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den bäuerlichen[1] Quellen Niederösterreichs[2]. Wenn wir diesen Nachrichten noch die spärlichen Belege aus Oberösterreich, Südböhmen, Steiermark, Salzburg, Tirol und Bayern angliedern, so ergibt sich eine Gruppe von Rechtsaufzeichnungen, die ein bestimmtes einheitliches Bild gewähren, das sich von der Entwicklung der Steinstrafe in den andern Rechtskreisen in einigen Punkten wesentlich unterscheidet[3].

1. Nur im bayrischen Sprachgebiete heißt der Stein Bagstein, er trägt aber auch mit ganz geringen Ausnahmen stets diesen Namen.

2. Der Bagstein wird von Frauen getragen. Anderwärts tragen auch Männer Schandsteine.

3. Das Delikt, wofür die Strafe auferlegt wird, ist in dem angeführten Rechtsgebiet fast ausschließlich Frauengezänke. In vielen andern deutschen Rechten ist die Entwicklung dahin gegangen, daß das Steintragen eine ganz allgemeine Strafe wurde. Folgende Delikte wurden mit dem Schand- oder Lastersteine bestraft: Schmähbriefe, Spottlieder, freventliches Schwören, Gotteslästerung, Verdacht der Hexerei, Kindesmord, Ehebruch, Kuppelei, Hehlerei, Fundverheimlichung, Diebstahl, Betrug, Spiel. Namentlich Ehebruch wird häufig so gestraft. Im Norden Europas hatte diese Strafe ihre besondere Entwicklung[4].

4. Im Gebiete des Bagsteins ist nichts von einer besonderen Tracht der Verurteilten gesagt. Anderwärts ist häufig das Büßerhemd


  1. In den Städten war das Steintragen vermutlich auch üblich. Vgl. das unten § 10a über die Wr Neustädter Harmschar Gesagte. Auch das Münchner Stadtrecht spricht nicht über den Strafstein, und doch ist das Vorkommen desselben dort bezeugt. Es gab ja auch Gewohnheitsrecht. Ain frawenfrevel ist nit gesetzs. wirt damit gehalten wie der richter nach gestalt der sachen erkhennt. 1575. Reyscher, Samml. altwürtemb.StatR. Tüb. 1824, S. 208.
  2. Es kommen in erster Linie die bisher erschienenen 2 Bände der Niederösterr. Weistümer (ÖW. 7. u. 8. hgg. v. Winter) in Betracht. Solange der 3. Band (Viertel ob dem Wiener Wald) nicht erschienen ist, sind auch die Sammlungen von Kaltenbaek (Pan- u. Bergteidingbücher Nieder-Österr. 2 Bde., Wien 1846 f. und Zahn (Archiv. f. Kunde österr. Geschichtsquellen 25 (1860) S. 1 ff.) heranzuziehen.
  3. Die Nachweise zu den folgenden Behauptungen sind, soweit sie den Bagstein betreffen, in der vorliegenden Arbeit gebracht; soweit es sich um das außerösterr. Rechtsgebiet handelt, wird sich in einer späteren Untersuchung Gelegenheit bieten, ins Detail einzugehen.
  4. Vgl. Grimm, RA.4 2,317.
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Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)