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Schreibens mit. Seiner Aufforderung folgend, begaben wir uns mit ihm zum Stadtgouverneur Kaïd Hadsch Amaza Ben Abd Sadek, einem Mauren von edler Gestalt, der uns wie früher freundlichst empfing. Er hatte zu unserer Bequemlichkeit Stühle beschaffen lassen und, während wir hier Platz nahmen, überreichte ihm der Konsul den kleinen Brief. Als der Kaïd sah, daß derselbe vom Sultan selbst herrührte, legte er ihn mit der Hand ans Gesicht, das Siegel wider die Stirn, und küßte die Unterschrift, während die Umstehenden ein „Allah erhalte den Sultan!“ murmelten. Nach dem Durchlesen des Schreibens sagte der Kaïd, der Sultan heiße uns in seinem Lande willkommen, gebe gern seine Erlaubnis zur Reise ins Innere und befehle ihm, uns dabei in jeder Weise zu unterstützen. Morgen, fuhr der Gouverneur fort, könnten wir unsere beabsichtigte Reise nach der Stadt Marokko antreten. Er werde sofort Empfehlungen vorausschicken und uns anmelden, uns auch drei Mokhasni (Polizeisoldaten) zur Begleitung mitgeben.

Nun ging es rasch an den Abschluß der Reisevorbereitungen und am andern Morgen folgte auf frühes Satteln ein spätes Reiten der kleinen Karawane. Sie bestand aus zehn Personen (dem Freiherrn Dr. K. von Fritsch, mir, einem Dolmetsch, zwei Dienern, den drei Soldaten und zwei Führern der Lasttiere) mit drei Pferden und fünf Maultieren. Die Diener gingen zu Fuß. Am Thor hatte sich eine große Schar von Neugierigen und von Bettlern eingefunden, welche gegen Bakschisch ihre guten Wünsche austauschten.

Der Weg von Mogador nach Marokko beträgt in gerader Linie ca. 190 km. Wie es gewöhnlich geschieht, so legten auch wir ihn in fünf Tagen zurück. Die Zeit ist eben in Marokko billig, und wer etwa eilen wollte, würde bald finden, daß er damit nicht durchkommt.

Unser Nachtquartier schlugen wir, wie auf unserer Weiterreise in den hohen Atlas, bald in der Kasbah eines Kaïd oder dem Hause eines Scheich[1], bald im Freien auf, zogen aber die Zeltwohnung im Olivenhain allen andern vor. Da waren wir schon des engen Raumes wegen mehr für uns, genossen die erfrischende nächtliche Kühle, wenn die trockene Sonnenhitze des Tages unser Gesicht gerötet und schmerzlich entzündet hatte, und den Gesang der zahlreichen Nachtigallen und Amseln ringsum. Doch hatten wir in dieser Beziehung, wie in unserer ganzen Bewegung, keineswegs immer freie Wahl. Des Sultans Empfehlungen machten uns zu Gästen seiner Beamten, und diese denselben


  1. Das Wort Scheich (Ältester, Distrikt- oder Ortsvorsteher) klingt aus dem Munde des Marokkaners genau so, wie der Züricher mit seinem gutturalen ch „Schich“ aussprechen würde.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Justus Rein: Über Marokko. Dietrich Reimer, Berlin 1887, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Marokko.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)