Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Reinhardtsgrimma

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Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Reinhardtsgrimma
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 163–164
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Reinhardtsgrimma,


im gemeinen Leben oft schlechthin Grimme, in einigen alten Schriften auch Reinersdorf genannt, liegt 4 Stunden südwestlich von Pirna, 3 Stunden südlich von Dresden, 1¼ Stunde östlich von Dippoldiswalde, 1 Stunde nördlich von Glashütte, 1¾ Stunde nordwestlich von Liebstadt, an der Strasse von Dippoldiswalde nach Pirna, in einer Art von Thalkessel, welcher sich aber von Südwest nach Nordost verlängert und vom Dorfe ziemlich genau ausgefüllt wird.

Diesen Kessel bildet das Grimmaische Wasser, welches an das Dorf sowohl, als davon hinweg fliesst. Das Grimmaische Wasser oder besser der Reinhardtsgrimmer Bach bildet sich bei der Schlossmühle von Reinhardtsgrimma aus dem Zusammenfluss zweier Bäche, deren einer in Südsüdost, östlich vom Lucher Spitzberg, der andere in Südwest von hier am Gehänge des Kohlberges entspringt. Letzterer bewässert Niederfraundorf und hat weniger Zufluss als der erste.

Beide Hauptquellen liegen ¾ Stunde von hier, in einer Meereshöhe von etwa 1200 Pariser Fuss. Von Reinhardtsgrimma aus fliesst der Bach in zwei grossen Bogen in das tiefe Thal hinab, welchen links der Hermsdorfer Berg mit seinen verschiedenen Stufen und Vorgebirgen rechts die Höhen von Hausdorf und Maxen bilden. Er empfängt dabei links, den nicht unbedeutenden Hirschbach und bei der Teufelsmühle den bei Hermsdorf entspringenden, am Fusse des dortigen Gebirges hinfliessenden Bach; rechts das Hausdorfer Wasser. Das oben besagte Thal gehört ohne Zweifel zu den reizendsten der Gegend. Dort, wo es weniger tief ist, erreicht das Wasser unter dem Spitzberg das Dorf Lungwitz und durchfliesst es, nebst dem untersten Theile von Kreischa, in einem herrlichen Thale, in welchem seine Richtung nordwestlich ist, wo es rechts vom Wittchensdorfer, links vom Quorner Bache verstärkt wird. Gegen Nordnordost sich wendend, kommt es unter Kautzsch in das romantische Thal des Lockwitzer Grundes. Später erreicht es oberhalb Laubegast die Elbe. Südlich von Reinhardtsgrimma erhebt das Land sich sanft zur Höhe von Fraundorf, und zeigt mehr sanfte Schluchten, als tiefe Thäler; nördlich wird es dagegen, je weiter vom Ort desto coupirter, und enthält unter Hirschbach und Hausdorf und bei Schlottewitz die tiefsten und schönsten Thäler der hiesigen Gegend.

Südöstlich reint Reinhardtsgrimma mit Cunnersdorf, nordwestlich mit Hirschbach, westlich mit Reinholdshain.

Das jetzige Rittergut Reinhardtsgrimma gehörte im 11. Jahrhundert mit seinem Gütercomplex zur Bergfeste Grimmstein, die dem Ritter Grimmer oder Grimme ihre Entstehung verdankt und später ein Raubschloss wurde. Dieses Schloss war ¼ Stunde von Reinhardtsgrimma östlich im Walde auf hohen Felsen erbaut, wovon noch heute die Spuren zu finden sind. Das Unwesen, welches von hier aus durch Raub und Wegelagerung verübt wurde, erregte den Unwillen der in der Nähe wohnenden edlen Ritter von Bernstein. Sie beschlossen die Einnahme der alten Bergfeste und führten ihren Entschluss auch aus. Die Burg Grimmstein wurde zerstört, und zur Belohnung erhielten diese Herren die ganze Besitzung. Nun baute Reinhardt von Bernstein, nach Andern wahrscheinlich Reinhardt von Karras eine neue Veste auf der Stelle, wo jetzt das Schloss von Reinhardtsgrimma steht, welches wir in der Abbildung finden, und nannte solches nach seinem Namen und seinem Ursprunge Reinhardtsgrimma.

