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Schandstein bedeutet den Stein, den die Frau tragen muß, welche eine andere geschändet, d. h. geschmäht hat[1]. Es ist jedoch auch möglich, daß das Wort von ‚Schande‘ abgeleitet werden muß, demnach: ‚Stein, den man zur Schande trägt‘. Das wäre ein Gegenstück zu schandstein ‚Pranger‘[2] ‚Stein, auf oder an dem man zur Schande steht‘. In der Bedeutung „Stein zum Tragen“ finden wir schandstein 1523 in Marienberg in Sachsen[3], 1532 im Braunschweiger Stadtrechte[4], 1620 in Ploen[5].

Die kakstene der Apenrader Skra[6] heißen so, weil sie am Kake (= Pranger) hingen. Im bremisch.-nieders. Wörterbuche[7] werden karksteene angeführt und dazu bemerkt: „weil sie etwa in den Kirchen aufbewahrt wurden und diese Strafe von dem geistlichen Ehegerichte auferlegt wurde.“ Im Nachtrage[8] ist dieser Gedanke aufgegeben, wohl aufgrund einer Bemerkung Dreyer’s[9], daß man statt kark- kaksteene lesen müsse.

Zu der Reihe von quellenmäßigen Bezeichnungen des in Rede stehenden Strafwerkzeuges tritt eine weitere Reihe von Namen, die man dem Steine in der Literatur gegeben hat.

Lapis vituperii[10], lapis famosus[11], lapis scandali[12] sind Übersetzungen


  1. Vgl. ‚Schandmaul‘.
  2. Melle, Gründliche Nachricht von Lübeck3 1787, S. 447. Dreyer, De littophoria, S. 16 will unterscheiden lasterstein = Stein zum Tragen und schandstein = Pranger. Das ist nicht möglich. Beide Worte kommen in beiden Bedeutungen vor.
  3. Saxonia 5.
  4. Braunschw. UrkB. 1, 313.
  5. Kinder, UrkB. z. Chronik d. Stadt Ploen, 1881 f., S. 34 f. Siehe ferner Schäfer W., Deutsche Städtewahrzeichen, 1, 53. – Schiller-Lübben, Mittelniederd. WB. 4, 45.
  6. Thorsen, Schlesw. StR., S. 167. – S. a. Schiller-Lübben, a. a. 0. 4, 385. Verwijs en Verdam, Middelnederl. Woordenb. 3, 11.
  7. Bremen 1767–71. Bd. 4, S. 1026 f.
  8. 5, 460.
  9. Antiquarische Anmerkungen. Lübeck 1792, S. 118.
  10. Stieler, d. deutschen Sprache Stammbaum u. Fortwachs, S. 2139 Lap. vit. hieß auch der Stein, auf dem fallirte Schuldner saßen. Grimm, RA.4 2, 162.
  11. Bocerus, de jurisdict. c. 5. n. 43 (1509). – Stieler, a. a. 0. – Krebs, Tractatus pol. jur. de ligno et lapide. 1756. S. 208.
  12. Dieselben.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)