Richard-Wagner-Galerie

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
Autor: Wilhelm Tappert
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Richard-Wagner-Galerie
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Hanfstaengl’s Nachfolger
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Illustrationen von Wilh. von Kaulbach & Theodor Pixis.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[III]
RICHARD-WAGNER-GALERIE
NACH DEN
AUF ALLERHÖCHSTEN BEFEHL SR. MAJESTÄT
KÖNIG LUDWIG II. VON BAYERN
AUSGEFÜHRTEN CARTONS
VON
WILH. VON KAULBACH & THEODOR PIXIS.
PHOTOGRAPHIRT
VON
JOS. ALBERT,
KGL. BAYER. & KAIS. RUSS. HOFPHOTOGRAPHEN.
MIT BIOGRAPHIE RICHARD WAGNER’S UND ERLÄUTERNDEM TEXT VON WILH. TAPPERT


__________
II. AUFLAGE
¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯
BERLIN
VERLAG VON HANFSTAENGL’S NACHFOLGER.
Gesetzlich deponirt 1876.

[1]

BIOGRAPHIE.


Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Sein Vater, Friedrich Wagner, bekleidete dort das Amt eines Polizei-Actuars, er starb bereits im October des genannten Jahres. Die Mutter verheirathete sich nach einiger Zeit mit dem Schauspieler, Schriftsteller und Maler Ludwig Geyer in Dresden. Die Familie Wagner siedelte nunmehr nach Dresden über. Der Stiefvater glaubte, den kleinen Richard zum Maler erziehen zu müssen, doch hatte die gütige Norne ihm andere Gaben verliehen und als der widerwillige Zeichner im Alter von sieben Jahren eines Tages zwei Melodien auf dem Klaviere nach dem Gehör spielte, dämmerte dem Vater die Ahnung auf: „Sollte er vielleicht Talent zur Musik haben?“ Der Tod raffte den sorgenden Beschützer und Führer bald hinweg, noch ehe sich in dem Knaben eine Neigung für irgend einen Lebensberuf entwickelt hatte. Mit neun Jahren kam er auf die altberühmte Dresdener Kreuzschule, und endlich machte auch ein Hauslehrer so neben dem Studium des Cornelius Nepos den Versuch, dem Schüler die Geheimnisse des Clavierspiels zu erschliessen. So unverkennbar das Interesse für Musik, so deutlich trat gar bald die Abneigung gegen alles Technische hervor. Kaum waren die ersten Fingerübungen überwunden, so versuchte Richard Wagner ganz heimlich die Ouvertüre des „geliebten Freischützen“ zu spielen. Der Lehrer merkte den Verrath und erklärte: aus Dem wird nichts! Wie manches Genie hat diese und ähnliche Censuren auf der Schulbank erworben, dem später auf dem Lebenswege der Lorbeer in reichster Fülle beschieden war!

„Der nie zufriedene Geist, der stets auf Neues sinnt“, war dem Meister schon in frühester Jugend eigen, er entwarf grosse Trauerspiele, erst nach griechischem Muster, dann war Shakespeare sein Vorbild. In Leipzig, wohin die Familie später verzog, wirkte zum ersten Male Beethoven’s Musik auf den jugendlichen Feuergeist. Es ist wol ein Stück eigenen Erlebens, was Richard Wagner in seiner Novelle: „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“ erzählt, wenn es heisst: „Ich weiss nicht recht, wozu man mich eigentlich bestimmt hatte; nur entsinne ich mich, dass ich eines Abends eine Beethoven’sche Symphonie aufführen hörte, dass ich darauf Fieber bekam, krank wurde und als ich wieder genesen, Musiker geworden war." Seit 1830 setzte Wagner sein Studium auf der Thomasschule in Leipzig fort. Er zog es vor, [2] statt „in litteris“ sich zu üben, Ouvertüren für grosses Orchester zu schreiben, von denen auch eine zum Entsetzen der Musiker und des Publikums aufgeführt wurde. Richard Wagner bezog die Universität Leipzig und fand in dem Cantor Weinlig den rechten Mann, um die versäumten und vernachlässigten musikalischen Studien mit Aussicht auf Erfolg wieder aufnehmen zu können. Zwar dauerte die Unterweisung des gründlichen Lehrers nur ein halbes Jahr, aber diese kurze Spanne Zeit hatte ausgereicht, um den gährenden Most in klaren Wein zu verwandeln. Zwei Erstlings-Compositionen, eine Sonate und eine Polonaise, zeigen bereits ein erfreuliches Gleichgewicht zwischen Wollen und Können. Schon in dem achtzehnjährigen Jünglinge war der Entschluss reif, ein Musiker zu werden; dem Schaffensdrange, der sich lebhaft und mannigfaltig äusserte, folgte das Bestreben, in praktisch musikalischer Thätigkeit seine Kräfte zu versuchen.

Richard Wagner ist heute unbestritten der erste Dirigent, mit dem kein Anderer sich messen kann; als solcher begann er – nach genügender Vorbereitung in Würzburg, wo der ältere Bruder Albert an der dortigen Oper engagirt war – seine Thätigkeit in Magdeburg. Im Herbst 1834 trat er sein Amt als Musikdirector des Stadttheaters an, das Verhältniss währte bis Ostern 1836. Die erste Oper Wagner’s, das Liebesverbot, gelangte (am 29. März 1836) hier zur einmaligen Aufführung. Wagner ergriff den Wanderstab. Die Versuche in Leipzig führten zu keinem Ziele, die Hoffnungen, in Berlin das Liebesverbot zur Aufführung zu bringen, verwirklichten sich nicht, die äusseren Lebensumstände waren misslich genug, und Wagner bewarb sich um die Musikdirectorstelle in Königsberg. Er wurde gewählt, der Bankerott des Theaters machte seinem Wirken jedoch ein schnelles Ende und Wagner ging 1837 als Dirigent nach Riga. Hier entstanden die ersten Acte des Rienzi, hier die ersten Keime zum Fliegenden Holländer. Bereits im Jahre 1839 verliess Wagner Riga, zu neuen Thaten trieb es den starken Helden: über London nach Paris! Damals konnte ein deutscher Opern-Componist nur in seinem Vaterlande reussiren, wenn es ihm gelang, zuvor in dem Babel dort an der Seine einen glänzenden „Succés“ zu erringen.

Aus den Pariser Leidensjahren ist die Vollendung der Opern Rienzi und Fliegender Holländer zu erwähnen. Die böse Zeit erreichte ihren Abschluss im Frühling 1842. Germania gewann einen ihrer besten Söhne wieder. Rienzi war in Dresden zur Aufführung angenommen worden und sein bedeutender Erfolg trug dem Dichter-Componisten die Ernennung zum sächsischen Hofkapellmeister ein. In Dresden wirkte Richard Wagner bis zum Jahre 1849. Tannhäuser und Lohengrin entstanden hier und die Anfänge der Meistersinger, die ersten Entwürfe zu der Niebelungen-Trilogie (Siegfried’s Tod) datiren aus jener Zeit. Die hochgehenden Wogen der politischen Umwälzungen brachten auch das Lebensschifflein des deutschen Meisters ausser Cours, Wagner lebte ein ganzes Jahrzehnt im Exil, zumeist in der gastfreundlichen Schweiz, die Notenfeder mit der Feder des Schriftstellers vertauschend und bessere Zeiten erwartend. Sie kamen, die freundlichen Tage, der Kreis theilnehmender Freunde und begeisterter [3] Anhänger vergrösserte sich mehr und mehr, der „Lohengrin“ eroberte seit 1850 seinem Schöpfer die Herzen vieler Tausende im Sturm, die Reihen der Gegner lichteten sich, neue Werke entstanden, neue Pläne, neue Hoffnungen! Doch wäre es mit der Verwirklichung der höchsten Ideen, mit der Erreichung der letzten Ziele noch übel genug bestellt gewesen, wenn nicht eine gütige Fee dem oftmals verzagenden Kämpfer einen Beschützer zugeführt hätte, dessen huldreiches „Komm !“ sich zu einem mächtigen „Werde“ für den vielgeschmähten Meister gestaltete. König Ludwig von Bayern berief den Dichter des Lohengrin, den Schöpfer des musikalischen Drama’s nach München. Wie mit einem Zauberschlage waren die trüben Wolken verschwunden und ein heiterer Himmel lachte vielverheissend hernieder. Ein Umschlag der Stimmung trat auch bei der öffentlichen Meinung ein, man nahm Interesse an den Bestrebungen des kühnen Mannes, wer vordem über die „Träumereien“ gespottet, prüfte von nun an ernst und bedächtig die Offenbarungen des gottbegnadeten Sehers und las die Schriften des gewaltigen Denkers.

