanes-scholion (Aves 1021) bei Phot. Suid. s. Σαρδανάπαλος scheinbar zitiert werden (Σαρόοναθαίους [1685] θ fi Περοικθν δὺο φηοὶ γεγονίναι ί.). Daß K. die Geschichte von Sardanapal, wie fast alle Alexanderhistoriker, erzählt hat, ist wahrscheinlich; aber der in der Fassung des Photios genauer erhaltene Buchtitel gehört nicht ihm, sondern dem in den Scholienhss. genannten Hella-nikos ( di Wdwwff θ τοῖς Περοικοίς; vgl. Möller 6. Schwartz 107). K. mag diesen zitiert haben; wenigstens kennt und benützt er ihn auch sonst; nach ihm hat er Troias Fall auf den 12. Thargelion bestimmt, Schot Eurip. Hekab. 910 ec Clem. Strom. I 104, 2. Zweifel sind noch der Περίπλους und der Ἀποφθέγματα begegnet. Jener, der mindestens zwei Bücher umfaßte, wird nur in den Apolloniosscholien zitiert (zu I 1037 K, ἐν τῶ πρώτω τοῦ Περίπλου; II 672 A. èv τῶ Περίπλῳ. Von den Zitaten ohne Buchtitel - I 211. II 936 - dürfte das zweite ihm sicher zuzuweisen sein; das erste kann auch in der Alexandergeschichte gestanden haben), ist aber vielleicht auch von Ps.-Skymn. 124 im Autorenverzeichnis gemeint. Geier denkt an Fälschung auf den berühmten Namen in spätptolemäischer Zeit, was natürlich nicht beweisbar, aber jedenfalls wahrscheinlicher ist als C. Müllers Annahme einer Korruptel aus Καλλίοτρατος t der zwar περὶ Ἠράκλειας, aber unseres Wissens keinen Περίπλους geschrieben hat (s. nochBöper Über einige Schriftsteller mit Namen Hekataeos I 1877, 20, 34). Ein durchschlagender Grund, an K.s Autorschaft zu zweifeln, liegt nicht vor; und noch weniger bei den Ἀποφθέγματα, aus denen Aussprüche von Leuten kallisthenischer Zeit, deren einen, den Dichter Persinos, K. auch persönlich gekannt haben wird, zitiert werden bei Pollux IX 93 und in dem Lemina zu Athen. VIII 350 D. Es ist möglich, daß dem K. die ganze Reihe der Στρατοδίκου Ἀπομνημονεύματα von 350 D bis 352 C entnommen ist. Dergleichen Sammlungen liegen durchaus in der Richtung der Arbeit, die im Peripatos betrieben wurde.

Die unbezweifelten Werke zerfallen in einige Arbeiten, die K. noch als Mitglied des Kreises um Aristoteles und Mitarbeiter des Oheims gemacht hat, und in die großen historischen Werke. Zu jenen gehört der aus einem delphischen Ehrendekret (Dittenberger Syll.² 915) bekannt gewordene [Πίναξ τ]ῶν ἄπ[ο Γυλίδα νεν]θηκότων τ[ὰ Πύθια] καὶ τῶν ἐξ ἄρθχης τό]ν ἄγθνα κατασκευασάντων, als dessen Verfasser Aristoteles und K. belobt werden. Vermutlich hat der Oheim dem Neffen hier die archivalische Arbeit Übertragen, und sein Name erscheint mehr ehrenhalber als der des geistigen Vaters der Arbeit Daß sich Aristoteles ,des eingeschulten Historikers auch bei der Aufstellung seiner Olympionikentafel bediente¹ (Diels Herm. XXXVI 75), beruht auf einer doch unsicheren Ergänzung von Diels zu Oxyrh. Pap. 222 col. I 41. Die dem K. sonst nicht recht liegenden archivalischen Studien haben wohl noch weiter Verwendung gefunden in dem (einen?) Buche Περὶ τὸν ἴερον πολέμου (Athen. ΪΠΙ56θΒ. C; Phoeicum [troieum die Hss.] bellum Cic. ad fam. V 12, 2), dessen Selbständigkeit Cic. a. O. bezeugt und aus dem Athen, a. O. etwas über Veranlassung und Dauer des ersten Heiligen Krieges anführt. Ich möchte in diesem Buche, das man zeitlich von dem [1686] Πίναξ ungern trennen wird, den ersten Versuch eigentlich historischer Schriftstellere! desK. sehen, der noch In den 40er Jahren erschienen ist. Wenigstens sehe ich nicht ein, warum die Hel-lenika ,abgeschlossen* gewesen sein müssen, als ,K. sich daran machte, den Phokischen Krieg zu erzählen* (Schwartz 106, dem Will 14 ebenfalls ohne Begründung folgt). Vielmehr ist schon a priori glaublicher nud wird es noch mehr durch 10 den publizistischen Charakter von K.s gesamter Schriftstellerei (s. u.) die Auffassung von Diels a. O., daß ,der junge Verwandte und Schüler des Aristoteles auf dessen Empfehlung von Philipp nach Delphi geschickt wurde, um die Akten für die Darstellung des Heiligen Krieges zu sammeln*, und daß er bei dieser Gelegenheit - auch das Verhältnis beider Werke scheint mir damit richtig gefaßt - zugleich im Interesse und nach dem Plane seines damals mit der Ge-20 schichte der Poesie beschäftigten Meisters die Akten der Pythien sammelte und bearbeitete*. Wenn Aristoteles daran lag, seinen Neffen bei Hofe zu empfehlen, so war dies der richtige Weg. An einer Darstellung des Krieges, der die Leidenschaften der griechischen Welt aufs heftigste erregt hatte (Schwartz Herm. XLIV 483Î), von seinem Standpunkt aus mußte Philipp sehr viel gelegen sein. Ob und welche Beziehungen polemischer Art übrigens zwischen dieser Darstellung 30 aus der Schule des Aristoteles und (Jem gleich -betitelten (aber umfänglicheren?) Werk des Iso-krateers Kephisodor bestanden, ist nicht auszumachen. Daß sie bestanden, ist wahrscheinlich. Endlich gehört noch in die Zeit, in der K. mehr als Amanuensis des Oheims tätig war, das aus dem Didymospapyrus bekannt gewordene Schrift-chen über Hermias von Atarneus (Berl. Klass.-Texte I coL V. VI). Nach Crönerts (Bh, Mus. LXII 383) Lesung und Ergänzung Καλλισθέν[ης 4θέγκώμιό]ν τὶ (σύγγραμμά τί Diels) συντάξας περὶ αὐτὸν, zu dem der Inhalt der Fragmente stimmt, war es ein Enkomion. Es ist also wohl unmittelbar nach Hermias* Tod (341) geschrieben und war keine Gegenschrift gegen die Schmähungen im 46. Buche der Theopompischen Φιλιππικά.

Alle diese Schriften und Schriftchen treten zurück hinter den beiden großen Werken zeitgeschichtlichen Charakters, den Ἐλληνικά oder .Ελληνικοὶ Ἰστορίαι (Athen. X 452 A. Anon. in 50 Aristot. Eth. Nic. IV 8 p. 189, 13 Heylbut, Harpokr. s. Σφοδρίας. Joh. Lyd. de mens. IV 107 p. 146, 16 Wünsch. Schol. Eurip. Hekab. 910. Steph. Byz. s. Τεγύρα. - Ἐλληνικῶν πραγμάτων Ἰστορία Diod. XVI 14, 4. ἡ τῶν Ἐλλην(ικ)ῶν σύνταξις ebd. XIV 117, 8) und den ὠίάθον Πράξεις. Den Namen dieses zweiten Werkes, aus dem Bruchstücke mit Titel und Buchzahl gar nicht erhalten sind, den man aber aus dem Sammelzitat des Strabon (XVII 1, 43) 60 δηλοῦσιν οἱ τὰς Ἀλεξάνδρου Πράξεις ἀναγράψαντες, worauf ein Exzerpt allein aus K. folgt, hätte erschließen können (s. auch Iustin XII 6, 17 ad prodenda memoriae acta eius)t während Philodem π. κολακείας (Gomperz Comment. Mommsen. 480) sich mit dem allgemeinen Ἰστορίαι begnügt, - den Titel liefert die Anekdote im Gnomol. Vatic. 367 (Wien. Stud. X 52. Wachsmuth Bh. Mus. LVI 223ff.), die auch [1687] die Schätzung und das relative Zeitverhältnis der beiden Werke richtig feststellt: K, 6 Ἰστοριογράφος πρὸ τὸν Ἀλεξάνίρῳ οὐσταλήναι γεγραψως τὰ Ἐλληνικά, μετάταῦτα τὰς ἰ41ε‘άνθρου Πράξεις, ἐρωτώμενος ὑπὸ τίνος, διὰ τὶ βελτιον τὰ 'Ἐλληνικὰ συνεγράψατο κτλ. Damit entfällt die auch an sich unglaubliche Behauptung von E. Schwartz (8. 106f.), daß auch das Alexander-buch ïïjüi/vtxà betitelt worden sei Wenn es nach Schwartzens eigener Annahme «sehr möglich* ist - wir dürfen es in Anbetracht der Umstände und des Zweckes der Publikation wohl als sicher bezeichnen -, daß K. die einzelnen Bücher von Asien nach Griechenland zur Veröffentlichung schickte (gut begründet hat diese Annahme schon Droysen Hellenism. I 2,379ff), so wird, ja muß der Buchtitel, der für ein solches Werk nicht nur passend, sondern charakteristisch ist, ebenfalls von ihm gegeben sein. Auch die beiden Bruchstücke, die Schwartz zu seiner Annahme geführt haben, sind nicht geeignet, den bezeugten Sachverhalt zu erschüttern. Was K. veranlaßt hat, im 2. Buche der 'Ἔλλη; νικά, in dem Ereignisse des J. 378 behandelt waren, ausführlich über das Tagesdatum von Troias Fall zu handeln (Schob Eurip. Hekab. 910), ist sicher nicht zu sagen. Aber Wachsmuths Vermutung (a. O.), daß es in einem Exkurs gelegentlich der Eroberung von Olynth durch die Lakedaimonier geschah, die damit auf den Thargelion 379/8 bestimmt würde, ist mindestens nicht unwahrscheinlich. Die Zusammenstellung der Autoren bei Plut. CamilL 19 berechtigt tatsächlich nicht, gerade K.s synchronistischen Exkurs auf die Schlacht am Granikos zu beziehen, obwohl es natürlich möglich ist, daß er auch in der Alexandergeschichte diese Bedeutung des Thargelion hervorhob. Gar keinem Zweifel aber kann es unterliegen, daß der Exkurs über die Gründe der Nilschwelle im 4. Buche (Joh. Lyd. de mens. IV 107; ohne Buchtitel und -zahl Strab. XVII 1, 5. Anonym. Flor. 77. τῆς τὸν Νείλον ἄναβ.) von Westermann richtig auf den ägyptischen Feldzug des Phrnabazos-Iphikrates im J. 373 bezogen ist, bei dem die Nilüberschwemmung die persische Stellung unhaltbar machte (Diodor. XV 43, 4). Wenn Schwartz ihn dem Alexanderbuch zuweist (was schon vorher E. Meyer bei Ersch-Gruber a. a. O. 158 als das Wahrscheinlichste bezeichnet hatte), so hat er etwas zu hastig dem Lydos getraut, der K. als Autopten sprechen läßt: K.... φησίν, ἐαυτὸν συστρατεύοαοθαι Ἀλεξάνδρῳ καὶ γενόμενον Μ τῆς Αἰθιοπίας εὐρεῖν τὸν Νείλον ἐξ ἀπείρων ὄμβρων κατ ἐκείνην γενὲ μενῶν καταφερόμενον. Aber bereite Diels ,Seneca und Lucan* 19f. hatte hier eine Verwirrung des Lydos oder viel mehr seiner Vorlage Seneca festgestellt: Alexander hat nicht persönlich eine Expedition nach Äthiopien unternommen und - selbst gesetzt, daß eine solche Expedition durch seine Beauftragten stattgefunden, daß sie das bezeichnete Ergebnis gehabt hat, daß K. davon erfuhr, was alles wohl möglich ist (Partsch ,Des Aristoteles Buch usw.*, Abh. Sächs. Ges. d. Wiss, XXVII 1909, 584) - K. konnte garnicht als Autopt sprechen. Damit ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder hat Seneca-Lydos ,die Bezeichnung des K. [1688] als συστρατευαάμενος *ΑλεξΜρφ mit seinem Bericht aber die Autopsie der Gewährsmänner konfundiert* (Diels a. O. 20, 1), oder aber der ganze Satz φηοῖν - εὐρεῖν ist ein aus dieser näheren Bezeichnung des K. herausgewachsenes Mißverständnis: K. hat nicht von eigener oder fremder Autopsie - wenigstens nicht von Autopsie durch Alexanders Sendlinge - gesprochen, sondern nur seine Theorie vorgetragen. Eine dritte 10 Möglichkeit, daß zwei Zitate aus den Ἠλληνιχά und den Πράξεις zusammengeflossen seien, wird man kaum erwägen. Im ersteren Falle sind wir ohne weiteres zu der Annahme Müllers gezwungen, daß K. seine Ἠλληνιχά erst in Asien abgeschlossen und hier besonders die auf Asien und Ägypten bezüglichen Abschnitte überarbeitet hat; oder vielmehr, da der Abschluß der Helle· nika vor 334 ziemlich sicher steht (s. u.), zu einer Modifikation, zur Annahme einer Neuausgabe mit Ergänzungen und Nachträgen (vgl. Partsch a. O. 584, 8). Und wenn man eine Neuausgabe durch K. selbst wegen seiner Lebensumstände nicht für möglich hält, so würde selbst ein Zusatz im Handexemplar oder eine briefliche Mitteilung an Aristoteles, die Ergänzung in seinem Exemplar vorzunehmen und zu verbreiten, vollkommen genügen. Aber das Natürliche in diesem Falle wäre doch wohl eine Neubehandlung der ganzen Frage in den Πράξεις gewesen; und schon deshalb wird man Müllers Annahme ungern billigen. Nun ist aber zu beachten, daß die Parallelberichte zu Lydos von der Autopsie, sei es des K. selbst, sei es anderer, überhaupt nichts wissen, ja daß Strabon (= Po-seidonios) a. O. sie auezuschließen scheint. Er zitiert hier K. und gibt die Geschichte seiner Ansicht, wie es scheint, nach K. selbst (für λαβόντα dürfte λαβεῖν zu lesen sein), der eine Vorliebe für homerische Probleme hat. Danach hat 40 K. diese Ansicht von Aristoteles übernommen - nicht umgekehrt, was auch Poseidonios nicht hätte übersehen können, wenn K. von autopti· scher Forschung durch Alexanders Beauftragte-gesprochen hätte. Da in den erhaltenen Schriften des Aristoteles (außer in dem hier nicht in Frage kommenden Nilbuch) die Nilschwelle nicht behandelt ist, wird man an Vorlesungen des Aristoteles zu denken haben (Will 100, 2). Die starken Regengüsse in Äthiopien waren ihm be-50kannt (Partsch a. O. 586);· bekannt war ihm doch sicherlich auch die Ansicht Demokrits über die Nilschwelle (Diels Vorsokr.³ II p. 34, 22), der die richtige Lösung schon gegeben hatte. Aristoteles wieder verdankte sie dem Thrasyalkee von Thasos, ,einem der alten Physiker* (vgl. Strab. I 2, 21 aus Poseidonios, wo wieder Thra-syalkes und Homer verbunden sind; Joh. Lyd. a. O. p. 146. 15 vor dem Zitat aus K.); der bitte sie παρ' ÆUov (es ist sicher nicht βαλου zu lesen); und dieser Anonymos nahm sie wieder von Homer, dessen Αἰγυπτος διίΛετῆς [‌Od. IV 477] so seine Erkläruug fand. Ebenso heißt es beim Anon. Florent., daß K. ,seine Ansicht‘ der des Anaxagoras und Euripides gegenübergestellt habe; von eigener oder fremder Autopsie ist auch hier nicht die Rede. Wohl aber erscheint in den Schol. Hom. Od. IV 477 gelegentlich der Erklärung des ξιυιειῆς als weiterer Zeuge für die Herleitung [1689] der Nilschwelle ans den BegeoftUen in Äthiopien neben Aristoteles Eudoxos (dazu vgl. Antigon* hist. mir. 162), s«rvoöa wio φάσκοντες ἀπὸ τῶν fr ἌΖχυΛτῳ Ἰερέον. Hier naben wir die übliche Quelle, auf die sich gewiß nicht erst Eudoxos und Aristoteles, sondern schon jener alte Physiker berufen haben wird, der die neue Ansicht zuerst aussprach. Sie konnte natürlich, wie sie es auch tut, nur in Forni einer Hypothese auftretfen. Wenn also Aristoteles in dem 10 Buche de inundatione Hili (p. 197 Bose) die gleiche Ansicht als nun erwiesen durch Autopsie vortrug, so war er jedenfalls unabhängig von der vor dieser Autopsie liegenden Erörterung im 4. Buche der Hellenika. Ob K* in der Übermittlung dieses Resultats der Alexanderexpedition eine Bolle gespielt hat, wissen wir nicht; es ist auch gleichgültig. Freilich - das Nilbuch des, Aristoteles¹ weiß nichts von Thrasyalkes, der doch ehrenhalber in der Geschichte des Problems 2C zu nennen war. Ich lasse dahingestellt, inwieweit dadurch und nicht dadurch allêin die von Partsch doch sehr glaublich gemachte Echtheit des Schriftchens wieder in Frage gestellt wird. Aber bemerkenswert erscheint doch auch, daß Strabon (XVII 1, 5) nichts von einer Feststellung der Wahrheit durch Alexander weiß, obwohl er die Expeditionen des Sesostris und Kambyses erwähnt (freilich auch nichts von der Hypothese der Priester, die Aristoteles und Eudo- 3 xos angeführt haben sollen), vielmehr ausdrücklich die Autopsie und damit die richtige Erkenntnis erst den Handelsexpeditionen der Ptolemaier, insbesondere des Ptolemaios Philadelphos zu-schroibt. Pas führt doch wieder zurück zu der Anschauung Gerckes (o. Bd. II S. 1046) über das Nilbuch; und auch die Bezeugung des ov~ κέτι πρόβλημα. θmv durch Eratosthenes bei Procl. in Plat limai 37 D wird mehr als zweifelhaft, wenn man die gleichen Eratosthenischen Worte 4 bei Strabon a. O. liest, aber ohne jenes ὤστβ κρατυνεσΛ« τὴν θριστοτέλους ἀπόδοσι?. Das alles ist auch gegen Bolchert Neue Jahrb. 1911, I 153f.) dnzuwenden, der (wie ähnlich schon Bauer Hist Untersuch, f. A. Schäfer 1882, 86, 2) Demokrit für Aristoteles' Quelle hält, aber nicht erklären kann, - denn was er S. 154, 1 bei-bringt, genügt nicht, - daß dieser seine Quelle nicht nennt. Sonst wäre dies vielleicht noch eine Möglichkeit, die Echtheit des Nilbuches zu 5 retten: Aristoteles hat sich auf die von Demokrit mitgeteilte Autopsie irgendwelcher ἀκχώριοι berufen (es könnten die Ἰερείς sein, die auch Eudoxos nennt), und K. hat seine Autopsieangabe wirklich aus dem Nilbuche, das ja dann eine der frühesten Schriften des Aristoteles sein könnte. Ich halte diese Möglichkeit für wenig wahrscheinlich; aber das möge unentschieden bleiben; uns ist nur die Feststellung wichtig, daß diese Theorie älter ist, als ihre Bestätigung ( durch die Autopsie in der Zeit Alexanders oder der Ptolemaeer, daß also nichts ihrer Wiedergabe in den Hellenika. entgegensteht.

