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an den Ursprung der germanischen Steintragungsstrafe verschwunden war, als Urbild aufgefaßt wurde. Die Geistlichkeit erklärte eben alle Rechtsätze aus der Bibel.

Die angelsächsischen Bußordnungen[1] und das auf ihnen beruhende Poenitentiale XXXV cap.[2], bringen das Zitat aus dem Matthäus-Evangelium bei den Bestimmungen über Feiertagsentheiligung und Fastenbuße: Si frequenter consuetudinem per hoc fecerit, exterminabitur ab aecclesia Domino dicente: Qui scandalizaverit unum de pusillis istis qui in me credunt, expedit ei, ut appendatur mola asinaria collo eius et cetera[3]. Wenn wir diese Stelle mit den entsprechenden der Lex Alamanorum [38. – quia noluit Deo vacare, in sempiternum servus permaneat] und der Lex Baiuvariorum [App. 1, 1. sit servus, qui noluit in die sancto liber esse] zusammenhalten, so will mir scheinen, daß die Anführung der Bibelstelle im Poenitentiale zwar nicht ganz hinpaßt, daß sie aber für die Frage nach den Anfängen des Steintragens von größter Wichtigkeit ist. Das exterminari ab ecclesia geschah nicht durch Ersäufen, deshalb brauchte der Mühlstein nicht erwähnt zu werden. Seine Erwähnung könnte aber eine Andeutung der Strafknechtschaft als Mühlknecht oder Mühlmagd sein. Jedenfalls wäre in der Weise das Bibelzitat in diesem Zusammenhange am ehesten verständlich. Und die bereits oben ausgesprochene Vermutung[4], daß die Volksrechte hier von ihrer Vorlage nur der Form nach, nicht dem Inhalt nach abweichen, ist wohl am Platze. Die Begründung der Strafe ist in den Volksrechten viel sinnentsprechender als in den Bußbüchern. Möglicherweise ist diese Begründung absichtlich geändert und gebessert worden. –

Wenn man die auf das Steintragen bezüglichen Quellen daraufhin untersucht, ob sie Gebräuche enthalten, die auf ein ehemaliges Ertränken[5] hinweisen, so lassen sich keine festen


  1. Wasserschleben Die Bußordnungen d. abendländ. Kirche 168; 196; 489.
  2. Das war auch in Österreich in Gebrauch. (Wien und Heiligenkreuz). Wasserchleben a. a. O. 505, Anmerkung.
  3. Wasserschleben a. a. O. 524.
  4. S. oben S. 38 Note 1.
  5. Klöpper Französisches Reallexikon führt (3. 128) das Steintragen an und schließt die Beschreibung desselben so: „Darnach entkleidete man [43] sie [d. h. die Übeltäterin] und tauchte sie ins Wasser. Du Cange s. lapis.“ Bei Du Cange steht nichts davon und auch sonst habe ich keine derartige Quellenstelle gefunden.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)