Tristan und Isolde und die Meistersinger von Nürnberg gelangten in München zur Aufführung, die ersten beiden Theile des Nibelungen-Ringes folgten ihnen nach und binnen wenigen Tagen wird das Hauptwerk des Meisters, die Summe seines ganzen künstlerischen Lebens in Bayreuth zur Darstellung kommen. Die Welt hat niemals ein bedeutsameres Ereigniss auf diesem Gebiete gesehen, möge die Welt dessen eingedenk bleiben und dem erhabenen Meister Jahrzehnte trüber Erfahrungen vergessen machen.

Richard Wagner lebt seit der Grundsteinlegung zu dem Bühnenfestspielhause (1872) in dem lieblichen Bayreuth, dort fand sein „Wähnen den Frieden“, dort landete Odysseus nach langer, trauriger Fahrt.



[5]

I.


SENTA AM SPINNRADE.



[7]
[9]
I.
SENTA AM SPINNRADE.


„Ich bin ein Kind, und weiss nicht, was ich singe.“


Senta, des norwegischen Seefahrers Daland herziges Töchterlein, – fürwahr, ein treues Kind, wie der glückliche Vater dem unglücklichen Ahasver des Meeres, dem fried-, ruhe- und heimathlosen Odysseus versichert –, wir sehen sie allein in ihrem Gemach, der Welt entrückt, in tiefes Sinnen versunken! Die ruhende Hand liegt im Schoos, müssig steht das sonst so geschäftige Rad, von dunklen Träumen befangen starrt das herrliche Kind nach dem Bildnisse des bleichen Mannes, den die Seeleute als „fliegenden Holländer“ fürchten, dessen trauriges Schicksal eine unheimliche Ballade erzählt, welche in den Spinnstuben gesungen wird.


Traft ihr das Schiff im Meere an,
Blutroth die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
Des Schiffes Herr, wacht ohne Rast.
Wie saust der Wind!
Wie pfeift’s im Tau!
Wie ein Pfeil fliegt er hin,
Ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!


Einst wollt’ er umsegeln ein Cap; die See ging hoch, der Sturm wüthete, in frevelndem Uebermuth schwur der verwegene Mann: „in Ewigkeit lass’ ich nicht ab!“


Und Satan hört’s,
Nahm ihn beim Wort!
Und verdammt zieht er nun
Durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh!

[10] Kann jemals Erlösung ihm werden? Die dunkle Mär’ verkündet: Ja! „Fänd’ er ein Weib, treu bis in den Tod!“


Vor Anker alle sieben Jahr’,
Ein Weib zu frei’n, geht er an’s Land: –
Er freite alle sieben Jahr’,
Doch nie ein treues Weib er fand.
Die Segel auf!
Den Anker los!
Falsche Lieb’, falsche Treu’!
Auf, in den See, ohne Rast, ohne Ruh!


Und wiederum ist die Frist abgelaufen; abermals wirft der Ocean, als wäre er des Elenden überdrüssig, den bleichen Mann an das Gestade. Wie oft hat er den Tod, den Befreier aus aller Erdenqual gesucht, – immer vergebens! Die Brandung, mochte sie auch Alles zertrümmern, sie schonte sein Schiff! Der habsüchtigste, blutgierigste Pirat, „des Meeres barbarischer Sohn“, er schlägt bang’ das Kreuz und fliegt davon, sobald ihm das blutrothe Segel entgegenweht.


Nirgends ein Grab! Niemals der Tod!


Senta, träumerische Nordlandsmaid, was sinnst Du? Draussen sehe ich das gewaltige Schiff, – fühlst Du Sein Nahen? Die Wellen erzählen es den Winden, die Lüfte raunen Dir in’s Ohr: Er kommt! Senta, was sinnst Du? Des holden Auges heilige Runenschrift verräth Deines Herzens süsses Geheimniss, den einen, mächtigen Gedanken:

Friedloser, ich will Dir den Frieden geben!
Irrender Wanderer, durch mich sollst Du die Heimath finden!



[11]

II.


SENTA’S TOD.



[13]
[15]
II.
SENTA’S TOD.


„Treu bis zum Tod!“


Der Vater kehrt zurück. Vom Fels sah Erik, der junge Jäger, das Schiff. Senta will eilig den Vater begrüssen, doch Erik hält sie auf. Wissen möchte er noch das Eine: ob Senta ihn liebt, ob sie die Werbung des schlichten Jägersmannes, „der nur ein dürftig Gut sein eigen nennt,“ dem Vater gegenüber unterstützen werde. Ein böser, böser Traum hat den Armen erschreckt!


Auf hohem Felsen lag ich träumend,
Sah unter mir des Meeres Fluth;
Die Brandung hört’ ich, wie sie schäumend
Am Ufer traf der Wogen Wuth: –
Ein fremdes Schiff am nahen Strande,
Erblickt’ ich, seltsam, wunderbar:
Zwei Männer nahten sich dem Strande,
Der Ein’, ich sah’s, dein Vater war.


„Und der And’re?“ fragt Senta, geschlossenen Auges. Erik hat auch ihn nur zu gut erkannt, am schwarzen Wamms, an dem bleichen Gesicht und den düstern Blicken. Er sah im Traume, wie Senta, seine geliebte Senta, dem Fremden zu Füssen stürzte, dann in seinen Armen ruhte, den heissen Küssen des Frechen nicht wehrend! Ja, er muss gewahren, dass die Wogen, als gefällige Bundesgenossen, Beide entführen.


In höchster Verzückung ruft Senta:


Er sucht mich auf! Ich muss ihn seh’n!
Mit ihm muss ich zu Grunde geh’n!


Entsetzt über die grausige Wahrheit seines Traumes stürzt der verzweifelnde Erik hinweg.


An der Seite des Vaters Daland betritt der Holländer das Ufer. Als einfacher Seemann lässt sich dieser einführen:


Lang’ ohne Heimath, stets auf fernen, weiten Reisen,
In fremden Landen er der Schätze viel gewann.

[16] Für Senta ist er kein Fremder! Wie sie ihn oft geseh’n in wachen Träumen, so steht er nun vor ihr. Des Erwachens längstersehnter Tag ist endlich angebrochen, ihr Entschluss gefasst. Noch zagend singt sie für sich:


Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
Allewiger, durch mich nur sei’s!


dann aber mit jubelnder Entschlossenheit zu ihm gewendet:


Hier meine Hand! Und ohne Reu’
Bis in den Tod gelob’ ich Treu’!


Das fröhliche Fest der glücklichen Heimkehr wird gefeiert, auf dem Lande und nicht minder am Bord des norwegischen Schiffes. Strandbewohner und Matrosen singen und tanzen, nur auf dem Fahrzeug des Holländers waltet nächtliches Grausen, herrscht Grabesstille, Keiner von der Mannschaft lässt sich sehen.


Sie trinken nicht! Sie singen nicht!
In ihrem Schiffe brennt kein Licht!


Erik findet Senta, in höchster Aufregung folgt er ihren Schritten. Er mahnt sie an die selige Stunde eines sonnigen Tages, in welcher sie ihm Treue gelobt. Der Holländer weilt lauschend in der Nähe. Seinem unsäglichen Schmerze entringt sich der Schrei der Verzweiflung: „Verloren! Ewig verlor’nes Heil?“


In See! In See – für ewige Zeiten! –
Um deine Treue ist’s gethan, –
Um deine Treue, – um mein Heil!


Der Holländer gibt seinen Matrosen ein gellendes Signal: Segel auf! Anker los! Er besteigt hastig das Schiff und fährt davon! Wohl versuchen Daland und Erik, Senta zu halten; mit wüthender Macht reisst sie sich los, erreicht ein Felsenriff und ruft mit aller Kraft dem Holländer nach:


Preis’ deinen Engel und sein Gebot:
Hier sieh’ mich, treu dir bis zum Tod!


Dann stürzt sie sich in’s Meer. Augenblicklich versinkt das gespenstige Schiff. In weiter Ferne entsteigen der Holländer und Senta, beide in verklärter Gestalt, den Wellen.



[17]

III.


ELISABETH.



[19]
[21]
III.
ELISABETH.


„Allmächt’ge Jungfrau, hör’ mein Flehen!“


Im Venusberge weilte Tannhäuser, der kühne, ritterliche Sänger. Umstrickt von den Reizen der Liebesgöttin vergass er die Welt, Tage vergingen, Monde schwanden dahin, er hörte nicht der Glocken froh’ Geläut, nicht die Nachtigall, die den Lenz verkündet, nicht sah er des Himmels freundliche Gestirne, nicht der Erde frisch ergrünende Halme. Begeistert singt er das hohe Lied der Liebe zum Preise der Geliebten.