Diese tapfern edlen Ritter von Bernstein waren im Besitze von Reinhardtsgrimma bis zum 14. Jahrhundert, wo solches an die Herren von Karras kam, von welchen es wieder ein Heinrich von Bernstein acquirirte. Dann war beliehener Besitzer von Reinhardtsgrimma Friedrich von Mangold, welcher es im 16. Jahrhundert der Familie von Schönberg überliess. Hans Heinrich von Schönberg besass das Gut zuletzt und starb 1617. Nach dessen Tode übernahm dessen Wittwe die Besitzung, von welcher solche an die Herren von Osterhausen überging. Doch blieb Reinhardtsgrimma nicht lange bei dieser Familie; denn 1628 war Erb-, Lehn- und Gerichtsherr hier Nicolas Joachim von Loss auf Pillnitz, Reichspfennigmeister und Geheimrath, dessen Tochter einen Herrn von Tettau heirathete. Nicolas Joachim von Loss verkaufte aber alsbald Reinhardtsgrimma an Rudolph von Bünau auf Tetschen, welcher 1635 in Reinhardtsgrimma verstarb und das Gut seiner Wittwe hinterliess, welche solches am 31. August 1636 an Christoph Friedrich von Tettau, dem Schwiegersohne des Herrn von Loss, verkaufte. Des letztern Sohn, gleichen Namens, welcher das Gut 1659 besass, erheirathete auch Lauterbach bei Oelsnitz im Voigtlande. Nach seinem Tode übernahmen dessen Stiefbrüder Heinrich Hildebrand und Otto Wilhelm von Tettau das Gut Reinhardtsgrimma, von welchen es wieder an die Mutter derselben, Eleonore Christiane von Tettau, kam. Nach deren Tode übernahmen deren Töchter, Agnes Catharina verehelichte von Venediger, und Christiane Elisabeth von Tettau die Verlassenschaft ihrer Mutter, welche es ihrem Ehemann und resp. Schwager, dem Hans Heinrich von Venediger überliessen.

Die Tochter des Letztern, die verehel. Elisabeth Juliane Reichbrodt von Schrenkendorf, wurde seine Erbin und erhielt auch Reinhardtsgrimma, von welcher es wieder an deren Mutter, an Agnes Catharine von Venediger geb. von Tettau, überging. Nach deren Ableben wurde der Bruder derselben, Otto Wilhelm von Tettau, mit Reinhardtsgrimma beliehen, der es seinen Söhnen, Christoph Friedrich von Tettau und Consorten, hinterliess.

Nach den Herren von Tettau kam das Gut an den Kommerzienrath Lippold, welcher den Oberhof eingehen liess und 1767 das schöne Schloss anlegte. Dieser Herr Lippold hinterliess die Besitzung seinen Söhnen, Johann Gottfried Lippold und Consorten. Dann folgte als beliehener Besitzer Hennig von Rumohr, der wieder an den Geheimen Kriegsrath Carl Victor August von Broizem sein Besitzthum abtrat.

Im Jahre 1800 kaufte das Gut der dänische Gesandte von Bülow, der es seiner Tochter, Johanne Joachime Charlotte verehel. von Racknitz wieder abtrat, von welcher es in die Hände deren Schwester, der Friederike Juliane Christiane Freiin von Bülow gelangte, welche sich mit einem gewissen Herrn Georg Conrad Ruschenbusch aus dem Hannöverschen verheirathete, wodurch Letzterer der Besitzer von Reinhardtsgrimma wurde. Der jetzige Besitzer ist ein Sohn erster Ehe von der geb. von Bülow, welches wir deshalb bemerken zu müssen glauben, da der vorerwähnte Georg Conrad Ruschenbusch, der Vater, nach dem Tode seiner Ehegattin, der geb. von Bülow, anderweit mit Marianne Schubert aus dem Pfarrhause Collmen, und zum dritten Male mit [164] Auguste Ernestine Freiin von Brandenstein verehelicht war und von dieser zweiten und dritten Ehe ebenfalls Kinder vorhanden sind.