Die Hellenika umfaßten in 10 Büchern den dreißigjährigen Zeitraum vom Antialkidasfrieden bis zum Ausbruch des Phokischen Krieges (387/6 -357/6: Diodor. XIV 117, 8. XVI 14, 4). Sie enthielten also in erster Linie die Vernichtung [1690] der spartanischen Vorherrschaft, die thebanieche Hegemonie tmd das Aufkommen Philippe von Makedonien. Zitate mit Buchsahlen sind nur ans den Büchern II-IV erhalten; vielleicht noch V; denn beim Anonym, in Aristot. Eth Nic. IV 8 wird für τ# πρώτη mit C. Müller πέμπτη zu lesen sein, nicht ἐν τῆ δ mit Schwartz. Danach war K. im II. Buch schon bis zum J. 378 gelangt (Harpokr. s. Σφοδρίας: Handstreich des Sphodrias auf den Peiraieos. Hier auch Spartas Krieg gegen Olynth im J. 379/8 [Schot Eurip. Hekäb. 910; s. o.] ?). Vermutlich enthielt also Buch I die einleitende Schilderung der griechischen Zustände (s. uj, und in II setzte der Gegensatz Sparta-Theben mit der Besetzung der Kadmea ein. Im III. kam schon der Sieg des Pelopidas bei Tegyra im J. 375 vor (Steph. Byz. b. Τθχυρά, Plut. Pelop. 17). Im IV. stand der Feldzug des Pharnabazos gegen das aufständische » Ägypten im J. 373 (Joh. Lyd. de mens. IV 107); möglicherweise überhaupt die Geschichte des Orients unter dem Königsfrieden. Schwerlich stand das Hilfegesuch Spartas an Athen (Anon. in Aristot Eth. Nic. IV 8) und das Bündnis der beiden Staaten noch im gleichen Buche. Die Verteilung des Stoffes in den folgenden Büchern läßt sich nicht feststellen. Deutlich ist, daß die Darstellung ausführlicher wurde, wenn auch nicht in dem Verhältnis, in dem bei Ephoros) u. a. die zeitgeschichtlichen Bücher zu den früheren stehen. Die Fragmente bieten wenig; meist nur παρέργα, nicht die Fakten selbst. Auf die Besetzung der Kadmea im J. 383 scheint Harpokr. s. Xwxatw zu gehen; weiter der Untergang von Bura und Helike im J. 373/2 (Sen. nat. quaest. VI 23. 26. VII 5); Schlacht bei Leuktra im J. 371 (Cic. de div. I 74f.); Neugründung von Messens im J. 369 (Polyb. IV 83. 2–6. Strab. VIII 4, 10); Krieg zwischen Arka-0 dien und Sparta im J. 364 (Athen. X 452 A B); letzter Zug des Epameinondas gegen Sparta im J. 362 (Plut. Ages. 34); (Friede des J. 362: Polyb. IV 38, 7–10). Aus den Anföngen Philipps dürfte Tertullian. de an. 46 über den Illyrerkönig Bafdyles stammen.

Obwohl die Ἐλληνικά immer als Hauptwerk des K. gegolten haben und obwohl ihre Nachwirkung zum Teil in ganz bedeutendem Umfang konstatiert werden kann, sind sie uns in ihrer •0 formalen Gestaltung doch nicht so gut bekannt, daß wir sie ,als ersten Versuch der peripateti-schen, mit der Tragödie wetteifernden Geschichtsschreibung' hinstellen könnten. Die Skepsis von v. Wilamowitz (Gr. Lit.s 118) scheint mir auch nach Wills (18ff. 72ff.) meines Erachtens recht unglücklichem Versuch, die tragödienhafte Gestaltung des Stoffes für K. nachzuweisen, berechtigt gegenüber Schwartzens Meinung (Herm. XXXII 560f. XXXV 107. XLIV 491Q >0 daß K. ,Schöpfer eines neuen historiographischen Stils* gewesen seh Daß er nicht mit der Isokra-tischen Lehre, die schließlich doch nur auf das rok ὀνόμαοιν el· διαῦέσθαι abzielte, sich zufrieden gab, dürfen wir allerdings annehmen. Er hat über die Darstellungsweise nachgedacht, wie das Stück aus einem Prooimion Über die Beden lehrt (Athen, π. μηχαν. a. O.) δείν τὸν γράψ6ῖν τὶ πίῖρώμε· νον μὴ ἀστοχεῖυ τὸν προσώπου, ἄλλ' οἰκείως ἄντῳ [1691] τε καί toit πράγμασι τοὺς λόγους ûelvai, was Schneider Abh. Oitt. Ges. d. W. N. F. XII 1912, 10 wieder falsch mit ,wie es seiner eigenen Persönlichkeit und seinem Gegenstände angemessen sei' übersetzt. Ich leugne nicht, daß das die Aristotelische Forderung des πρέπον (Schwartz a. O. 492, 1) ist. Aber darauf durfte Schwartz nicht so viel bauen und am wenigsten eine Kritik des Ephoros (wie die bekannte des Duris über seine Vorgänger) darin finden. Mir scheint in den Worten eine sehr charakteristische Weiterbildung derThukydideischen Forderung I 22, 1 περὶ τῶν αἰεὶ παρόντων ... τὰ δέοντα... ἐχομένῳ ὡς ἐγγύτατα τῆς ξυμπάσης γνώμης τῶν ἀληθώς λεχθέντων zu liegen. Dem Thukydides kommt es allein oder vorzugsweise auf die λεχθέντα, dem K. auch auf den λέγων an. Das hängt mit der stärkeren Einstellung seiner Geschichtschreibung auf die Persönlichkeit zusammen, die er mit Theopomp teilt, die aber auch im Peripatos zu Hause ist. In seinen Büchern treten .Helden' auf: Epaineinondas, Pe-lopidas, Philippos, Alexandros. Das bedingt eine gewisse Änderung der alten Erzählungstechnik, aber nur nach einer auch noch im engeren Sinne rhetorischen Seite, nach der panegyrischen. K. hat, wie namentlich die Πράξεις zeigen (s. u.), die Weise des rhetorischen Enkomions in die Historie eingeführt. Auch für ihn dürfte also das Prinzip des ψέγειν καὶ ἐπαινεῖν maßgebend gewesen sein, freilich nicht aus ethischen, sondern aus politisch-publizistischen Gründen. Dies geht das τέλος der Geschichte an. Für seifte Auffassung ihres Wesens kann man doch wohl seine Äußerung verwenden οὐκουν αὐτος ἀφίχθαι ἐξ θΑλεξάνδρου δόξαν κτησόμενος, ἀλλὰ ἐκεῖνον εὐκλεὰ ἐς Ἀνθρώπους ποιήσων (Arrian. IV 10, 1; vgl. Plut. Alex. 53). Der Gedanke könnte - natürlich nicht in dieser gegen Alexander zugespitzten Form - sehr wohl aus dem Prooimion der Πράξεις stammen.

Über den Stil können wir beim Fehlen aller wörtlichen Bruchstücke garnichts sagen. Daß er rhetorico paene more geschrieben hat (Cic. de or. II 58), ist selbstverständlich bei dem Manne, dem auch Aristoteles die Gabe der Bede zubilligte (λόγῳ δυνατὸς καὶ μέγας Plut. Alex. 54). Freilich die Meister der Improvisation - und als solcher gilt K. (εὐφυῆς πρὸς τὸ αὐτοσχέδιαζειν καὶ ρύμη πολλὴ φέρεσΦαι Suid.; das geht auf die Reden für und gegen die Makedonen, s. o.) - sind nicht immer die besten Stilisten. Besondere Vorzüge scheint denn auch K.s Stil nicht besessen zu haben, da er bei den Schriftstellern Περὶ μιμήσεως keine große Bolle spielte und Cicero (ad Q. fr. II 11, 4) sich etwas wundert, daß der Bruder zur Bildung eines historischen Stiles neben Philistos auch K. liest. Etwas anderes können doch die Worte C. quidem vulgare et notum negotium, ut aliquot Graeci locuti sunt (der Zusatz begründet das wegwerfende Urteil) neben dem Lobe des Philistos nicht bedeuten. Besonders notiert wird das nicht immer glückliche Streben nach ὕψος (Auct. II. Ὕψους 3, 2 καὶ τινὰ τθν Καλλισθένους ὄντα οὐχ ὑψηλά, Ἀλλὰ μετέωρα sc. γελάται). Daß er den erhabenen Stil anstrebte, paßt zu seinen Stoffen. Das Urteil geht wohl nicht nur, wenn auch vielleicht [1692] in erster Linie auf den hohen Ton der Πράξεις.

Etwas kenntlicher ist die Ökonomie, bei der die offenbar sehr große Zahl von Exkursen (EÂληνικά und Πράξεις machen hier keinen Unterschied) auffällt. Sie zeigen den vielseitig interessierten Schüler des Aristoteles, dessen Einfluß in den physikalischen Theorien, so sicher über die Nilschwelle und die Erdbeben (über eine Ab-10 weichung in der Angabe der himmlischen Vorzeichen Will 107f.), kenntlich ist, während die zahlreichen Exkurse über die ältere griechische Geschichte ihrerseits dem Aristoteles eine brauchbare Quelle für historische Belege gewesen zu sein scheinen. Mit Recht hat Schwartz hier die Wirkung der ionischen Historie erkannt. Die Exkurse waren zum Teil recht umfangreich; und wenn wir z. B. sehen, wie ausführlich K. in der Darstellung des Treffens bei Tegyra über das 20 dortige Apollonorakel gehandelt hat (Steph. Byz. s. Τεγύρα ist aus Plut. Pelop. 16 und de def. or. 5 p..412B-D zu ergänzen; Schwartz 106, .3), so erkennen wir, daß er wirklich jede mögliche Gelegenheit benutzt hat, solche allgemein interessierenden Dinge, die allerdings mit den zu behandelnden Ereignissen herzlich wenig zu tun hatten, anzubringen. Von besonderer Wichtigkeit sind die historischen Exkurse. K. hat in ihnen weniger die mythische Zeit berührt, als 30 die frühhistorische der Jahrhunderte VIII-V. Ausführlich und vielleicht als erster (über das Verhältnis zu Ephoros s. u.) befaßte er sich mit den älteren messenischen Kriegen, besonders dem ἰάριβτομθειος πόλεμος, gelegentlich der Neugründung Messenes (Polyb. IV 33, 2ff. Strab. VIII 4, 10. (Plut. de sera num. vind. 2 p. 548 F)); und von dieser Darstellung hat nicht nur Aristoteles mehrfach (Pol. B 9 p. 1270a 2. Ethic. Nic. Γ 11 p. 1116a 36) Gebrauch gemacht. Charak-40teristisch ist für sie die Benutzung .von poetischen Dokumenten (Tyrtaios) als historische Quelle und eine ganz skrupellose Rückspiegelung der Zustände der Epameinondaszeit in das 8. Jhdt.; sie geht bis in die Einzelheiten (E. Schwartz Herm. XXXIV 447f.). Nur so war es allerdings möglich, aus den vereinzelten Nachrichten über den zweiten Messenischen Krieg eine fortlaufende Darstellung zu schaffen. Die gründliche Behandlung der Doppelschlacht am Eurymedon hat Plu-50 tarch (Kimon 12. 13) bewahrt. Wie weit K. im Anschluß daran überhaupt auf die Entwicklung der griechisch-persischen Beziehungen und der innergriechischen Entwicklung im 5. Jhdt. und bis zum Antialkidasfrieden einging, ist sicher nicht zu sagen. Aber manches deutet auf einen fast das ganze Buch I füllenden Exkurs im Stile der Thukydideischen Pentakontaetie. Einem solchen würde man dann zuweisen, was er über die athenischen Demagogen gesagt hat (Aristeides, 60 auf dessen Nachkommen er ausführlich einging: Plut. Aristeid. 27. Athen. XIII 555 D). Wo eine Stadt, besonders eine eroberte, erwähnt wurde, scheint er in herodoteischer Weise, nur kürzer, eine kleine Vorgeschichte eingelegt zu haben (Sardes: Strab. XIII 4, 8; Milet: Strab. XIV 1, 7); und es hat daher nichts Unglaubliches, wenn man annimmt, daß er auch das Datum von Troias Fall (Schob Eurip. Hekab. 910) bei einer solchen [1693] Gelegenheit diskutierte. Ausführlich muß auch die Darstellung der kretischen Verfassung und ihr Vergleich mit der spartanischen gewesen sein (Polyb. VI 45, 1). Gelegentlich des ägyptischen Feldzuges scheint er nicht nur die Gründe der Nilschwelle erörtert (s. o.), sondern geradezu einen kleinen λόγος Αἰγυπτιακός eingelegt zu haben, wenn anders wir die Ableitung der Stadt Sais von Athen (Prokl. i. Plat. Timai. 21 E, I 97, 27 Diehl) hierhin stellen dürfen. Man sieht daraus übrigens, daß er nicht geneigt war, mit den Ägyptomanen alles griechische Wesen aus Ägypten abzuleiten. Unter den naturwissenschaftlichen Exkursen war von besonderem Umfang die Darstellung des Untergangs von Bura und Helike, die Seneca (nat. quaest. VI 23, 2–4. 26, 4. VII 5, 5) wie eine eigene Schrift zitiert in libris quibus describit usw,; er gab eine Theorie der Erdbeben, sprach von ihrem Verbreitungsgebiet, den voraufgehenden und gleichzeitigen Himmelserscheinungen. Bemerkenswert ist, wie er die Theorie benutzt, um eine Homerische Epiklese Poseidons zu erklären (Sen. a. O. 23, 4. Will 104f. faßt das falsch auf, wenn er hier K.s Vorliebe für ein .eigentümliches supranaturalistisches Prinzip* findet); und interessant ist der Vergleich der rein physikalischen Erklärung des Untergangs jener Städte mit der mythologischen Begründung des Ephoros (Diodor. XV 48, 4–49). Die Πράξεις enthielten aueh viel zoologisches (Aelian. nat. an. XVI 30 über die lykischen Ziegen) und noch mehr botanisches Material ([‌Aristot.] θav,u. ἄκ. 132), so daß K. geradezu unter die Botaniker geraten konnte (s. o.). Astronomische Kenntnisse bezeugt die kurze, scharfe Bestimmung eines Datums aus einer Angabe über den Mondaufgang (Schol. Eurip. Hekab. 910), wie er ja auch dem Aristoteles die astronomischen Beobachtungen der Chaldäer übermittelt haben soll (Simplic. a. O.). Reichlich waren, wieder besonders in den Πράξεις. die geographischen Exkurse. Es liegt im Wesen der ionischen Wissenschaft, daß dabei vielfach Probleme der Homerischen Geographie besprochen wurden (Kaukonen: Strab. XII 3, 5, vgl. Schol. Apoll. Rhod. II 936; Leleger: Strab. XIII 1, 59; Ἄριμοι: ders. XIII 4, 6; Tliebe und Lyrnessos: XIV 4, 1; Halizonen: XIV 5, 28. Die Fragmente stammen meist aus der Beschreibung von Alexanders Marsch durch Kleinasien). In dem Bruchstück bei Strab. XIV 5, 28 ist das Prinzip der ionischen Naturwissenschaft, analoge Naturerscheinungen zusammenzustellen, verbunden mit einer rationellen Erklärung der Sagentradition. Im übrigen scheint er, was sich mit den wissenschaftlichen Interessen nur scheinbar nicht verträgt, eine gewisse Vorliebe für Synchronismen (Schol. Eurip. Hek. 910). für Orakelwesen und Orakelstätten (Plut. Aet. gr..9 p. 292 E F. Steph. Byz. s; Τεγύρα + Plut. de def. or. 5. Cic. de div. I 74ff.) gehabt zu haben; besonders auch für die äußere Technik des Betriebes (s. noch Strab. XVII 1, 43 über die Art der Fragebeautwortung beim Ammon), wobei er offenbar aus persönlicher Erkundung gute Kenntnisse von Delphi und den boiotischen Orakelstätten zeigt Anderes wirkt ganz philologisch, was auch gut zu K.s Ausbildung paßt. Er liebt Erklärungen von Namen aus mythologischen und historischen [1694] Tatsachen (Strafe. XIII 1, 18. Schol. Apoll Rhod. II 936. Tzetz. Lykophr. 520). Der Schüler des Aristoteles besitzt eine gute Kenntnis der älteren poetischen Literatur auch über Homer (Strafe. XIII 1, 27) und die Kykliker (Schol. Eurip. He-kab. 910) hinaus. Er zitiert Kallinos (Strab. XIII 4, 8), Tyrtaios (Strab. VIII 4, 10; vgl. Aristot Ethic. Nic. III 11 p. 1116 a 36), wahrscheinlich auch Antimachos (Strab. XIII 1, 13) 10 und manches andere, was der Skepsier Demetrios bei ihm gefunden hat. Und wenn er nach Tyrtaios' Gedichten den Messenischen Krieg erzählt und aus Kallinos die Geschichte von Sardes ergänzt, so ist das die gleiche Methode, nach der Aristoteles die Solonischen Gedichte verwendet. Neben der Kenntnis der Werke aber steht das Interesse für die Lebensschicksale der Autoren: er handelt über die Tyrtaiosiegende (Strab. a. O.) und führt Apophthegmata und Anekdoten literarischer Persönlichkeiten an (Aischylos: Lukian. Demosth. enc. 15; Phrynichos: Strab. XIV 1, 7). Durch Anekdoten hat er die Erzählung auch sonst gern belebt (Athen. X 452 A B), wobei man daran denkt, daß ihm eine eigene Sammlung Λποφθέγματα zugeschrieben wird (s. o.).

