Seite:13 Ausführlicher Bericht.jpg

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angestellet, und ist folgender massen eingerichtet. Erstlich, so singen wir ein Lied, worzu einem jedweden ein Gesang-Buch mitgetheilet wird; nachmals thun wir ein Gebet. Hierauf wird nach der Ordnung ein Capitel auß dem Neuen Testament gelesen, und alsdann so viel Verse darauß erkläret, als es die Enge der Zeit zulassen will. Endlich wird auf die gehandelte Materie ein Gebet gethan, darinnen sonderlich auch um das Wohlseyn unsers allergnädigsten Königes und seines gantzen hohen Königlichen Hauses gebeten wird: deßgleichen auch um gesegneten Fortgang dieses Werckes unter den Heyden, und um die gantze Christenheit etc. Hierauf wird endlich mit einem Liede geschlossen.      Auf solche Art haben wir dergleichen Betstunden bis hieher täglich in grossem Segen continuiret, und sind in Erklärung des Neuen Testaments gekommen bis auf die Apostel-Geschichte, die aber nunmehro auch bald zum Ende sind. Es ist selbige von vielen stets sehr fleißig besuchet worden, so, daß oftmals kein Raum gewesen zu sitzen. Auch selbsten der Herr Commendant hat selbige unterschiedliche mal besuchet, und davon sehr wohl gesprochen, und sich verwundert, wie wirs doch täglich also außhalten könten. Aber wir können wol mit Warheit sagen, daß wir uns recht freuen, wenn nunmehro 5. Uhr heran nahet, um daß wir uns darinnen ein wenig wieder sammlen und erqvicken können, da man sonsten den gantzen Tag über fast mit lauter Sprachen zu thun, und oftmals lauter solche Sachen zu verrichten hat, die lauter Zerstreuung des Gemüths mit sich führen.      Uberdiß stossen uns fast täglich allerley harte Prüfungen zu, welche aber solcher Gestalt sehr können erleichtert werden, wenn man nicht nur allein für sich, sondern auch in Gegenwart vieler andern das Wort GOttes stets betrachtet, und sich allezeit mit dem Gebet wapnet. Wir haben auch empfunden, daß, je williger wir gewesen mit unsern wenigen Gaben zu wuchern, je mehr Kraft und Gnade uns GOtt mitgetheilet habe. Wie es dann nicht wohl möglich wäre, daß wir unter unsern so vielfältigen Geschäften aushalten, oder bey Leibes-Kräften bleiben könten, wenn nicht der gnädige GOtt uns mit seiner überschwenglichen Kraft und Beystand unterhielte: welches so wohl Christen als auch Heyden und Mahometaner bekennen müssen. Werden wir anders nur GOtt getreu dienen, und in seiner Furcht leben und wandeln; so wird er uns hinkünftig ferner beystehen, und uns in keinem

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Bartholomäus Ziegenbalg: Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht. Halle: Verlegung des Wäysenhauses, 1710, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:13_Ausf%C3%BChrlicher_Bericht.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2018)