Die hiesigen Schlossgebäude gewähren ein freundliches Bild, welches durch die herrlichen dabei befindlichen Parkanlagen einen besondern Reiz für den Beschauer bietet. Das Brauhaus und die Schäferei stehen auf dem sogenannten Oberhofe und letzteres besteht aus einem Gebäude, wie ein zweites in Sachsen nicht leicht zu finden sein dürfte.

Das Rittergut selbst hat ein bedeutendes Areal an Feldern und Wiesen, vorzüglich aber an Holzungen, obschon es ehedem durch das dabei befindliche grosse Vorwerk Cunnersdorf, welches zu Zeiten der Herren von Schönberge von Reinhardsgrimma abgetrennt und selbstständig bewirthschaftet wurde, noch viel grösser war. Denn das ehemalige Freigut Cunnersdorf, oder das Vorwerk genannt, welches eine halbe Stunde von Reinhardtsgrimma entfernt auf einer Anhöhe liegt und über das ganze Dorf sich erhebt, gehört nebst dem dasigen Erb- und Lehngerichte zu den ansehnlichsten Gütern. Vorzüglich ist es aber die Lage von Reinhardtsgrimma, welche so ungemein anzieht. Wohin sich auch der Naturfreund hinwenden mag, überall wird derselbe entzückt von den herrlichen Ansichten, von dem zauberischen Liebreiz der Natur. Die Bildung der tiefsten und schönsten Thäler der hiesigen Gegend wird erzeugt durch die rings herum liegenden Gebirge. Im Süden von Reinhardtsgrimma steigt der kegelförmige, aus Basalt bestehende Lucher Berg, im Osten der Lederberg bei Schlottwitz, im Norden der Wilischkegel empor, von welchem aus man sonst das schöne Elbthal, den Königstein, Lilienstein, die hervorragenden Punkte der sächsischen Schweiz, die Frauensteiner Ruinen und einen Theil der böhmischen Gebirge erblicken konnte.

Nach einer alten Volkssage bewahrten einst die Riesen den Luch- und Wilischberg und schleuderten Basaltwacken gegen einander, die nun mitten zwischen beiden Höhen angehäuft liegen.

Vom nahen Schlottwitz führt ein bequemer Fussweg auf den Grimmstein, auf welchem ein liebliches Lusthaus erbaut ist, wozu schon die Anlage von dem früheren Besitzer von Reinhardtsgrimma, dem dänischen Gesandten, Herrn von Bülow, gemacht worden war.

Von Schlottwitz hat der so oft schon in Reisebeschreibungen und Topographien genannte Schloitzgrund seinen Namen, wodurch die hiesige Gegend so berühmt geworden.

Die westliche Einfassung dieses Grundes ist unterwärts hoch, stark coupirt und sehr steil, oberwärts hingegen, nur bis auf 50 oder 70 Ellen[WS 1] steil und felsig ansteigend, dann sanft abgewölbt, so dass hier Felder existiren können. Oestlich also zur rechten Seite zieht sich 3000 Schritt lang die steile, mehre 100 Ellen hohe, aber mit freundlichem Laubholz und der üppigsten Vegetation geschmückte Wand des Lederberges hin und gewahrt eine ähnliche Ansicht, wie der Reisende bei Tharandt geniesst. Die grösste Höhe dieses weithin sichtbaren Berges beträgt 616 Ellen über dem Dresdner Elbspiegel, also 1456 Pariser Fuss über dem Meere. Sein Gipfel ist bewaldet. Der eigentliche Schloitzgrund ist eine Stunde lang und meist 200 bis 400 Schritte breit. Gewaltige Felsmassen machen ihn bis Glashütte hin zum Theil unwegsam.

Das Ganze bildet eine der reizendsten Parthien in Sachsen und kann nicht so geschildert werden, als es der Beschauer fühlen und geniessen muss.

Beide Thalwände des Schloitzgrundes bestehen, wie schon erwähnt, aus Gneus, welcher nur vom Achatgebirge unterbrochen wird. Daher der Name Schlottwitzer oder Schloitzer Achat, sehr häufig auch Cunnersdorfer Achat oder Cunnersdorfer Stein genannt.