Deutlicher aber als die künstlerische Behandlung des Stoffes in den Hellenika erkennen wir die sachliche, die politische Beleuchtung, die Tendenz, in der er ihn behandelte, denn einer 30 bestimmten Tendenz verdanken die Hellenika allerdings ihre Entstehung, nicht etwa nur dem «Bedürfnis des K., seine Zeitgeschichte nach oben hin zu einem festen Abschluß zu bringen‘ (Diels Herm. XXXI 76). Es geht nicht an, die 10 Bücher Hellenika, ein berühmtes Werk, gewissermaßen nur als eine große Vorrede zu dem fast verschollenen Büchlein »Über den Heiligen Krieg* zu betrachten. Die Tendenz aber ergibt sich mit aller wünschenswerten Sicherheit 40 aus dem Anfangsdatum des Werkes. K. hat an keines der älteren Bücher angeschlossen, in denen die hellenische Geschichte erzählt war, wie das Xenophon und Theopomp taten und wie es durch sie für das ganze «Woi der Hellenika typisch geworden ist. Wenn er mit dem Frieden des Antialkidas beginnt, so ist schon damit eine .bewußt politische Absicht (Diels) gegeben. Dieser Friede bedeutet für jeden Griechen, der sich über die engen Grenzen seiner vaterstädtischen 50Interessen zu erheben vermochte, einen Schandfleck für den griechischen Namen: er war die Verewigung der griechischen Kleinstaaterei, der Höhepunkt der spartanischen Machtentwicklung und zugleich ein gewaltiger Sieg des nationalen Feindes, der als Herr der asiatischen Griechen und als der Schiedsrichter über Hellas anerkannt würde. Ein solches Urteil wird allerdings in den großen Städten selten gewesen sein; die machten ihre eigene Politik und rechneten mit 60 der persischen Hih ohne Rücksicht auf nationale Interessen. Panhellenische Gedanken dieser Art Anden wir nur bei den ,vaterlandslosen Gesellen¹, in den olympischen Festreden der Sophisten, denen der nationale Krieg ein gutes Thema für Epideixen war, an deren praktische Wirksamkeit sie wohl selten dachten. Aber wir begegnen ihnen auch in den doch etwas ernster zu nehmenden Schriften eines Atheners, des bedeutendsten [1695] Publizisten noch der kallisthenischen Zeit: schon im Panegyrikos (117Æ) hat Isokrates für seinen Zweck (wer ihn v. Wilamowitz Arist. u. Ath. II 380ff.) eine Schilderung der Zustände unter dem Königefrieden gegeben, die er abschließt mit einer wirksamen Kontrastierung der beiden zwischen Persien und Hellas geschlossenen öwθήκαι. Sie 'sollten rècht deutlich die Größe der μεταβολή «zeigen, die sich seit den Perserkriegen und den glänzenden Siegen Athens vollzogen hatte; sie sollten den Unterschied zwischen dem Höhe- und dem Tiefstand der hellenischen Macht auf Daten bringen. Dieser Kontrast ist der Ausgangspunkt auch für K., ohne daß er den Gedanken gerade direkt von Isokrates zu haben braucht, wenn auch die Anregung von dieser Seite gar nicht unglaublich ist. Daß seine Dar-stellung der Doppelschlacht am Eurymedon (Plut. Kimon 12. 13), der schweren Niederlage, die den Großkönig veranlaßte, ἴππου μὲν δρόμον ἀεὶ τῆς Ἐλληνικῆς ἄπεχειν ὑαλάοσης, ἔνδον δὲ Κυανίων καὶ Χελιδονίων μακρὴ νηὶ καὶ χαλκεμβόλω μὴ πλίειν ,ex operis introitu' stammt, daß sie eine deutliche Beziehung auf den Zustand hatte, der durch den Antialkidasfrieden geschaffen war, das haben Westermann, Müller und andere vor und nach ihnen gesehen (s. besonders Holzapfel Untersuch, über die Darstell, der griech. Gesch. von 489–413 v. Chr. 1879, 109. E. Moyer Forsch. II 2ff.; Gesch. d. Altert. III § 290 A. Will 25ff.). Es war ein schwerer Mißgriff, wenn Schwartz ohne weiteres dieses zwar nicht neue, aber eindrucksvolle Kontrastbild, diese einleitende und für die Beurteilung des darzustellenden Zeitraums schwer entbehrliche Übersicht der gesamthellenischen Entwicklung, deren Wahl wirklich einen Hauch thukydideischen Geistes spüren läßt, von dem ihm einzig zukommenden Platze rückt und dafür einen .kritischen Exkurs* über die Eurymedonschlacht statuiert, für den ,kein leichterer Anlaß denkbar sei, als Alexanders Marsch durch Pamphylien im J. 333'. Das ist ein Notbehelf, der meines Erachtens einer Widerlegung nicht bedarf. Die ganz besonders panegyrisch gehaltene Schilderung dieses Marsches durch Pamphylien (s. u.) scheint mir so ziemlich die unpassendste Stelle für einen ganz beziehungs- und zwecklosen kritischen Exkurs über irgend eine Schlacht der Vergangenheit. Naturgemäß wird damit auch die Abzwecknng der Hellenika verschoben und verkannt. K. soll sein Talent ,in den Dienst der so plötzlich hervorgetretenen dritten hellenischen Großmacht* gestellt haben (Schwartz 107) - man verweist, um diese Unglaublichkeit glaublich zu machen, auf das alte Bündnis zwischen Theben und Olynth (Xen. Hell. V 2, 15. Oxyr. Pap. I nr. 13. Schwartz 107, 2. Will 77. 81ff.), das ja gewiß K.s Urteil über Theben mitbestimmt haben kann -, als ob nicht Thebens große Zeit länget vorüber gewesen wäre, als K. zur Feder griff (s. u.).

Schwartz’ Grundirrtum ist, daß er K. sich ‚bemühen‘ läßt, den sog. Kimonischen Frieden - denn auch K. verband ihn mit dem Siege am Eurymedon; über Existenz und Entstehung dieser Datierung hat Schwartz 111ff. meines Erachtens Licht verbreitet; keinesfalls liegt bei Plutarch nur ein ‚Mißverständnis‘ seiner unmittelbaren Quelle [1696] vor, wie E. Meyer Gesch. θ Alt. III 8 848 A glaubt (wenig glücklich auch Will 80Q; denn Plutarch hat hier sicherlich K. selbst gelesen (s. u.) - 3ns der Reihe der attischen gloires des 5. Jhdts. zu streichen¹. Von einer solchen Bemühung enthalten Plütarchs Worte keine Andeutung; und Schwartz bricht seiner eigenen Auffassung die Spitze ab, wenn er selbst feststellt, daß diese Leugnung der Existenz des Vertrages wenigstens ,keine scharfe Pointe gegen Athen enthielt‘. In Wahrheit enthielt sie nicht nur keine scharfe, sondern überhaupt keine Pointe gegen Athen. Der Wortlaut (καίτοι k. ου φηοὶ ταντὰ οὐνθεσθαὶ τὸν βάρβαρον, θλψ ἠοιεῖν διὰ φόβον τῆς ἤττης Ἐκείνης κτλ») zeigt, daß die Existenz des Vertrages für K. nebensächlich war gegenüber den tatsächlichen Folgen jenes athenischen Sieges. Plutarch, der noch ein Zitat aus Krateros beibringt, weil ihn die Frage interessiert, 20 hätte sonst auch den ersten Teil des Gegensatzes illustriert, wenn K. sich ausführlicher darüber verbreitet hätte. So führt er nur den zweiten fort, die Bestätigung für die Wirkung des Sieges: ' mehrfach haben seitdem attische Geschwader in jenen Gewässern gekreuzt, ohne einer feindlichen Flotte zu begegnen. Daraus ergibt sich ein einfacher Tatbestand: vor K..hat jemand - ob dieser jemand Tbeopomp war (Schwartz 108), was ich auch jetzt noch für möglich, freilich für durchaus nicht erwiesen halte (es gab genug Gegner Athens, die in Broschüren u. ä. die Stadt angriffen), kann uns gleichgültig sein; es ist nur für die Chronologie von Theopomps Schriftstellerei wichtig - die Nichtexistenz des Vertrages in einer Form erwiesen, die für K., der mit Akten aus seiner delphischen Tätigkeit einigermaßen Bescheid wissen konnte, überzeugend war. Er gab daher den Vertrag selbst ohne weiteres preis (daß er das getan hat, durfte Meyer a. 40 O. 3f. 74, der die Quellenverhältnisse unrichtig beurteilt, nicht leugnen; Schwartz’ Nachweis ist hier unwidersprechlich), ohne lange zu diskutieren, wahrscheinlich, ohne auch nur die Argumente seines Vorgängers zu wiederholen. Es lag ihm nichts daran. Dafür insistierte er um so stärker auf den tatsächlich durch die Schlacht geschaffenen Zuständen.

Von antiathenischer Tendenz ist übrigens auch sonst in den Hellenika nichts zu spüren. Ob K. ,über den attischen Demos günstiger geurteilt hat als sein Oheim*, wissen wir nicht. Panegyrische Äußerungen über den Freiheitssinn Athens aus der Zeit der Verstimmung gegen Alexander (Arrian. IV 10, 3–4) kommen für die Hellenika nicht in Betracht, selbst wenn sie besser bezeugt wären. Aber einige zufällig überlieferte Kleinigkeiten zeigen, daß er wenigstens nicht zu den Verkleineren! Athens gehörte. Er hielt fest an der attischen Herkunft des Tyrtaios (Straß. VIII 4, 10) und erklärte in Übereinstimmung mit Phanodemos Athen für die Mutterstadt von Sais (Proklos in Plat. Timai. 21 E), während die antiathenischen Schriftsteller das Verhältnis umkehrten (so in dem Theopoinn untergeschobenen Τρικάρανος: Prokl. a. O. Euseb. PE X 10 p. 491 A). Auch an den Bericht über die spartanische Bittgesandtschaft des J. 369 (Anon. in Aristot. Eth. Nic. IV 8) darf man erinnern. [1697] ... [fehlt im OCR] [1698] wie sein zweites große« Werk, die Πράξεις XUςάνάρον, in den Kreis der promakedonischen Publizistik. Er schrieb sie am Hofe und im Dienste Philipps, als Vertreter der von Philipp im eigenen Intéresse geförderten panhellenischen Idee. Er tat das zu einer Zeit, als auch Isokrates spät und nach vielen Enttäuschungen dazu gekommen war, in Philipp den einzig möglichen Ketter der verfahrenen griechischen Zustände 10 zu sehen, und bereit war, die Führerschaft Makedoniens und seines Königs im nationalen Kampfe gegen Persien anzunehmen. Zu einer Zeit, als Theopomp von den Ἐλληνικά zu den Φιλνπκικά übergegangen war. Damals war es ein guter Gedanke, der freilich in der Luft lag, den Griechen an der Geschichte der jüngsten Zeit, die Xenophon in mutloser Resignation mit der Schlacht bei Mantineia abgebrochen hatte, zu zeigen, daß es nur eine Rettung aus der ἄκριαια καὶ ταραχή 20 gab, die Einigung unter Philipps Führung. Ob die panhellenische Färbung, die der Eingang bekundet, echt war, ob nur eine brauchbare Phrase, um die Hellenen mit dem Gedanken an die Aufgabe ihrer städtischen Aspirationen zu versöhnen, das können wir nicht entscheiden. Der Überzeugung, mit der er für Philipp eintrat, braucht man die Ehrlichkeit nicht abzusprechen. Gewiß hatte Philipp Olynth zerstört Aber K. hatte am Hofe eine glänzendere Heimat gefunden; und er gehörte schon durch seine Geburt und die Verwandtschaft mit Aristoteles in den Kreis der griechischen Umgebung Philipps. Es mag sein, daß er für ihn schrieb, wie einst Herodot für Athen, in wirklicher Bewunderung, oder mindestens in richtiger geschichtlicher Erkenntnis, wie man denn auch neuerdings zuweilen mit Recht geneigt ist, seine Verherrlichung Alexanders für ganz ehrlich gemeint zu halten. Jedenfalls erklärt diese promakedonische Tendenz 10 meines Erachtens auch den Schlußpunkt der Hellenika. Ein Markstein war ja der Ausbruch des Heiligen Krieges jedenfalls* auch Ephoros scheint ihn selbst gewählt zu haben (Judeich Rh. Mus. LXVI 117f.). Nicht aus künstlerischen Gründen - ich wenigstens begreife nicht ganz, inwiefern gerade dieser Abschluß der ,Platonisch-Aristotelischen Kunstlehre hinsichtlich der Einheit und Einheitlichkeit eines Werkes* (Will 24f.) entsprechen soll; daß er die Πράξεις »Ο Ἀλθξάνάρον nicht mit den Ἐλληνικά verkoppelte, das war allerdings selbstverständlich für ihn -, hat K. hier abgebrochen, sondern in einer den geschickten Publizisten bezeichnenden Weise hat er gerade eben noch Philippe Anfänge behandelt, gewissermaßen nur von weitem auf ihn gedeutet, dagegen den für die Empfindungen der Griechen schmerzlichen und peinlichen Zeitraum des Eingreifens der Makedonen in Hellas selbst beiseite gelassen. Es ist wohl kaum Zufall, daß 0 kein Exkurs, kein Fragment auf die Zeit zwischen dem Heiligen Krieg und Alexanders Perserzügen deutet. Daß er jenen Krieg bereite früher dargestellt hatte, wird ihm einen gern ergriffenen Vorwand geboten haben. Die Möglichkeit, daß er die Hellenika abbrach, wie Theopomp die seinigen, um das neue lockende Thema der Taten Alexanders in Angriff zu nehmen (Beloch Gr. Gesch. II 420), braucht man wohl nicht weiter [1699] zu erwägen, auch wenn der oben gegebene Terminus ante quem für die Hellenika nicht zutreffend bestimmt sein sollte.

Es verstand sich beinahe von selbst, daß Alexander einen Mann, der mit so geschickter und schneller Feder dauernd ihr Makedoniens Interesse tätig gewesen war, im Hauptquartier mitnahm, mit der ausgesprochenen Absicht, die Ereignisse gerade für das hellenische Publikum darzustellen.

Von den Πράξεις Ἀλεξάνδρου kennen wir, da jedes bibliothekarische Zeugnis fehlt, auch kein Fragment mit Buchzahl erhalten ist, weder den Umfang noch Anfangs- oder Schluß-punkt. Indes führt nach oben kein Bruchstück über den Zug durch Kleinasien hinaus, so daß Beginn mit der διάβαοις - künstlerisch und politisch nach einer angemessenen Einleitung der für den Zweck der Publikation allein brauchbare Anfang - möglich erscheint. Daß das Werk unvollendet blieb, ergibt sich aus den Lebensumständen des Verfassers. Als letztes sicher behandeltes Ereignis ist die Schlacht bei Arbela im J. 331 anzusehen (Plut. Alex. 33. Droysen Hellenism. I 2, 379); denn die Zitate des Tzetzes in den Clüliaden (III 349 Dareios’ Tod: Mitte 330) gehen nicht auf den echten K., sondern auf den Alexanderroman. Allerdings findet die Bestimmung des Araxes als Grenzfluß zwischen Skythen und Baktrianern (Strab. IX 14, 13: sie gehört sicher K., da Herodot I 202, dem K..gefolgt⁴ ist, sie nicht hat) an sich ihren natürlichsten Platz in der Darstellung des baktrischen Feldzuges vom J. 329. Da aber K. nicht unter den Schriftstellern erwähnt wird, die vom Besuche der Amazone sprachen (Plut. Alex. 46), was er sich doch schwerlich hätte entgehen lassen, also schon die Ereignisse des J. 330 nicht mehr behandelt hat, so müssen wir für eine Behandlung der Araxesfrage an die Überschreitung des gleichnamigen persischen Flusses vor Persepolis (Strab. XV 3. 6. Diod. XVII 69, 2. Curtius V 4, 7 vgl. IV 5, 4) oder an die Entsendung des Mithrenes nach Armenien von Babylon aus (Arrian. III 16, 5) denken. Es blieben also die Folgen der Schlacht bei Arbela die für uns kenntliche untere Grenze des Werkes. Den Versuch Fraenkels Die Quellen d. Alex.-Hist. 1883, 171ff., aus dem Auftreten des Sehers Aristander die Führung der Erzählung bis Mitte 328 nachweisen, halte ich für verfehlt Jedenfalls ist K. mit der Feder den Ereignissen verhältnismäßig schnell gefolgt, wenn auch nicht mit journalistischer Geschwindigkeit, Denn da er beim Ammonzuge im Winter 332/1 ein Branchidenorakel erwähnt (Strab. XVII 1, 43), das u. a. auch den Tod des Dareios prophezeit, so hat er das Buch, das die Eroberung Ägyptens enthielt, ,nicht vor Herbst 330 verfaßt* (Beloch Gr. Gesch. III 1. 49, 2). Das nächste Buch, in dem vermutlich die Schlacht bei Arbela stand, ist wegen der Formulierung des Urteils über Parmenion sicher nicht vor dessen Tötung (Winter [?] 330/29) verfaßt.

Die erhaltenen Bruchstücke sind nicht sehr zahlreich und beziehen sich fast ausschließlich auf das geographische und naturwissenschaftliche Beiwerk, namentlich des Teiles, der den Marsch [1700] durch Kleinasien und die Küstenlandschaften bis Syrien und Ägypten darstellte (Aeliθn. nat. an. XVI 30. Ps.-Aristot. θαυμ. dx, 132. Schol. Apoll. Rhod. I 211. Schol. T. Eustath. Il. XIII 29. Strab. XII 3, 5. XIII 1, 13. 59. 4, 6. 8. XIV 1, 7. 4, 1. 5, 28). Entsprechendes für die eigentlich asiatischen Landschaften fehlt fast ganz (nur die eben erwähnte Bestimmung des Araxes ist zu nennen), was auch für die Frage, wie weit 10 K. sein Werk hat führen können, nicht bedeutungslos ist. Wichtig und für die Kenntnis des Werkes wesentlich sind die größeren Bruchstücke über die Schlacht bei Issos (Polyb. XII 17–22). den Zug zum Ammon (Strab. XVII 1, 43. Plut. Alex. 27) und die Schlacht bei Arbela (Plut. Alex. 33). Über die Darstellung der Schlacht bei Issos hat Polyb. a. O. ein scharfes Urteil gefällt (δὶ θὰ τὴν ἀπειρίαν οὐδὲ τὸ δυνατὸν καὶ τὸ μὴ δυνατὸν ἐν τοῖς τοιούτοις δύναται διευκριr«y), das aber Beloch Gr. Gesch. II 637. mit Recht als naiv bezeichnet. K. war ,sehr wohl imstande, militärische Operationen korrekt zu beschreiben* (ders. II 420, vgl. auch E. Meyer Forsch, II 7 über K.s Darstellung der Eury-medonschlacht), soweit nicht - müssen wir allerdings hinzufügen - die Tendenz eine Arrangierung der Tatsachen veranlaßte. Jenes sehen wir an der Darstellung der Schlacht bei Tegyra in den Hellenika (Plut. Pelop. 16–17; s. o.), dieses an der bei Arbela. Die Schilderung des Treffens bei Tegyra ist durchaus nicht schlecht; sie gibt überhaupt einen Begriff, wie K. dergleichen anfaßte. Er beginnt mit knapper Erzählung von Pelopidas’ Zug gegen Orcho-menos und dem Rückmarsch Öw Τεγυρῶν mit vernünftiger, klarer Begründung (p. 98, 3–15 ed. Sinten. Teubn.). Dann wird das Terrain geschildert, in dem das Treffen sich abspielte; der Apollontempel gibt Veranlassung zu einem 40 von Plutarch gekürzten, im Verhältnis zur historischen Erzählung offenbar recht umfangreichen Exkurs (p. 98, 15–99, 6). Dann eine knappe und klare Schlachtenschilderung mit einem Apo-phthegma des Pelopidas, dessen Rolle überhaupt hervorgehoben wird; die Verfolgung des Feindes, deren Abbruch gut motiviert ist, und die Errichtung des Tropaion (p. 99, 7–100, 5). Den Abschluß macht eine Würdigung der Bedeutung des Treffens (100, 5–19). Sie ist panegyrisch gehalten, aber sachlich nicht unrichtig. In der Darstellung der Schlacht bei Arbela bei Plutarch. 32–33 geht auf K. jedenfalls mehr zurück, als was durch die zwei Zitate am Anfang und am Schluß von c. 33 (εὐχή vor der Schlacht; Motivierung von Parmenions Verhalten) gedeckt wird. Ich glaube, daß im wesentlichen der. ganze Abschnitt, einschließlich der homerisch wirkenden Schilderung von Alexanders Rüstung, dem K. zuzuweisen ist. Doch wie dem sei, die 60 tendenziöse Zurichtung des Stoffes zeigt sich allein schon an den beiden direkt als kallisthe-nisch überlieferten Stellen; und zwar ist sie eine doppelte. Einmal nämlich fällt K. ein sehr scharfes Urteil über Parmenions Verhalten: κατ ἐκείνην τὴν μάχην νωθρὸν καὶ δυσεργον γενέσθαι, τὴν ἐξουσίαν καὶ τὸν δγκον τῆς Ἀλεξάνδρου δυνάμεως βαρυνόμενον καὶ προσφθονουντά. Durch seine, wie K. andeutet, überflüssigen Hilfsgesuche [1701] habe er den ungenügenden Ausgang der Schlacht, das Entkommen des Dareios, verschuldet. Um das mit einigem Schein sagen zu können, hat er das schwere Reitergefecht unterschlagen, in das Alexander verwickelt wurde, als er Parme· nions Meldung entsprach (Arrian. III 15 eo Plut. 33 ex.). Er scheint auch das Hilfsgesuch Par-menions verdoppelt und die scharfe Antwort des Königs auf das erste erfunden zu haben (Plut. 32). Auf der anderen Seite hebt er nicht nur die persönliche Tapferkeit Alexanders hervor (das wäre nichts Besonderes), sondern vor allem seine zarte Rücksicht auf Parmenion: er will ihn in den Augen der Soldaten nicht herabsetzen und gibt *ihnen daher andere Gründe für den Abbruch der Verfolgung (Plut. 33 ex.). Mit dieser antiparmenionischen Tendenz steht K. in unserer Überlieferung allein, wenn auch Andeutungen nicht fehlen und überall der Gegensatz in Parme-nions und Alexanders Wesen erscheint. Sie ist unzweifelhaft durch Notwendigkeiten des Moments bestimmt; d. h. sie bereitet auf die Katastrophe Parmenions vor und beweist im voraus die Berechtigung von Alexanders Vorgehen gegen ihn. Tiefgreifender, für das Gesamtwerk wichtiger ist die zweite tendenziöse Verschiebung. Es ist auffällig (und gewiß nicht auf Plutarchs zu knappe Wiedergabe zu schieben), wie in diesem Bericht die hellenischen Kontingente hervortreten. Zu diesem Zwecke wird einerseits die Einzeltätigkeit der versclüedenen Truppenteile verwischt, andrerseits eine ganz charakteristische Szene überhaupt erfunden, die εὐχή, die in unserer Überlieferung nur hier vorkommt und die vor den Thessalern ,und den anderen Hellenen* in der wohlüberlegten Formulierung gesprochen wird: Ἀπευχόμενος, εἰπ,ερ ὄντως Διόθεν ἔστι γεγονώς, ἀμῦναι καὶ συνεπιρρωσαὶ τοὺς 'Ἔλληνας. Alexander ist hier - und das wird wohl für das Ganze gelten dürfen - nicht als makedonischer König, sondern durchaus als-Vorkämpfer der Hellenen' (E. Meyer bei Ersch-Gruber a. O. 159) gefaßt. Es ist die gleiche Tendenz, die wir für die Hellenika annahmen, und die, wenigstens in dieser Gestaltung, schon der nächsten Generation fremd ist Sie wird also überall, wo sie in der Alexandergeschichte auftritt, als ein Anzeichen kalliathenischen Einflusses zu betrachten sein (Rn egg Beiträge usw., Basel 1906, 6).

