Seite:Acht Umrisse zu Schillers Fridolin oder der Gang nach dem Eisenhammer von Moritz Retzsch.pdf/6

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Blatt vors Auge kommen. Jetzt bestrebte sich der verständig steigernde Zeichner nur die Worte des Dichters wiederzugeben:

Gefühllos, wie das Eisen, war
Das Herz in ihrer Brust.

Waldteufel sind es allerdings. Aber die teuflische Natur derselben ist durch die seltene Erscheinung des Gebieters gleichsam gefesselt. Das Ungewöhnliche, das im Besuch des Grafen liegt, macht die Neugier eines dritten Knechts rege.

Wie kontrastirt damit die rührende Situation, die uns im

Vierten Blatt


im Schlosse aufgethan wird, ein Himmelreich, wo der Engel Häuslichkeit und die holdeste der christlichen, von der neuern Kunst rührend gestalteten Tugenden, die Mutterliebe, die Carita, wohnt. Die Wiege des erkrankten Herrleins ist, um die zwei Lebensquellen, die freie Luft und den erquickenden Sonnenschein, die über alle Arznei Heil und Gesundheit spenden, reichlicher fließen zu lassen, in eine Vorhalle gesetzt worden. Hier empfängt Fridolin in demüthig-ehrerbietiger Stellung den Auftrag der frommen Herrin. Wovon in diesem Auftrag die Rede sey, braucht uns nicht das Wort des Dichters anzukündigen. Die das fieberhafte Händchen des Kindes erfassende Hand der Gräfin sagt es uns deutlich. Und daß von Krankheit die Rede sey, zeigt die sorgsam übergebogene, auf das Kind pflegsam hinblickende Stellung der Wärterin. Die im Hintergrund sichtbare Kapelle und der aus fernem Waldrücken aufqualmende Rauch des Eisenhammers deutet auf den Gegenstand der Unterredung und auf das, was weiter kommen wird. – Auch unsere Vorfahren kannten den sogenannten Drudenfuß, oder das Pentagramm, jenes in zwei Dreiecken verschlungene Zeichen der pythagorischen Hygiea, des Symbols der Gesundheit und der Heilkunst, welches in ältern und neuern Zeiten Stoff zu so vielen Muthmaßungen, ja zu ganzen Abhandlungen gegeben hat.[1] Es war ein glücklicher Gedanke unsers kenntnißreichen Malers, gerade dieß klassische Heilszeichen unten an der Fußseite der Wiege zugleich mit dem Zeichen des Kreuzes, durch dessen Anschauen jeder Kreuzesweg zum Lichtweg wird, so anspruchslos, als sey es eine bloße Verzierung, mit einander zu vermählen.

Das am reichsten und mit sichtbarer Vorliebe ausgestattete ist das

Fünfte Blatt


die Scene in der Kapelle, wo Fridolin, als Sakristan, ministrirt, während der Priester

Den Gott, den gegenwärt’gen, zeigt
Mit hocherhobner Hand.

Alles ist in Andacht niedergesunken. Man mag es darum dem Künstler, der auf diese Wirkung hinarbeitet, gern nachsehen, daß er die anbetende Gemeinde sich in größerer Zahl hier versammeln ließ, als um die Erntezeit zu vermuthen wäre. Aber Lahme und verkrüppelte Alte, die im Hintergrund eintreten, sollen beten, während die rüstigere Manns- und Jugendkraft arbeitet. Besonders interessirt eine Gruppe von Landleuten, Vater, Mutter, Kind, die an den innersten Schranken des Altars niedergeknieet sind. Man hat es immer als einen Zug reiner Naivetät in dem herrlichen Bilde von Holbein auf der Dresdner Gallerie mit Recht angeführt, daß indem der Bürgermeister Meyer in Basel mit seiner ganzen Familie, Frau, Söhnen und Töchtern, in unaussprechlicher Inbrunst vor der Hochgebenedeiten knieen und beten, das jüngste Knäblein der Familie allein in harmloser Kindheit noch nicht bei der Sache ist und auf andere Gegenstände seine Aufmerksamkeit zu richten scheint. Eine ähnliche Idee hat Retzsch in dem kindischen Staunen des Knaben ausgedrückt, welcher von der fremdartigen Erscheinung des Ministranten angezogen wird. Das

Sechste Blatt


zeigt uns das ganze Kunstvermögen des Künstlers durch die kräftigste Gruppirung, womit die Mordknechte den in seine eigene Grube stürzenden Bösewicht in den Glutofen schleudern. Beschauer, die wenigstens das jüngste Gericht in der Sixtina von Metz gezeichnet sahen, werden sich an eine ähnliche Gruppe erinnern. Dennoch dürfen wir aus genauer Bekanntschaft mit unserm erfindungsreichen Maler wohl versichern, daß er jene weder kannte noch nachahmte. Die Waldteufel und die Höllenteufel befreunden sich freilich in derselben Handlung. – Der lärmvolle Auftritt lockt mehrere Zuschauer herbei, die mit den beiden in Handlung gesetzten Knechten von gleicher Natur sind. Die höllische Schadenfreude dieser cyclopischen Gesellen thut sich uns erst im


  1. Bekanntlich hat schon der große Alterthumssammler Janus Meursius in seiner im 5ten Band des Gronovischen Thesaurus befindlichen Abhandlung, denarius Pythagoricus betitelt, über das Pentagramm alle Stellen der Alten angeführt.