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Kähne weiter befördert. – Alle derartige Einrichtungen setzen indess einen entwickelten Verkehr voraus.

Ob die Kettenschiffahrt sich in den auf Flüssen herausgebildeten Formen für den Betrieb von Schiffahrtscanälen eignet, erscheint uns fraglich und zwar aus folgenden Gründen:

  1. In ruhendem Wasser weist ein Kettenschlepper nicht viel mehr Nutzeffect auf wie ein freifahrender Dampfer.
  2. Ein Schiffszug erfordert aller Wahrscheinlichkeit nach ein grösseres Wasserprofil des Canales als ein einzeln fahrendes Schiff.
  3. Canalschleusen kann man im Allgemeinen nicht in der Weise, wie die Schleusen canalisirter Flussstrecken mit sehr langen Kammern versehen, weil das zur Verfügung stehende Speisewasser solches nicht zu gestatten pflegt. Man wird die Länge derselben höchstens für zwei Kähne bemessen.
  4. Die Kettenschiffahrt lässt sich auf Canälen nur für diejenigen Strecken einrichten, welche wenig Schleusen haben, in der Regel also nicht für die ganze Erstreckung des Canals, falls derselbe in üblicher Weise angelegt ist. Ein Wechsel der Betriebsart bedingt aber grossen Zeitverlust.

Es ist indess auf Schiffahrtscanälen die Schiffahrt an der Kette und namentlich am Seil, welches im vorliegenden Falle wohl ohne Frage den Vorzug verdient, bei verschiedenen Gelegenheiten mit Erfolg zur Ausführung gekommen und es lassen sich die Bedingungen für eine weitergehende Anwendung derselben leicht bezeichnen.

In erstgenannter Beziehung ist zu bemerken, dass während der Herstellung des Suez-Canals auf dem Süsswasser-Canale zwischen dem Nil und Ismailia Seilschiffahrt für Materialtransporte mit Erfolg eingerichtet war, dass man auf dem Bridgewater-Canale, welcher bei 60 Km Länge 10 Schleusen hat, dieselbe einführte und dass auf der Scheitelstrecke des Canals St. Quentin, der die Schelde mit der Somme verbindet, insbesondere beim Passiren des dortigen Canaltunnels mit der Seilschiffahrt sehr günstige Erfahrungen gemacht sind.[1]

Die Bedingungen für eine weitergehende Anwendung der Seilschiffahrt auf Canälen, bezw. die für die Canäle zu wählenden Formen derselben dürften folgende sein:

  1. Herstellung langer Haltungen, somit Concentrirung der Gefälle, soweit nur immer möglich.
  2. Ausbildung des s. g. Systems Bouquié für den Canalbetrieb. Bei demselben wird bekanntlich der Motor transportabel angeordnet und auf dem Canalschiff nach Bedarf befestigt. Die Beförderung der Schiffe findet einzeln oder wohl besser zu je zweien statt, so dass ein Schiff geschleppt wird.
  3. Auslegung zweier Seile in den Canal, von denen das eine bei der Hinfahrt, das andere bei der Rückfahrt dient.

Wenn bei einer neuen Canalanlage die Anordnungen so getroffen werden könnten, dass an keiner Stelle Leinenzug benutzt zu werden brauchte, so wäre aller Wahrscheinlichkeit nach von der Seilschiffahrt ein durchschlagender Erfolg zu erwarten.

Hinsichtlich der Kosten des Betriebes der Kettenschiffahrt verweisen wir auf die betreffenden Mittheilungen: Deutsche Bauzeitung 1871, S. 4; daselbst 1877, S. 222.


  1. Vergl. Ann. des ponts et chaussées. 1863, S. 328.
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Ed. Sonne: Ketten- und Seilschleppschiffahrt. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1879, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1879_Ketten-_und_Seilschleppschiffahrt.pdf/5&oldid=- (Version vom 15.8.2018)