Endlich mag diese Scldachtschilderung noch zeigen, daß die Anfänge des Romans schon bei K. da sind. Bei Arrian (bes. III 14, 3) sehen sich Alexander und Dareios in dieser Schlacht garnicht, da Dareios πρώτος αὐτὸς ἔπιστοεψας ἴφευγεν. Bei Plutarch (= K.) sehen sie sich, und Alexander kommt dem Dareios nahe; doch dieser weicht dem Kampfe aus, ἀπολείπει μὲν τὸ ἄρμα καὶ τὰ ὄπλα (das ermöglicht eine Ekphra-sis des Schlachtgetümmels), ζήλειαν δὲ, ὡς φασί, νεοτόκον ἴππον περιβας Ἄφυγεν (das ist eine variierende Dublette zur Schlacht bei Issos: Arrian III 11, 5, Curtius III 11. 11). Bei Diodor endlich (XVII 60, 1–4) geraten sie aneinander und kämpfen, bis Dareios’ Wagenlenker fällt. Das hängt nun schon zusammen mit einem weiteren Zuge, der K.s Werk in so starkem Maße beherrscht, daß seine Gegner geradezu darin sein Wesen sehen (Timaios bei Polyb. XII 12 b. 23, [1702] 3–5. Philodem. κ. κολακ. I² 4 ἐν ταῖς ἰοτορίαις ἀπεθίου τὸν Ἀλέξανδρον), mit der panegyrischen Haltung, der κολακεία, wie die Alten sagen. Für sie gibt das dritte große Fragment, der Zug zum Ammon. einen besonders guten Beleg und wird als solcher auch angeführt von Strabon (XVII 1, 43). Es ist nun freilich falsch, K. schlechthin als besonderen Schmeichler Alexanders zu behandeln, seinen ,schönen Stil‘ in einen ausgesprochenen Gegensatz zu bringen zu den ‚wahrheitsgemäßen‘ Berichten Alexanders und seiner Generale. Man tut es gern, um des scheinbaren Gegensatzes willen, der zwischen K.s literarischer und menschlicher Haltung besteht. Aber wenn die Generale nicht Rapporte für die βασιλικὰ ὑπομνήματα machen, sondern vor das Publikum treten, dann schreiben sie auch anders. Den Zug zum Ammon hat auch Ptolemaios mit allen Wunderzeichen ausgestattet; seine δράχοτ2θ τες δὺο φωνὴν ἰέντες stehen würdig neben den krächzenden Raben des K. Auch die Ehrfurcht des pamphylischen Meeres vor dem Gottessohne (Schol. T Hom. II. XIII 29; das Motiv mag wirklich aus Hom. Il. XIII 29f. stammen. Ein Kontrast zu Xerxes’ Übergang über den Hellespont, den Ruegg und Will konstruieren, ist nirgends angedeutet) hat schwerlich K. allein berichtet; der Marscli durch Pamphylien war für viele Schriftsteller eine ὑπάθεσις γραφική πρό,' ἔκπληξιν καὶ δγκον. Was K. auszeichnet, ist nicht einmal die schriftstellerische Routine, der die Mittel der rhetorischen Technik in ganz anderer Weise, als etwa Ptolemaios, zu Gebote stehen und der deshalb nicht panegyrische Einzelheiten gibt, sondern der den ganzen Stoff nach den technischen Regeln für das Enkomion gestaltet - er besitzt diese Routine freilich in hohem Grade (so kehrt das Wort des Ammonpriesters, ὡς εἰὴ Διὸς νίός, wie ein Leitmotiv wieder in der εὐχή vor Arbela); aber er teilt sie mit anderen. Was ihn wirklich auszeichnet, ist auch hier die unmittelbare politische Abzweckung. Die panegyrische Haltung ist nicht Selbstzweck - die Frage, ob sie ,feiler Schmeichelei‘ oder ,ehrlichen Enthusiasmus‘ entspringt, ist deshalb in dieser Form falsch gestellt -, sondern sie ist, wie schon Droysen 381 erkannte, diktiert durch die praktische Rücksicht auf die Leser im hellenischen Mutterlande. Alexander hatte 50 hier mit starker Opposition, mit schlecht verhüllter Feindseligkeit zu rechnen, die nur auf eine Gelegenheit wartete, ihm in den Rücken zu fallen. Es war von wesentlichem Nutzen für ihn, wenn es gelang, ihn den Griechen darzustellen, nicht allein als den Vertreter hellenischer Tapferkeit und hellenischen Kriegsruhmes, sondern vor allem als eine Erscheinung von übermenschlichem Wesen, als den gottgegebenen Schützer von Hellas, Diesem Zweck dient die Verkündigung 60 seines gottähnlichen Ursprungs, mit der K. bahnbrechend voranging, für die sein Werk allerdings von ausschlaggebender Bedeutung beim Publikum war. Er war sich, dessen bewußt; seine Äußerung (Arrian. IV 12, 2 καὶ τὴν θειου δὲ μετουσίαν Ἀλεξάντρῳ οὐκ ἐξ ὧν Ὄλυμπιας ὑπὲρ τῆς γενέσεως αὐτὸν ψεύδεται ἀνηρτήσθαι, ἀλλὰ ἐξ ὧν ὅν αὐτὸς ὑπὲρ Ἀλεξάνδρου ξυγγράψας ἐςενέγκη ἐς ἀνθρώπους) gibt, auch wenn sie nicht [1703] authentisch ist, genau den Standpunkt, von dem K. die Sadie ansah und ansehen mußte. Daß er mit Billigung Alexandere diese Gotteesohnachaft verkündete (Beloch Gr. Geeeh. III 1, 49), kann garnicht zweifelhaft sein. Deshalb hat K. allo Kunst auf die Szene im Tempel des Ammon vereinigt. Der König ist Sohn des Zeus, das sagt der Ammonpriester tdif, obwohl das Orakel dort sonst νενμαοὶ καὶ συμβόλου τδ πλέον arbeitet (Strab. XVII 1, 43). Deshalb verstärkt er 1( - und nur er (ποοστραχψθί Strab. a. O.) - dieses Zeugnis auf jede Weise: das lange verstummte Branchidenorakel lebt gerade zu dieser Zeit wieder auf und bezeugt die Zeussohnschaft, indem es sich zugleich durch Prophezeiung der künftigen Siege legitimiert; auch eine neue ery-thraeische Sibylle steht eigens zu diesem Zweck auf. Und vor Arbela spricht dann *Zeus selbst, indem er seinen Adler über dem Haupte des Königs erscheinen läßt. K. hat daher auch sein 20 Werk mit bestimmter Absicht Πράξεις 'Ἀλεξάνδραν benannt; der Titel schon, der damals noch nicht abgebraucht war, sollte ankündigen - gegenüber etwa Anaximenes oder Kleitarchs Ta περὶ Ἀλέξανδρον -, wie er den Inhalt aufgefaßt wissen wollte.

Inwieweit die festgestellte Tendenz die Gestaltung des Stoffes beeinflußte, wie weit durch sie die historische Zuverlässigkeit geschädigt ist, läßt sich nicht leicht sagen. Ganz ohne 30 Verschiebungen auch der Tatsachen ist et nicht abgegangen; das zeigt die Darstellung der Schlacht bei Arbela und die des Marsches durch Pamphylien, den Alexander reibst doch etwas anders darstellte (ἐν ταις ἐπιστολαῖς οὐδεν τοιοντον τερατευόμενος ὀδοιποήοαί φησὶ τὴν λεγομενην Κλίμακα κτλ. Plut. Alex. 17). Aber ungeheuer übertrieben scheint mir Rüeggs Auffassung (a. O. 6), daß K. ,den Stoff wie ein Epiker mit großartiger poetischer Kunst, mit gewaltiger, 40 fast gewaltsamer Subjektivität⁴ geformt habe. Zu diesem Urteil gibt die Überlieferung, die in den Grundzügen ganz einheitlich ist, kein Recht. K.s Tätigkeit erstreckte sich doch wesentlich auf die Auffassung und Beleuchtung, sowie auf die panegyrische Ausmalung; die Tatsachen selbst, ihren historischen Verlauf und ihre Folgen ließ er im wesentlichen unberührt. In der Technik wird eine noch stärkere Annäherung einerseits an den Typus der ionischen ἼατορΙη anzunehmen 50 sein, andrerseits eine Verstärkung der Richtung auf die eine, im Mittelpunkt stehende Person des Helden. Das ethnographisch-naturwissenschaftliche Element verstärkt sich, die ent-spechenden Interessen vorausgesetzt, von selbst, wenn die Ereignisse auf fremdem Boden statt im eigentlichen Hellas spielen. Die für die Alexan-dergeschichte überhaupt bezeichnende Verbindung dieser Ethnographie und der neuen Form der Herrscherhistorie ist jedenfalls bei K. schon vor- 60 handen. Daß er die Vorgänge auf persischer Seite ebenfalls dargestellt hat, ist glaublich. Die vielfach vertretene Anschauung aber, hier alles oder das meiste aus der Tradition auf ihn zurückzuführen, scheint mir unberechtigt. Wenn seit dem Tode des Dareios, oder seit Arbela, diese ,persischen Partieen* aufhören, so liegt das an den Verhältnissen - mit diesen Ereignissen [1704] tritt eben das Alexanderreich an die Stelle des Pereerreiehes - nicht an dem vorzeitigen Abbruch von K.s Werk. Daß der Stil dem Inhalt angepaßt war und sich entsprechend von. den Hellenika unterschied, wird man annehmen dürfen und deshalb das Streben nach θψος (s. o.) besonders auf die Πράξεις beziehen. Ob wir deshalb gleich von einem ,unerquicklichen, salbungsvollen Bulletinstil' (v. Wilamowitz) reden dürfen, bezweifle ich.

Die gesamte historische Sehriftstellerei des K. wird zugammengehalten durch die politische Tendenz des Eintretens für Makedonien als der Vormacht von Hellas. Sie beherrscht die Anfangsarbeit über den Heiligen Krieg so gut wie die Hellenika und die Πράξεις. K. hat naeh ihr nicht gesucht; sie war ihm durch seine Lebens-umstände gegeben. Im ganzen erscheint er, da diese Tendenz offensichtlich die Wahl seiner Stoffe I bestimmt hat, also mehr als politischer Publizist großen Stiles, denn als eigentlicher Historiker; die Tendenz ist aber schwerlich so krude hervorgetreten, daß seine Werke den Pamphletcharakter annahmen. Wir würden sonst mehr davon hören. Davor bewahrte ihn ein gewisser weltmännischer Takt, den er sich im Umgang mit Aristoteles aneignen konnte; und wenn das nicht, ein natürliches Verständnis für die Wirksamkeit schriftstellerischer Propaganda und wohl auch für die Gesetze der Historie. Er war ganz modern, moderner noch als Theopomp, den er auch an künstlerischem Gefühl übertraf. Was er schrieb, war eigentlich alles Zeitgeschichte, und alles trug monographischen Charakter, auch die Hellenika, da diese perpetuae hixtoriae den Anschluß nach oben bewußt verschmähten. Trotz der Fülle der Allotria waren die Hellenika sowenig wie die Πράξεις Monstra der Komposition und des Umfangs in der Art von Theopomps Φιλιππικά. Wieviel Bücher die Πράξεις brauchten, wissen wir ja nicht; aber für einen so wichtigen Zeitraum wie die J. 387–357 sind 10 Bücher keine übermäßige Zahl. Die Hellenika ein .dickleibiges Werk' zu nennen, ist irreführend. Daß K. die mythische Geschichte ganz beiseite ließ (Diod. IV 1, 2–3), ist bei seiner ganzen Art selbstverständlich. Wenn er aber die ältere Geschichte in zahlreichen bedeutenden Exkursen berührte, so läßt das auf ein gewisses reinhistorisches Interesse schließen. Ich glaube daher nicht, daß die stark publizistische Ader des Schriftstellers uns das Recht gibt, den Historiker von vornherein mit einem ungünstigen Vorurteil zu betrachten. Irgend ein Grund, ihn besonders abfällig zu beurteilen, liegt jedenfalls nicht vor, wenn man sich auch vor Überschätzung (in die Will 27ff. verfällt) hüten wird. Wie weit Quellenstudium seine Sache war, ist freilich schwer zu sagen. Er kennt und benutzt, wie alle Alexanderhistoriker, in den Πράξεις Herodot, den er zitiert und erweitert (Strab. XI 14, 13); vermutlich auch Hellanikos (Phot. s. Σαρδαναπάλους) und Thukydides (E. Meyer Forsch. II 2f.). Die Spuren sind unsicher, aber die Sache ist eigentlich selbstverständlich. Für die Πράξεις hat er den Stoff als erster selbständig aufgezeichnet, wobei er sich jedenfalls der offiziellen Berichterstattung des Hofjournale und der Rapporte [1705] bedienen durfte, was man auch für die aktenmäßige Darstellung des Heiligen Krieges annehmen darf. Ob er den Hauptbestandteil der Hellenika eigener Forschung oder boiotischen Hi· etorikern verdankt, ist nicht au sagen, aber das letztere beinahe wahrscheinlicher. Ihm selbst lag mehr an dem Arrangement und vor allem an der Beleuchtung der Tatsachen. Von Theopomp hat er gelesen, was erschienen war. Sonst hat er lokale Literatur wohl für manche Exkurse 10 benutzt; er kannte jedenfalls, was es zu seiner Zeit an Atthiden gab, und trifft gelegentlich mit Phanodemos und Philochoros zusammen (Prokl. in Plat. Timae. 21 E. Strab. VIII 4, 10), ohne der attischen Quelle Hind zu folgen. Überhaupt aber hat er viel Außerhistorisches gelesen, mehr vielleicht bei Aristoteles gehört. Die für den Peripatetiker charakteristische Benutzung der poetischen Literatur zu historischen Zwecken wurde schon erwähnt. Epochemachend ist er dabei für 20 die Darstellung der Messenischen Kriege geworden (s. u.). Das Altertum hat denn auch den Historiker K. nicht gering eingeschätzt: ol λογιώτατοί τῶν Ἀρχαίο»» συγγραφέων, Ἔφορος Seroφῶν Καλλισθένης Πλάτων Polyb. VI 45, 1; τῶν μεταγενεστέρων Ἰστοριογράφων οἱ πρωτεύοντες τθ ὀόξη Diod. IV 1, 2–3. In der Rhetoren-schule ist er gelesen und als Anfänger künstlerischer, d. h. rhetorischer Historiographie anerkannt, wenn auch nicht allzu warm (Cic. de or. 80 II 58; ad'Q. fr. II 11, 4; π, öy. 3, 2), was eher für als gegen ihn spricht. So hat er denn auch in den Kanon der Historiker, freilich als einer der letzten, Aufnahme gefunden (an 8. Steile in der Tabula C: Rabe Rh. Mus. LXV 339f.), was immerhin beweist, daß er nicht ganz früh verschollen ist.

