Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 48.
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Wir wenden uns zu der Behandlung einer speciellen Aufgabe.
Es seien als Leiter zwei Kugeln gegeben, deren Radien und sind und deren Mittelpunkte die Entfernung haben, die grösser als vorausgesetzt wird. In den Isolatoren soll keine Elektricität
vorhanden sein. Jedem der beiden Leiter ist eine gewisse
Elektricitätsmenge mitgetheilt, und nach Eintritt des Gleichgewichtszustandes
hat die Potentialfunction im Innern und auf der Oberfläche der beiden Kugeln je einen constanten Werth. Wir bezeichnen
denselben mit für die erste Kugel, mit für die zweite Kugel.
Die Aufgabe besteht darin, die Potentialfunction , von den Werthen und in den Kugeloberflächen ausgehend, so in den äusseren Raum fortzusetzen, dass sie überall endlich und stetig verläuft, dass sie in unendlicher Entfernung gleich Null wird wie der reciproke Werth des Abstandes von dem Anfangspunkte der Coordinaten, und dass sie überall der partiellen Differentialgleichung genügt:
(1) |
Die Derivirten von sind dann ebenfalls überall endlich und
ändern sich stetig, ausser beim Durchgange durch die eine oder
die andere Kugeloberfläche.
Diese Aufgabe lässt sich nach der Methode von Green behandeln. Die Hülfsfunction ist dann eine Potentialfunction, die von der im Punkte des äusseren Raumes concentrirt gedachten negativen elektrischen Einheit*)[1] herrührt unter der Vor- |[190]aussetzung, dass die Kugeln durch unendlich dünne Drähte mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt sind.
Wir wollen diesen Weg nicht einschlagen, sondern die Function direct bestimmen. Da es nur noch darauf ankommt, dieselbe für alle Punkte des äusseren Raumes herzustellen, so ist es gleichgültig, wie wir sie durch die Kugeloberflächen hindurch in das Innere fortsetzen. Wir müssen nur nachher bei dem Gebrauche der Function die zu Hülfe genommenen Fortsetzungen fallen lassen und im Innern der Kugeln die wahren Werthe und resp. wieder aufnehmen.
Nun liegt aber eine Schwierigkeit der Aufgabe darin, dass die Derivirten der für den ganzen Raum richtig bestimmten Potentialfunction beim Durchgange durch die Kugeloberflächen unstetig sind. Wir wollen deshalb die für den äusseren Raum richtig bestimmte Function nach einer noch näher festzustellenden Vorschrift so ins Innere der Kugeln fortsetzen, dass sie selbst und ihre Derivirten beim Durchgang durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern. Oder mit anderen Worten: wir betrachten eine andere Function , die im äusseren Raume mit der gesuchten Potentialfunction übereinstimmt, im Innern der Kugeln aber nicht. Vielmehr soll sie mit ihren sämmtlichen Derivirten beim Durchgange durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern, und es soll der Functionswerth für einen Punkt im Innern der einen oder der anderen Kugel nach einem noch vorzuschreibenden Gesetze mit dem Functionswerthe in einem entsprechenden Punkte ausserhalb der Kugel im Zusammenhange stehen.
Wir verbinden einen Punkt , der ausserhalb der ersten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte dieser Kugel und bezeichnen den Abstand mit . Alsdann suchen wir auf der Verbindungslinie den Punkt, dessen Entfernung von dem ersten Kugelmittelpunkte der Bedingung genügt:
(2) |
Dieser Punkt, der im Innern der ersten Kugel liegt, soll das Bild
|[191]des betrachteten äusseren Punktes genannt werden. Ebenso verbinden wir einen Punkt , der ausserhalb der zweiten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte derselben und bezeichnen den Abstand mit . Auf der Verbindungslinie suchen wir dann den Punkt, dessen Entfernung vom zweiten Kugelmittelpunkte an die Bedingung geknüpft ist:
(3) |
Diesen Punkt, der im Innern der zweiten Kugel liegt, nennen wir das Bild des äusseren Punktes.
Denken wir uns nun, die gesuchte Function sei für jeden Punkt des äusseren Raumes bereits hergestellt. Wir setzen sie ins Innere der ersten Kugel so fort, dass
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ist, und in das Innere der zweiten Kugel so, dass
(5) |
Die Indices und in der Gleichung (4) sollen andeuten, dass es sich um die Werthe der Function in den Abständen und vom ersten Kugelmittelpunkte handelt. Stillschweigend ist dabei vorausgesetzt, dass diese Abstände auf demselben Radius vector gezählt werden und dass sie die Gleichung (2) erfüllen. In entsprechender Weise hat man die Indices in der Gleichung (5) zu verstehen.
