Seite:Acht Umrisse zu Schillers Fridolin oder der Gang nach dem Eisenhammer von Moritz Retzsch.pdf/5

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eine sehr erfreuliche Art befriedigt finden. Einige Andeutungen über die Motive und die Auffassung in den einzelnen Blättern wird die Wissenden freilich nicht klüger machen. Doch gibt es nicht bloß in des bekannten italienischen Kunstrichters Miliza arre di vedere eine Anweisung zur Kunstschau. Sie kann für alle, welche Eile haben oder sonst zerstreut sind, auch heute wohl noch stattfinden. Das

Erste Blatt


führt uns die Personen des Dramas, das hier gespielt werden soll, vor’s Auge. In den gemalten Bildern, die sich bei einigen der ältesten Handschriften des römischen Lustspieldichters, des Terenz, befinden, sehen wir vor jeder Comödie, wie auf einem in Fachwerk abgetheilten Gerüste die sämmtlichen Personen des Stückes als in einem antiken Comödienzettel, aufgeführt. Es sind aber nur die Köpfe mit den Charaktermasken, die in jener alten Bühnenrepräsentation festbestehend und auf den ersten Blick zu erkennen waren. Unser Retzsch stellt uns nun auch in seiner Manier die sämmtlichen, in dieser Ballade handelnden Personen in diesem ersten einleitenden Blatt auf Vor- und Hintergrund. Denn mit Ausschluß der Knechte des Eisenhammers, die zu tief stehen, um hier einen Platz einnehmen zu können, sind alle hier Handelnden in den, wo möglich, ungesuchtesten Gruppirungen auf diesem Blatt vertheilt. Im Hintergrunde läßt sich der Graf einen Gaul vorreiten. Es soll zur Jagd gehen, und das feurigste Roß im Marstall soll auch das zuverlässigste seyn. Im Mittelgrund sehen wir die Wärterin mit dem jungen Herrlein auf dem Schooß. Sie macht den Knaben auf das Roß, welches hier auf dem Vorplatz des Schlosses herumgetummelt wird, aufmerksam. Er klatscht in kindlicher Freude – es fließt ja Ritterblut in ihm – in die Hände. Im Vorgrund gestattet die Huld der Gräfin von Savern dem holden Pagen den Handkuß wegen seiner sich nie genügenden Dienstbeflissenheit. Ihr Blick ruht mit Wohlgefallen auf ihm.

Ihr klares Auge mit Vergnügen
Hängt an den wohlgestalten Zügen.

Die harmlose Gunstbezeugung belauert der Jäger Robert. Neid und Eifersucht haben ihm ihre Schlangen in die Brust geworfen. Er beschließt, durch seine giftigen Einflüsterungen beide zu verderben. Der Entschluß, zum Mordgedanken gereift, zuckt in beiden krampfhaft geballten Fäusten.

Nun beginnt die Handlung. Das

Zweite Blatt


ist voll Leben und Ausdruck. Die Jagd ist vorbei. Zur eigentlichen Hatz, die nur als echte Kynegetik mit Hunden und Armbogen (Archery) gehalten wird, gesellt sich in der Zeit, wohin wir diese Balladen versetzen müssen, die hochritterliche Falkenierkunst, welche Walter Scott in einigen seiner schottischen Ritterromane (im Kloster und Abt) so sinnreich wieder erweckt, Washington Irwing in seinem Bracebridgehall mit so vielem Humor parodirt hat. Das zurückkehrende Jagdgefolge zieht den innern Burgweg hinauf. Der Falkenier führt das auch jetzt noch sich bäumende Leibroß ab. Denn der Graf ist abgestiegen. Diesen günstigen Augenblick erhascht der heimtückische Robert, um ihm das Gift des Argwohns ins Ohr zu träufeln. Denn mit verstohlener Arglist macht er seinen Gebieter auf die oben, mit dem Kinde auf dem Arme, sich im Freien ergehende Gräfin Kunigunde und ihre huldvolle Rücksprache mit Fridolin aufmerksam.

Die Sehne schwirrt. Es trifft der Pfeil ins Herz!

Man wird den Gegensatz nicht übersehen, den der Künstler dadurch zu bewirken sucht, daß er das zum innern Burgthor hinanziehende, mit Beute beladene Jagdgefolge in behaglicher Ruhe seinen Weg verfolgend uns vorüberführt, um den Affekt der beiden Hauptfiguren im Vorgrunde und den Tumult, der sich in den Mienen des Grafen malt, dadurch noch mehr hervorzuheben. Der Künstler, der diesen Namen verdient, ist selbst in den kleinsten Nebenwerken noch bedeutsam. So wird man das wahre Wappen des Grafen von Savern, wie es in alten Wappenbüchern aufgefunden wurde, in der Ecke der gestickten Pferdedecke nicht unbeachtet lassen. Das

Dritte Blatt


versetzt uns in die rauhe Waldgegend des Eisenhammers. Der Graf ertheilt den unglücksschwangern Befehl. In der Stellung und in den Mienen der zwei den hohen Ofen beschickenden Knechte sucht der Künstler offenbar weniger Mordlust und Schadenfreude, als gefühllosen Stumpfsinn und jene Brutalität auszudrücken, die sich allein einem so empörenden Mordbefehl willenlos fügt und hingibt. Die rohe Henkerslust soll uns erst beim Vollstrecken des Befehls in einem nachfolgenden