Doch es dürstet ihn nach Freiheit, nach neuen Thaten:


Zu Kampf und Streite will ich stehen,
Sei’s auch auf Tod und Untergehen: –
D’rum muss aus deinem Reich ich flieh’n –
O Königin, Göttin, lass’ mich zieh’n! –


Im Wartburgthale athmet der reuige Sänger neu auf im rosigen Licht, dort finden ihn Landgraf Hermann und seine Mannen, welche dem edlen Waidwerk huldigen. Von Allen wird der Wiederkehrende freudig willkommen geheissen, mit herzigem Gruss empfängt ihn Elisabeth, des Landgrafen Tochter. In der Halle auf der Wartburg streiten die Minnesinger um den Preis. Sie dichten und singen das ewige Lied von der Liebe, was die Gemüther bewegt, das tragen die Tonwellen hinaus; auch Tannhäuser verkündet der Liebe wahrstes Wiesen, die Andern wollen Entsagung, er kennt die Liebe nur als Genuss und endlich bricht die mühsam zurückgedrängte sinnliche Regung in dem jubelnden Hymnus hervor:


Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
–       –       –       –       –       –       –      
Armsel’ge, die ihr Liebe nie genossen,
Zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein!

[22] Entsetzt, bestürzt hören die Männer und Frauen den grausigen Ruf, mit wachsender Angst ist Elisabeth dem Kampfe gefolgt, mit einem herzzerreissenden Schrei, mit dem Aufgebot ihrer letzten Kraft schützt sie den geliebten Frevler vor den blitzenden Schwertern der beleidigten Ritter!


Der Landgraf beschwichtigt mit mahnender Stimme den tobenden Sturm:


Es schlich mit heuchlerischer Larve sich
Zu uns der Sünde fluchbeladener Sohn.
Wir stossen dich von uns!
Versammelt sind aus meinen Landen
Bussfert’ge Pilger, stark an Zahl;
Sie zieh’n nach Rom zum Gnadenfest!


Mit ihnen zieht Tannhäuser, der Sünde ledig will er zurückkehren!


Das war eine traurige Fahrt. Der Tag neigte sich zum Abend, vor dem Marienbilde liegt Elisabeth in brünstigem Gebete. Der treue Wolfram erscheint aus dem Walde. Von ferne erklingt die fromme Weise der älteren Pilger, sie kommen zurück, froh die Heimath grüssend. Umsonst späht das Auge der Jungfrau nach Tannhäuser, die Sonne sinkt, Alle kommen, doch –


Er kehret nicht zurück!



[23]

IV.


TOD DER ELISABETH.



[25]
[27]
IV.
TOD DER ELISABETH.


„Heil’ge Elisabeth, bitte für mich!“


Es ist Nacht geworden! Langsam wendet sich Elisabeth nach der Wartburg. Allein, zerknirscht, in zerrissener Pilgerkleidung erscheint Tannhäuser. Umsonst war der Gang nach Rom, ihm floss die Gnadenquelle nicht, ungesühnt ist die Schuld, nicht fand er Erlösung aus den heissen Banden, nun sucht er den Weg zur Frau Venus. Nach dem Zauberreiche der Minne verlangt ihn. Wolfram bannt die Zauber der Hölle durch das Zauberwort Elisabeth. „Elisabeth“, wiederholt Tannhäuser, wie gelähmt bleibt er an die Stelle geheftet stehen. Von der Höhe der Wartburg naht ein Lichtschein, die langsamen Schläge der Todtenglocke tönen schauerlich durch die Nacht. An der Leiche der Reinen steht Tannhäuser, langsam sinkt er aus Wolfram’s Armen zur Erde, sein letzter Athemzug gehört Ihr, die ihn gerettet, sterbend befiehlt er das Heil seiner Seele der Verklärten:


Heil’ge Elisabeth, bitte für mich!



[29]

V.


LOHENGRIN’S ANKUNFT.



[31]
[33]
V.
LOHENGRIN’S ANKUNFT.


„Zum Kampf für eine Magd zu steh’n,
der schwere Klage angethan,
bin ich gesandt.“


Heinrich, der Deutschen König, erschien an der Spitze seines Heerbannes in Antwerpen, um mit den Fürsten, Edlen, Freien von Brabant „zu dingen nach des Reiches Recht.“ Nicht müssiger Ursache wegen that er diese Fahrt, die Noth des Reiches trieb ihn dazu, denn wiederum bedrängten die Ungarn von Osten her die deutschen Marken, nach neunjährigem Frieden rüstete sich mit wildem Drohen der alte Erbfeind. Zur Heeresfolge entbot der Herrscher auch die Männer von Brabant.

Schmerzliche Kunde war dem Könige geworden von der verwirrenden Zwietracht, in welche diess Land verfallen, seit es den Fürsten entbehren musste. Friedrich von Telramund, ein brabantischer Graf und „aller Tugend Preis“ soll der Drangsal Grund dem Schirmherrn Deutschlands mittheilen. Durch ihn erfahren wir: „Als der Herzog von Brabant starb, empfahl er meiner Obhut seine Kinder, Elsa, die Jungfrau, und Gottfried, den Knaben. Treulich pflegte ich diesen, – das Kleinod meiner Ehre wurde mir jedoch geraubt. Lustwandelnd ging Elsa mit dem Knaben einstmals zum Walde, aber ohne ihn kehrte sie zurück. Umsonst war alles Bemühen, die Spuren des Verlornen zu finden. Als ich drohend in Elsa drang, verriethen ihre bestürzten Mienen das Bekenntniss einer grässlichen Schuld. Entsetzen fasste mich und freiwillig entsagte ich dem Rechte auf ihre Hand, welches der Vater mir verliehen,


und nahm ein Weib, das meinem Sinn gefiel,
Ortrud, Radbod’s des Friesenfürsten Spross’.


„Ich bezichtige Elsa des Brudermordes! Mir gehört nun das Land, denn der Nächste bin ich von des Herzogs Blut! Traumselig ist die Maid, geheimer Buhlschaft zeih’ ich sie!“

Der König lässt die hart Beklagte rufen, ein strenges Gericht will er halten. O, wie erscheint sie licht und rein! Nur mit stummen Geberden antwortet Elsa, wie hart sie auch beschuldigt werden mag. Als Worte ihr wieder zu Gebote stehen, hört man von den bleichen Lippen nur die Klage um den armen Bruder. Nach des milden Königs theilnehmender Frage: was hast du mir zu vertrauen? erzählt Elsa einen wundersamen – Traum.

[34]

In lichter Waffen Scheine
ein Ritter nahte da,
so tugendlicher Reine
ich keinen noch ersah.
Ein golden Horn zur Hüften,
gelehnet auf sein Schwert,
so trat er aus den Lüften
zu mir, der Recke werth.
Mit züchtigem Gebaren
gab Tröstung er mir ein:
des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!


Telramund hält seine Beschuldigungen aufrecht und fordert Jeden zum Zweikampf heraus, der sich unterfangen möchte, an der Wahrheit seiner Aussagen zu zweifeln; doch Keiner will den blutigen Strauss mit dem Tapferen bestehen.

Eine höhere Macht soll nun entscheiden. Zum Gottesgericht drängen die Mannen. Als nun Elsa gefragt wird, wen sie zu ihrem Kämpfer erwählt habe, wiederholt sie zuversichtlich:


Des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein.


Ihm, dem Gottgesandten, bietet sie Krone, Gut und Hand.

Dem Brauche gemäss, ladet der Heerrufer den Ritter und Retter Elsa’s zum Gotteskampfe. Ohne Antwort verhallt der erste Ruf, ein banges Stillschweigen folgt ihm. Noch einmal ertönen die Heerhörner und der Heerrufer wiederholt seine Mahnung. Umsonst! „In düst’rem Schweigen richtet Gott!“ Da, als die Noth am grössten, ereignet sich ein seltsames Wunder! Im glänzendsten Waffenschmucke, hoch aufgerichtet, steht ein Ritter im Nachen, welchen ein Schwan heranzieht. Alles drängt nach dem Ufer der Schelde: ein unerhörtes, nie geseh’nes Wunder ist geschehen! Jubelnd wird der gottgesandte Held begrüsst. Ein heller Schrei des höchsten Entzückens verräth, dass Elsa in der blendenden Erscheinung die Erfüllung ihres Traumes erblickt. Regungslos, wie festgebannt durch einen süssen Zauber, schaut sie nach dem Fremden, die Hände zum Dankgebet gefaltet.



[35]

VI.


ELSA UND LOHENGRIN.



[37]
[39]
VI.
ELSA UND LOHENGRIN.


„Wir sind allein, zum ersten Mal allein!“


Ueberwältigt vom Sturm der Gefühle, war Elsa ihrem Retter zu Füssen gesunken.


– – – nimm mich hin!
Dir geb’ ich Alles, was ich bin!


