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praktische Erfahrung so vertraut ist wie nicht leicht ein anderer, Oberkirchenrath Dr. Mühlhäuser, sagt in dem trefflichen Schriftchen: Staatskirche, Volkskirche, Freikirche S. 20 nicht mit Unrecht: „Von allen den modernen Ideen aber, mit denen der Liberalismus zu experimentiren bemüht ist, kenne ich, abgesehen von der Idee der Staatsomnipotenz, keine so verkehrte und verderbliche als die der Trennung von Kirche und Staat.“ Was versteht man denn unter Trennung von Kirche und Staat insgemein? Zunächst offenbar die Trennung des Staats von allen kirchlichen und wahrhaft religiösen Prinzipien, die Herstellung des abstrakten Rechtsstaats oder des religionslosen Humanitäts- und Culturstaats. Und sodann: die Trennung der Kirche von ihrer eigenen geschichtlich positiven Basis, die Umwandlung, Zersetzung, Demokratisirung der Kirche nach der politischen Schablone, eine Verselbständigung der Kirche, da sie in Wahrheit nur ein Annexum und gefügiges Werkzeug eben jenes von positiven religiösen Prinzipien losgelösten Staates geworden ist. Wahrscheinlich würde man im Falle der Durchführung dieser Idee der Trennung von Kirche und Staat bei uns nicht etwa zu amerikanischen Zuständen gelangen; man würde auch staatlicherseits für die Zukunft eine gewisse Form von Kirchenthum und Religion beibehalten wollen. Es ist eine feine, wahre Bemerkung von Zezschwitz’s: Katechetik I, 725: „Gerade als eine Frucht der Restauration, die dem Jahre 1848 gefolgt ist, wird man es ansehen können, daß die Staaten der Zukunft eine öffentliche Religionsübung alle Zeit in ihrem Interesse finden werden.“ Mit andern Worten, wenn die lutherische Kirche jetzt aus ihrer öffentlichen Stellung zurücktreten würde, so würde sie höchst wahrscheinlich einfach den Protestantenverein in dieselbe einrücken sehen müssen. Denn eine sogenannte positive Union hat bei uns im Volke wenig oder keinen Boden.

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 Man verstehe uns nicht falsch. Es ist allerdings möglich, daß die lutherische Kirche in nicht zu langer Zeit genöthigt ist, selbst das Band zu lösen, das sie bislang an den Staat knüpfte. Wenn die bisherige Verfassung von welcher Seite nur immer dahin mißbraucht werden sollte, sie zur Verleugnung ihrer selbst als Bekenntnißkirche