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Letztere Art des Schiffschleppens, das Bugsiren (die Touage, Towage), wobei der Dampfer (Remorqueur) einen festen Widerhalt am Kanal- oder Flussboden findet, ist ein bei Weitem zweckmässigeres, vortheilhafteres Verfahren, als wenn man den freien Dampfer mit Ruderrädern oder Schrauben versieht, weil letzteren beiden zum Fortlaufe im Wasser der feste Angriffspunkt fehlt. Durch Experimente und Schätzungen hat man gefunden, dass beim Ketten- oder Seildampfer von der Arbeit, welche die Betriebsmaschine überträgt, nur etwa 5 Procent durch Reibungen und Steifigkeiten der Ketten oder Seile, sowie durch Vergrösserung des Deplacements verloren geht, während dieser Verlust bei Rad- und Schraubendampfern, weil diese sich beim Umdrehen gegen eine flüssige, ausweichende Masse stützen, 40 bis 50 Procent betragen kann.[1]

Die Idee, ein Schiff durch ein Seil zum Fortlauf zu zwingen, dessen eines Ende in dem zu durchfahrenden Wasser befestigt wird, während man das andere Ende auf dem Schiffe, unter Ausübung einer entsprechenden Zugkraft, aufwickelt, ist nicht neu, scheint vielmehr bereits 1732 von dem bekannten französischen Feldherrn Maréchal de Saxe nicht nur ausgesprochen, sondern auch verwirklicht (versucht) worden zu sein.[2] In hinlänglich grossem Maassstabe wurde diese Bugsirmethode jedoch erst 1820 in Lyon auf der Saône von den Franzosen Tourasse und Courteaut in Anwendung gebracht.[3] Auf einem Schlepper (toueur) mit flachem Boden, dessen Länge 23 Meter betrug und der 5,20 Meter Breite hatte, befestigte man eine Plattform zur Aufnahme eines sechsspännigen Pferdegöpels, wodurch eine geeignete Seiltrommel in Umdrehung gesetzt und das freie Ende eines Hanfseiles von 56 Millimeter Dicke gehörig aufgewunden wurde. Die Fortbewegung geschah jedoch nur streckenweise in der Art, dass, während das Schiff eine Strecke von 1 Kilometer befuhr, eine zweite solche Strecke vorweg erst mit einer gleich


  1. Man sehe hierüber namentlich das vorher (Seite 178, Note 1, a) citirte Werk Armengaud’s (S. 146 und 149).
  2. In der Description des Brevets expirée, Tome XI (1825), findet sich S. 18 die betreffende Anordnung von Tourasse et Courteaut unter der Ueberschrift: „Halage mobile“. Das Brevet auf die Erfindung datirt vom 8. März 1819. Ein zweites Brevet wurde unterm 29. April 1824 ertheilt und findet sich in derselben Quelle Tome XVIII, S. 41.
  3. Armengaud a. a. O. S. 149.
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Moritz Rühlmann: Ketten oder Seile als Dampfschiffspropeller. C.A. Schwetschke und Sohn, Braunschweig 1875, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1875_Ketten_oder_Seile_als_Dampfschiffspropeller.pdf/4&oldid=- (Version vom 15.8.2018)