Durch die Gleichung (4) kann man sich die zweite Kugel innerhalb der ersten abbilden und hierauf durch die Gleichung (5) von diesem Bilde wieder das Bild innerhalb der zweiten Kugel herstellen. Fährt man auf diese Weise fort, indem man abwechselnd die Gleichungen (4) und (5) in Anwendung bringt, so ergeben sich Bilder, die wir der Reihe nach das erste, zweite und dritte Bild u. s. f. der zweiten Kugel nennen wollen. Es lässt sich leicht beweisen, dass alle Bilder kugelförmig sind, dass jedes folgende kleiner ist als das vorhergehende, und dass von den Bildern innerhalb derselben Kugel jedes folgende ganz innerhalb des vorhergehenden liegt. Wenn man also die Anwendung der Gleichungen (4) und (5) unaufhörlich wiederholt, so gelangt man in beiden Kugeln zu Bildern, deren Rauminhalt kleiner ist als jede angebbare Zahl. |[192]
Durch die Gleichung (4) wird die Function in das Innere der ersten Kugel fortgesetzt, und zwar zunächst so, dass nur das erste Bild der zweiten Kugel als der Raum übrig bleibt, innerhalb dessen die Function noch nicht bekannt ist. Wendet man dann die Gleichung (5) an, so bleibt innerhalb der zweiten Kugel nur ihr zweites Bild als das Gebiet übrig, für welches man die Function noch nicht kennt. Bringt man so fortfahrend die Gleichungen (4) und (5) abwechselnd in Anwendung, so kann man in beiden Kugeln das Gebiet, innerhalb dessen die Function unbekannt bleibt, beliebig klein machen und kleiner als irgend eine angebbare Zahl.
Es fragt sich nun, wo wird. Da die Function im ganzen äusseren Raume endlich ist, so kann ein Unendlichwerden nur im Innern der Kugeln eintreten. Und zwar sieht man zunächst aus Gleichung (4), dass wird für , und aus Gleichung (5), dass für . Denn für ist und endlich, und für ist und endlich. Folglich ergibt sich
Hieraus erkennt man , dass die Function unendlich wird in
beiden Kugelmittelpunkten. Nach Vorschrift der Gleichungen (4)
und (5) wird sie dann aber ebenfalls unendlich in den sämmtlichen
Bildpunkten sowohl des einen wie des anderen Kugelcentrums.
Diese Bildpunkte liegen innerhalb der Kugeln zwischen
beiden Mittelpunkten auf der Centrallinie, und ihre Anzahl ist für
jede der beiden Kugeln unendlich gross. Die Function kann
also aufgefasst werden als Potentialfunction, herrührend von elektrischen
Ladungen, die in den Kugelmittelpunkten und deren unendlich vielen Bildpunkten concentrirt sind.
Wir wollen die Punkte, in welchen die Function unendlich wird, in vier Gruppen abtheilen, nemlich
erstens: den Mittelpunkt der ersten Kugel und seine Bilder im Innern der ersten Kugel;
zweitens: die Bilder des ersten Kugelmittelpunktes im Innern der zweiten Kugel;
drittens: den Mittelpunkt der zweiten Kugel und seine Bilder im Innern der zweiten Kugel; |[193]
viertens: die Bilder des zweiten Kugelmittelpunktes im Innern der ersten Kugel.
Wir legen den Anfangspunkt eines rechtwinkligen Coordinatensystems in den Mittelpunkt der ersten Kugel und die Axe der positiven in die Centrallinie. Für sämmtliche Unstetigkeitspunkte ist dann und . Ihre erste Coordinate soll der Reihe nach bezeichnet werden für die erste Gruppe mit , für die zweite Gruppe mit , für die dritte Gruppe mit , und für die vierte Gruppe mit Die Elektricitätsmenge, welche wir in irgend einem der Unstetigkeitspunkte anzunehmen haben, möge mit dem Buchstaben bezeichnet werden, dem wir dieselben Indices beifügen, wie der -Coordinate des zugehörigen Punktes.
Nach §. 45, Gleichung (1) ist dann zu setzen:
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(7) |
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Die nächste Aufgabe besteht darin, für jeden Unstetigkeitspunkt
die beiden constanten Grössen zu bestimmen, welche seine Lage
und die in ihm concentrirt gedachte Elektricitätsmenge angeben.
Diese Aufgabe soll in den beiden nächsten Paragraphen behandelt
werden. Vorläufig beschränken wir uns auf eine Bemerkung, die
nicht unwichtig ist. Aus der Art, wie die Function in den
Kugelmittelpunkten unstetig wird, und aus dem Abbildungsgesetz
[Gleichungen (4) und (5)] geht nemlich hervor, dass sämmtliche
Elektricitätsmengen der ersten und der zweiten Gruppe proportional
der Grösse , und dass sämmtliche Elektricitätsmengen der dritten
und der vierten Gruppe proportional der Grösse sind. Es werden
also in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder
mit dem Factor , und in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder mit dem Factor behaftet sein.
- ↑ *) Ueber diese physikalische Bedeutung von vergleiche man die erste Anmerkung auf Seite 144. Der Umstand, dass Green dort die Einheit positiver Elektricität im Punkte concentrirt denkt, während hier gerade die entgegengesetzte Einheit verlangt wird, könnte auffällig erscheinen. Er ist aber leicht zu erklären. Bei elektrostatischen Kräften ist nemlich die Green'sche Potentialfunction gerade das Entgegengesetzte von dem, was hier als Potentialfunction definirt worden ist. Soll also eine und dieselbe Function (die Hülsfunction ) als eine Potentialfunction, herrührend von elektrostatischen Kräften, angesehen werden, so ist klar, dass man die fingirte Ladung mit entgegengesetzten Vorzeichen zu nehmen hat, je nachdem für die Potentialfunction die Definition von Green, oder die hier aufgestellte Definition in Anwendung kommen soll.