Seite:Adler - Die berühmten Frauen der französischen Revolution - 229.jpg

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Not und Elend zu lindern, ohne bei den Armen das peinliche Empfinden des Beschenktwerdens zu erwecken. Sie nahm Sophie immer mit, wenn es galt, Armen zu helfen und der Not ins Angesicht zu blicken.

Als der Winter sich einstmals sehr hart anliess, ging sie mit Sophie und ihren anderen Kindern in den Wald und banden Reisigbündel, die sie dann in die Hütten trugen. Oder sie bereiteten selbst Brot für alle Armen der Umgebung und Suppen für die Kranken. All’ dies geschah in so grossem Masstabe, kostete sie so viel Zeit und Mühe, dass es der sonstigen, bequemen Wohltätigkeit der Reichen gar nicht glich und auch den bitteren Beigeschmack der Philantropie nicht hatte. Sie begnügten sich nicht damit zu schenken, sie suchten auch die Menschen zu trösten, zu belehren und bemühten sich, ihre Menschenwürde zu schonen. Der Eindrück davon blieb Sophie fürs ganze Leben. Noch viele, viele Jahre darnach schrieb sie ihrer Mutter, wie sehr sie ihr danke, dass sie sie unterwiesen habe, Not, Elend und Krankheit gern zu lindern, wie sie durch die dankbaren Blicke der Unglücklichen gelernt habe, das Glück zu empfinden, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen.

In Frankreich existierten zur Zeit des Ausbruches der Revolution viele adelige Damenstifte. Es war Sitte, dass junge Mädchen aus diesen Kreisen eine Zeitlang dort lebten, um sich weiter zu bilden, oder sich ganz dem Stande der Nonnen zu weihen.

Sophie war sehr ungern dort, es überkamen sie Anfälle von Melancholie in diesem düstern, klösterlichen Leben, fern von all den Ihren und dem freien, ungebundenen Landleben. Wie froh war sie, wieder nach Hause zu kommen! Aber welche Veränderung war in diesen 20 Monaten in ihr vorgegangen.

Als sie in das Damenstift von Neuville fuhr, las sie nur fromme Bücher, bei ihrer Rückkehr war sie ungläubig geworden, Voltaire und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller!