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auch die äußere Gestalt war vielfach die von Gewichten[1]. Ja es wäre nicht undenkbar, daß ursprünglich in der Regel, und später noch in Orten, die keine eigens für Strafzwecke bestimmten Steine hatten, die öffentlichen Marktgewichte[2] beim Strafvollzug verwendet worden sind. So einfach und durch ihre Einfachheit bestechend die Ableitung der Schandsteine von Steingewichten auch ist, so bietet sie doch keine befriedigende Lösung der Frage. Namentlich gibt sie darauf keine Antwort, warum das Steintragen vorzüglich eine Frauenstrafe ist. Man müßte sich damit behelfen, daß man eine Ausdehnung einer ursprünglichen bloßen Standesstrafe für Marktweiber (als deren Berufszeichen die Gewichte gelten könnten) annimmt. In späterer Zeit ist wohl in manchen Städten das Steintragen hauptsächlich Strafe für Marktfrauen; für die frühesten Quellen wird es sich jedoch nicht nachweisen lassen.


c) Der Stein als Symbol der Buße?

Der Stein könnte auch als Ersatz der Buße aufgefaßt werden, an deren Stelle er bei Nichtzahlung tritt. So wie eine Schenkung erst dann giltig und unwiderruflich war, wenn eine, wenn auch wertlose, Gegenschenkung erfolgt war, so gab es keine Versöhnung ohne Buße. Dem an sich wertlosen Launegild würde in unsrem Falle die Bußzahlung mit dem wertlosen Stein entsprechen. Als Bußen kommen in Betracht: Geld, Wachs und Getreide. Die Tatsache, daß im Geldverkehr Pfund und Stein übliche Bezeichnungen waren, Wachs nach Pfunden oder Steinen gemessen wurde, Getreide ebenfalls nach Steinen, verlockt nun zu der Annahme, daß die Unvermögenden, um doch eine Buße zu leisten, statt Geld oder Geldeswert den Stein als Scheinersatz tragen mußten. Besonders in den Fällen, wo der Stein zum Haus der Beleidigten[3],


  1. S. oben S. 2.
  2. S. oben S. 8 f. über den Namen wagstain.
  3. Herzogenburg 1566 (Anhang 9). Vgl. S. 28.
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Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)