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II

Der Bagstein

§ 4. Das Steintragen als Frauenstrafe

Das Steintragen war von jeher eine besondre Frauenstrafe[1] und ist es im Gebiete des Bagsteins auch geblieben.

Diese Strafe hatte ihren Ursprung[2] in der Verknechtung, bezw. Strafarbeit zahlungsunfähiger Übeltäterinnen. Die Zahlungsunfähigkeit lag aber nicht nur dann vor, wenn die Frau arm war, sondern auch dann, wenn ihr Geschlechtsvormund für sie nicht zahlen wollte; der Hauptgrund für das Fortbestehen dieser Ehrenstrafe war also die geminderte Vermögensfähigkeit der bevormundeten Frau. Die Witwe, die auch sonst eine gewisse Selbständigkeit genoß, wurde oft den Männern gleich geachtet[3]. Für Delikte, deren Begehung die Männer mit einer Geldstrafe büßten, trugen Frauen den Stein[4]. Es lag dieser Rechtssatz im Interesse des Hausherrn. Er sollte durch Vergehen seiner Frau keine namhafte Vermögensschädigung erleiden[5]. Ebenso wie ein Höchstbetrag festgesetzt war, bis zu welchem man der Ehefrau borgen durfte, sodaß sie z. B. nur eine geringe Summe vertrinken[6] konnte,


  1. Der [Handmühl-]stein war eben ein Symbol weiblicher Arbeit. s. § 10b.
  2. S. unten § 10a.
  3. ÖW. 8, 605 Eggenburg: bei den … tadingen sollen sein man, witben und nonnen – –. ÖW. 8, 100 Drösing 1469: ain wittib … mag so vill verwandeln alß ain mann. – ÖW. 8, 147 Hörersdorf 1512: Wie ain wittib handelt, darnach soll si pueßen. – ÖW. 8, 23 Wolfpassing c. 1630: Es mag auch ein frome fridsame frau nit mehr vertrinken als 32 ₰, ein wittib die ihrer selbst ist alß vil alß ein mann.
  4. ÖW. 5, 359 Latzfons u. Verdings [Tirol] 1539. lugpan – – da ist ain man … vervallen funfzig phunt und ain waib sol den pagstain tragen. Dies statt vieler Beispiele. Vgl. Text Laa, Anhang 11.
  5. S. a. Köstlin, Ehrverletzung nach deutschem Recht ZDR. 15, 431. Pfenninger, Strafr. d. Schweiz S. 63.
  6. ÖW. 7, 464. Heiligenkreuzer Generale 15. Jh.: Item, ob ain weib hinz ainem leutgeben vertrunk rok mantl slair – – ân ires mannes willen una wissen, sol ir der leutgeb niehtz mer darauf porgen dann 12 ₰. – Das jüngere Weistum von Wolfpassing (s. Note 3) setzte 32 ₰ fest. – 72 ₰ sind die Grenze im [16] Amt O. u. U.-Rohrbach, 16. Jh. (ÖW. 8, 417). – Der Wirt wurde sogar bußfällig, wenn er mehr verabfolgte. ÖW. 8, 320. Eipeltau 1512.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)