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der bisherigen kirchlich staatlichen Verbindung sich halten und die Verhältnisse überhaupt nicht kennen. Der Staat würde in manchen Dingen längst dem Andringen der öffentlichen Meinung, den auf möglichste Entkirchlichung des Volkslebens ausgehenden Bestrebungen erlegen sein, wenn die Kirche, durch ihre öffentliche Stellung dadurch berechtigt, ihm nicht das Gewissen geschärft hätte. Stahl hat deshalb ganz Recht, wenn er a. a. O. S. 234 sagt, daß das landesherrliche Kirchenregiment in unserer Zeit eine Sicherung ist gegen die große Gefahr einer Trennung von Kirche und Staat. Andererseits ist es unwiderleglich, daß der Kreis derjenigen, auf welche die Kirche durch ihr Amt unmittelbar einzuwirken vermag, in dem Maße sich verengern würde, als die Bande zwischen Kirche und Staat durchschnitten würden. Man darf nicht sagen, daß die Kirche ja Volkskirche war ehe sie Staatskirche geworden ist, und also auch wieder Volkskirche werde sein können, ohne Staatskirche zu sein. Man vergißt dabei, daß mit der Staatskirche nicht blos das staatliche Band der Kirche fällt, sondern alle die mannichfachen Bande geschichtlichen Herkommens, traditioneller Zusammengehörigkeit, welche mit dem Landeskirchenthum gegeben waren, in Frage gestellt werden, daß in die staatsfreie Kirche das Freiwilligkeitsprinzip als eine auflösende und zertrennende Macht eindringen wird. Und zwar werden sich nicht blos die offen widerkirchlichen Elemente trennen, sondern auch in die gläubigen oder doch im Allgemeinen kirchenfreundlichen Elemente kann und wird wahrscheinlich die Scheidung eindringen. Man schließe nicht hieraus, daß unsere Landeskirchen also bisher durch Zwang und Gewalt zusammengehalten worden sind. Zwischen diesen und dem abstrakten Freiwilligkeitsprinzip gibt es eben noch ein drittes, die Macht des geschichtlichen Herkommens, die neben der einigenden Macht des Bekenntnisses von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Das volkskirchliche Prinzip wird freilich unsere Kirche nie aufgeben, das besitzt sie schon durch die Kindertaufe; nie wird unsere Kirche einem Individualismus huldigen wie etwa eine Darbysten-Gemeinschaft oder eine Genfer Freikirche, obwohl letztere bereits aus einer Gemeinde von Gläubigen und Bekehrten zu einer