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Organe waren übrigens das Evangelium selbst, und weil dieses so auch die „rechten Bischöfe“, die schöpferischen Persönlichkeiten, in denen das Evangelium vor allem lebendig geworden war, die Reformatoren. Es war nicht blos ein Einfluß des Staats auf die Kirche, sondern noch vielmehr der Kirche auf den Staat, unter dem die neue Kirchenverfassung zu Stande kam. Ganz richtig sagt Ranke bei Darstellung der „Gründung evangelischer Territorien“: „Man würde sich durch den Schein blenden lassen, wenn man dieß so schlechtweg für einen Verlust des kirchlichen Prinzips halten wollte.“ – – „Die weltliche Macht that nichts weiter, als daß sie, durch den Reichsabschied dazu berechtigt, diesen doch offenbar geistlichen Bestrebungen Raum verschaffte sich zu entwickeln. Wollte doch niemand sagen, daß hiedurch die Kirche dem Staat ganz zu eigen geworden! Versteht man unter Kirche den Einfluß geistlicher, religiöser Prinzipien, so gelangte sie vielmehr erst jetzt dazu (a. a. O. II, S. 473 f.)“. Gewiß ist ferner, daß das ganze Verhältniß nicht blos unter dem Drange äußerer Entwicklungen entstand, sondern auch eine prinzipielle, von den Reformatoren mit allem Nachdruck vertretene Seite hatte.

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 Man muß zugeben, daß die Lehre der Reformatoren über das Verhältniß von Kirche und Staat an Reinheit und Wahrheit alles übertraf, was bisher in der Kirche vorhanden war. Allein der Blick auf frühere Entwicklungen kann zu einem wahrhaft gerechten und billigen Urtheil über unsere Verfassungsformen führen. Niemand wird sagen, daß der Episkopat oder gar der Papat aus dem Wesen der Kirche allein hervorgewachsen; auch dem ersteren waren schon von Anfang und dann im Verlauf immer mehr Elemente unevangelischer Natur beigemengt. Das Verhältniß von weltlicher und geistlicher Gewalt war ferner fort und fort ein unklares. Die apostolischen Constitutionen setzen die Bischöfe über alle Könige und Machthaber; Kaiser Justinian setzt in der Vorrede zur sechsten Novelle das Imperium über das Sacerdotium. Es war ein beständiger Kriegszustand zwischen beiden Gewalten. Im Orient führte er zu entwürdigender Knechtschaft der Kirche und zu einem Religionsdespotismus ohne gleichen; im Occident zu päbstlicher