Vor Einführung der neuen Gerichtsorganisation gehörten von Schlottwitz unter die Gerichtsbarkeit von Reinhardtsgrimma 4 ganze, 2 halbe Hufengüter und einige Häusler. Ebenso war ein Theil von Cunnersdorf den hiesigen früheren Patrimonialgerichten einverleibt, wogegen ein anderer Theil dem Rittergute Maxen zugetheilt war, was wohl darinnen seinen Grund haben mag, dass Maxen und Reinhardtsgrimma in den frühesten Zeiten ein und derselben Familie gehörte, der Familie von Karras.

Der Gerichtsherrschaft von Reinhardtsgrimma steht bis zum heutigen Tage noch das Patronatrecht über hiesige Kirche und Schule zu.

Die Erbauung der Kirche fällt in die katholischen Zeiten zurück. Sie ist ein langes, aber schmales, mit 3 Thürmen versehenes Gebäude.

An sie angebaut sind 2 herrschaftliche Erbbegräbnisse. In dem älteren ruhen die früheren Besitzer von Reinhardtsgrimma, in dem neueren die des dänischen Gesandten am sächsischen Hofe, Freiherrn von Bülow, und zweier Gemahlinnen des Herrn Georg Conrad Ruschenbusch.

In der Kirche befinden sich mehre Monumente, worunter das des Heinrich von Schönberg und das seiner Gemahlin, der Elisabeth geb. von Trotta, Erwähnung verdienen. In der herrschaftlichen Kapelle erblickt man viele sehr schätzbare Gemälde, auch interessante Gedenktafeln. Der Altar ist alt und enthält verschiedenartige Verzierungen. Die Kanzel ist mit den 4 Evangelisten geschmückt. Die Orgel ist von Silber neu erbaut, und hat 2 Claviere.

Ausserdem besitzt die Kirche ein Vermögen von 1100 Thalern und 10 Legate, die theils zur Unterstützung Armer, theils zum Unterricht dürftiger Kinder, theils zur Anschaffung von Schulbüchern bestimmt sind; ein Legat ist zur Erhöhung der Feier des Charfreitags durch eine Predigt bestimmt.

Der Kirchhof enthält unter vielen andern Grabdenkmälern auch ein uraltes Bild, welches den alten Ritter Grimmer vorstellen soll.

Eingepfarrt hierher sind Cunnersdorf, ein Theil von Schlottwitz und die sogenannten Hütten, Oberfrauendorf, Niederfrauendorf, Reinholdshain und Hirschbach.

Die Pfarrwohnung, welche mit sammt den Wirthschaftsgebäuden im Jahre 1765 abbrannte, ist seit ihrem Wiederaufbau in gutem Zustande, hat eine hohe, freie Lage und gewährt eine weite Aussicht.

Die Gründung der Schule, welche von beinahe 100 Kindern besucht wird, lässt sich nicht genau ermitteln; Cunnersdorf, Oberfraundorf, Reinholdshain und Hirschberg haben in der neuern Zeit ihre eigenen Schulen erhalten und besondere Schulhäuser erbaut.

Ausser diesen namhaft gemachten Gebäuden verdient blos noch eine Erwähnung einerseits das Gasthaus – welches auf dem Gebiete des hiesigen, seit alten Zeiten zum Rittergute gekommenen Erbgerichts steht – und andererseits die Schlossmühle, welche sich am obern Dorfende befindet, und aus drei Gängen und einer Schneidemühle besteht.

Reinhardtsgrimma bildet nur eine Gemeinde und besteht aus 26 Bauergütern, 16 Gärtnern und 50 Häuslernahrungen, und im Ganzen aus 4 Mühlen, und auf dem Rittergute befinden sich, ausser dem Schlosse, noch 16 Wohngebäude.

Die Einwohnerzahl beläuft sich auf 871, welche jetzt unter dem Gerichtsamte Dippoldiswalde stehen. Letzteres ist dem Bezirksgerichte Dresden und den übrigen dortigen höheren Behörden untergeordnet.

Die Einwohner von Reinhardsgrimma selbst beschäftigen sich meistentheils mit Ackerbau und Viehzucht und Strohflechten.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ellen Ellen