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Erheiterungen, Belletristisches Beiblatt zur Aschaffenburger Zeitung

steigert sich die Gefahr, sobald die Kettenschiffgesellschaft eigene Schleppkähne besitzt und nicht bloß die Beförderung von Fahrzeugen, sondern auch die Spedition von Gütern auf eigene Rechnung übernimmt. Dann liegt die Untersuchung für die Gesellschaft sehr nahe, zunächst ihre eigenen Güter zu verfrachten, d. h. ihre eigenen Transportfahrzeuge zu schleppen und dann erst die fremden Schiffe zu befördern. Sehr bald wird der Handel wahrnehmen, daß es sich empfiehlt, die Güter der Wasserfracht, welche rasch befördert werden sollen, der Kettenschleppschifffahrts-Gesellschaft zu eigener Spedition zu übergeben, und dann wird der Flußschiffer doppelt benachtheiligt sein.

Um den genannten Uebelständen zu begegnen, dürfte es kaum ein anderes Mittel geben, als den Kettenschiff-Gesellschaften zur Kompensation für das mit der Konzessionsertheilung faktisch erlangte Betriebsmonopol die Spedition von Schiffsgütern auf eigene Rechnung ganz zu untersagen. In der sächsischen Konzessionsurkunde der Kettenschleppschifffahrt der Oberelbe, die, wie nebenbei bemerkt werden mag, eigene Schleppkähne gar nicht besitzt, befindet sich die Bestimmung, daß von der Gesellschaft, falls sie sich selbst mit Speditionsgeschäften befassen wolle, stets den fremden Fahrzeugen den Vorzug der Beförderung vor den eigenen zu geben gehalten sei. Was für die sächsische Schifffahrt zur Zeit ganz unbedenklich ist, eben weil die Kettenschifffahrt der Oberelbe keine eigenen Fahrzeuge für den Transport besitzt, gilt aber schon nicht mehr für Böhmen. Hier hat die Prager Dampfschifffahrts-Gesellschaft die Konzession für den Betrieb mittelst Kette erlangt. Die genannte Gesellschaft betreibt mit etwa 50 eigenen Fahrzeugen selbstständige Speditionsgeschäfte, und bezeichnend genug, sie hat sich lange dagegen gesträubt, jene Bestimmung, welche fremden Fahrzeugen den Vorzug in der Beförderung einräumt, als verbindlich anzuerkennen. Schließlich hat die österreichische Regierung namentlich auf lebhafte Befürwortung der Dresdener Handelskammer und des sächsischen Schifferstandes doch noch die Annahme dieser vorbeugenden Bestimmung dekretirt. Ob dieselbe stets zu überwachen sein wird, muß die Zukunft lehren.

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: Erheiterungen, Belletristisches Beiblatt zur Aschaffenburger Zeitung. Wailandt, 1872, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1872_Erheiterungen_Belletristisches_Beiblatt_zur_Aschaffenburger_Zeitung.pdf/8&oldid=- (Version vom 10.2.2018)