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Heute hat das Haus Oesterreich nur noch zwei männliche Sprossen, Kaiser Leopold und König Karl von Spanien, dem nur sehr Wenige ein langes Leben in Aussicht stellen. So wünschen denn viele Deutsche, daß Leopolds Ehe mit männlicher Nachkommenschaft gesegnet sein möge, da sie fürchten, daß die Todtenopfer für den letzten Sproß eines so glorreichen Geschlechtes in allzu verderblichen Kämpfen bestehen werden.

§. 5. Die Wittelsbacher.

Das Geschlecht der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Baiern steht an Alter keinem nach. Ihr Gebiet umfaßt einen weiten Landstrich von den Alpen bis zur Mosel und außerdem zwei Herzogthümer an der niederländischen Grenze. Von den beiden Linien dieses Hauses besitzt die Wilhelmische seit langer Zeit das durch seinen Reichthum hochberühmte Herzogthum Baiern, wozu im letzten Kriege noch die Kurwürde und die der anderen Linie entrissene Oberpfalz hinzukamen. Außerdem haben seit fast einem Jahrhundert bairische Prinzen das Kölner Kurfürstenthum inne, und der jetzige Kurfürst besitzt noch dazu die Bisthümer Lüttich und Hildesheim.

Die zweite, die Rudolfinische Linie theilt sich wieder in mehrere Zweige. Ihr Haupt, der Kurfürst von der Pfalz, besitzt noch die Unterpfalz, einen der fruchtbarsten und anmuthigsten Landstriche Deutschlands. Dem Pfalzgrafen von Neuburg gehören außer seinem Gebiete an der Donau die Herzogthümer Jülich und Berg; während die Pfalzgrafen von Sulzbach, Simmern, Zweibrücken, Birkenfeld und Lautereck nur über unbedeutende Ländchen herrschen. Doch stammt aus dem Zweibrückischen Zweige Karl Gustav, König von Schweden, dessen Nachkomme, der jetzige König Karl, seit dem Osnabrückischen Frieden auch in Deutschland die Herzogthümer Bremen und Verden, Pommern mit Stettin, das Fürstenthum Rügen und die Herrschaft Wismar besitzt.

Heute zeichnet sich das ganze Geschlecht durch besonders rühmenswerthe und treffliche Fürsten aus. Denn die bairischen Fürsten sind wegen ihrer Frömmigkeit berühmt; den Kurfürsten von der Pfalz aber zählt man wegen seiner vorzüglichen Gaben und wegen seiner seltenen Weisheit mit Recht zu den Zierden der Nation;[1] weiter gilt auch der Neuburger für einen der klügsten deutschen Fürsten,[2] und viele prophezeien ihm die polnische Krone, weniger wegen seiner Verwandtschaft mit der regierenden polnischen Dynastie, als weil sie ihn für den würdigsten halten. Endlich ist auch Prinz Ruprecht von der Pfalz als Seeheld berühmt.

  1. Die Parallele mit dem frommen Kurfürst Ferdinand Maria von Baiern, der, wie man meinte, sich sehr wenig um weltliche Dinge kümmerte, dient dazu, das Verdienst Karl Ludwigs von der Pfalz um so bedeutender erscheinen zu lassen.
  2. Es ist Philipp Wilhelm, der 1690 als Kurfürst starb. Er war der Schwiegervater des Sohnes von Johann Sobiesky: seine Pläne auf die polnische Krone sind aber bekanntlich gescheitert.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/45&oldid=- (Version vom 28.10.2018)