RE:Stephanos 13

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Griechischer Grammatiker
Band III A,2 (1929) S. 23992401
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13) Griechischer Grammatiker, uns nur als Erklärer der Grammatik des Dionysios Thrax (s. Cohn o. Bd. V S. 982ff.) bekannt. Von seinem Kommentar sind uns mehr oder minder umfangreiche Exzerpte in zahlreichen Hss. zerstreut erhalten. Sie stimmen zum Teil wörtlich mit Dionysiosscholien des Melampos-Diomedes, Heliodoros, Georgios und Porphyrios (nicht der berühmte Neuplatoniker) überein, doch bietet die Zuweisung der Bruchstücke an bestimmte Verfasser große Schwierigkeiten, um deren Lösung sich besonders Hoerschelmann und Hilgard verdient gemacht haben. Da wir für die ἀκμή dieser byzantinischen Magistelli keine sicheren Kriterien besitzen, so ist es oft nicht möglich, im einzelnen [2400] einwandfrei festzustellen, wer von diesen Epitomatoren einen unmittelbaren Vorgänger einfach abschrieb oder, ob nicht zuweilen der eine oder andere eine ältere Primärquelle für seine pädagogischen Zwecke ausbeutete. Vermutlich war diese der dem 6. Jhdt. angehörige, uns wohlbekannte Grammatiker und ὑπομνηματιστής des Dionysios, Georgios Choeroboskos (s. Cohn o. Bd. III S. 2363ff. G. Hoerschelmann 39–57. 69–76 und A. Hilgard Praef. der Ausgabe in Gramm. Graeci III p. X–XXII). Die zweite Möglichkeit dürfte namentlich da anzunehmen sein, wo trotz Abweichungen im Wortlaut der Inhalt im wesentlichen identisch ist. Eine darauf gerichtete Untersuchung wäre aber nur insofern von wissenschaftlichem Interesse, als sie uns in den Stand setzen könnte, jenes verlorene exegetische Archetypon in seinen Grundzügen, wenn nicht wiederherzustellen, so doch dessen Reichhaltigkeit und gelehrten Charakter zu erkennen. Eine etwas nähere Erörterung dieser Fragen muß jedoch schon deshalb dem Art. Scholien s. n. Dionysios Thrax (im Suppl.-Bd.) vorbehalten bleiben, weil S. nicht allein in Betracht kommt, wie denn eine erfolgversprechende Quellenuntersuchung dieser Art überhaupt nur auf Grund stilistischer Eigentümlichkeiten, wie sie Hoerschelmann (s. u.) zum Teil beobachtet hat, und vor allem einer erschöpfenden Scholienkonkordanz unternommen werden kann, die aber hier, wie auch bei anderen Scholiencorpora, noch gänzlich fehlt. So mag denn die tunlichst kurze Behandlung wenigstens einer, besonders lehrreichen Stelle beispielsweise hier folgen, zumal Hilgard deren Bedeutung durch eine unglückliche Athetese verdunkelt hat.

Zu den Worten des Dionysios (c. 2 p. 6, 16ff. Uhl.) ἵνα τὴν μὲν τραγῳδίαν ἡρωικῶς ἀνάγνωμεν, τὴν δὲ κωμῳδίαν βιωτικῶς erörtern die Scholiasten die Etymologie wie den Unterschied zwischen Tragödie und Komödie und knüpfen daran Bemerkungen über deren εὑρεταί. Für unseren Zweck genügt hier folgende Gegenüberstellung:

Melampos (p. 19 Hgd.) πρῶτος οὖν Σουσαρίων τις τῆς ἐμμέτρου κωμῳδίας ἀρχηγὸς ἐγένετο, οὗ τὰ μὲν δράματα λήθη κατέλαβε· δύο δὲ ἢ τρεῖς ἴαμβοι τοῦ πρώτου δράματος ἐπὶ μνήμῃ φέρονται· εἴσιν δὲ οὗτοι· ἀκούετε, λέως, Σουσαρίων λέγει τάδε usw.

(vgl. FCG p. 77 Kbl.) [1].

Heliodoros (p. 475) εὑρέθη ἡ μὲν τραγῳδία ὑπὸ Θέσπιδός τινος Ἀθηναίου, ἡ δὲ κωμῳδία ὑπὸ Ἐπιχάρμου ἐν Σικελίᾳ καὶ ὁ ἴαμβος ὑπὸ Σουσαρίωνος. Stephanos (p.306) τραγῳδία ἐστὶ βίων καὶ λόγων ἡρωϊκῶν καὶ παθῶν μίμησις ἔχουσα μυστήρια καὶ σεμνότητα πλοκήν τε τινὰ τῶν κατὰ μέρος, [ἄρξασθαι δὲ αὐτῆς Ἀριστοτέλης Σουσαρίωνα φησί][2]