Die Benutzung ist verhältnismäßig reichlich; stärker, wie es scheint, die der Hellenika, als die der unvollendeten Alexandergeschichte. Doch 40 wird auch diese von Timaioe, Polybios (XII 17ff.), Strabon (aus Interesse am Stoff) und von Plu-tarch (aus Interesse an dem Menschen) gelesen. Daß Arrian. der ausführlich und mit offenbarem Interesse von K. spricht, nicht einmal die Tatsache seiner Schriftstellerei über Alexander erwähnt, ist bezeichnend. Man schätzt ihren Einfluß auf die Alexandertradition im allgemeinen sehr hoch ein und will sogar ,den Kern der Vulgata* auf ihn zurückleiten (Droysen. E. 50 Meyer 1581. Fraenkel Die Quellen der Alex.-Hist. 1888, 92ff. 195ff. 298ff. Hel och Gr. Gr. 11421. Kaerst 1 424. Ruegg a. O. 9 u. Ö. Hoffmann Das literar. Portrait Alex, d, Gr. 1907, 24 u. a.). Wohl mit Recht, wenn auch die Indizien selten genügen, um eine bestimmte Geschichte wirklich als kallisthenisch zu erweisen. Ich zweifle auch, ob angesichts der Dürftigkeit der Überlieferung wirklich durch eine »systematische Quellenkritik* viel Bestimm- 60 tes gewonnen werden kann. Es sind mehr allgemeine Erwägungen, die jene Annahme glaublich erscheinen lassen. Jedenfalls sind die Πράξεις bald hinter Aristobul und Kleitarch an Bedeutung zurückgetreten. - Die Benutzung der Hellenika beginnt sogleich im Peripatos mit Aristoteles selbst (s. o. für Πράξεις: Aelian. nat. an. XVI 30 Aristot. [?] hist. an. VIII 28 p. 606 a 17) [1706] Gleichzeitig damit zieht Ephoros das Werk heran. Das Verhältnis der beiden haben gegen Schwartz Herm. XXXIV 489. XXXV 156; o. Bd. VI S. 1 richtig (übrigens im Einklang mit der antiken Meinung: Porphyr. bei Euseb. PE X 8 p. 464 B) beurteilt Busolt Herm. XLIII 268; Niese ebd. XIIV 171«. (s. auch v. Wilamowitz Texte, d. gr. Lyr. 104), so daß jetzt (Henn. XLIV 495) auch Schwartz wenigstens ,die Möglichkeit, daß Ephoros die Hellenika benutzt hat', nicht mehr bestreiten will. Wie weit sich die Benutzung erstreckt, ob sie über die Exkurse von den Messenischen Kriegen und Einzelheiten, wie das Tagesdatum von Troias Fall hinausgeht, ist zweifelhaft. Es spricht viel dafür, in K. eine der Quellen des Ephoros (Diod. XV) für die Partie vom Antial-kidasfrieden bis zum Beginne des Phokischen Krieges (Buch XX-XXIX der Ἰστορίαή zu sehen, zumal er Xenophon sicher nicht (Schwartz o. Bd. VII S. 11f, Wills Versuch, Ephoros seine Darstellung aus K. und Xenophon zusammenarbeiten zu lassen, ist meines Erachtens mißglückt), Theopomp schwerlich stärker herangezogen hat. Energisch dafür ist zuletzt Will 87«. 106f. eingetreten, wobei freilich sein eigener Nachweis (S. 56, 2) Bedenken erweckt, daß die sicher nicht Ephorische Rede Diod. XV 81 zu Plutarchs Pelopidas, der doch K. sein soll, stimmt, aber nicht die Ephorische Erzählung. Wills Erklärung dafür (S. 89, 3) genügt schwerlich. Andrerseits ist es tatsächlich auffällig, daß Ephoros, der doch eine eigene ganz andersartige Theorie Über die Nilschwelle (im V. Buch der Ἰβτορίαή vorgetragen hatte, in der Darstellung der Pharnabazosexpedition eine Äußerung macht, die sehr an K.s Erklärung erinnert (XV 43, 4 καὶ τῶν Ἐτησίων ἤδη γινομένων. Will 1011). Die starke Verkürzung bei Diodor erschwert hier ein Urteil. Hat aber Ephoros hier K. vor sicli gehabt, so bietet sich die Erklärung; die für Ephoros’ Chronologie von großer Wichtigkeit wäre, von selbst: die Hellenika lagen vor, als Ephoros an den Buchem XX«. schrieb; sie waren noch nicht erschienen, als er mit dem ersten Teile seines Werkes beschäftigt war. Sehr stark ist K.s Geltung im 2. Jhdt v. Chr. Er bildete wegen der vielfachen Exkurse besonders über Homerische Geographie und der reichlichen Heranziehung poetischer Zeugnisse eine Fundgrube für die Grammatiker. Apollodor (Strab. VIII 4, 10) hat ihn in der Tyrtaiosfrage zitiert; sehr häufig kommt er bei Demetrios von Skepsis vor (Strab. XII 3, 5. XIII 1, 13. 59. 4, 6. 8. XIV 4, 1; ausdrücklich zitiert XIV 5, 28; vgl. Schwartz o. Bd. IV S. 2811), Polyb hat ihn gegen Timaios in Schutz genommen (XII 12 b. 23); er schätzt ihn, wenn er auch sein militärisches Unverständnis tadelt (XII 17«.), sehr hoch, so hoch wie Ephoros (VI 45, 1), und zitiert sowohl die Hellenika (IV 33, 1–6. VI 45, 1) wie die Alexandergeschichte (XII 17ff.) aus eigener Lektüre. Augenscheinlich hat er die ersteren, wo er auf den von K. behandelten Zeitraum zu sprechen kommt, Öfter verwertet (IV 33, 7–10. IX 8, 2–9; vgl. noch Costanzi Klio VII 337, 2. Will 66f.). Daß den Poseidonioe die physikalischen Exkurse (Nilschwelle; Erdbebenlehre: Strab. XVII I, 5. [1707] Joh. Lyd. de mens. IV 107. Sen. nat. quaest. VI 23. 26 VII 5) anzogen und ebenso die zahlreichen Erwähnungen von Orakeln, Orakelstätten und Vorzeichen (Cic. de div. I 74ff.), ist begreiflich. Dann nennt ihn Ps.-Scymn. 124 unter seinen Quellen. Später hat dann Strabon das Alexanderbuch, Plutarch beide Werke herangezogen, besonders in den Viten des Pelopidas, Epameinondas und Alexandros (s. zuletzt Will 335. nicht ohne Übertreibungen und Unsicheres; hier ältere Literatur. Der Einwand Meyers G. d. A. V 924 A. gegen Benutzung des K. in der Pelopidasvita scheint mir nichtig). Ein besonderes Gefallen scheint er im Gegensatz zu Polybs Urteil an den Schlachtschilderungen gefunden zu haben (Eurymedon: Kimon 12–13; Tegyra: Pelop. 16–17; Arbela: Alex. 32–33). Daß er K. selbst gelesen hat, ist unzweifelhaft, wenn man die vielen in den Moralia verstreuten Stücke sieht, die sich mit Sicherheit auf K. zurückführen lassen; viel steht bezeichnenderweise in de def. orac. und de Pyth. orac. Gewiß er·; klärt sich Plutarchs Vorliebe für K. daraus, daß dieser so viel und so günstig von Boiotien sprach. Selbst von Römern ist er gelesen. Q. Cicero studiert ihn neben Philistos zur Bildung eines eigenen historischen Stils (Cic. ad Q. fr. II 10, 4), und auch der Bruder hat ihn gekannt und beruft sich auf ihn, um seinen Wunsch nach einer Spezialschrift über sein Consulat zu begründen (ad fam. V 12, 2). Es ist das eine ganz stattliche Reihe von Benutzern. aus der man auch schließen darf, daß K.s Einfluß auf die Tradition bestimmter Epochen der griechischen Geschichte nicht gering gewesen sein kann.

C. Mueller Script Rer. Alex. M. (1846) S. 1–32 (dazu Stichle Philol. IX 402). A. Westermann De Callisthene Olynthio et Pseudo-Callisthene... commentatio, Leipzig 1838. 1841. Droysen Hellenismus² (1877) I 2, S7ff. 379H. 387 u. ö. E. Meyer Erseh und Grubers Bealencycl. sect. II Teil XXXII (1882) 157ff. Cauer JPhilotas, Kleitos, Kallisthenes* Jahrb. f. klass. Philol. Suppl. XX (1893). Schwartz ,K.s Hellenika‘ Herm. XXXV 1900, 106–130. Wachsmuth ,Das Alexanderbuch des K.‘, Rh. Mus. LVI 1901, 223–226. Will ,K.s Hellenika*, Diss. Würzburg 1912 (Königsberg 1913). Christ- Schmid Gesch. d. gr. Lit⁶ I (1912) 535. [F. Jacoby.]

Unter dem Namen des K. geht vereinzelt der griechische Alexanderroman, den man deshalb Ps.-K. zu nennen pflegt.

1. Überlieferung.

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Der Roman hat entweder keinen Autornamen getragen (u. S. 1709) oder war doch als ein nicht im strengen Sinne zur Literatur gehöriges Werk kenntlich. Das hat zur Folge gehabt, daß sein Text seit alter Zeit willkürlichen Veränderungen ausgesetzt war und kaum zwei Zeugen der Überlieferung miteinander übereinstimmen. C. Müller schied nach den drei ihm zufällig vorliegenden griechischen Hss. die Versionen A, B, C; das hat sich auch bei der späteren Vermehrung des Materials bewährt.

a) Die Fassung A'. Sie stellt die älteste Gestalt des Romanes dar, bis zu der wir vordringen können; leider ist ihr griechischer Urtext nur mangelhaft Überliefert. Er liegt halbwegs vollständig [1708] nur in Cod. Paris, gr. 1711 saec. XI vor (A), einer überaus nachlässig geschriebenen und durch eine Lüdke von zwei Blättern zwischen I 41 und 44 entstellten Hs. Mit ihr berührt sich am Anfang Cod. Leidens. Vulc. 93 saec. XV (L), dessen weiterer Text zur Gruppe B' gehört (ed. Meusel Jahrb. f. Philol. Suppl. V 701). Die Lücken und Fehler von A lassen sich mit Hilfe der alten Übersetzungen erkennen und verbessern, ohne daß es doch möglich wäre, die ursprüngliche griechische Fassung auf weite Strecken wiederzugewinnen. Unter ihnen ist die wichtigste die lateinische des Iulius Valerius, spätestens um J. 330 gefertigt (s. o. Bd. X 8.846); doch hat ihr Verfasser, der selbst literarischen Ehrgeiz besitzt, das Orignal stilistisch erweitert und gelegentlich auch sachlich verbessert. Getreuer schließt sich an die Vorlage der Archi-presbyter Leo in seiner Nativitas et Victoria Alexandri Magni régis, die er um J. 960 in Neapel durch Übersetzung einer aus Byzanz mitgebrachten Hs. herstellte; seine Arbeit ist unverändert nur in Cod. Bamberg. IIIE 14 saec. X/XI erhalten (über die jüngeren Versionen s. u. S. 19 a). Ed. Pfister Heidelberg 1913 (dadurch ist die Ausgabe von Landgraf Erlangen 1885 überholt). Leos Vorlage näherte sich vielfach dem Text der syrischen Übersetzung (Pfister 20. Ausfeld 17. Hnr. Becker Zur Alexandersage, Königsb. 1906, 7); Leo hat sich aber auch selbst Aus-30 lassungen und Veränderungen gestattet. - Die im 5. Jhdt. gemachte armenische Übersetzung (herausg. von den Mechitaristen Venedig 1842) gibt einen durch Vollständigkeit ausgezeichneten Text gewissenhaft wieder. Raabe Ἰστορία Ἀλεξάνδρου? Leipzig 1896 hat ihren Text ins Griechische zu-riickübertragen (deutsche Übersetzung von Vogelreut her auf der Straßburger Bibliothek). - Die syrische Übersetzung (ed. Budge, Cambridge 1889) ist nach Nöldeke Denkschr. Akad. Wien 40 XXXVIII 11 etwa im 7. Jhdt. von einem Ostsyrer nicht nach dem griechischen Original, sondern nach einer Pehlewiübersetzung gemacht worden. Sie ist ziemlich frei und zeigt zahlreiche, zum Teil mit Leo übereinstimmende Abweichungen, so daß Ausfeld 17 diesem Text ein besonderes Sigel (6) gibt. Andere gelegentlich die Überlieferung A ergänzende Quellen nennt Ausfeld 23. Nachdem Zacher eine vergleichende Übersicht der drei Versionen gegeben hatte (a. O. 112), hat Ausfeld 30–122 durch sorgfältige Vergleichung der Textesquellen den Text von A' in deutscher Sprache zuverlässig hergestellt und seine Textgestaltung in den Anmerkungen begründet.

b) Die Fassung B'. Sie ist in Müllers Ausgabe vertreten durch Cod. Paris, gr. 1685 saec. XV, eine Schwester-Hs. ist Messan. praeex. 62 saec. XV. Die übrigen Texte (z. B. Laur. 70, 37 saec, XIII. Vatic. 1556 saec. XVI) zeigen im Wortlaut mehr oder minder starke Abweichungen; vgl. Zacher 7. Kroll Herm. XXX 462. Eine B'-Hs. vertritt in der Hauptsache auch das in politischen Versen gehaltene, zwischen 1200 und 1350 verfaßte byzantinische Alexandergedicht, das aber in der Weglassung von I 26 E.-28 und der Gestaltung von I 45–11 6 A folgt (éd. W. Wagner Trois poèmes grecs du moyen-âge inédits, Berlin 1881). Christ e«nsen S.-Ber. Akad. Münch. 1897 I 33.

e) Die Fassung C', vertreten in Müllers [1709] Ausgabe durch cod. Paris. SuppL 113 saec. XVI (C), μ dem sich in Einzelheiten viele der übrigen Hss. stellen, ohne doch mit der erheblich erweiterten Fassung C' sehr übereinzustimmen.

Auf Grund von A, B, C hat Müller hinter dem Didotschen Arrian (Paris 1846) den Text herausgegeben, nicht ungeschickt, aber nicht ganz zuverlässig. Ich kenne diese und andere Hss. durch eigene Vergleichungen.

2. Titel und Inhalt

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Die Überschrift lautet in A' Blog Ἀλεξάνδρου τὸν Μακεδόνος, dagegen steht hinter Buch 1 Ww πράξεων μέρος a) hinter Buch 2 Ἄλεξ. πράξεων μέρος β) ἐξῆς μέρος γ'. Cod. L vereinigt beides: Βίος Ἄλεξ. τὸν Μακεδόνος καὶ πράξεις. Die Hss. der Gruppe B' nennen zum Teil K. als Verfasser, Valerius scheint den Titel gehabt zu haben Res gestae Alexandri Magni iranslatae ex Aesopo Graeco (also πράξεις)θ gibt aber den einzelnen Büchern Untertitel: Ortus, Res gestae, Obitus - dies vielleicht eine Erfindung von ihm. Auch Aesop hat er wohl erst zum Verfasser gemacht; der Roman lief sonst meist anonym um. K. hat erst eine spätere Zeit zum Autor gemacht; vgl. Tzetz. Chil. I 327, der Ps.-K.s Beschreibung der Zerstörung Thebens erwähnt und anmerkt ὡς K. γράφει. über Antisthenes, Aristoteles und Arrian. die vereinzelt als Verfasser genannt werden s. Christensen 44. Über Onesikritos s. u. S. 1714.

Alexander ist nicht der Sohn Philipps, sondern des letzten Königs von Ägypten, Nektanebos, der vor seinen Feinden nach Makedonien flüchtet und dort vermöge seiner Zauberkunst die Olympias täuscht: sie glaifbt mit dem Gotte Ammon zu verkehren, in dessen Gestalt sich Nektanebos selbst bei ihr cinschleicht. In Wahrheit kam der letzte ägyptische König Nektanebos II., als Vater Alexanders nicht in Betracht, da er erst J. 348 oder 341 seinen Thron verlor. Bei dem ganzen Charakter des Romanes wäre es aber nicht nötig, durchaus einen anderen Nektanebos zu finden, auf den die Vaterschaft paßt, und ihn in Nektanebus I. zu sehen, der um J. 362/60 zu regieren aufgehört hat. Wieweit der Umstand, daß Alexander auf einem ägyptischen Tempelreinigungsgefäß der beginnenden Ptolemäerzeit denselben Ka-Namen wie Nektanebus I. führt, ins Gewicht fällt, vermag ich nicht zu beurteilen; für den Roman kommt diese Tatsache kaum in Betracht; vgl. Wiedemann Woch. klass. Phil. 1917, 591. Alexander gibt von Jugend auf viele Beweise von Mut und Klugheit, indem er z. B. den Bukephalos bändigt, in Olympia im Wagenrennen siegt und den Tribut fordernden Gesandten des Dareios schlagfertige Antwort gibt. Nach seiner Thronbesteigung zieht er nach Sizilien und Italien, wo sich die Römer ihm unterwerfen, von da nach Karthago, zum Ammonorakel und zur Nilmündung; dort gründet er nach einer von Ammon erhaltenen Weisung Alexandreia. Nach einem Besuche in Memphis begibt er sich nach Syrien und erobert Tyros; nun beginnen Verhandlungen mit Dareios, der schließlich in einer großen Schlacht besiegt wird. Nach wunderlichen Fahrten, die ihn z. B. nach Dion bringen, ist er plötzlich in Europa, erhält das bekannte Orakel von der Pythia, zerstört Theben, läßt es aber alsbald wieder aufbauen. - (Buch 2.) Die Athener entschließen sich nach langen Debatten, sich ihm zu unterwerfen; [1710] dann besiegt er die Lakedaimonier zu Lande und zu Wasser, kehrt durch Kilikien nach Asien zurück und betätigt sich teils durch Kriegs* taten und die Überbrückung des Euphrat, teils durch einen lebhaften Briefwechsel mit Dareios. Auf Ammons Rat geht er als Bote verkleidet ohne erkennbaren Zweck zu Dareios, wird aber erkannt und muß flüchten. Wiederum schlägt er die Perser, erbeutet Dareios’ Mutter, Gattin und 10 Kinder und verfolgt diesen, der auf der Flucht von zwei ungetreuen Satrapen getötet wird; er trifft ihn noch lebend an und behandelt ihn großmutig; 'die beiden Satrapen werden gekreuzigt. Er heiratet Dareios’ Tochter Roxane (hier in B' Arm. der Brief an Olympia und Aristoteles). - Buch 3 beginnt mit der Meuterei der Truppen und dem Feldzug gegen Poros, den er im Zweikampf erlegt; dann pflegt er mit den Brahmanen philosophische Unterhaltungen. Nun folgt ein längerer Brief an 20 Aristoteles über die Wunder Indiens, der die Schilderung der weiteren indischen Abenteuer ersetzen soll. Zu der Königin Kandake von Meroe, die sich ihm freiwillig unterworfen hatte,' geht er unter dem Namen des Antigonos, verhilft ihrem Sohne Kandanies zu seiner geraubten Frau, wird endlich erkannt, aber von Kandake freigeiassen. Dann nimmt er die briefliche Unterwerfung der Amazonen entgegen, kehrt am Hypanis um, weil er von der furchtbaren Macht des jenseits wohnenden 30 Königs hort, und geht wieder nach Babylon; von dort sendet er einen Bericht über seine Erlebnisse an Olympias. Ein prodigium kündigt seinen baldigen Tod an, und dieser ereilt ihnwerfen; durch Gift, das ihm auf Anstiften des Antipatros durch Kassandros und Iollas beigebracht wird; vor seinem Hinscheiden verleiht er den Rhodiern durch einen Brief verschiedene Privilegien und ordnet durch ausführliches Testament die Angelegenheit seines Reiches. Seine Leiche wird erst nach Memphis gebracht, dann aber in Alexandreia beigesetzt.

3. Charakter der Darstellung

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Daß diese Erzählung ein Zerrbild der wirklichen Ereignisse bietet, liegt auf der Hand; bei genauerem Eingehen findet man immer neue Verstoße gegen die historische Wahrheit und sinnlose Erfindungen. So führen die Römer den Panischen Krieg als Entschuldigung dafür an, daß sie ihm keine Hilfstruppen stellen (I 29), und senden ihm durch M. Aemilius den Kranz des Iuppiter Capito-50 linus. Pindar ist sein Lehrer (I 46). Bei den Debatten in Athen redet Demades gegen, Demosthenes für Unterwerfung vor Alexander, Aischines liât zum Kriege mit den Persern gehetzt, außer den Amphiktyonen sind auch Lysias, Platon, Demokrit und Diogenes zugegen. II 11 wird Antiocheia genannt, das erst J. 301/300 gegründet wurde (und solche chronologischen Verstöße finden sich mehrfach). Über das Verhältnis von Plataiai zu Athen (II 1) hat er ganz wunderliche Vorstel-60 hingen. Das ärgste aber ist die völlige Unkenntnis der Geographie, in der er die sonst vergleichbaren Kaiserbiographien völlig schlägt (v. Doma-szewski S.-Ber. Akad. Heidelb. 1916): Aristoteles stammt aus Milet (I 13), Alexander zieht nach Thrakien über den Thermodon (I 26), dessen wahre Lage III 27 bekannt ist, und von da über Lykaonien (kaum Lucanien) nach Sizilien, von Syrien (oder Asien) durch Arabien nach Issos [1711] (I 41: der Schlachtort wird freilich nicht genannt und die Schlachtbeschreibung paßt zum Teil auf Arbela). Dann geht er Über Achaia und Pieria (einer Stadt in Bebrykia) nach Ilion, Pella, Abdera, Olynth, zum Pontos und zur Maiotis, zu den Lokrern (I 42–45). Ferais ist eine Stadt (H 13), der Strangs ein völlig rätselhafter Fluß (der Tigris nach Zacher 129). Dareios verspricht Alexander die Schätze in Minyas, Susa und Baktra zu zeigen (II 17). Meroe liegt nahe bei Indien, und dazu 10 paßt es, daß Kandake auf dem Thron der Semi-ramis (vgl. Ω 7) sitzt; andrerseits ist es aber doch als Nachbarland von Ägypten gedacht (III 18), unfern den Bebrykern und Amazonen (III 19). Philipp kämpft gegen die mit den Athenern verbündeten Zakynthier und hilft den Athenern gegen Korinth (II 5).

