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ihres Prinzips werden muß. Aber das ist doch klar, daß bei einer neu sich bildenden freien Volkskirche das Bekenntniß eine etwas andere Stellung, zunächst wenigstens, einnehmen muß als in unseren wenn auch lutherischen Landeskirchen. Es muß mit einer größern Enge und Ausschließlichkeit geltend gemacht werden. Auch die allgemein gläubigen Elemente, auch die ferner Stehenden müssen nun sichere Position demselben gegenüber einnehmen. Stets wird die Stellung zum Bekenntniß von Seiten des Einzelnen eine verschiedene sein, während die Kirche das Bekenntniß im Ganzen und für das Ganze festhalten muß. Unter den gewaltigen kirchlichen Gegensätzen der Zeit wird es nun aber bei einer Neubildung nicht blos zur Geltendmachung dieser Verschiedenheit kommen müssen, sondern auch zur Scheidung und Entscheidung dem Bekenntniß gegenüber. Wenn nun das gesammte Bekenntniß der lutherischen Kirche nach seinem thetischen und antithetischen Inhalt als Basis hingestellt wird, da werden der frei, offen, rückhaltslos Bekennenden nicht allzuviele sein. Die andern, die nicht Muth und Freudigkeit zu solchem Bekenntnisse haben, werden ja um dessentwillen nicht kirchenlos – es thut eine andere Kirche ihnen ihr weites Thor auf; alle pseudoprotestantischen Elemente werden sich zusammenfassen und ihre Propaganda bei der großen Halbheit, Unklarheit, Unreife in religiösen Dingen auch auf Seiten Bessergesinnter nicht erfolglos eröffnen; sektirerische Bestrebungen, an denen es bisher schon nicht gefehlt hat, werden dazukommen, und treue Seelen ablocken, kurz unsere Kirchen werden gewaltig gelichtet werden; frei mögen sie werden, aber Volkskirchen in des Wortes bisherigem Sinne zu sein werden sie aufgehört haben.

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 Es ist ja unleugbar, daß die Kirche in ihrem bisherigen Verhältniß einen doppelten Einfluß hatte auf das Volksleben, einen unmittelbaren und einen mittelbaren, einen unmittelbaren durch ihr Wort und Sakrament, einen mittelbaren eben durch ihre Verbindung mit dem Staate. Durch letztere stand die Kirche nicht blos in einem Abhängigkeitsverhältniß zu jenem, sondern hatte auch einen nicht hoch genug anzuschlagenden Einfluß auf denselben, was freilich diejenigen übersehen, welche immer nur an die Schattenseiten