Seite:Adolf von Stählin - Das landesherrliche Kirchenregiment.pdf/27

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Zucht zu stellen gesonnen war, was ja nach seiner Anschauung, die nie den volkspädagogischen Charakter der Kirche verleugnete, nach der Richtung der Zeit und nach hundertjähriger Tradition, nach welcher auch bei verhältnißmäßig reinerer Kirchengründung nie ein Freiwilligkeitsprinzip im modernen Sinne für letztere den Ausschlag gab, nicht anders möglich war; hiemit aber zugleich die Bildung engerer Kreise aus lebendigen vollbewußten Christen erstrebte. Der Unterschied von einem früheren und späteren Luther hat immer etwas Mißliches; hier aber würde diese Unterscheidung zu den härtesten Selbstwidersprüchen in der Sache, in der Anschauung und Verfahrungsweise Luther’s führen; während gerade jene im Vorworte zu der deutschen Messe und in einzelnen Briefen geäußerten Ideen davon zeugen, daß Luther bei seinen von dem Charakter des Volkskirchenthums beherrschten Verfassungsgedanken nie das evangelische Glaubensprinzip, von dem er bei seinem ganzen reformatorischen Wirken ausging, verleugnete. Die Kirche blieb ihm so sehr wesentlich Gemeinde der Gläubigen, daß er diesem Gedanken auch unmittelbaren, so zu sagen greiflichen Ausdruck zu geben bemüht war. Dieses Streben scheiterte aber nicht blos an der Verkommenheit der Gemeinden, sondern zugleich wohl an der Schwierigkeit der Sache selbst; in der deutschen Messe hat Luther von ihm auch nur mit dem größten Vorbehalt gesprochen. Auch abgesehen hievon einen Widerspruch in dem Verfahren Luther’s zu sehen, geht doch nur dann, wenn man in den für Kirchenbildung von Luther eingeschlagenen Wegen das System des Territorialismus und ein Verfahren des Zwangs erblickt; aber in beidem thut man Luther’n unrecht. Manche seiner brieflichen Aeußerungen mögen territorialistisch lauten, seine eigentliche Meinung, wie sie in dem Vorwort zu den Visitationsartikeln, diesem die schöpferischen Grundgedanken lutherischer Kirchenverfassung enthaltenden Documente, klar zu Tage liegt, war vom Territorialismus so ferne als nur immer möglich. Wenn Capito etwa schreibt: qui princeps est idem pastor est, idem pater, idem caput ecclesiae in terris externum, so mag man dieß Territorialismus nennen; bei den deutschen Reformatoren kommt dergleichen nicht vor. Was das andere betrifft,