Der Autor verwickelt sich aber auch in Widersprüche mit seinen eigenen Angaben; mag auch ein Teil davon durch Interpolationen entstanden 20 sein, mit denen man bei solchen Texten immer rechnen muß, die Mehrzahl ist auf seine eigene Rechnung zu setzen. Alexander soll Nektanebos’ Sohn sein, das ist der Ausgangspunkt des Romans; bisweilen heißt er aber Sohn Philipps (I 88. II 5), der sich sehr widerspruchsvoll gegen ihn verhalt (I 10 E. 13f. 16. 24), oder Sohn Ammons (I 30. 35. II 13. 21. III 33 im Testament selbst und in der Schlußbemerkung des Autors): Ausfeld, der alle diese Stellen für spätere Zusätze erklärt, muß S. 228 selbst zugeben, daß Ammons Vaterschaft ein altes Motiv ist; sie beruht auf altägyptischen Anschauungen, die freilich Ps.-K. nicht mehr verstanden hat (Reitzenstein Poi-mandres 309; Hellenist. Wundererzählungen 139). II 17 wird die bekannte Anekdote von Parmenion erzählt, der aber schon II 8 dem Blutdurst des Verfassers zum Opfer gefallen war. Roxane als Tochter des Dareios ist II 22 ein rührseliges Motiv (in Wahrheit hieß diese Barsine oder Stateira: so 40 wird hier Dareios’ Gattin genannt); III 33 heißt sie richtig Tochter des Oxyartes. Im Testament (III 33) wird der III 4 im Zweikampf gefallene Poros als König eingesetzt und der Wiederaufbau Thebens verfügt, obwohl das schon I 47 geschehen war. Anderes bei Ausfeld 214. 249. Über die Art der Quellenbenutzung s. u. S. 1713.

Wie von den Ereignissen, so erhält man von den Personen kein klares Bild. Der Held soll von der traditionellen, durch Göttersprüche gesteigerten 50 Glorie umflossen sein, benimmt sich aber manchmal wenig heldenhaft. Seinen Vater Nektanebos mordet er, als ihn der Autor nicht mehr brauchen kann, durch einen törichten Bubenstreich (I 14), und ähnlich benimmt er sich gegen seinen freilich auch nicht besseren Nebenbumer in Olympia (I 18) und gegen Poros (III 4). Im ganzen ist er ein größerer Held mit dem Munde und der Feder als mit dem Schwerte, und sein Lieblingsepitheton ist φρενήρης (II 4. III 2. 19. 23. 27), wohinter sich 60 oft eine recht üble Klugheit verbirgt (Ausfeld 286). Für die Moral des Autors ist es bezeichnend, daß der König als Gast an Dareios' Tafel die kostbaren Becher einsteckt (II 15; Leo hat das geändert). Daß er in seinen Reden und Briefen ein widerwärtiges Maulheldentum entfaltet, versteht sich von selbst. Hirzel Dialog II 79 tut Ps.-K. zuviel Ehre an, wenn er ihm so etwas wie eine [1712] Auffassung von der Person des Königs zuschreibt. Die anderen Personen sind des Protagonisten würdig; so Olympias, die auf den in Aussicht gestellten Verkehr mit Ammon sofort eingeht (I 4) und eine schwer glaubliche Leichtfertigkeit entfaltet, und Poros, der ihn im Renommieren Überbietet (III 2): ἐγω ὄδν ἀήττητος εἰμί, ου μόνον Μυώπων (ὧν) βασιλεύς, ἀλλὰ καὶ Φεθν: παρόντα. γὰρ Sv λέγεις συ θεὸν Διόνυσον ἀπήλασαν τῆ Ἴδια δυνάμει οἱ Ἰνδοί,

Dem entsprechen die literarischen Qualitäten des Werkes. Der Autor steht außerhalb der literarischen Tradition, und daher zeigt seine Arbeit, die eigentlich eine Biographie sein sollte, von den Eigenschaften dieser Literaturgattung kaum etwas; die noch am ehesten vergleichbaren Kaiserbiographien stehen immer noch erheblich höher. Bei der Art, in der er verschiedene Quellen weniger benützt als zusammenstoppelt, darf man auch nicht mehr erwarten. Die zahllosen Briefe, die das Ger füge des Romans völlig sprengen, dienen nicht dem Zwecke, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, sondern sind rhetorische Stilübungen eines tintenklecksenden Saeculums, die freilich jeder eindrucksvollen und pointierten Rhetorik bar sind; auch I 85. 42 (wohl auch III 23: Wilmanns Ztschr. f. dtsch. Alt, XLV 232) zeigt sich der Autor als Pointenmörder. Wenn er den König II 1 an die Athener schreiben laßt: λαβῶν τὴν βασιλείαν καὶ χαταστείλας τὰς πρὸς τβ δύσει πόλεις καὶ πλείονας χώρας ἔπιστολαις, so darf man diese vortrefflich bezeugte Lesart nicht (mit A u s -feld 59) ändern und eine für ihn bezeichnende Anschauung verwischen. Charakteristisch ist auch, daß der König den törichten Brief I 38 seinen Soldaten vorliest. Dürfte man einen höheren Maßstab an ihn anlegen, so würde man aus einer Eigentümlichkeit schließen, daß er keine historische Biographie, sondern einen Roman schreiben wollte: das sind die eingelegten Verse: I 83 Trimeter, I 46 und II 20 Choliamben, in denen nicht bloß Reden gegeben werden, sondern auch Erzählung; besonders auffällig sind die Übergänge II 20 τά; χειρας δὲ αὐτὸν ἐπινείς ἐπὶ τὸ Δαρεῖου] στίφος τοίους Ἴλεξε συμπαγείς μύθους und καὶ ἐπισπασάμενος αὐτὸν καὶ τό | στηθος φιλήσας εἰπὲ τέκνον Ἀλέξανδρε. Der Autor hat damit nichts Neues geschaffen, wie der Roman des Petron zeigt (der einmal auch Choliamben verwendet, freiliä nicht für die Erzählung); vgl. auch Hist. Apollon 11.16. Es hat also säon vor Petron eine volkstümliche Erzählung gegeben, die bisweilen in Verse überging; das kann man auch aus schwachen Spuren bei Chariten entnehmen (Schmid o. Bd. III S. 2169). - Zu einem Roman würde auch das Interesse für ethnographische Merkwürdigkeiten und die Wunderwelt des Ostens mit ihren märchenhaften Menschen, Tieren und Bäumen passen, das sich weniger in den originalen Partien, als in den fertig übernommenen Briefen zeigt. Aber auch hier wird man Einheitlichkeit und eine bestimmte literarische Absicht vergebens suchen. - Daß sich auch eine lebhafte Neigung für das Grandiose in der Vorliebe für große Zahlen zeigt, sei bei dieser Gelegenheit betont: der König zieht mit 40 000 Talenten Gold in den Krieg (I 26) und erbeutet in der Schlacht (I 41), in der 120 000 Feinde fallen, 4000 Talente, sammelt in Achaia [1713] 170 000 Mann, hat vor dem Endkampfe mit Dareios noch 120 000 (II 10); der König von Praeiake hat 5000 Elefanten, 10 000 Wagen und viele Myriaden Soldaten (III 27); vgl. auch die Schilderungen orientalischer Pracht III 22. 27. Zu den Paradoxa kann man auch die Zauberhandlungen rechnen, die am Anfänge des Romanes beschrieben werden; dergleichen war ja sogar ins Epos eingedrungen.

Über Stil und Sprache zu urteilen ist schwer, solange nicht eine zuverlässige Ausgabe vorliegt; die Sammlungen von Niedenführ Quaest. Ps.-Callistheneae (Breslau 1869) 31 sind wertlos. Zeigen schon die eingestreuten Dichterzitate (Hom. I 2. 33. Hesiod I 19, vier gnomische Trimeter II 16 E. [‌Trag. inc. 102 N.J), die Kenntnis eines Satzes der hellenistischen Poetik (II 15 πλαστεί del μνθος, Uv %ZS πίατιν, ἔκατηναι πεποίηκε τοὺς ἀκούοντας, vgl. Plaut. Pseud. 401. Hör. A. P. 338) und die Nennung des Favorinos (I 13), daß der Autor nicht ohne jede Bildung ist, so wird das durch den Gebrauch literarischer Wörter und gelegentliche Ansätze zu gehobener Darstellung (z. B. II 16) nicht bloß in den Versen, sondern auch in der Prosa, bestätigt; es war kein glücklicher Gedanke von Buresch (Rh. Mus. XLVI 193), Vulgärgriechisch bei ihm zu suchen. Daß den Grundzug seiner Sprache die Koine bildet und sich zum Attizismus keine Ansätze zeigen, versteht sich von selbst; der Autor zeigt sich auch hier als halbgebildet, es fehlt ihm der letzte Schliff der Rhetorensehule.

4. Die Quellen

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Die frühere, auch noch von Zacher vertretene Vorstellung, daß der Roman aus der alexandrinischen Volkssage stamme, wurde schon durch Nöldekes Nachweis der Berührungen des Romans mit der historischen Literatur zerstört, den Ausfeld S. 123–213 vortrefflich ergänzt hat: vgl. seine Zusammenfassung 8. 218. Die Grundlage seiner Darstellung bildet ein Historiker, der der schlechten Überlieferung folgt; daher sind die Berührungen mit Diodor besonders zahlreich. Um einzelnes herauszugreifen, so wurde von Olympias’ Verkehr mit dem schlangen-gestaltigen Ammon schon bei Lebzeiten des Königs erzählt, und Münzen und Contorniaten der Kaiserzeit beziehen sich darauf (Weinreich 9f.), Nektanebos war wirklich der letzte König von Ägypten, und über seine Flucht unter Mitnahme von Gold berichtet Diod. XVI 51. Die Erzählung von Philipps Hochzeit mit Kleopatra I 20f. enthält viel Wahres, die Schlacht I 41 entspricht der bei Issos, die II 16 der bei Arbela in vielen Dingen. Das an die Athener gestellte Ansinnen des Königs, Zehn Redner auszuliefern, soll wirklich in der Volksversammlung zu ähnlichen Verhandlungen geführt haben, wie sie II 2ff. berichtet werden. Die Auffindung der verstümmelten Griechen in Persepolis (II 18) wird zum Teil mit denselben Worten von Diod. ΧΥΠ 69, 3 erzählt. III 5f. steht eine Unterredung Alexanders mit den Brah-manen, die mit den Oxydrakern zusammengeworfen sind; die hier mitgeteilten Fragen und Antworten begegnen auch in der sonstigen Überlieferung, z. B. Plut. Alex. 64. Epit. Mett. 79, und gehen im letzten Grunde auf Onesikritos’ Bericht über die Begegnung mit den Brahmanen zurück (weiter ausgestaltet ist diese Unterhaltung in dem von [1714] kynischer Weisheit triefenden Briefwechsel zwischen Alexander und Dindimus, eigentlich Dandamis - Kärst o. Bd. IV S. 2099 -, der in einer lateinischen Übersetzung vorliegt: ed. Kübler hinter lui. Valerius S. 169. Pf ister Kl. Texte 10. Mit dem Boman kreuzt sich diese Überlieferung erst in der Historia de preliis: Becker 1889, 23). - Auf Kandake sind vielleicht Züge von der indischen Königin Kleophis übertragen (Wilmanns Ztschr. f. dtsch. Alt XLV 242). Oft rind Andeutungen der historischen Überlieferung weiter ausgesponnen; so wird der von Curt. VII 8, 13 ausgesprochene Gedanke: si humanum genus omne superaveris, cum silvis et nivibus et fiuminibus ferisque bestiis geeturus es bellum im zweiten Teile des Romans ausgeführt. Der Autor hat also mindestens einen Alexanderhistoriker benutzt, und wir rind auch in der Lage, vielleicht die Hauptquelle anzugeben. Die Metzer Epitome rerum gestarum Alexandri (ed. O. Wagner Jahrb. f. Philol. Suppl. XXVI 93) enthält heute zwei durch eine Lücke getrennte Stücke, deren erstes vom Tode des Besaos bis zur Ankunft in Patala berichtet, während das zweite Alexanders Ende nebst dem Brief an die Rhodier und dem Testament enthftlt. Während jenes nur gelegentliche Berührungen mit dem Roman zeigt, deckt rieh dieses meist wörtlich mit ihm. Eine Entlehnung muß stattgefunden haben; man kann nur zweifeln, auf welche Seite sie liegt. Ausfeld 199 behauptet, auf Seiten der Epitome (für die man natürlich das griechische Original einsetzen muß). Nun ist es von vornherein unwahrscheinlich, daß der Verfasser einer auch nur halbwegs ernsthaften Geschichtserzählung aus einem so albernen und minderwertigen Buche wie dem Roman geschöpft habe (und nach Ausfeld hätte er nur den von ihm herausgeschälten alten Kern benutzt, s. u. S. 1717), und einzelne Beobachtungen bestätigen das. Der Ver-40 fasser des Romans hat den Brief an die Rhodier und das Testament mit einer bei ihm nicht befremdlichen Nachlässigkeit zusammengeworfen, wobei der Schluß des Testamentes verloren ging, und läßt beides vor dem sterbenden Alexander verlesen (was schon Valerius als unpassend empfand und abänderte), während die Epitome die Verlesung passender nach des Königs Tode geschehen läßt und mit dem Testament schließt. Die Einverleibung einer fremden Erzählung, die achtbare 50 Autoren sonst ängstlich vermieden, hat bei diesem Kompilator nichts Auffallendes; ebenso ist er mit dem Briefe an Aristoteles verfahren und hat hier ähnliche Verwirrung gestiftet (s. u.). Wer hinter der Epitome steht, ob überhaupt ein bekannter Name, können wir nicht sagen; ein schwacher Hinweis findet sich 112, 16 (vor Aufzählung der zu Alexanders Vergiftung Verschworenen): iam non alienum videtur qui fuerint demonstrare, quorum Onesicritus fugiens simultatem mentionem focere 60 noluit. Doch hat Ps.-K. dieses Zitat weggelassen, und der Schluß, daß Onerikritos seine ,Stelle¹ gewesen sei, ist unberechtigt; auf seine Nennung im byzantinischen Gedicht v, 29 (τοντώ* φασιν ol παλαιοὶ σοφοὶ τῶν ἌΙγυπτΙων - εἰς ἐστιν Ὀνησίκριτος Ἄσσυρως ἐκείνος ὁ πάντα συγγραγάμενος κατὰ λεπτὸν τὰ τούτου - πατέρα τὰν Νεκτεναβω τὸν δυστυχὴ κατέχειν) möchte ich trotz Reit zen -stein Poimandres 309 nichts geben. - Daß [1715] Ps.-K. aus diesem Autor auch im ersten Teil, der in der Metzer Hs. nicht erhalten ist, manches entnommen hat, versteht sich von selbst, und vielleicht lieferte er ihm den eigentlichen Faden der Erzählung. Dafür würde auch die lagidenfreundliche Bestimmung des angeblichen Testamentes sprechen, das aus der Vorlage der Metzer Epitome zu Ps.-K. gelangt ist: hier bestimmt der König dem Ptolemaios die Hand seiner Schwester Kleopatra (G. Bauer Die Heidelberger Epitome, Leipzig 1914, 85. 23). Eine schwache Spur führt auf Timagenes (Za eher 71); leider fehlt bei dem Abenteuer, wo Timagenes den Ptolemaios sich besonders hervortun ließ (FHG III 221. Karst Phil. NF. X 627), in Epit, Mett, dessen Name; es steht nur tum tribus da (in der Interpolation in A des Ps.-K. sind Peukestes und Ptolemaios genannt, S, 99 Müll.). Zu dem Alexandriner Timagenes paßt die Rolle, die seine Vaterstadt bei Ps.-K. spielt (u. S. 1718). Leider ist es nicht sicher (was man meist annimmt), daß Liv. IX 18, 6 gegen Timagenes polemisiert; er wendet sich dort gegen die Behauptung, die Römer hätten Alexander nicht stand* halten können (vgl. Ps.-K. I 29), und braucht den Satz: odrersus quem Äthenis, in eiviiaie fr acta Macedonum armis, cernente tum maxime prope fumantes Thebarum ruinas, eontionari libéré attsi sunt homines, id qitod ex manumentis oralionum patet (II 2–5). Dann wäre es Timagenes, der die Auslassung der Namen durch Onesikritos (o. S. 1714) getadelt hatte. Aber selbst im besten Falle läge er bei Ps.-K. in starker Verdünnung vor.

Ein ähnliches Verfahren hat er im dritten Buche mindestens noch einmal eingeschlagen (III 17). Hier war ihm das, was die schon reichlich phantasierenden Historiker über Indien berichteten. noch nicht phantastisch genug und er legte hier einen als selbständige Schrift umlaufenden Brief in sehr ungeschickter Weise ein (Ausfeld 27). Wir kennen diesen Brief an Aristoteles über die Wunder Indiens durch zwei voneinander unabhängige lateinische Übersetzungen; die ältere und ausführlichere, die schon im 5./6. Jhdt. vor-handen war, haben zuletzt Kübler hinter lui. Valerius 190 und Hilkà Breslau 1909 herausgegeben, die kürzere, nur im Bamberg. ΠΙΕ 14 erhaltene Kübler Roman. Forsch. VI 203 und Pfister Kleinere Texte zum Alexanderroman (Heidelberg 1910) 21. Diesem Briefe, der zum Teil den Bericht Nearcha phantastisch ausgestaltet, dankte das Mittelalter seine Kenntnis der indischen Wunderwelt: hier ist die Rede von den furchtbaren Giftschlangen und Skorpionen, vom Odontotyrannos, den sprechenden Bäumen, die dem König sein nahes Ende weissagen, und den entsetzlichen Gewittern und Schneestünnen Indiens. Ps.-K. hat ihn stark gekürzt, an den Tatsachen aber kaum etwas geändert; vgl. Heini*. Becker Zur Alexandersage, Königsberg 1894, 22. Diesen Brief hat er in roher. Weise mit einem anderen an Aristoteles verschmolzen, in dem von den Abenteuern in Prasiake (Palibothra?) und dem Seeungeheuer, das die Ausdehnung einer Insel hatte, erzählt wird; was er diesem Briefe entnahm, hat er an den Anfang gestellt, so daß III 17 aus zwei Teilen besteht (zuerst erkannt von Rohde Gr. Roman 187). Auf diesen ersten Brief bezieht sich in der selbständigen Epistula ad Aristotelem [1716] S. 191, 25 prioribus litieris signiftcaveram tibi de solis hmaeque eclipsi (wovon auch im ersten Teile von III 17 die Rede ist). Daraus ergibt sich, daß auch jener erste Brief einst ein Sonderdasein führte. Die Textverderbnis am Anfänge hat Ps.-K. vielleicht schon übernommen und erst lui. Valeriu» versucht, Sinn in die Stelle zu bringen.