[2399] Jedes dieser drei Frustula enthält Einzelheiten, die in den zwei anderen fehlen und doch kann bei näherer Betrachtung gar kein Zweifel sein, daß ihnen eine gemeinsame, ausführlichere Quelle letzten Endes zu Grunde liegt. Von besonderer Tragweite ist die jetzt nur bei S. sich findende Berufung auf Aristoteles. Da nämlich in der Poetik weder Thespis noch Susarion erwähnt wird, des [2400] ersteren εὑρήματα in der Tragödie aber nach dem unverdächtigen Zeugnis des Themist. orat. 26, 216d von Aristoteles behandelt wurden, so ergibt sich der zwingende Schluß, daß die vielfach angefochtenen Ansprüche des Thespis und Susarion als εὑρεταί des Dramas in dem Dialog περὶ ποιητῶν [2401] vom Verfasser selbst und seinem gegnerischen Unterredner besprochen wurden. Ganz in dieselbe Richtung weisen noch andere Dionysiosscholien, z. B. über die Etymologie von κωμῳδία p. 20. 172. 306. 450 verglichen mit Poet. 3. 1448 b 36ff. und p. 166: οὐκ ἔστι ποιητὴς ὁ μέτρῳ μόνῳ χρώμενος· οὐδὲ γὰρ Ἐμπεδοκλῆς ὁ τὰ φυσικὰ γράψας, οὐδ` οἱ περὶ ἀστρολογίας εἰπόντες ~ Stephanos p. 167: τὸν Ἐμπεδοκλέα καὶ τὸν Πύθιον καὶ τοὺς ἀστρολόγους εἰπόντας οὐ καλοῦμεν ποιητάς, εἰ καὶ μέτρῳ ἐχρήσαντο, verglichen mit Poet. I 1447 b 18. Da unter den astrologischen Dichtern hier doch wohl nur Aratos gemeint sein dürfte, dessen Φαινόμενα aber nacharistotelisch sind, so folgt daraus, daß auch die Notizen über die Anfänge und die Etymologie der Tragödie und Komödie zwar letzten Endes auf Aristoteles zurückgehen, aber erst durch Vermittlung der durch Zusätze erweiterten Primärquelle von späteren Scholiasten übernommen wurden.

S. wird sonst nur noch zweimal außerhalb der Dionysiosscholien, und zwar zur Akzentuierung des Ausrufs αἶ, αἶ zitiert, nämlich im Etymol. Gud. 451, 21 und in Schol. Lycoph. 31 αἴ αἴ ἐπίρρημα θρηνητικόν, ὃ πάντες οἱ νῦν βαρύνουσι, Στέφανος δὲ καὶ Μελάμπους περισπᾶν ἀξιοῦσι λέγοντες τουτονὶ τὸν κανόνα … ἐγὼ δέ φημι καὶ τοῦ αἴ. Hier beruft sich Tzetzes auf S. und Melampos als auf zwei gleichwertige, unabhängige Zeugen. Es ist nun nicht eben wahrscheinlich, daß er wegen einer prosodischen Kleinigkeit beide ὑπομνήματα eingesehen haben sollte, und so wird wohl καὶ nach weitverbreitetem Scholiastenbrauch auch hier den Sinn von apud haben, also Stephanos apud Melampodem oder Melampus apud Stephanum, da wir nicht wissen, wer von beiden der ältere war; s. dazu meine Ausführungen in Woch. f. kl. Philol. 1917, 93f. und zu Lukillos (o. Bd. XIII S. 1786). Die Stelle scheint jedenfalls zu beweisen, daß Tzetzes oder sein Gewährsmann noch ein vollständiges Exemplar eines dieser Scholiasten benutzt hat, denn obige Erörterung fehlt in unseren Bruchstücken.

Vgl. G. Hoerschelmann De Dionysii Thracis interpretibus veteribus (Particula I. De Melampode et Choerobosco), Leipz. 1874. A. Hilgard Op. cit. und De artis grammaticae ab Dionysio Thrace compositae interpretibus veteribus in singulos commentarios distribuendis, Gymn-Progr. Heidelberg (nr. 507), Leipz. 1880. Daselbst sind auch einige ältere, aber jetzt überholte Arbeiten verzeichnet.

Anmerkungen

  1. Daß diese oft zitierten ἴαμβοι eine Fälschung sind, hat bereits Bentley Diss. on the Epist. of Phalaris 235 W. erwiesen. Schon Clem. Alex. strom. I 16, 79 setzt ihre Bekanntschaft voraus und vs. 3f. werden in Schol. Arist. Lys. 1038 als sprichwörtlich erwähnt.
  2. Vermutlich hat Hilgard diese Worte stillschweigend eingeklammert, weil ἀυτῆς in der überlieferten Fassung auf τραγῳδία sich beziehen müßte. Es ist aber sonnenklar, daß wir es hier nur mit einem flüchtigen Exzerpt zu tun haben und daß ursprünglich ein Passus über die Komödie voranging. Auch die Worte παθῶν μίμησις stützen die Echtheit des Aristoteleszitats.