Lohengrin will für Elsa das Schwert ziehen, will ihr Gatte heissen, Land und Leute schirmen, doch muss sie ihm zuvor Eins geloben:


Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam’ und Art!


Elsa giebt die verhängnissvolle Zusage: nie, Herr, soll mir die Frage kommen! Niemals will sie zweifeln an Ihm, der so fest an ihre Unschuld glaubt!

Im Kampfe besiegt Lohengrin den falschen Ankläger Telramund. Grossmüthig schenkt der edle Held dem Ueberwundenen das Leben, – der Reue soll er es weihen!




Die Nacht ist längst hereingebrochen. Durch die Fenster des Palas (Ritterwohnung) in der Burg zu Antwerpen dringt hochzeitlicher Lichtglanz, des Festes heller Widerschein; Hörner und Posaunen schmettern jubelnd in die Welt hinaus: es giebt ein Glück! Die Stunden verrinnen, der Morgen graut. Ein langer Zug reichgekleideter Frauen, unter ihnen Elsa, die prächtig geschmückte Braut, schreitet aus der Kemenate (Frauenwohnung) nach dem Münster. Zwar versucht Ortrud, die heimliche Anstifterin aller Bezichtigungen, welche Telramund, ihr Gemahl, gegen die arme Elsa geschleudert hatte, der bräutlichen Feindin auch diese wonnigen Augenblicke zu vergällen, sie stellt sich noch auf dem Kirchgange drohend und hindernd ihr entgegen. Der König, Lohengrin und das gesammte ritterliche Gefolge erscheinen, ebenfalls [41] auf dem Wege zur Kirche. Da tritt auch Telramund hinzu, mit neuen, schweren Anklagen gegen Lohengrin. Als Betrüger und Zauberer sucht er ihn zu brandmarken. Doch die Liebe siegt, die Treue behauptet das Feld. Unter Glockengeläut’ und Orgelklang werden Elsa und Lohengrin vom Könige zum Münster geleitet.




Die erste Scene des letzten Aktes spielt im Brautgemach. Was der Tondichter durch Wort und Klang so unnachahmlich geschildert, hat der Farben-Poet im Bilde darzustellen versucht. Lohengrin tritt ein, mit ihm der König und ein auserwählter Kreis ritterlicher Männer. Elsa wird ihrem Gatten von den Frauen zugeführt. Männer und Frauen singen das Brautlied:


Treulich geführt ziehet dahin,
wo euch der Segen der Liebe bewahr’!
Siegreicher Muth, Minnegewinn
eint euch durch Treue zum seligsten Paar.


Nachdem Alle das Gemach verlassen haben, werden die Thüren von aussen geschlossen. Ferner und ferner erklingt der verhallende Gesang.


„Sie sind allein, zum ersten Mal allein!“



[42]

VII.


LOHENGRIN’S ABSCHIED.



[44]
[46]
VII.
LOHENGRIN’S ABSCHIED.


„Leb’ wohl! Leb’ wohl! mein süsses Weib!“


Es ist Nacht. Die Fenster der Burg zu Antwerpen sind hell erleuchtet, Hörner und Posaunen lassen Jubelweisen erklingen. Derweil sitzt auf den Stufen zur Münsterpforte Friedrich von Telramund und „die Genossin seiner Schmach“, Ortrud. Diese hat all’ jene ränkevollen Anklagen wider Elsa geschmiedet, sie war es, welche das Lug- und Truggewebe zusammenfügte, in dem Elsa, die Schuldlose, verderben sollte. Neue Tücken sinnt sie in nächtlicher Stunde, es gilt, dem fremden Ritter das Geheimniss seiner Herkunft zu entlocken oder zu entreissen. Durch eines Zaubers List hat er Alle getäuscht: Elsa, das Gericht, den König. Nur einem höllischen Zauber konnte Graf Friedrich von Telramund erliegen. Wollte Elsa des Verbotes und ihres Gelöbnisses eingedenk sein, dann bliebe nur noch ein letztes Mittel: die Gewalt! Ortrud ist ein Weib, in schwarzen Künsten wohl erfahren. Jedes Wesen – so erzählt sie dem lauschenden Telramund – dessen Stärke in einem Zauber ruht, büsst all’ seine Macht ein, wenn ihm auch nur ein kleinster Theil des Körpers, sei es eines Fingers Glied entrissen wird. Solch’ dunkle Saat findet in dem verdüsterten Gemüthe Telramunds einen fruchtbaren Boden.




Im weissen Gewande ist unterdessen Elsa auf dem Söller erschienen; über die Brüstung gelehnt blickt sie hinaus in die sternenklare Nacht. Den Lüften, die so oft ihr trauriges Klagen gehört haben, will sie nun auch ihr Glück verkünden. Hatten sich diese Lüfte doch als gar treue Bundesgenossen bewährt. Durch sie kam er gezogen, auf wilden Meereswogen behüteten sie ihn getreulich; wie Elsa die unsichtbaren Freunde ehedem oft bemüht hatte, ihre Thränen zu trocknen, so heischte sie jetzt Kühlung für die liebeglühenden Wangen.

Aus den Schatten der Nacht löst sich die dunkle Gestalt Ortrud’s. Mit erheuchelter Freundlichkeit naht „das unglückliche Weib“ der seligen Elsa. Den Keim des Argwohns in das ahnungslose Gemüth zu senken, das ist ihr Bestreben. Die scheinheilige Warnerin mahnt, dem Glücke nicht blind zu vertrauen. Geschützt durch die hehre Macht, welche unsichtbar in jeder weihevollen Stunde uns umgiebt, bleibt Elsa von den listigen Anläufen der Versucherin unberührt. Auch das Gift, welches Ortrud’s ruchlose Lästerzunge später auf dem Gange zum Münster ausstreut, verfehlt noch seine gehoffte Wirkung. Lohengrin’s Nähe, die Entrüstung der Männer, das Entsetzen der Frauen, vereiteln die schändlichen Pläne; auch die Schmähreden Friedrich’s verhallen erfolglos in den hochgehenden Wogen der festlichen Tagesströmung.

Noch hat die Stunde des Verhängnisses nicht geschlagen, aber sie rückt allgemach näher.




Das süsse Lied ist verhallt. Elsa und Lohengrin sind allein im bräutlichen Gemach, „kein Lauscher darf des Herzens Grüssen nah’n.“ Die wonnigliche Zwiesprache in der seligen Einsamkeit endet aber mit einem Missklange, eine schrille Dissonanz unterbricht fast urplötzlich [47] die Harmonie der Seelen. Was Ortrud zu nächtlicher Zeit emsig gesät, es sprosste im Tagesgrauen und wuchs zu einer verderbenbringenden, giftigen Schlingpflanze empor, die Alles überwucherte und vernichtete. Elsa fragt, dem Verbote trotzend und ihrer Zusage nicht eingedenk: „Woher die Fahrt? Wie deine Art?“ Kaum sind diese traurigen Worte gesprochen, da bricht Friedrich von Telramund nebst vier brabantischen Edlen herein. Alle haben die Schwerter zur blutigen That gezückt. Mit einem fürchterlichen Schrei reicht Elsa ihrem Retter die schützende Waffe. Zum Tode getroffen stürzt Telramund nieder.

„Weh! nun ist all’ unser Glück dahin!“

Dieser Schmerzensruf entringt sich nach einer langen, athemlosen Stille der Brust des Helden.

Auf Lohengrin’s Geheiss tragen die Edlen Friedrich’s Leiche von dannen, auf seinen Wunsch geleiten vier Frauen die halb ohnmächtige Elsa zum Könige, dort will er die verlangte Antwort ihr geben!

Und abermals weilt König Heinrich unter der alten Eiche am Schelde-Ufer, umgeben von den Fürsten, Edlen und Reisigen; wiederum erscheint Lohengrin, gewaffnet wie bei seinem ersten Kommen, aber gar feierlich und traurig ist das Auftreten des „gottgesandten Ritters.“ Die Mannen alle geloben Treue dem bedrohten Vaterlande und sind bereit, in den Kampf zu gehen. Lohengrin darf jetzt nicht mehr als Heerführer und Streitgenoss’ mit ihnen ziehen, nur noch als Ankläger tritt er auf gegen den erschlagenen Telramund, der ihn nächtlich überfiel, und wider Elsa, die ihn – verrieth, – um dann für immer zu scheiden! Aus freiem Antriebe lässt er den Schleier fallen und kündet Jedem, „wie sein Nam’ und Art.“

Im fernen Lande liegt eine Burg, Monsalvat (Berg des Heils) genannt. Ein lichter, kostbarer Tempel steht inmitten, darin ruht als höchstes Heiligthum ein Gefäss: der heil’ge Gral genannt. (Aus ihm trank einst der Heiland seinen Jüngern den letzten Scheidegruss zu, in ihm wurde dann das Blut des Gekreuzigten aufgefangen und bis heute in lebensvoller Wärme als Quell unvergänglicher Liebe aufbewahrt. Schon war dieser Heilskelch der unwürdigen Menschheit entrückt, als einst liebesbrünstigen, einsamen Menschen eine Engelschaar denselben aus Himmelshöhen wieder herabbrachte.) Wer dem heiligen Gral zu dienen auserlesen ist, der wird durch ihn mit überird’scher Macht ausgerüstet, an einem Solchen ist jedes Bösen Trug verloren, selbst der Tod hat keine Macht über ihn. Welcher Ritter als Streiter für Tugend und Recht in fremde Lande entsandt wird, geht der heiligen Kraft keineswegs verlustig, so lange er als Gralritter unerkannt bleibt.

„Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
mein Vater Parcival trägt seine Krone,
sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt!“

Auf dem Flusse schaukelt der Nachen, gezogen vom Schwan; für die letzte, traurige Fahrt ist Alles bereit. Lohengrin wendet sich im heftigen Schmerz zu Elsa, um Abschied zu nehmen. Er überreicht ihr sein Schwert, das Horn und den Ring als Vermächtniss für den todtgeglaubten Bruder, dessen Widerkehr der Scheidende prophetisch verkündet:

Diess Horn soll in Gefahr ihm Hilfe schenken,
in wildem Kampf diess Schwert ihm Sieg verleiht:
doch bei dem Ringe soll er mein gedenken,
der einstens dich aus Schmach und Noth befreit!



[48]

VIII.


HANS SACHS UND EVCHEN.



[50]
[52]
VIII.
HANS SACHS UND EVCHEN.


„Guten Abend, Meister, noch so fleissig?“


Eva, des Nürnberger Goldschmiedes Pogner sittiges Töchterlein, hat in der Katharinenkirche den Junker Walther v. Stolzing gesehen und ihr Herz an den stattlichen Rittersmann verloren. „Mein Fräulein,“ fragte er der Sitte Brauch umgehend, „seid Ihr schon Braut?“ Die gute Magdalena antwortete an Eva’s Stelle:


Herr Ritter, was Ihr die Jungfer fragt,
das ist so leichtlich nicht gesagt;
fürwahr ist Evchen Pogner Braut –


Eva fügt aber beruhigend, erläuternd hinzu: noch Keiner hat den Bräutigam erschaut: Morgen erst wird ihn das Gericht ernennen, welches dem Meistersinger den Preis ertheilt. Vater Pogner hatte nämlich zur Feier des Johannistags ein grosses Wettsingen angesagt und seine einz’ge Tochter Eva dem zur Ehe versprochen, der sie im ehrlichen Wettstreit sich ersingen würde.

Der Junker Walther will sich am friedlichen Sängerkampfe betheiligen. Eva versichert, dass sie niemals einen Andern, als ihn wählen würde, und er antwortet mit der poetischen Erklärung:


Neu ist mein Herz und neu mein Sinn,
neu ist mir Alles, was ich beginn’.
Eines nur weiss ich,
Eines begreif’ ich:
mit allen Sinnen
Euch zu gewinnen!
Ist’s mit dem Schwert nicht, muss es gelingen,
gilt es als Meister Euch zu ersingen!


Aber der junge Herr Ritter ist weder ein zünftiger Dichter, noch ein schulgerechter Sänger, er war niemals „Schulfreund“ oder Schüler“, und seine Aufnahmeprüfung fällt sehr [53] schlimm aus. Er singt nach seiner Weise, wie der Vogel im Walde, nicht wie es die Tabulaturgesetze der edlen Gilde erheischen, – versungen und verthan! lautet der Wahrspruch der Merker, versungen und verthan! riefen die Meister zustimmend. Nur Einer fand des Ritters Lied und Weise zwar neu, doch nicht verwirrt.


„Der Vogel, der heut’ sang,
dem war der Schnabel hold gewachsen;
macht er den Meistern bang’,
Gefiel er doch Hans Sachsen.


In Hangen und Bangen und schwebender Pein erwartet Eva den Ausgang des Probesingens und somit ihr eigenes Schicksal! Wer ihr doch nur sagen könnte, wie es ihm ergangen und ob sie das Höchste zu hoffen oder das Schlimmste zu fürchten habe!

Meister Sachs muss es wissen! Zu ihm, dem treuen Nachbar, dem väterlichen Freunde will sie gehen, ihn befragen, nicht direct, sondern nur so nebenbei. Es ist Abend geworden. Der blühende Fliederbaum vor Sachsens Werkstatt duftet mild und stark und voll. Hans Sachs will arbeiten, aber die Ereignisse des Tages beschäftigen ihn gar zu sehr, die regellosen und doch – fehlerfreien Weisen des Junkers wollen ihm nicht aus dem Sinn.


Es klang so alt, und war doch so neu, –
wie Vogelsang im süssen Mai.


Da kommt „Evchen“, vorsichtig tritt sie auf die Strasse und bedächtig nähert sie sich der Werkstatt Sachsens:


„Guten Abend, Meister, noch so fleissig?“



[54]

IX.


ISOLDE.



[56]
[58]
IX.
ISOLDE.


„Lösche des Lichtes scheuchenden Schein!“


Im kleinen Kahne schwamm ein siecher, sterbender Mann an Irlands Küste: Tristan, der Held, der Neffe des Königs Marke von Kornwall. Er hatte im ehrlichen Kampfe Morold, den kühnen Iren, den Verlobten Isoldens erschlagen. Nun pflegt die blonde Königstochter den kranken Mann, der sich Tantris nennt, aber doch von ihr erkannt wird. Rächen will sie den Tod des Gefallenen, doch als Tristan die Augen aufschlägt, verdrängt ein edleres Gefühl die Rachegelüste, Isolde lässt das Schwert sinken!

Nun ist Tristan der Brautführer, aus dessen Hand sein Ohm, der müde König Marke, „der Frauen höchste Zier empfängt.“ Auf dem Schiffe sehen wir Tristan und seinen Knappen Kurwenal, Isolde und deren Vertraute Brangäne. Tristan hält sich fern von Isolde, dort am Steuer sorgt er für eine glückliche Fahrt.


Ungeminnet
den hehrsten Mann
stets mir nah zu sehen, –
wie könnt’ ich die Qual’ bestehen!


Mit diesen Worten verräth Isolde ihr süsses Herzensgeheimniss. Brangäne weiss zu helfen; „der Mutter Künste“ mischten einen Minnetrank für die scheidende Tochter, diesen will die Vertraute erproben. In der Herrin erwacht aber der alte Hass, beleidigter Stolz flüstert ihr zu: mit dem „kühlen“ Feinde den Todestrank zu trinken. Tristan erscheint zu einer Unterredung; das Schiff naht dem Strande, das Ziel der Fahrt ist bald erreicht, nur wenige Augenblicke gehören noch den Beiden, dann macht ein Dritter seine Rechte geltend. Isolde bietet dem Geliebten den Trank als Sühne, den Brangäne ihr reicht. Tristan ergreift die Schale, ganz will er sie leeren, doch Isolde entreisst ihm den Becher, auch sie will – sterben. Jetzt, im Angesichte des Todes, entfesselt von Allem, was sie band im Leben, der Welt schon entrückt, blicken sie sich selig, sprachlos in die Augen. Die Flammen zusammen und in [59] wonniger Umarmung trifft der treue Kurwenal die Liebenden. Er stürmt herein, Tristan soll den König begrüssen, die Fahrt ist aus!

Und die den Tod suchten, fanden ein neues Leben, denn Brangäne hat ihnen den – Liebestrank gegeben.

„Heil dem König! Kornwall Heil! rufen die Männer, – Isolde wird bräutlich geschmückt und als „wandelnde Leiche“ dem Könige zugeführt. Der sündige Bund der Herzen ist unauflöslich geschlossen, aber der Tod ist der Sünden Sold und Sühne!

Geblendet durch des Glückes Sonnenschein gewahren Tristan und Isolde nicht den Verrath, der in ihrer nächsten Nähe seine Fäden spinnt und seine Netze wirkt. Melot, der Falsche, hat dem Könige zugeraunt, was der Vertrauende niemals geahnt und nimmer glauben mag. Ein nächtliches Jagdfest wurde angesagt, und derweil wollen die Opfer der List im Garten vor Isoldens Gemach zusammentreffen. Die Hörner klingen aus der Ferne, eine brennende Fackel soll das verabredete Zeichen geben: erlischt sie, dann darf Tristan kommen. Brangäne warnt, Isolde drängt, der Schleier wird zur wehenden Liebesfahne:


„O lösche den scheuchenden Schein,
lass’ mir Tristan ein!“



[60]

X.


TRISTAN’S TOD.



[62]
[64]
X.
TRISTAN’S TOD.