Auch die Kandakeepisode besitzt eine innere Selbständigkeit; Ausfeld 187 scheidet sie aus unzureichenden Gründen als spätere Zutat aus. Eher könnte Wilmanns' Ansicht das Richtige treffen (Ztschr. f. dtsch. Alt. XLV 238), der sie für eine ursprünglich selbständig umlaufende Novelle hält; aber seine zur Stütze dieser Hypothese vorgebrachte Behauptung, die byzantinischen Chronisten hätten die Novelle und nicht Ps.-K. benutzt, läßt sich kaum halten.

Ähnlich könnte es mit dem Briefe an Olympias liegen, der vor der Erzählung von des Königs Ende eingeschoben ist (III 27f.). Hier wird zunächst von dem Marsche zu den Säulen des Herakles und den Amazonen (im Widerspruch zu K. 25f.) berichtet; dann von Zügen, die Ps.-K. durch die Angaben: Rotes Meer, Atlasfluß, Tanais zu lokalisieren sucht und die im Besuche der auf einer Insel liegenden Sonnenstadt gipfeln; endlich von den Wundern in der Königsburg des Kyros, deren Kostbarkeiten mit der Gewissenhaftigkeit eines Schloßkastellans aufgezählt werden. Auch hier liegen viele Berührungen mit der sonstigen Überlieferung z. B. über die indischen Feldzüge, vor; daß Alexander einen Zug zu den Säulen des Herakles plante, erzählt Curt. X 1, 17, von libyschen Akephalen und Kynokephalen - die des Ps.-K. wohnen am Atlasfluß - Herod. IV 191. Daß Ps.-K. auch hier verschiedene Stücke gewaltsam zusammenschweißte, ist klar (Ausfeld 195), fraglich aber, ob sie ihm bereits in Briefform vorlagen. In der ziemlich reichlichen Überlieferung 40 über seinen Briefwechsel mit Olympias, die auch gefälschte Stücke kennt (Zumetikos De Ale-xandri Olympiadisque epistularum fontibus, Berlin 1894), findet sich von diesem Briefe keine Spur.

Daneben ist nun gelegentlich anderes benutzt. Eine weitere Quelle bestand vielleicht in Briefsammlungen (Ausfeld 231. 247). Namentlich die kürzeren Briefe sind freilich freie Erfindung des Autors, der sich auf diese läppischen Machwerke gewiß nicht wenig zugute tat (Pridik De 50 Al. M, epistularum commercio, .Dorpat 1893, 113. 159); einige aber (z. B. die an Dareios) enthalten Anklänge an die wirklichen oder überlieferten Briefe, Diese fanden sich zum Teil bei den Historikern, und es ist niéht unwichtig, daß auch die MetzerEpitome gefälschte Briefe mitteilt (Pridik 102). Dasselbe gilt von den Reden; z. B. finden sich Wendungen aus der an die meuternden Soldaten gehaltenen (III 1) bei Curtius wieder (Ausfeld 173). Er hat dafür allerlei gangbare Apophthc-60 gmen benutzt, so I 37 (schwache Hunde bellen am lautesten) = Curt. VII 4, 13. II 1 E. (siegt mit den Waffen oder stellt eueh gut mit den Siegern) = Plut. Phok. 21, 1 (Pridik 23. 49), II 2 E (Vergleich der Redner mit Schäferhunden, die die Herde vor dem Wolfe retten) = Plut. Demosth. 23, 4; s. auch I 2 E. 30. Bei der Tötung des Nektanebos (I 14) wird das bekannte Wort von dem in die Grube fallenden Astronomen gebraucht, [1717] das auf Thales und Antisthenes bezogen wurde (Plat Theait 174a. Diog. Laert. I 34, VI 27. Enn. Sc. 242. Aesop. fab. 72). Vgl. auch Sternbach Wien. Stud. XVI 8. Deutlich ist eine Vorliebe für gelehrte Listen, womöglich solche mit exotischen Namen: vgl. die Völkerliste I 2 (mit den Alanen: ähnlich Hist. aug. Aurel. 33, 4.41, 10), die der Erzieher I 13, für die das vierte Buch von Favorinos’ ποικίλη Ἰστορία als Quelle genannt wird - das einzige Quellenzitat -, I 31 die Auf- 1 Zahlung der großen Städte, III 35 das Verzeichnis der von Alexander gerundeten Städte (abgesehen von der oben erwähnten Liste der Verschworenen). Das I 46 eingelegte Gedicht enthält eine Aufzählung der thebanischen Sagen (die sieben Tore und die sieben Führer nach Eur. Phoin. 1104): Ps.-K. wird das alles in einer Quelle zusammen gefunden haben, vielleicht bei einem Historiker (vgl. Iustin. XI 4), Kuhlmann De Ps.-Call. carminibus, Münster 1912, 26. Motive aus Herodot, die zum 5 Teil auf direkter Erinnerung beruhen mögen, finden sich I 23. II 18. III 18. 19. 28; aus ihm kennt er auch wohl den Namen Kandaules, den er dem Sohne der Kandake beilegt.

5. Die Art der Entstehung

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Rohde Gr. Roman 184 hatte treffend beobachtet, daß die von des Königs Erlebnissen erzählenden und als Ersatz für eigentliche Erzählung dienenden Briefe eine gewisse Selbständigkeit besitzen, die sich namentlich in den Widersprüchen zur Erzählung; des Ps.-K. zeigt. Er schloß daraus, daß es Darstellungen der Sage gegeben habe, die alle hauptsächlichsten Abenteuer in Briefform vortrugen. Dem widersprach Ausfeld und suchte eben diese Briefe als spätere Zusätze zu erweisen (zuerst in: Zur Kritik des griech. Alexanderromans, Bruchsal 1894). Er entwickelte die Hypothese, daß dem Roman nicht bloß Sagen und Überlieferungen der Diadochenzeit zugrunde lägen, sondern ein in ptole-mäischer Zeit entstandener, sogar an der Sprache -noch kenntlicher Kem, den man aus den späteren Zusätzen und Interpolationen herausschälen könne. Diese Ansicht glaube ich durch meine gesamte Darlegung widerlegt zu haben, füge aber noch folgendes hinzu. Auch der ptolemäische Kern Ausfeld s bleibt ein unsäglich törichtes Machwerk; wer Nektanebos in Makedonien die Rolle eines Mathematicus spielen, Philipp mit dem Wahrsager Antiphon verkehren, den Bukephalos Menschen fressen, in Akarnanien, Boiotien und Korinth Könige regieren und die Stadt Mothone sich gegen Philipp empören läßt - um nur eipige Beispiele aus dem Anfang zu bringen -, dem muß man auch die Ungeheuerlichkeiten zutrauen, die Ausfeld späteren Interpolatoren und Bearbeitern in die Schuhe schieben will. In der Zeit des fünften Ptolemäers, in die Ausfeld 238 auf Grund schwacher Spuren den Urroman setzen will, wäre auch dieser eia völliges Unding: um 300 n. Chr. ist das Ganze verständlich und ein willkommenes Zeugnis für den Niedergang der Bildung in den mittleren Schichten, der bald auch in die höheren übergreifen sollte. Die Unfähigkeit, aus disparaten Elementen ein harmonisches Ganze herzustellen, hat ihresgleichen selbst bei einem Großen wie Vergil, um von vielen Kleinen nicht zu reden; man darf auch hier nicht vergessen, daß das Publikum im allgemeinen und vollends das Publikum, [1718] mit dem Ps.-K. rechnete, ein solches Werk nicht mit der peinlichen Aufmerksamkeit eines Historikers oder Philologen las, sondern ψυχαγωγίας Ζνεχά, und die fand es bei Ps.-K. Die Berührungen mit dem Roman, aus denen Ausfeld 241 auf eine Bekanntschaft des Memnon von Herakleia und des Tertullian mit Ps.-K. schließt, lassen sich unschwer anders erklären, und daß Arrian gegen ihn polemisiere, ist vollends unglaublich. Aber ich Okann auch einen exakten Beweis beibringen, den Ausfeld 240 nicht hat entkräften können. Er liegt in den Choliamben, die J 42. 46. II 20 eingelegt sind und die allo dieselbe Mache verraten. Wenn man auch I 42. 46 für interpoliert erklärt (was sich, wie solche Annahmen immer, nicht mathematisch widerlegen läßt), so kann man bei II 20 nicht dasselbe tun; also rühren alle diese Verse vom Autor her. Sie passen nun trefflich zu söiner ganzen Art; bei einer leidlichen Kenntnis der 10 metrischen Gesetze läßt er Freiheiten, wie die Auflösung langer Silben, in größerem Umfange zu als die übrigen Choliambendiehter und mischt in völlig barbarischer Weise Trimeter ein, zum Teil weil er sich über die Quantität der Dichrona nicht immer klar ist (Kuhlmann 16). Wer will, mag das emendieren (Sitzler Woch. klass. Phil. 1916, 365), möge aber bedenken, daß uns die inschriftlichen Gedichte jener Zeit, deren Urheber teilweise aus denselben Schichten stammen wie Ps.-K., ganz ähnliche Erscheinungen aufweisen. Dazu kommt die Beobachtung von Crusius (Leipz. Stud. II 244), daß Ps.-K. ähnlich wie Babrios die vorletzte Silbe des Verses zu betonen liebt; Babrios gehört ins 2. Jhdt. n. Chr. (Crusius o. Bd. II S. 2658 und Oxyrh. Pap. X 133). - Vgl. auch Kampers Alexander d. Gr. und die Idee des Weltimperiums, Freiburg 1901, 184.

6. Ort und Zeit der Entstehung

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Soweit man bei einem solchen Machwerk von Tendenz reden kann, liegt eine ägyptische vor: der Eroberer Ägyptens war kein Fremdling, sondern ein Sproß des ägyptischen Herrscherhauses oder gar des Gottes Ammon (o. S. 1709). Das Interesse für ägyptische Dinge und die Bekanntschaft mit ägyptischen Verhältnissen treten oft hervor, und es ist nicht unmöglich, daß manches davon auf Timagenes zurückgeht (o. S. 1715); hier sei nur einiges herausgegriffen (Ausfeld 227. 234. 251). Die Krönung im Ptahtempel zu Memphis weist auf den seit Ptolemaios V. üblichen Brauch (I 34, vgl. Droysen Hellenismus I 306). Ptolemaios Soter wird auffällig hervorgehoben; er ist ein Jugendgespiele des Königs (I 17) und der erste nach Alexander (III 19). Die Schilderung der Gründung von Alexandria (I 31–33) nimmt einen auffallend breiten Raum ein und zeugt von genauer Ortskenntnis, ein Eindruck, den schon Lumbroso gewann (L'Egitto* 157) und der durch die neueren Ausgrabungen nur bestätigt worden ist (Aus-60feld Rh. Mus. LV 348). So kennt er die Bezeichnung ἀρόμοζ τοῦ μεγάλου θεου Σαράηιδος (Wachsmuth o. Bd. V S. 1716) und das Fest der Zugtiere am 25. Tybi und weiß über die Kanalisierung gut Bescheid, hat freilich auch hier Torheiten begangen, wegen deren Ausfeld diesen Abschnitt ausscheidet (1). Vor allem beweist der Hymnos auf Ägypten, den Demades in der athenischen-Volksversammlung anstimmt (II 4): danach [1719] beruht Alexanders ganze Herrschaft auf dem Besitz Ägyptens, das hier als die Kornkammer des römischen Reiches gedacht ist. In dem für Persien erlassenen Edikt (II 21) weiden Wettspiele eingesetzt, die an des Königs Geburtstag zu feiern sind; die Aufsicht darüber sollen die alexandrinischen Gauvorsteher und der Priester des Alexandertempels haben (Ausfeld 78). In das Gefüge des Aristotelesbriefes (III 17) ist von Ps.-K. ein Zusatz über eine von Sesonchosis errichtete 1 Säule eingesehoben, der ans Herod. II 102 stammen mag. III 24 weissagt Sesonchosis dem König ewigen Ruhm, weil er Alexandria gegründet habe (und diese Erwartung knüpft sich von vornherein an die Gründung der Stadt: I 30. 33). Daß die ägyptischen Götter in Tempeln zu reisen pflegten, weiß Ps.-K. vielleicht aus Herod. II 63. Die Bäume im Sonnengarten III 17 p. 123 a werden mit der ägyptischen μνροβάλανος verglichen. Endlich sind in das Testament Bestimmungen über den alexandrinischen Alexanderpriester aufgenommen, die im Original fehlen und die Mommsen R. G. V 568 für durchaus glaubwürdig erklärt hat. Das ägyptische Datum von Alexanders Todestag (4. Pharmuthi) ist nur hier (III 35) überliefert; hier und sonst gelegentlich enthält der Roman Tatsachen, die unsere übrige Überlieferung ergänzen. Die Nachricht von der ersten Beisetzung in Memphis (I 84) hat sich neuerdings bestätigt (Jacoby Rh. Mus. LVIII 461). Als Alexandriner verrät sich Ps.-K. I 31: παραγίνεται ἐπὶ τούτον τὸν ἐδάφους (Alexandria); das ist schriftstellerisch eine Entgleisung: denn daß Alexandria im Titel irgendwie genannt gewesen sei, kann ich Ausfeld nicht zugeben. Die im ersten Teile hervortretende Kenntnis des Zauberwesens und der Astrologie paßt gut zur Entstehung im Lande der Zauberpapyri (vgl. Budge The History of Alex. XL).

Daß der Verfasser sich trotz seiner griechischen Bildung als Ägypter fühlt, ist nicht ohne Inter- 41 esse. Daß er freilich deshalb Alexander als Eroberer des Orients hinstelle, ist unrichtig und wäre es auch für den, der mit Rohde und Ausfeld den ganzen Abschnitt über die Unterwerfung Griechenlands (I 42–11 7) als späteren Zusatz ausseheidet. Denn immer und mit Recht haben des Königs Taten im Osten und seine Züge bis an die Grenzen der Erde alle seine übrigen Handlungen in den Schatten gestellt; sie boten auch am meisten Gelegenheit zu Fabeleien, ohne die ein Autor wie Ps.-K. seine Leser nicht genügend fesseln zu können glaubte.

Für die Zeitbestimmung ist ein Terminus ante quem durch Iul. Valerius bzw. das ihn benutzende Itinerarium Alexandri gegeben, das um J. 340 abgefaßt ist (Kubitschek o. Bd. IX S. 2364). Man kommt so für Ps.-K. auf J. 300 als auf einen wahrscheinlichen Terminus ante quem, und zum 3. Jhdt. n. Chr. paßt die Sprache und die Metrik der eingelegten Verse. Nicht ungern wird man θθ den Roman an die lateinischen Kaiserbiographien heranrücken, mit denen er manche Ähnlichkeit aufweist (Diehl o. Bd. VIII S. 2051). Mit Redit hat man an die Alexandersehwärmerei der damaligen Kaiser erinnert, Rohde 185 an die des Caracalla und Alexander Severus; er weist auch auf das hin, was Hist. aug. trig. tyr. 14, 4 von den Macriani erzählt: Alexandrum Magnum Macedonem [1720] viri in anulis et argenta, mutiere» et ta reticulis et dextrocheriis et in anuKe et in omni ornamentorum genere exculptum semper habuerunt usw. Wenn der Usurpator lotapianus Alexandri tumens stirpe heißt (Aurel. Vict. Caes. 29, 2), so ist damit gewiß Alexander d. Gr. gemeint (anders Stein o. Bd. IX S. 2004). Kampers 40. - Ich stelle noch einige Einzelheiten zusammen, die teils auf die Kaiserzeit, teils genauer auf deren spätere Jahrhunderte weisen. I 1 werden die ceà angerufen (vgl. III 24 E. Rh. Mus. LXXI 317)» I 2 die exploratores genannt, die erst seit der Kaiserzeit eine besondere Truppe bildeten (Fiebiger o. Bd. IV S. 1691), und bisweilen ist nach μθιά gerechnet. 1 11 liest Philipp φιλόψογα βιβλία, 18 Alex, εἰς τὰ μαδήματα παιδεύεται und ist in dem Briefwechsel e. 16 auf der Universität studierend gedacht. I 31 wird Heron der Libyer als bei dei Erbauung von Alexandria tätig genannt, womit 0 gewiß der berühmte Mechaniker gemeint ist, der manche ins 2. oder 3. Jhdt. n. Chr. setzen (Tittel o. Bd. VIII S. 997). I 33 E. erscheint Sarapis als Allgott* I 45 kann der Autor Ἠρακλῆς und Ἠράκλεις nicht auseinander hüten (so und nicht durch Textänderung ist die Stelle zu erklären). Auch die im vorigen Abschnitt angestellten Erwägungen fallen in diesem Sinne ins Gewicht, ferner die Neigung zu Zeremoniell und Curialien. Christliche Spuren glaubt Ausfeld 155 II 7 zu finden (er) weist das Kapitel einem Interpolator zu); hier heißt es in A: ἔστ« γὰρ σοὶ θυὴ Περσῶν καὶ Πάρκων καὶ Ἐλυμαίων (Ἔλαμυτθν Β) καὶ Βαβυλωνίων καὶ τθν κατὰ τὴν Μεσοποταμίαν. Ausfeld nimmt die schlecht bezeugte La. Βλαμιτθν auf und vergleicht Acta Ap. II 9 Παρίσι καὶ Μήδοι καὶ Ἐλαμεῖται καὶ οἱ κατοικονντες τὴν Μεσοποταμίαν (woran B gedacht hat). Das ist nicht schlagend und in keinem Falle von Belang, da der Roman durchaus heidnischen Charakter trägt. Dem) widerspricht nicht die häufige Erwähnung der ἄνω πρόνοια (z. B. I 38. II 7. III 6. 25), die oft, aber natürlich nicht konsequent, als treibende Kraft eingeführt wird, entsprechend der vom Neuplatonismus leicht gekräuselten Philistermoral der späteren Kaiserzeit.

7. Textgeschichte

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Bei der geringen Ehrfurcht, die man nicht ohne Grund dem Wortlaut des Romans entgegenbrachte, ist der Text vielen Wandlungen ausgesetzt gewesen. Diese । lassen sich im einzelnen nicht immer feststellen, da uns der griechische Urtext nicht vorliegt und sich auch nicht sicher rekonstruieren läßt (o. 8.1707), aber im großen können wir die Entwicklung überschauen. Hier können nur die griechischen TextqueUen besprochen werden.

