Seite:15 Ausführlicher Bericht.jpg

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lassen, so daß kein Wort oder Redens-Art darinnen zu finden, welche ich nicht wüste und imitiren könte. Diese Ubung hat mich in dieser Sprache zu einer grossen Gewißheit und Solidität gebracht.      Von 8. bis 9. Uhr speise ich, und lasse mir abermal auß der Heil. Bibel vorlesen. Nachdem stelle ich ein klein Examen mit meinen Kindern an, auch mit mir selbsten über alle demjenigen, was den Tag über unter Händen gewesen ist, und beschliesse also alle meine Arbeit mit einem Gebet und Gesang. Dieses ist also meine tägliche Ordnung in meinen Amts-Geschäften; worinnen ich aber gestöret werde an allen Kirch-Tagen, so daß ich nicht juste darnach verfahren kan. Uberdiß so habe ich auch fast täglich einen starcken Zuspruch von Malabaren und Mohren, denen ich es niemals abschlagen kan, wenn sie mit mir zu sprechen verlangen, sintemal ich dadurch allenthalben hie herum gantz bekant worden bin, also daß nunmehro oftmals einige Malabarische Poeten von weiten hieher kommen, um mit mir zu discurriren und Bekantschaft zu machen.      Ich selbsten nehme mir auch dann und wann Gelegenheit, unter ihnen diesen oder jenen zu besuchen. Sonderlich befleißige ich mich oftmals in ihre Schulen zu gehen, und auf die herum liegende Städtlein und Dörfer: da ich allenthalben stets eine grosse Menge Malabaren und Moren um mich habe, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Unerachtet aber, daß sie beydes mit ihrer Lehre und Leben in grossen Irrthümern und starcker Finsterniß einher gehen, so muß ich doch gestehen, daß ich auß ihren discursen oftmals zu einem grossen Nachdencken über diese und jene Materie bewogen worden, und also alhier unter den Heyden so wohl in Theologicis als auch Philosophicis vieles erfahren habe, woran ich, oder sonsten andere Gelehrten niemals hätten dencken können.      Ich erinnere mich, daß unterschiedliche Gelehrte in Europa etwas von der Art und Weyse die Heyden zu bekehren, geschrieben haben; aber sie haben gut schreiben gehabt, da sie nur allein mit sich selbst argumentirt haben. Solten sie selbsten unter die Heyden kommen, und ihres Zustandes sich recht erkundigen, so würden sie erfahren, daß solche Heyden auf ein argument oft zehen andere zu machen wüsten. Dahero ist eine grosse Weisheit vonnöthen mit solchen Heyden umzugehen, und sie zu einer rechten Uberzeugung zu bringen, daß ihr Heydenthum falsch, und unser Christenthum wahr sey.

Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg: Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht. Halle: Verlegung des Wäysenhauses, 1710, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:15_Ausf%C3%BChrlicher_Bericht.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2018)