„Erwach’! Erwach’!
Erwache meinem Jammer,
du treulos treuester Freund!“


Mit eigener Hand schleuderte Isolde die Fackel zu Boden. Zischend erlischt ihr warnendes Licht, Tristan eilt in die Arme der Trauten. Brangäne blickt spähend in die Nacht hinaus, – Waldweben, Liebesweben, – Liebeswonne, Todessehnsucht! Da stürzt Kurwenal herbei, aus dem Buschwerk tritt König Marke und sein Gefolge, Melot hat ihnen Weg und Steg gezeigt, Melot hat seinen „Freund Tristan“ verrathen. Der mildernsten Anklage des getäuschten Königs weiss Tristan nichts zu erwidern, aber gegen den Treulosen zieht er sein Schwert, sinkt aber, von Melot auf den Tod verwundet, zu Boden.

Kurwenal bringt seinen Herrn nach der heimathlichen Burg Karnol in der Bretagne. Im Schlosshofe unter dem schützenden Blätterdache einer uralten Linde bettet der Knappe den wunden Gebieter. Durch treue Pflege sucht er das fliehende Leben zu halten, aber Tristan ist ein sterbender Mann. Nur Eine könnte helfen, wenn Sie doch käme, die Aerztin Isolde! Kurwenal hat Boten entsendet und erwartet das baldige Eintreffen des Schiffes. Traurige Melodien bläst der Hirt auf seiner Schalmei.

Tristan erwacht aus langem Schlaf, noch einmal tritt er aus dem weiten Reiche der Weltennacht in das Sonnenlicht des irdischen Tages. Isolde?


Welches Sehnen,
welches Bangen,
sie zu sehen,
welch’ Verlangen!


Da erklingt des Hirten lustige Weise, Kurwenal eilt nach der Warte:


O Wonne! Freude!
Ha! das Schiff!
Von Norden seh’ ich’s nah’n.

[65] Auf dem Schmerzenslager duldet es den Todtkranken nicht länger, er richtet sich auf, reisst den Verband von der Wunde, und schwankt der Geliebten entgegen, um in Ihren Armen zu sterben!

Der Hirt meldet die Ankunft eines zweiten Schiffes und Kurwenal, irgend eine Hinterlist ahnend, schickt sich an, den Nahenden – Marke und Melot hat er rasch erkannt – den Eintritt in die Burg zu wehren. Waffen zur Hand! Steine an’s Thor! Doch es ist zu spät, der gebrechliche Wall vermag nicht den Eindringenden Widerstand zu leisten. Kurwenal wird von Melot schwer verwundet, bis in den Tod getreu schleppt er sich noch an das Lager seines Herrn und – stirbt.

Auch Brangäne ist ihrer Herrin gefolgt, der König kam, um zu versöhnen, zu verzeihen, nachdem er erfahren, dass ein Liebestrank die Beiden berückt. Zu spät!



[66]

XI.


ISOLDE AN TRISTAN’S LEICHE.



[68]
[70]
XI.
ISOLDE AN TRISTAN’S LEICHE.


„In des Welt-Athems wehendem All’ –
Ertrinken – versinken –“


Der Künstler hat den Moment gewählt, in welchem Isolde an der Leiche Tristan’s ihr tief ergreifendes, visionäres Schwanenlied singt.


Mild und leise
wie er lächelt,
wie das Auge
hold er öffnet,
Freunde, seht –
Fühlt und seht ihr’s nicht?
höre ich nur diese Weise,
die so wundervoll und leise,
Wonne klagend,
Alles sagend,
mild versöhnend,
aus ihm tönend,
auf sich schwingt,
in mich dringt,
hold erhallend
um mich klingt?
Sind es Wellen sanfter Lüfte?
Sind es Wogen wonniger Düfte?
Wie sie schwellen, mich umrauschen,
soll ich athmen, soll ich tauschen?
Soll ich schlürfen, untertauchen,
süss in Düften mich verhauchen?
In des Wonnemeeres wogendem Schwall,
in der Duft-Wellen tönendem Schall,
in des Welt-Athems wehendem All –
ertrinken
versinken –
unbewusst –
höchste Lust!



[72]

XII.


RAUB DES RHEINGOLDES.



[74]
[76]
XII.
RAUB DES RHEINGOLDES.


„Das Licht lösch’ ich euch aus,
das Gold entreiss’ ich dem Riff,
schmiede den rächenden Ring!“


Woglinde, Wellgunde und Flosshilde, die drei anmuthigen Rheintöchter, hüten – singend, neckend, spielend – in den Wellen des Rheines „des Goldes Schlaf!“ Aus einer finsteren Schlucht ist unterdess der Zwerg Alberich, an einem Riffe klimmend, dem Abgrunde entstiegen. Er schaut den Bewegungen der Wassermädchen wohlgefällig zu.


Wie seid ihr niedlich!
Aus Nibelhaines Nacht
naht ich euch gern,
neigtet ihr euch zu mir!


Der freundliche Gruss findet schlechten Dank, die hübschen Nixen verlachen den garstigen Nibelungen, den verliebten, lüsternen Kauz. Von Felsen zu Felsen, von Riff zu Riff schwingt sich Alberich, doch alle Bemühungen, die Frohen zu fangen, sind umsonst. Jede weiss ihm behend zu entschlüpfen, nur Flosshilde macht sich den Scherz, ihm Gehör zu schenken, um ihn dann noch ärger zu höhnen. Auch sie taucht mit den Schwestern lachend zur Höhe.

Alberich gibt endlich, wuthschäumend das nutzlose Jagen auf, mit geballter Faust droht er den losen Neckerinnen. Er verbleibt in sprachlosem Grimm, den Blick aufwärts gerichtet, bis ein merkwürdiges Schauspiel seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Durch die Fluth ist von oben her ein immer lichterer Schein gedrungen, der sich nun an einer hohen Stelle des mittleren Riffes zu einem blendend hell strahlenden Goldglanze entzündet; ein zauberisch goldenes Licht bricht von hier durch das Wasser.


Rheingold! Rheingold!
Leuchtende Lust,
wie lachst du so hell und hehr!

[77] Alberich starrt in regungsloser Gier nach dem Golde, dessen Besitz die Welt bezwingt. „Der Welt Erbe gewinnt der zu eigen, der aus dem Rheingold den allmächtigen Ring zu schaffen vermag. Doch:


nur wer der Minne Macht versagt,
nur wer der Liebe Lust verjagt,
nur der erzielt sich den Zauber,
zum Reif zu zwingen das Gold!


Alberich hat das hastige Geplauder der Schwestern belauscht, wüthend springt er nach dem Riff, erklettert in grausiger Hast die Spitze, reisst mit furchtbarer Gewalt das Gold aus dem Felsen und stürzt damit hastig in die Tiefe.


Das Licht lösch’ ich euch aus,
das Gold entreisst’ ich dem Riff,
schmiede den rächenden Ring.



[78]

XIII.


SIEGMUND UND SIEGLINDE.



[80]
[82]
XIII.
SIEGMUND UND SIEGLINDE.


„Siehe, der Lenz lacht in den Saal!“


Um den Weltenbesitz streiten drei Geschlechter: die Götter, die Riesen, die Zwerge. In den Höhen des Lichtes wohnen die Götter, denen Wotan gebietet, auf dem Rücken der Erde die Riesen, in düsteren Erdklüften die Zwerge. Jedes dieser Geschlechter strebt nach Vermehrung seiner Macht, nach Alleinherrschaft. In dem ersten Nibelungen-Drama, dem „Rheingold“, hüten die drei Rheintöchter den goldenen Hort, welcher auf einem Felsenriffe des Stromes liegt. Alberich, der Zwergenfürst, dem Inneren der Erde entstiegen, sieht den Wellenspielen der drei Wächterinnen zu, macht ihnen Liebesanträge, wird aber verspottet. Der Morgensonne glühender Strahl fällt auf das Gold, das blitzt und leuchtet auf, – von des Goldes Wunderkraft erfährt Alberich:

Der Welt Erbe
gewänne zu eigen,
wer aus dem Rheingold
schüfe den Ring,
der maasslose Macht ihm verlieh.

Doch nur wer der Liebe entsagt, vermag das Gold zum Reif zu zwingen. Da fasst Alberich, der Liebe fluchend, nach dem Golde und stürzt sich mit dem Schatze in die Tiefe.