Daß der Schreiber von A stark gekürzt hat, ist schon erwähnt; häufig hat er nur einen unverständlichen Cento abgeschrieben, dessen Bedeutung man erst durch Vergleichung der alten Übersetzungen ermitteln kann. Viele Änderungen wird er aber schon in der Ur-Hs. vorgefunden haben (so fehlen I 42 die Hinkiamben, die nur lui. Val. hat, die aber jedenfalls dem Original zuzuschreiben sind). Die wichtigste ist der Einschub der Schrift des Palladios (s. 4), in Camerarius’ Ausgabe tat στολὴ περὶ τῶν τῆς Ἰνδίας ἨΜάν καὶ τθν Βραχμάτων betitelt czIII 7–16 (die zweite Hälfte, die vielleicht nichts mehr mit Palladios zu tun [1721] hat, auch in C); der Einschub ist nicht vermittelt und der Text des PaMoe unverändert übernommen. Da in ihm (III 10) der Odontotyrannos bereits beschrieben war, so hat A in dem Briefe an Aristoteles (III 17) den auf dieses Tier bezüglichen Abschnitt gestrichen; Hnr. Becker Die Brahmanen in der Alexandereage, Königsb. 1889, 8. - III 4 findet sich in A eine historische Interpolation, die die Einnahme der Feste Aome und der (mit Namen nicht genannten) Mallerstadt betrifft, der Zusatz eines Lesers, der die Erwähnung dieser Ereignisse bei Ps.-K. vermißte (vgl. Epit. Mett. 103, 31. 108, 18 Wagn. und die Interpolation in Cod. P des lui. Val. 123, 15. Zacher 72; s. o. S. 1715). Ein kürzerer Zusatz aus historischer Quelle findet sich III 1 E. - Ferner fehlt in A der Anfang von III 27 mit dem Zuge zum Hypanis und dem huldigenden Briefe des Aristoteles.

Stärkere Veränderungen hat B' vorgenommen. Hier findet sich vor allem der lange Brief an Olympias und Aristoteles II 23–44 (wovon B aber nur 23. 32. 33. 36–40 hat; diese Kap. auch bei Arm., der sie aus einer Hs. von B' aufgenommen hat: der Rest ist ein Zusatz von C); abgedruckt ist er bei Berger de Xivrey Traditions tératologiques (Paris 1836) 350. Er ist, abgesehen von der kurzen Einleitung über Dareios’ Niederlage und Ende ganz paradoxogaphischen Inhaltes: Riesen, dreiäugige Hunde, secnsäugige Wildesel, Krebse von der Größe eines Schiffes und zehntägige Finsternis begegnen uns hier, namentlich aber wird Alexanders Zug ins Land der Seligen erzählt, wo zwei Vögel mit menschlichen Gesichtern ihm Weisungen geben. Dieser Hauptteil steht in naher Beziehung zu dem selbständigen Briefe an Aristoteles, mit dessen Inhalt er sich zum großen Teile deckt (s. d. Nachweisungen von Pfister Kl. Texte 38). Über altorientalische Mythen, die hier in späten Reflexen begegnen, s. z. B. Meissner Alexander und Gilgamos, Leipzig 1894. Kroll bei Ausfeld 171. Über den Stil Norden Agnostos Theos 324. Daß die im Orient zu so größter Berühmtheit gelangte Episode vom Lebensquell und dem Koch Andreas in Arm. fehlt und der ursprünglichen Fassung dieses Briefes wohl überhaupt abzusprechen ist, sei wegen der von J. Friedländer Die Chadhir-legende und der Alexanderroman (Leipzig 1913) daran geknüpften Folgerungen ausdrücklich bemerkt; vgl. Pfister Berl, philol. Wochenschr. 1913, 912. Hilka DLZ 1916, 624. Der Zug ins Land der Seligen (II 39) kann ursprünglich griechisch und die Gleichsetzung mit dem Paradiese sekundär sein (Friedländer 39 u. ö.). - Eine einschneidende Änderung hat B' an der Erzählung der Ereignisse nach Alexanders Thronbesteigung vorgenommen (I 26–28); hier wird das Auftreten des Antipatros (Willrich Herm. XXXIV 180), die Unterwerfung der illyrÎBch-thrakischen Stä die Zerstörung lliebens, die Rüstungen zum Perserkrieg (50 000 Talente Gddl) und der Krieg selbst bis zur Ankunft in Pamphylien in leidlich engem Anschluß an die historische Überlieferung erzählt (vgl. bes. Diod. XVII 45. und zu 28 E. - Sendung von Beutestücken nach Hellas und an Olympias - den von Reinach Amyntianos genannten Historiker Rev. Étud. gr. V 306. Das Gerücht von [1722] Alexanders Tode auch Arrian. I 7, 2; bei Ps.-K. führt Demosthenes sogar einen Verwundeten vor, der die Leiche gesehen zu haben behauptet). Dafür ist I 45Π 6 (der Bericht über die. Unterwerfung Griechenlands) .weggelassen. Der Versuch, die Darstellung mit dem historischen Hergänge in Einklang zu bringen, ist durchsichtig, aber er war noch nicht radikal genug, und die Fahrt von Pamphylien nach Italien und von dort nach Afrika 10 ist stehen geblieben. Von dem Brief an Aristoteles ist die' erste Hälfte weggelassen, die zweite in Erzählung aufgelöst. III 28 ist der Besuch im Heiligtum von Nyea und die Schilderung der dortigen Kostbarkeiten eingeschoben; davon wußte auch die sonstige Überlieferung (z. B. Iustin. XII 7), und die Orientalen haben diese Episode sehr ausgestaltet (Friedländer 128. Pfister Berl. Wochenschr. 1913, 919. Zacher 169). - III 29 ist ein auch in der syrischen Übersetzung 20 vorhandener Zusatz, in dem die Einschließung der unreinen Völker, darunter Gog und Magog (s. Krause Henn, XXV 62), durch ein ehernes Tor berichtet wird. Diese jüdisch beeinflußte, weitverbreitete Legende scheint seit dem 5. Jhdt. nachweisbar (Nöldeke 29. Sackur Sibyllinische Texte und Forschungen, Halle 1898, 38, Kampers 74 u. ö.), beruht aber auf älterer Sage. Von den portae Caueasiae magno errore muliis Caspiae dictae, Ingens naturae opug moidibus interruptis repente, ubi fores additae ferrafis trabibus berichtet Plin. n. h. VI 30, und daß Alexander das eiserne Tor vorgelegt habe, Joseph. bell. Iud. VII 7, 4 (245). - Das ägyptische Lokalkolorit ist fast ganz abgestreift, die Schilderungen der magischen und astrologischen Handlungen im ersten Buche arg zusammengestrichen, die ägyptischen Datierungen I 32. III 35 in römische umgesetzt. Andere Änderungen (die man, soweit sieden historischen Inhalt betreffen, am besten bei Zacher übersieht) sind zahlreich, und besondere der Wortlaut ist stark geändert; auch da, wo er ungefähr mit A' tibereinstimmt, ist selten ein ganzer Satz unverändert geblieben. - Im ganzen stellt B' einen Versuch dar, den lokalen und tendenziösen Charakter des Romans zu beseitigen; er könnte frühestens im 4. Jhdt. etwa in Byzanz unternommen sein. Auf die orientalische Überlieferung hat er kaum Einfluß gewonnen, in Byzanz aber sind zahlreiche im Wortlaut nicht 50 getreue Abschriften gemacht worden.

Die Fassung C' ist in griechischer Sprache fast nur durch die Hs. C vertreten, die aus dem J. 1567 stammt und deren griechischer Wortlaut, falls keine Gegenbeweise vorliegen, nicht ohne weiteres über diese Zeit hinaufdatiert werden darf: das wird oft außer acht gelassen. Sie ist aus B' abgeleitet, bietet aber eine große Anzahl von Erweiterungen, die bisweilen in byzantinische Trimeter übergehen, so I 23 einen Zug gegen die Skythen, 24 eine andere Erzählung von Philipps Tode, dessen Mörder Μνάξαρχος d καὶ Παυσανίας heißt, 26. 27 sein mutiges Auftreten gegen Dareios’ Gesandte und einen Zug gegen Thessalonike, an den sich die Beruhigung Griechenlands (hier die Begegnung mit Diogenes) und des Westens anschließt, Erhebliche Erweiterungen hat die Kandakeepisode erfahren (III 20f.). Von der sonst nur in A eingeschobenen Schrift des Palladios ist [1723] der zweite Teil (III 12–16) aufgenommen, die Einschließung der unreinen Völker wird zweimal erzählt (III 26 und 29), der Tod des Königs durch Rührszenen und Verse ausgestaltet. Aber die wichtigsten Zusätze finden sich im zweiten Buche Kap. 23–44, wo der Brief an Olympias fast ganz in Erzählung umgesetzt ist; der König gelangt hier zu den Juden, deren alleinigen Gott er anerkennt, und nach Ägypten, wo Nektanebos’ Statue ihn als dessen Sohn begrüßt; nach Unterwerfung der be-10 wohnten Erde zieht er in die unbewohnte, überschreitet eine Sandwüste und einen Sandfluß und gelangt zur Säule des Sesonchosis. Unter den weiteren Zusätzen des Olympiasbriefes ist die Geschichte von der Lebensquelle jand dem Koch Andreas (Analyse des Ganzen bei Friedländer 4), die Fahrt in die Meerestiefe und die Luftregionen besonders bemerkenswert. Hier sind orientalische Elemente eingedrungen,' die man trotz gewisser Ähnlichkeiten mit griechischen Sagen als 20 solche anerkennen muß. Von dem Besuch in Jerusalem berichtete schon Josephus ant. XI 8, ( 5 (Kampers 51), und hier liegt jüdischer Einfluß vor, mit dessen Annahme man im übrigen vorsichtig sein muß (Nöldeke 25. Meissner 8); die Lebensquelle hat man aus Babylon und Persien herleiten wollen (Kampers 87. Friedländer passim). Man darf aber nicht vergessen, daß das bloße Erscheinen eines Motivs in C zunächst nur für die Zeit dieser Hs. beweist und daß eine Rekonstruktion der Version C' mit Hilfe der übrigen Textesquellen nötig ist, wie sie für A' Ausfeld geliefert hat. So ist wichtig, daß die Himmel-und die Meerfahrt sich auch in L und bei Leo finden, letztere auch im byzantinischen Gedicht; vgl. u. S. 1724. - Eine Fortbildung von C' liegt in dem vulgärgriechischen Text einer Wiener Hs. vor (Kapp Progr. des Gymn. im IX. Bezirk, Wien 1872, 38), den Wesselofsky Sbornik der Petersb. Akad. XL (1886) vollständig veröffentlicht hat; ferner in einer arabischen Übersetzung, die Abu Suwaidät um J. 1670 gefertigt hat; hier sind z. B. die Skythen durch Alamanen ersetzt (N öldeke 54). Hierher gehören auch die slavischen Übersetzungen (u. S. 1724).

8. Nachleben

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(Für ein Motiv, aber auch über dieses hinaus bietet reichen Stoff Weinreich Der Trug des Nektanebos, Leipzig 1911). Der Einfluß des Romans auf die Weltliteratur war ungeheuer und findet nur an wenigen Werken 50 seinesgleichen. Um das zu verstehen, muß man bedenken, einen wie gewaltigen Eindruck die Gestalt des genialen Eroberers auf die Völker des Orients machen mußte, wie sich alte Vorstellungen vom Weltkaisertum an sie ansetzten. Eine zuverlässige historische Überlieferung über diese Dinge gab es bei den Orientalen nicht, und als man das Bedürfnis fühlte, ein zusammenhängendes Buch darüber zu lesen, war das verbreitetste griechische Buch der Roman, den man übertrug und zum 60 Teil entsprechend den eigenen Empfindungen umgestaltete, Auf einzelne Spuren der Benutzung kann hier nicht eingegangen werden; doch sei erwähnt, daß das etwa zwischen 450 und 600 entstandene Religionsgespräch am Hofe der Sassanl· den das I 11 mitgeteilte Orakel kennt (Bratke Texte und Unters. N. F. IV 3, 144), Wichtiger ist die begeisterte Aufnahme, die der Roman als [1724] Ganzes allenthalben fand. So entstand im 3. Jhdt. die armenische Übersetzung (o, S. 1708), etwas später die verlorene Pehlewiübersetzung; später begegnet bei persischen Dichtern wie Firdûsî (um 1000 n. Chr.) und Nizâmî (um J. 1200) eine ausführliche Geschichte des Königs, in der Alexander (Iskender) zum Sohne des Filiqus von einer Tochter des Perserkönigs Dârâb I. gemacht ist (Spiegel Die Alexandersage bei den Orientalen, Leipzig 1851). Auf ihr beruht, zum Teil auf dem Umwege über das Syrische, die Bekanntschaft der Araber mit Ps.-K. (Nöldeke 35); bei ihnen scheint Alexander unter dem Namen Dü'l-qarnein ,der Zweigehörnte‘ vorzukommen (Donath Die Alex.-Sage in Talmud und Midrasch, Rostock 1873, 18. Friedländer 61). Aus der persischen Übersetzung ist auch die syrische geflossen (o. S. 1708). The History of Al. the Great ed. Budge, Cambridge 1889; sie enthält am Schlüsse des Briefes an Aristoteles einen längeren Zusatz mit orientalischen Legenden, die den König z. B. nach China kommen lassen (Hnr. Becker Zur Alex.-Sage, Königsb. 1906, 9). Daneben gab es noch eine kürzere syrische Legende aus der Zeit um J. 514, die bereits Jakob von Sarug (f 521) in einer metrischen Homilie benutzt hat (Nῦldeke 27). Eine als Ganzes verlorene, bei Mubassir (um J. 1050) im Auszug vorliegende arabische Übersetzung ist die Quelle der äthiopischen (ed. Budge London 1896); diese hat aus Alexander einen christlichen König und Propheten gemacht, weniger durch Abänderung des übernommenen Textes als durch Zusätze zu ihm (Weymann Die äthiop. und arab. Übers, des Ps.-K., Berlin 1901). Eine reiche Überlieferung über Alexander findet sich auch im Talmud, vgl. außer Donath und Friedländer 42 Vogelstein Adnota-tïones ex litteris orientalibus petitae ad fabulas de Alex. Magno, Breslau 1865 und die Sammlung aller Stellen aus Talmud und Midrasch von Lévi Revue étud. juives VII 78. S. auch o. S. 1722 über Version C) Der hebräische Alexanderroman, der vielleicht zum Teil zur occidentalen Überlieferung gehört und von Leo abhängt, aber auch von v beeinflußt ist, ist herausgegeben von Gaster Journ. Asiatic Soc. 1897, 485 und Lévi Festschr. f. Steinschneider, Leipzig 1896. Von einer im 10. oder 11. Jhdt. gefertigten koptischen Übersetzung besitzen wir noch Fragmente (v. Lemm Der Alex.-Roman bei den Kopten, Petersburg 1903); sie ist teilweise ganz frei, z. B. gibt sie dem König drei Paladine bei, den Protophilosophos Menandros, Selpharios und Diatrophe, läßt ihn vom gedrosi-scben König ins Chaos geworfen und von Anti-lochos befreit werden (Pietschmann Festschr. f. Wilmanns 1903, 301). Die altslavische Übersetzung, nach Jagić Arch. slav. Phil. XVI 224 im 10. Jhdt. entstanden, hat I stria Moskau 1893 herausgegeben, die serbische Jagic Starine III 203 (Agram 1871) und Novakovic Belgrad 1878. Beide beruhen auf C', wie Wesselofsky a. O. nachwies (Referat von Jagić Arch. slav. Phil. X 235). Vgl. Murko Gesch. d. südslav. Literaturen, Leipzig 1908, 95. 182.

Daß der Okzident seine Kenntnisse über Alexander aus einem Machwerk wie dem Roman bezog, wird den nicht befremden, der bedenkt, daß das Mittelalter die Ilias latina, Dares und Dictys [1725] statt des Homer las. Entscheidend war, daß eine lateinische Übersetzung von Iul. Valerius vorlag; freilich hat sie direkt kaum gewirkt, sondern vermittels eines Auszuges, der vor dem 9, Jhdt. gemachten Epitöme (s. o. Bd. X S. 849); sie ist wohl nicht ohne einen vom Orient ausgehenden Einfluß zustande gekommen. Noch mehr aber hat die Übersetzung Leos gewirkt (o. S. 1708), und zwar meist nicht in der durch den Bambergensis vertretenen Urform, sondern in Weiterbildungen (auf jene geht Ekkehard von Aura Anfang 12. Jhdts. und der deutsche Roman des Münchners Joh. Hartlieb zurück: Pfister Leo 9. Mani-tins Lat, Lit, des MA. I 529). Zunächst ist im 11. Jhdt. der Text Leos aus allerlei lateinischen Autoren (Josephus, Orosius, Solinus usw.) und den kleinen Traktaten, wie sie im Bambergensis stehen (Commonitorium Palladii, Epi-stolae Alexandri et Dindimi, Epistola ad Ari-stotelem), erweitert worden (J¹), und diese (nach spateren Ausgaben so genannte) Historia de preliis hat weitere Interpolationen erfahren (J² und J⁸). über einen Codex Cavensis vgl. Stabile Riv. di fil. XLI 281. Pfister ebd. XLII 104. Vgl. auch Becker Der Brief über die Wunder Indiens in der Hist. de pr., Königsb. 1906. Diese drei Fortbildungen, deren Ausgabe von Hilka im Druck ist, sind der Ausgangspunkt der unendlich weit verzweigten mittelalterlichen prosaischen und poetischen Alexandergeschichten; manchmal hat eine Kreuzung mit lui. Valerius und auch mit Historikern (Curtius, Iustin) stattgefunden. Pfister Leo 14. 35, Münchner Mus. I 249. Hilka Roman. Forsch. XXIX 1; Mitt. Schles. Ges. f. Volksk. XIII 188. XVI 80. Wahrscheinlich ist die Historia de preliis das lateinische Alexanderbuch, das die Professoren der Grammatik an der Universität Toulouse im 13. Jhdt. erklärten. Für die Verbreitung in Westeuropa waren besonders die französischen Romane wichtig (Paul Meyer Alex, le Grand dans la litt, franç. du moyen-âge, Paris 1886): Alberich von Besançon (11. Jhdt.), an den der niederrheinische Pfaffe Lamprecht in seinem Alexanderlied anknüpft, und Lambert le Tort, aus dessen Gedicht die Bezeichnung ,Alexandriner⁴ für den Zwölfsilber stammt. Auch lateinische Dichtungen entstanden damals noch, so das in elegischen Distichen gehaltene Epos des Quilichinus von Spoleto (12. Jhdt. Pfister Münchn. Mus. I 285) und die Alexandreis des Gautier von Lille (um 1180). Vereinzelt muß man auch mit Einfluß der orientalischen Überlieferung rechnen, so in den spanischen vom Arabischen aus beeinflußten Texten. - Eine direkte Übersetzung Leos stellt auch der Einschub dar, den Joseph ben Gorion (Gorionides) Ende 10. Jhdt. seiner hebräisch geschriebenen jüdischen Geschichte einfügte (Zacher 132. Ausfeld 25). Anderseits wurde J² ins Arabische und aus diesem um J. 1200 von Jehuda ibn Tibbon ins Hebräische übertragen; die Fäden sind hier so verfitzt, daß die Feststellung der Quellenverhältnisse ein Studium für sich bildet, das für die Kenntnis des Ps.-K. nichts mehr ausgibt.

Literatur

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(Soweit nicht schon angegeben). Eine namentlich für die orientalischen Quellen wichtige Übersicht gibt Friedländer XVIII. Zum Text vgl. außer Niedenführ 4ff. Ausfeld [1726] Rh. Mus. LII 435. 557. Christensen ebd. LIV 135. Eine selbständige Behandlung der Probleme auch bei Kampers Studien u. Darst. I 2 (1901) 55–69 u. ö. W. Kroll Beil. zur Allg. Zeitung 1901 nr. 38. E. Schwartz Fünf Vorträge über den griech. Roman 79. 97. Literaturbericht von Münscher Jahresber. CLXX 214.