Auch Wotan verlangt nach dem Ringe, als er durch Loge den Listigen erfahren, dass der liebelose Alberich den Hort geraubt und den machtgebenden Reif geformt habe. Aber auch das Riesenpaar Fafner und Fasolt geizt nach den weltbedeutenden Schätzen. Es hat dem Wotan eine stattliche Burg gebaut und heischt nun als Lohn das Gold. Wotan entreisst dem Alberich den Ring, –

wie durch Fluch er mir gerieth,
verflucht sei dieser Ring!

mit diesen unheilverheissenden Worten trennt sich der Zwerg von dem Kleinod. Die Riesen haben als Pfand für ihren zuständigen Lohn Freia entführt, diese müssen die Götter durch Hergabe des Goldschatzes auslösen, auch der Ring fällt in die rauhen Hände der ungeschlachten Gesellen. Gar bald geht Alberich’s Fluch in Erfüllung:

Gab sein Gold
mir Macht ohne Maass,
nun zeug’ sein Zauber
Tod dem, der ihn trägt!

Die Riesen kämpfen sofort um den Besitz des Hortes und Fasolt wird von der Hand Fafner’s erschlagen. Der Ueberlebende hütet nun in Drachengestalt den Schatz, ohne dessen verborgene Kräfte zu wissen. Wotan aber lebt in beständiger Furcht, der listige Nibelung Alberich werde sich des Schatzes wieder bemächtigen und durch die Zaubermacht desselben die Lichtgötter stürzen.

[83] Erda, die Seherin, hat dem Wotan warnend zugerufen:

Ein düst’rer Tag
dämmert den Göttern!
Dir rath’ ich, meide den Ring!

Um den feindlichen Mächten in Zukunft Widerstand leisten zu können, kiesen die neun Wotanstöchter, die Walküren menschliche Helden, im Kampfe gefallen, sie reiten auf den Schlachtfeldern und bringen die Erschlagenen nach Walhall, der Götterburg. Wotan möchte dem trägen Fafner das Gold entreissen, um der Sorge um das Schicksal der Welt und der Götter ledig zu sein, er darf die Verträge nicht brechen. Ein Held ist nöthig, der ohne die Unterstützung der Götter aus eigener Noth und mit eigener Kraft den Drachen tödtet und des Ringes sich bemächtigt. Ein menschlicher Kämpe soll die Götter Walhall’s befreien. Unter dem Namen Wälse begibt sich Wotan unter die Menschen und vermählt sich mit der Tochter eines Erdensohnes; dieser Ehe entsprosst das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde. Mit dem Sohne zieht er auf Abenteuer aus, sie verrichten grosse Thaten und Feinde erwachsen ihnen von allen Seiten. Die Mutter wird während ihrer Abwesenheit erschlagen, die Tochter geraubt, das Haus verbrannt. Wälse und Siegmund fliehen als Geächtete in die Wälder. Sieglinde wurde die Frau eines ungeliebten Mannes, gar traurig sass sie am Hochzeitstage neben ihrem Gatten Hunding. Da trat ein Fremder herein, seines einen Auges Strahl schuf allen Männern Angst; er stiess ein Schwert in den Stamm der Esche und sagte: dem solle das Schwert gehören, der es herauszöge. Keiner vermochte es. Sieglinde hatte ihren Vater erkannt, geduldig trägt sie ihr trauriges Loos, wissend, dass sie einst dem angehören wird, der das Schwert aus dem Stamme löst.

Unterdess hat Siegmund die Spur seines Vaters verloren, als geächteter wird er verfolgt, hart bedrängt von denen, die ihm Feinde sind und Rache geschworen haben, als Wehrloser muss er endlich fliehen. Gehetzt wie ein Wild geräth er am Abend an Hundings Haus. Auch dieser ist zum Kampfe gegen ihn ausgezogen. Sieglinde erquickt den zum Tode Erschöpften, von ihr erfährt er, dass sie vermählt sei, ohne zu lieben. Die Theilnahme des Helden verwandelt sich in menschliche Sehnsucht. Der heimkehrende Hunding erkennt den, an welchem er Blutrache zu nehmen hat, er gewährt ihm den Schutz des gastlichen Daches nur bis zum Morgen. In grosser Aufregung verbleibt Siegmund allein am erlöschenden Herdfeuer zurück.

Ein Schwert verhiess mir der Vater,
Ich fand es in höchster Noth. –
Waffenlos fiel ich
in Feindes Haus:
Wälse! Wälse!
Wo ist mein Schwert?

Der letzte Strahl der erlöschenden Gluth fällt auf die Stelle des Eschenbaumes, wo der Schwertgriff haftet. Sieglinde erscheint im weissen Gewande, sie hat ihrem Gatten einen Schlaftrunk gereicht. In dem Fremden vermuthet sie den Mann, den Wälse ihr einst zugesagt; sie erzählt ihm von dem Schwerte, von ihrem Leben, ihrer Ahnung und ihren Hoffnungen.

Da wird es hell in Siegmunds Seele, er empfängt das ihm bestimmte Weib mit feuriger Gluth. Die Thür springt auf, draussen ist die herrlichste Frühlingsnacht:

„Siehe, der Lenz lacht in den Saal!“

Mit gewaltigem Ruck zieht Siegmund das Schwert aus dem Stamme und mit bräutlicher Liebe sinken die Geschwister einander in die Arme.



[84]

XIV.


WOTAN’S ABSCHIED VON BRÜNHILDE.



[86]
[88]
XIV.
WOTAN’S ABSCHIED VON BRÜNHILDE.


„Leb’ wohl, du kühnes, herrliches Kind!“


Am nächsten Morgen soll der Kampf zwischen Siegmund und Hunding stattfinden. Wotan befiehlt Brünhilden, der Erstgeborenen unter den Walküren, aus dem Streite den Wälsung als Sieger hervorgehen zu lassen. Doch Fricka, Wotans Gemahlin, die Hüterin der Ehe, fordert die Bestrafung Siegmunds. Sie weiss den Gott von der Nothwendigkeit dieses Ausgangs zu überzeugen, er ändert seinen Sinn und verlangt auch von Brünhilde, die von allen Walküren seinem Herzen am nächsten steht, dass sie die Fehde zu Gunsten Hundings wende. Siegmund soll fallen! Brünhilde, den Zwiespalt im Herzen des Gottes erkennend, beschliesst, das zu thun, was der Vater im Grunde seiner Seele wünscht: sie will den Wälsung schützen.

Sieglinde ist aus Siegmunds Umarmung aufgefahren zu wilder Flucht, sie glaubt, des Geliebten nicht würdig zu sein. Vergebens ist dieser bemüht, die Verzweifelnde zu beruhigen. Hundings Schaar nähert sich dem Verfolgten, Sieglinde ahnt Siegsmunds Tod und sinkt ohnmächtig in seine Arme. Nun erscheint Brünhilde, dem Helden die Aufnahme in Walhall verkündend. Aber er will nicht die Wonnen Walhalls, wenn seine bräutliche Schwester ihm nicht folgen darf, mit ihr will er nach der düsteren Unterwelt! Muss er sterben, dann will er Sieglinde zuvor tödten. Schon zieht er das Schwert, – Nothung hiess er es, weil die höchste Noth es ihm gereicht, – zwei Leben will er mit einem Schlage vernichten.

Den Regungen des Mitgefühls folgend, beschliesst Brünhilde, Wotans ersten und eigensten Wunsch zu befolgen:


Halt ein, Wälsung, höre mein Wort!
Sieglinde lebe – und Siegmund mit ihr!
Das Schlachtloos wend’ ich,
Dir schaff’ ich Segen und Sieg!


Hunding ist heran gekommen, zum tödtlichen Streiche holt Siegmund aus, begeistert durch die Zurufe der Walküre, da tritt Wotan aus dem Gewölk, an seinem Speere zerschellt Nothung; Siegmund wird von Hunding getödtet. Hastig nimmt Brünhilde die ohnmächtige Sieglinde auf ihr Ross und verschwindet aus den Augen des zürnenden Gott-Vaters. Schmerzlich [89] bewegt heftet dieser den Blick auf Siegmunds Leiche, dann erinnert er sich des Ungehorsams seiner Lieblingstochter. Im furchtbaren Gewittersturme braust er ihr nach. Sieglinde wird zu ihrer Rettung nach dem unheimlichen Walde gebracht, wo der Drache seine Goldschätze hütet, diesen Ort meidet Wotan.

Brünhilde aber muss den Zorn des beleidigten Gottes über sich ergehen lassen; ausgestossen wird sie aus der Ewigen Stamm, verbannt von dem Angesichte des Vaters, auf den Felsen zu wehrlosem Schlaf!


Leb’ wohl, du kühnes, herrliches Kind!
Du meines Herzens heiliger Stolz,
Leb’ wohl! leb’ wohl! leb’ wohl!



[90]

XV.


RIENZI WIRD VERFLUCHT.



[92]
[94]
XV.
RIENZI WIRD VERFLUCHT.


„Rüstet Euch, zu beten für die Freiheit!“


Das Leben und der Charakter dieses merkwürdigen Mannes bleibt uns vorerst immer noch ein unerforschtes psychologisches Problem. Geboren 1313 zu Rom, von dunkler Herkunft, aber geistreich, gebildet und beredt, wurde Rienzi päpstlicher Notar, auch zum Mitglied der Deputation gewählt, welche Clemens VI. zur Rückkehr von Avignon nach Rom bewegen sollte. Während in der Abwesenheit der Päpste unaufhörliche Parteikämpfe und die Tyrannei der hochmüthigen Aristokratie auf das Volk drückten, gewann Rienzi dasselbe und erhitzte es durch seinen träumerischen Plan, die Völker wieder um das Capitol zu sammeln und auf denselben den Lorber des Brutus und der Gracchen zu pflanzen. Im Mai 1347 wurde er wirklich zum Tribunen der Republik Rom ausgerufen, mit diktatorischer Gewalt ausgerüstet und sogar vom Papst bestätigt, welcher den Uebermuth des Adels dadurch zu brechen hoffte. Allein Rienzi überhob sich in kurzer Zeit und machte allerlei Missgriffe, welche das theilweise sehr harte Urtheil der Historiker hinreichend rechtfertigen. Eine Empörung des Adels schlug Rienzi zwar nieder, aber der Papst schleuderte eine Bulle wider ihn, das Volk wurde seiner satt und schon im Jahre 1348 musste der Tribun aus Rom entfliehen. Kaiser Karl IV. lieferte ihn dem Papst nach Avignon aus. Rienzi gewann jedoch das Vertrauen Innocenz VI. und als ein gewisser Baroncelli in Rom abermals die Tribunenrolle spielte, machte der Papst den Rienzi zum Senator von Rom und sandte ihn mit einem Cardinal dahin ab. Seine Ankunft am 1. August 1354 bereitete der Herrschaft des Nebenbuhlers sofort ein Ende, allein abermals missbrauchte Rienzi seine Macht, die Colonna’s schürten, das allzeit wetterwendische Volk zündete den Palast seines vor kurzem vergötterten Lieblings an und erschlug denselben schon am 4. Oktober 1354. Die Juden verbrannten seine Leiche. Ganz zutreffend sagt desshalb Gregorovius: „Es gibt, wie in der Natur, so auch in der Geschichte Luftspiegelungen aus entlegenen Zonen der Vergangenheit; eine solche und die wundersamste, war die Erscheinung der Volkstribunen. Diese Vermischung von Tiefsinn und Narrheit, von Wahrheit und Lüge, von grossartiger Phantasie und thatsächlicher Erbärmlichkeit macht Cola di Rienzi, den Heldenspieler im zerlumpten Purpur des Alterthums, zu dem wahren Abbilde Roms in seinem mittelalterlichen Verfall.“ –

Dass ein solcher Stoff dramatisch gestaltbar und bühnenwirksam sein müsse, ist selbstverständlich. Ebenso aber auch, dass der Dichter-Componist denselben mit poetischer Freiheit gestaltete und daraus ein ideales Bild schuf, worüber die wissenschaftliche Kritik nach Belieben Einsprache erheben mag.

[95] Rienzi wagt den Kampf gegen die ebenso stolze, wie herrschsüchtige und sittenlose Aristokratie. Obwohl die einzelnen Familien derselben sich auf das unversöhnlichste bekämpfen, sind sie doch einig im Hasse gegen den Friedensstifter Rienzi, welchen das dankbare Volk zu seinem Könige erheben wollte, der aber nur den Titel und die Würde eines Volkstribun übernimmt.


Frei wollt’ ich euch haben! –
Der Staat verbleibe seinem Haupt,
Gesetze gebe ein Senat!
Doch wollet ihr zum Schützer mich
Der Rechte, die dem Volke Heil erkannt,
So blickt auf eure Ahnen
Und nennt mich euren Volkstribun!


Ein von Seite der Nobili geplantes Attentat, den Tribun während eines rauschenden Festes zu ermorden, misslingt. Die Schuldigen werden zum Tode verurtheilt, aber durch die Fürbitte des jungen Adriano Colonna, welcher Rienzi’s Schwester liebt und selbe vor einer gewaltsamen Entführung durch einen Orsini rettete, begnadigt. Unter den Amnestirten ist auch Adriano’s Vater. Die Nobili entfliehen jedoch aus der Stadt, um selbe alsbald mit Heeresmacht zu überziehen. Indessen ist auch Rienzi gerüstet, empfängt wohl vorbereitet die Feinde und erschlägt selbe im offenen Kampfe, an welchem Adriano, im grausen Dilemma zwischen Liebe und Sohnespflicht, nicht theilgenommen hat.

Alsbald erwächst jedoch aus dem Innern der Stadt dem siegreichen Tribun, welcher den deutschen Fürsten die römische Kaiserwahl bestreitet, ein neuer Feind: die Bürger verlassen ihn und der päpstliche Legat verkündet über Rienzi und seinen Anhang den Bann, als sich derselbe gerade in den Lateran begeben will. Das ist die Scene, welche der Künstler hier zur Darstellung brachte. Adriano, welcher seit dem Tode seines Vaters sich von Rienzi gewendet, bietet vergeblich Alles auf, die Geliebte für sich zu retten:


Er (Rienzi) ist verflucht und ausgestossen
Vom Heil des Himmels und der Erden,
Verflucht mit ihm, wer ihm zur Seite; –
Doch rett’ ich Dich, flieh’ seine Nähe!


Sie aber bleibt der Sache ihres Bruders getreu und stirbt mit ihm unter den Trümmern des Capitol, welches bei dem Aufstande der Bürger gegen Rienzi in Brand gesteckt wird. Mit ihr verschwindet auch Adriano, von dem stürzenden Mauerwerk erschlagen.



[96]

XVI.


HANS SACHS
IN DER WERKSTATT.



[98]
[100]
XVI.
HANS SACHS IN DER WERKSTATT.


„Und bin in Ruh’
Hans Sachs ein Schuh-
macher und Poet dazu“.


Nach dem fröhlichen Polterabend, an welchem der hochmüthige Schreiber Sixt Beckmesser zu Falle kam und der wackere Hans Sachs die Entführung Evchens durch Walther von Stolzing glücklicher Weise vereitelte – sitzt unser Poet am Fenster seiner Werkstätte. Die Morgensonne des Johannistages scheint hell in das trauliche Heim. Er hält vor sich auf dem Schoose einen grossmächtigen Folianten, und ist im Lesen, Denken und Sinniren so vertieft, dass er nicht einmal die Bekenntnisse seines etwas schuldbewussten, neue Schläge fürchtenden Lehrlings David hört. Ein frisches Lied ist ihm heute schon geglückt und steht noch nass auf dem Papier. Jetzt müht er sich vergeblich


den Grund aufzufinden,
warum gar bis auf’s Blut
die Leut sich quälen und schinden
in unnütz toller Wuth!
Hat keiner Lohn
noch Dank davon:
in Flucht geschlagen,
meint er zu jagen;
hört nicht sein eigen
Schmerz-Gekreisen,
wenn er sich wühlt in’s eigene Fleisch,
wähnt Lust sich zu erzeigen
Wer gibt den Namen an?
’s bleibt halt der alte Wahn,
ohn’ den nichts mag geschehen,
’s mag gehen oder stehen:
steht’s wo im Lauf,
er schläft nur neue Kraft sich an;
gleich wacht er auf,
dann schaut wer ihn bemeistern kann! –

[101] Seltsame Pläne ziehen über sein Herz, welches, wenn auch nicht mehr jung, doch nicht alt genug ist, um den Stand eines Wittwers beizubehalten. Vielleicht blitzt es ihm durch den Sinn, sich neben dem steifen Schreiber noch in die Reihe der um das schöne Nachbarkind Werbenden zu stellen? Da geht die Thüre auf und der ritterlich schmucke Walther von Stolzing steht vor ihm. Die Liebe hat den Jungherrn zum Dichter gemacht, jetzt reift sie ihn auch noch zum Meister-Sänger. Sachsen’s Plan kommt bald zum Schluss. Die Art und Weise wie er ihn ausführt, ist ebenso zart, wie überraschend und leitet zu dem gewünschten freudigen Ziele, welches die Geliebten vereint. Mit Recht bricht dann das auf der Festwiese zahlreich versammelte Volk in volle Bewunderung über den Dichter und den feinfühligen Menschenfreund aus, welcher mit der eindringlichen Lehre, die deutsche unverwüstliche, Alles überdauernde Kunst zu schützen und immerdar in Ehren zu halten, sein schönes Werk beschliesst:


Ich sage euch
ehrt eure deutschen Meister,
Dann bannt ihr gute Geister!
Und gebt ihr ihrem Wirken Gunst,
zerging in Dunst
das heilige römische Reich,
uns bliebe gleich
die heilige deutsche Kunst!